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22. März 2006
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1.
Sozialtarifvertrag statt Sozialplan -
ein Schritt zur europäischen Normalität
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Der Streik in
Nürnberg ist vorbei
46
Tage lang wurde das AEG-Hausgerätewerk in Nürnberg
bestreikt. Seit 1994 gehört es zum schwedischen Konzern
Electrolux, der jetzt die Produktion nach Polen verlagern will. Obwohl
Betriebsrat und IG Metall unbezahlte Mehrarbeit und die Streichung
mehrerer Hundert Arbeitsplätze angeboten hatten,
verkündete die zentrale Leitung in Stockholm am 12. Dezember
2005 die Schließung des kompletten Werkes mit 1.750
Beschäftigten zum Jahresende 2007. Ziel des Streiks war der
Abschluß eines Haustarifvertrages über die sozialen
Folgen der Werksschließung. Über den
Europäischen Betriebsrat waren bereits im Juli 2005
Kundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern gegen die
Umstrukturierungspläne organisiert worden, im Oktober 2005
fand ein europaweiter Protesttag an den Electrolux-Standorten in sieben
Ländern statt. Am 28. Februar 2006 wurde nun ein Ergebnis
erzielt.
Eine
ähnliche Situation gilt für die CNH
Baumaschinen GmbH in Berlin, wo seit 21. Februar 2006
gestreikt wird. Das Werk gehört seit 1998 zum Fiat-Konzern und
schreibt schwarze Zahlen, dennoch sollen die Fertigung nach Italien
verlagert und 500 von 590 Beschäftigten entlassen werden. Auch
Infineon in München erlebte im
Oktober 2005 einen einwöchigen Streik für einen
Sozialtarifvertrag, ebenso wie er Chipkartenhersteller Giesecke
& Devrient am Tegernsee im November 2005.
Vor
wenigen Jahren wären diese Konflikte im Rahmen eines
Sozialplanes über die Einigungsstelle gelöst worden.
Die neue Strategie der IG Metall umgeht jedoch die Fesseln der
Betriebsverfassung und beruft sich auf die Tarifautonomie. Der
Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters,
begründet dies in einem Interview damit,
"... weil Belegschaften alleine oft keine
ausreichende Augenhöhe mehr zur Unter-nehmensleitung
erreichen. Die größere Öffnung der
Tarifverträge bietet Risiken für uns, aber auch
Chancen: Der betriebsnähere Ansatz führt dazu,
daß den Belegschaften sehr viel deutlicher wird, was der Wert
eines Tarifvertrags ist - und daß sie sich auch selbst darum
kümmern müssen."
Ergebnis eines europäischen Lernprozesses?
Gerade
bei Diskussionen im Europäischen Betriebsrat
ruft die deutsche Mitbestimmung mit ihrer Friedenspflicht immer wieder
gewisse Irritationen hervor. Eine solche Einschränkung von
Handlungsmöglichkeiten kennen Delegierte aus den meisten
anderen Ländern nicht. Selbst nach Kündigung einer
Betriebsvereinbarung endet in Deutschland die Friedenspflicht nicht,
sie gilt zeitlich unbegrenzt und umfaßt
alle betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbereiche ohne
Ausnahme. Deutsche Vertrauensleute haben keine
Verhandlungsvollmacht gegenüber dem Arbeitgeber - einer der
wichtigsten Unterschiede zu den angelsächsischen,
skandinavischen und den Mittelmeerländern. Während z.
B. in Frankreich das Streikrecht als individuelles
Menschenrecht gilt, das weder vom Arbeitgeber noch von einer
Gewerkschaft oder dem Staat beschnitten werden darf,
verstoßen einige Merkmale der deutschen Friedenspflicht sogar
gegen die Sozialcharta des Europarates. Gerhard Rohde
von der Europäischen Gewerkschaftsföderation UNI
stellt fest: "In einigen Ländern betrachtet man die deutsche
Mitbestimmung gar als eine Entwertung der Gewerkschaften."
Rückendeckung durch das Grundgesetz
Die
neue Strategie der IG Metall, bei harten betrieblichen Konflikten auf
das Instrumentarium der Mitbestimmung zu verzichten und auf die Wurzeln
- nämlich die Tarifautonomie - zurückzugreifen, wird
juristisch gedeckt. So wies der ehemalige Präsident des
Bundesarbeitsgerichts, Prof. Dr. Thomas Dieterich, in einem Vortrag am
12. Januar 2006 bei den "Bitburger Gesprächen" auf den klaren
Vorrang der Tarifverträge vor Betriebsvereinbarungen
hin – und damit auch auf das Recht,
Sozialtarifverträge zu erstreiken. Das Hessische
Landesarbeitsgericht wies am 2. Februar 2006 eine Klage des
Arbeitgeberverbandes Nordmetall gegen die IG Metall zurück. Es
bestätigt ausdrücklich die
Rechtmäßigkeit von Streiks bei
Betriebsänderungen und stellt damit die Tarifautonomie als
Verfassungsrecht über die Mitbestimmung. Das Urteil bringt
Deutschland näher an die europäische
Normalität heran. Der Rechtsstreit ging zurück auf
eine Auseinandersetzung im Werk Kiel der Heidelberger Druckmaschinen AG
im Jahre 2003.
Die Renaissance des Gewerkschaftssekretärs
im Betrieb
Die
Vorherrschaft der Betriebsräte gegenüber
Gewerkschaftsorganen ist in Deutschland schon nach dem Ersten Weltkrieg
festgeschrieben worden - auch Bestrebungen in den Jahren nach 1968
haben daran nichts geändert. Steht nun mit der Anpassung an
die europäische Normalität auch das Gefüge
der betrieblichen Interessenvertretung insgesamt vor einer
Neudefinition? In Ländern wie Frankreich, Spanien oder Belgien
gibt es keine Mitbestimmung im deutschen Sinne,
dort werden seit jeher alle betrieblichen Fragen im Rahmen der
Tarifautonomie geregelt. Zu diesem Zweck verfügen betriebliche
Gewerkschaftsdelegierte (= Mitglieder der betrieblichen
Tarifkommission) über abgesicherte Rechte vergleichbar einem
Betriebsratsmitglied. Da es für sie in Deutschland weder
Freistellungsansprüche noch Schutzrechte gibt, werden
hierzulande meist Betriebsratsmitglieder (allerdings nicht in dieser
Funktion) und hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre berufen.
Letztere erleben mit der Zunahme von Haustarifverträgen eine
Stärkung ihrer Position im betrieblichen Gefüge.
Gewerkschaftsvertreter sind nicht mehr nur Berater und
Unterstützer des Betriebsrates, sondern übernehmen
ganz offiziell eine Verhandlungsrolle gegenüber dem
Arbeitgeber, was für die meisten EU-Länder immer
schon galt.
Südkoreanischer
Konzern entzieht sich seiner Verantwortung
Im
Aachener Glaswerk von LG.Philips Displays, einem Joint Venture der
Elektronikunternehmen Philips (Niederlande) und LG Electronics
(Südkorea),
war bereits ein Sozialplan für die 400 Beschäftigten
mit dem Betriebsrat vereinbart worden. Durch Antrag auf
Gläubigerschutz entzog sich das Unternehmen jedoch den damit
verbundenen Kosten. Neben der Glasfabrik in Aachen beantragte auch das
Werk Eindhoven (350 Beschäftigte) am 27. Januar 2006
Insolvenz. Die übrigen Standorte in den Niederlanden sowie in
Großbritannien und Polen sind davon nicht betroffen, somit
bleiben 85% der Fertigungskapazität von LG.Philips Displays
für die Eigner erhalten. "Wir bedauern dieses Ergebnis sowie
die schmerzlichen Auswirkungen, die diese Anträge auf unsere
geschätzten Mitarbeiter haben werden", schreibt die
zentrale Leitung. Erst nachdem die Belegschaft mehrere Tage lang das
Werksgelände in Aachen blockiert hatte, stellte Philips 13
Mio. € zur Verfügung. Vom zweiten Mutterkonzern LG
Electronics ist jedoch nichts dergleichen zu vernehmen.
Europäischer
Betriebsrat von GM will
europaweite Standortverhandlungen
General Motors
hatte vor einem Jahr seinen Tochtergesellschaften Opel und Saab ein
umfassendes Restrukturierungsprogramm verordnet. Insgesamt fielen
12.000 Arbeitsplätze weg - fast ein Fünftel der
Belegschaft. Der größte Teil des Stellenabbaus
erfolgte über Altersteilzeit und Abfindungen. Im Gegenzug
für diese Zugeständnisse der Arbeitnehmervertretungen
verzichtet das Unternehmen bis 2010 auf Werksschließungen.
Um sich beim Standortwettbewerb
nicht
gegeneinander ausspielen zu lassen, unterzeichneten die
Arbeitnehmervertreter aus allen europäischen Werken am 13.
Dezember 2005 in Rüsselsheim ein
"Europäisches Solidaritätsversprechen". Es
enthält zehn Grundsätze, die vom EBR gemeinsam mit
dem Koordinierungskomitee General Motors des Europäischen
Metallgewerkschaftsbundes (EMB) ausgearbeitet wurden. Im Februar 2006
zeichnete sich ab, daß der tiefste Einschnitt in der
Nachkriegszeit offenbar noch nicht ausreicht: die Konzernleitung
brachte die Schließung eines Standortes ins
Gespräch. Für den Europäischen Betriebsrat
sind jedoch "Werksschließungen oder eine ungleiche
Produktionsverteilung zwischen den Standorten nicht zu akzeptieren".
Laut Handelsblatt
vom 13. März 2006 will der EBR Verhandlungen über die
Produktionsstandorte innerhalb der europäischen
GM-Organisation zentral führen. "Wenn sich das Management
dieser Forderung verweigern sollte, werden wir notfalls auch zum Mittel
des Streiks greifen, um unsere Interessen zu wahren“, so der
EBR-Vorsitzende Klaus Franz.
Um
die Benachteiligung einzelner Standorte zu
vermeiden, wurde im
Dezember 2005 das Projekt GMEECO ("Requirements and Perspectives of
the General Motors Europe
Employees Cooperation")
gestartet. Ziel ist die Erarbeitung einer solidarischen transnationalen
Rahmenvereinbarung des EBR unter wissenschaftlicher Begleitung.
Ermöglicht werden soll damit auch ein konstruktiver Beitrag
zur Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns unter Beachtung
betrieblicher, regionaler und sozialer Aspekte. Das Projekt GMEECO ist
über General Motors hinaus beispielgebend
für die europäische Automobilindustrie und
wird wegen seines innovativen Charakters mit einem
überdurchschnittlich hohen Zuschuß von der
Europäischen Kommission gefördert. Entwickelt hat es
die Hamburger Beratungsgesellschaft IKS unter Beteiligung von
Arbeitnehmervertretungen in Deutschland, Belgien,
Großbritannien, Schweden und Polen, mehrerer
Metallgewerkschaften aus diesen Ländern und dem
GM-Koordinierungskomitee des EMB.
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2.
Das Fusionsfieber in der EU steigt
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Ringen
um Arcelor
Die beiden
größten Stahl-hersteller der Welt stehen
möglicherweise vor einer Verschmelzung. Würde die
feindliche Übernahme von Arcelor durch den
indisch-amerikanischen Konzern Mittal Realität, so
wäre der neue Konzern dreimal größer als
der nächste Konkurrent. Mittal hat seit der 2005 erfolgten
Übernahme des größten US-amerikanischen
Stahlherstellers 194.000 Beschäftigte. In Deutschland kaufte
Mittal 1995 die Hamburger Stahlwerke und 1997 das Stahlwerk
Duisburg-Ruhrort. Einen Europäischen Betriebsrat gibt es bei
Mittal seit 2001.
Arcelor mit seinen 94.000
Beschäftigten ist durch die Fusion der Konzerne ARBED
(Luxemburg), Aceralia (Spanien) und Usinor (Frankreich) im Februar 2002
entstanden. Im Zuge der Fusion wurden auch die Europäischen
Betriebsräte zusammengelegt: bei ARBED gab es seit 1996 einen
EBR und Usinor hatte bereits 1994 ein deutsch-französisches
Verbindungskomitee gebildet, das 1996 auf weitere Länder
ausgedehnt wurde. Zum Konzernverbund von Arcelor gehören in
Deutschland die Stahlwerke Bremen und EKO Stahl in
Eisenhüttenstadt.
Arcelor
gilt in Gewerkschaftskreisen als Vorbild für einen
außerordentlich hohen Standard an Mitwirkung der
Arbeitnehmervertreter in einem multikulturellen Umfeld, sowohl auf
Betriebsebene wie im Europäischen Betriebsrat als auch auf der
Ebene des Verwaltungsrates. Erst im September 2005 hatte sich das
Unternehmen in einem Rahmenabkommen mit den Gewerkschaften zur
Einhaltung weltweit gültiger Mindeststandards verpflichtet
(wir berichteten hierüber in den EBR-News 3/2005).
Der Generalsekretär des Europäischen
Metallgewerkschaftsbundes (EMB), Peter Scherrer, sprach in einer
Presseerklärung am 31. Januar 2006 von einer "wirklichen
europäischen Gesellschaft" und erteilte jeder Form von
feindlicher Übernahme eine Absage. Die IG Metall will weder
für den einen noch für den anderen Konzern Partei
ergreifen. Sie hat daher einen Eckpunktekatalog
vorgelegt, an dem sie beide Konzerne messen will. Mitte Februar 2006
verständigten sich die Betriebsräte beider Konzerne
und die IG Metall darauf, von Arcelor und Mittal ein
überzeugendes Investitionskonzept, den Verzicht auf
Standortschließungen und den Erhalt der Montanmitbestimmung
zu fordern.
Noch
vor Bekanntwerden der
Fusionspläne hatten sich am 14. und 15. September 2005
Betriebsräte der deutschen Arcelor-Standorte in Bremen zu
einer Tagung getroffen. Themen waren die mögliche
Umwandlung von Arcelor in eine Europäische Aktiengesellschaft,
die strategische Ausrichtung der EBR-Arbeit sowie eine
betriebswirtschaftliche Studie der französischen
Beratungsgesellschaft Groupe Alpha, vorgestellt von Prof. Dr. Heinz
Bierbaum vom Saarbrücker INFO-Institut.
Großfusion
in der französischen Energiebranche
Im
Februar 2006 wurde bekannt,
daß der Versorgungskonzern Suez (160.000
Beschäftigte) zur Abwehr einer feindlichen Übernahme
aus Italien mit dem Energiekonzern Gaz de France (53.000
Beschäftige) fusionieren wird. Die Verschmelzung soll zum
Jahresende 2006 wirksam werden, sie hat eine ähnliche
Dimension wie seinerzeit das Zusammengehen von VEBA und VIAG und
später der Ruhrgas in Deutschland zur E.ON. Mit Bekanntgabe
der Fusionspläne wurden auch die Europäischen
Betriebsräte der beteiligten Unternehmen informiert.
Der EBR-Lenkungsausschuß
von Suez wurde auf einer außerordentlichen Sitzung
am 28. Februar 2006 in Paris vom Vorstandsvorsitzenden aus erster Hand
informiert. Die Arbeitnehmervertreter gaben aber zunächst noch
keine Stellungnahme ab und diskutierten am 14. März 2006 in
Paris mit ihren betriebswirtschaftlichen Sachverständigen der
Groupe Alpha die Auswirkungen der Fusion. Für den EBR sind
neben einer Arbeitsplatzgarantie auch die Beibehaltung der
Arbeitnehmerbeteiligung im Verwaltungsrat von besonderer Bedeutung. Im
letzten Jahr hatte die zentrale Leitung angekündigt, Suez in
eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) umwandeln zu wollen.
Der EBR hatte daraufhin bei seiner letzten Plenumssitzung im Oktober
2005 in Budapest eine Schulung zu diesem Thema durchgeführt,
um sich auf die Verhandlungen vorzubereiten. Als Folge der
beabsichtigten Fusion wird dieses Projekt jedoch vorerst
zurückgestellt.
Suez verfügt
über einen sehr engagierten Europäischen Betriebsrat,
der bereits 1995 errichtet wurde. Er befaßt sich mit Fragen
der Arbeitssicherheit, der Gleichberechtigung und der beruflichen
Weiterbildung im Konzern und hat hierzu eigene Arbeitsgruppen
gegründet, die sich mehrmals jährlich zu eigenen
Sitzungen treffen. Auch der Lenkungsausschuß des EBR tagt
weit häufiger als in anderen Unternehmen üblich.
Der erweiterte
EBR-Lenkungsausschuß von Gaz de France tagte am 1.
März 2006 in Brüssel. Die Delegierten kritisierten
die Fusion, weil sie gegen frühere Zusagen der
französischen Regierung verstoße, wonach 70% der
Kapitalanteile bei der öffentlichen Hand verbleiben sollten.
Da von einem funktionierenden Binnenmarkt für Strom und Gas
noch lange nicht gesprochen werden könne, sei von der Fusion
keine positive Wirkung für Investitionen und
Arbeitsplätze zu erwarten. Der Europäische
Betriebsrat von Gaz de France war im Jahre 2001 gegründet
worden.
Noch im November
2005 hatte der
Europäische Gewerkschaftsverband für den
Öffentlichen Dienst (EGÖD) bei einer Konferenz in
Brüssel Fragen der Energiepolitik im Binnenmarkt für
Elektrizität und Gas diskutiert und auf diese Probleme
hingewiesen (siehe Bericht
in den EBR-News 4/2005). Vor dem Hintergrund der geplanten
Fusion rufen die französischen Gewerkschaften für den
23. März 2006 zu einem nationalen Aktionstag in der
Energiebranche auf.
Übernahmeschlacht
auch in Spanien
Ebenfalls im Februar 2006 wurde
bekannt, daß der deutsche Strom- und Gaskonzern E.ON seinen
spanischen Konkurrenten Endesa schlucken will. E.ON ist bereits der
zweite Bewerber um Endesa, denn zuvor hatte der katalanische Versorger
Gas Natural eine Kaufofferte abgegeben. E.ON ist mit rund 80.000
Beschäftigten die Nummer eins in Europa und würde
durch die feindliche Übernahme des größten
spanischen Stromlieferanten, bei dem 27.000 Menschen arbeiten, zum
größten Strom- und Gasversorger der Welt.
Auf Initiative der spanischen Gewerkschaften
trafen sich am 28. Februar 2006 Arbeitnehmervertreter der betroffenen
Unternehmen aus Spanien, Italien und Deutschland mit dem
Arbeitsdirektor von E.ON in Brüssel. Ergebnisse dieses
Treffens wurden anschließend von der Europäischen
Föderation der Chemiegewerkschaften (EMCEF)
veröffentlicht. Auch der Europäische
Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst
(EGÖD) gab eine Presseerklärung heraus.
Zwar hat Endesa 2002 ein
internationales Rahmenabkommen über soziale Mindeststandards
mit den Gewerkschaften unterzeichnet, einen Europäischen
Betriebsrat gibt es jedoch noch nicht. Während
die Vorläuferunternehmen von E.ON bereits frühzeitig
einen EBR eingerichtet hatten (VIAG 1995 und VEBA 1996), gibt es bei
spanischen Unternehmen generell einen erheblichen Rückstand.
Nach einer Untersuchung des spanischen Gewerkschaftsbundes CC.OO.
hatten bis Ende 2004 erst acht von 56 EBR-fähigen Unternehmen
ein solches Gremium gegründet (siehe Länderbericht
Spanien in den EBR-News 1/2005). Sollte die Fusion
zustandekommen, wären nicht nur Endesa-Vertreter aus Spanien,
sondern auch aus weiteren Ländern in den bestehenden
Europäischen Betriebsrat von E.ON zu integrieren.
Übernahme bei
Industriegasen
Am 6. März 2006 wurde
bekannt, daß der deutsche Mischkonzern Linde (42.200
Beschäftigte) seinen britischen Konkurrenten BOC Group (30.000
Beschäftigte) übernehmen und damit zum
weltgrößten Lieferanten von Industriegasen
aufsteigen wird. Konsequenz dieser Fusion wird wohl der Verkauf der
Gabelstapler-Sparte sein, darunter die Still-Gruppe in Hamburg.
Bei
der britischen Gewerkschaft TGWU, die Tausende von Mitgliedern bei BOC
organisiert, löste die geplante Übernahme Sorge um
den Erhalt der Arbeitsplätze aus. Peter Booth,
Vorstandssekretär für die verarbeitende Industrie,
forderte in einer Presseerklärung von Linde weitere
Investitionen sowie Garantien für die BOC-Pensionskasse. Die
Übernahme eines derart wichtigen Teiles der britischen
Industrie durch ein ausländisches Unternehmen zeige die
Schwäche der britischen Wirtschaft.
Beide
Unternehmen hatten
bereits vor Inkrafttreten der nationalen EBR-Gesetze im Jahre 1996
einen Europäischen Betriebsrat auf "freiwilliger" Grundlage
(Artikel 13 der EBR-Richtlinie) gebildet. Im Zuge der
Unternehmensfusion wird es nun wohl auch zu einer Fusion der beiden
EBR-Gremien kommen.
Deutschland als Ziel
für Inshoring
Während
sich die Verlagerung einfacher
Tätigkeiten in Niedriglohnländer fortsetzt,
entwickelt sich der Standort Deutschland im Bereich Forschung und
Entwicklung sowie bei hochtechnologischen, kapital- und
wissensintensiven Dienstleistungen zum Zielland für
ausländische Firmen ("Inshoring"). Zu diesem Ergebnis kommt
eine neue Studie der Forschungsabteilung der Deutschen Bank (DB
Research), die vor allem die hohe Qualifikation und gute Schulbildung
als Argumente nennt. Firmen wie AMD, General Electric, Honda,
GlaxoSmithKline oder Red Hat hätten zentrale Forschungs- und
Marketingfunktionen in Deutschland angesiedelt, denn der Standort habe
sich mit seinem attraktiven "Humankapital" einen Namen gemacht.
Für DB Research ist Deutschland durch die EU-Erweiterung zu
einer zentralen Drehscheibe geworden - nicht nur im hochtechnisierten
Umfeld, sondern auch bei Logistik, Transport und Lagerung. Und weil die
Infrastruktur von Autobahnen über Schienenstrecken bis hin zu
Flug und Schifffahrt global auf den vordersten Plätzen liegt.
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3. Europäische Aktiengesellschaft -
eine Rechtsform wird beliebter
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Skandinavien:
Vorreiter bei Gründung von SE-Betriebsräten
Seit Inkrafttreten des
Statuts zur Europäischen Aktiengesellschaft (SE) im Oktober
2004 wurden europaweit rund 25 Unternehmen in dieser Rechtsform
eingetragen. Außer der Strabag SE (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2005) war jedoch keines davon unter dem Aspekt der
Mitbestimmung relevant. Am 30. September 2005 wurde die erste SE
eingetragen, in der eine Vereinbarung zur Arbeitnehmerbeteiligung
ausgehandelt worden war. Alfred Berg SE, eine
Investmentbank mit Sitz in Stockholm und Niederlassungen in den
übrigen skandinavischen Ländern, ist eine Tochter der
niederländischen Bank ABN Amro. Die rund 300
Beschäftigten werden von einem fünfköpfigen
"Nordic Employee Council" (NEC) vertreten, dem zwei Mitglieder aus
Schweden und je eines aus Finnland, Norwegen und Dänemark
angehören. Neben der Finanzierung von Schulungen und
Sachverständigen hat der NEC Anspruch auf zwei
jährliche Sitzungen mit der zentralen Leitung.
Erster
SE-Betriebsrat mit deutscher Beteiligung
Von wesentlich
größerer Bedeutung ist die Umwandlung von Elcoteq in
eine SE. Der finnische Elektronikkonzern mit weltweit knapp 20.000
Beschäftigten firmiert seit dem 1. Oktober 2005 als
Europäische Aktiengesellschaft. In Deutschland hat der
Zulieferer für Nokia und Ericsson einen Produktionsstandort
mit 400 Beschäftigten in Offenburg: die Elcoteq
Communications Technology.
Zwischen Februar und August 2005 fanden in
Finnland Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung statt.
Aus Deutschland war der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des
Werkes Offenburg, Ernst Birmele (Foto), mit dabei.
Dem Ende November 2005 gegründeten SE-Betriebsrat
gehören 13 Mitglieder aus Estland, Ungarn, Finnland,
Deutschland und Schweden an. Die Niederlassung in der Schweiz ist nicht
vertreten. Obwohl sich ein großer Teil der Belegschaft in
Finnland befindet, haben die finnischen Gewerkschaften zugunsten der
übrigen Länder auf Mandate verzichtet. Das Plenum des
SE-Betriebsrates tagt zweimal jährlich für mehrere
Tage, zusätzlich kann der engere Ausschuß viermal
pro Jahr eigene Sitzungen durchführen. Die SE-Vereinbarung
sieht auch einen Schulungsanspruch - insbesondere für
Sprachkurse - vor. Im Gegenzug für diese weitgehenden
Zugeständnisse hat die Arbeitnehmerseite auf eine Beteiligung
im Verwaltungsrat der SE verzichtet. Eine solche Beteiligung auf der
Ebene der Holding war zuvor im finnischen Recht auch nicht vorgesehen.
Wir haben bei Ernst Birmele genauer nachgefragt.
In einer weiteren Europäischen
Aktiengesellschaft wurde am 30. Januar 2006 eine Vereinbarung zur
Arbeitnehmerbeteiligung abgeschlossen. Im Metallunternehmen
Plansee mit Sitz in Reutte (Tirol) wird es zukünftig
eine Drittelbeteiligung im Verwaltungsrat geben,
dort sitzen neben drei Arbeitgeber- auch zwei Arbeitnehmervertreter.
Anders als in Österreich üblich ist damit die
Trennung in Vorstand und Aufsichtsrat aufgehoben. Die Plansee-Gruppe
mit ihren Standorten in Frankeich, Schweden und
Großbritannien hat allerdings noch keinen SE-Betriebsrat
gebildet, da die Anzahl der Beschäftigten außerhalb
Österreichs gering ist (rund 6% der knapp 1.500
Beschäftigten). Dies könnte sich jedoch
ändern, wenn der deutsche Standort Lechbruck bei
Füssen erneut in die Plansee-Gruppe eingegliedert wird.
Strabag auf der
Zielgeraden
Seit 9. November 2005
verhandelt das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) mit der
österreichischen Konzernleitung der Bauholding Strabag eine
Mitbestimmungsregelung. Nachdem sich zwischenzeitlich die beteiligten
Gewerkschaften europaweit auf einen gemeinsamen Textentwurf geeinigt
haben, könnte es möglicherweise schon im April/Mai
2006 zu einem Abschluß kommen, teilte Ingo Klötzer
vom Bundesvorstand der IG BAU gegenüber den EBR-News mit.
Allianz SE jetzt beschlossene Sache
Am 8. Februar 2006 stimmten die
Aktionäre der Versicherungsgruppe Allianz der Umwandlung
in eine Europäische Aktiengesellschaft zu. Von der
europäischen Gewerkschaftsföderation UNI-Europa
Finance ist daraufhin ein gewerkschaftliches Koordinierungskomitee
("Allianz Network") gegründet worden. An der ersten Sitzung am
22. Februar 2006 in München nahmen Vertreter aus elf
Ländern teil. Aufgabe des Koordinierungskomitees wird es sein,
die am 28. März 2006 beginnenden Verhandlungen über
die zukünftige Arbeitnehmerbeteiligung in Aufsichtsrat und
SE-Betriebsrat zwischen dem Besonderen Verhandlungsgremium (BVG) und
der Konzernleitung zu begleiten. Bereits im November 2005 hatte sich
UNI-Europa Finance hierfür auf eine Verhandlungsstrategie
festgelegt.
Mit
der Umwandlung in eine neue Rechtsform sind bei der Allianz auch
erhebliche Restrukturierungen angelaufen. Zwar hat der Konzern gerade
einen Rekordgewinn von 4,4 Mrd. € verkündet, aber bei
den Arbeitsplätzen "wird eine Einschränkung kommen",
so der Vorstandsvorsitzende. Leider seien "nicht viele Mitarbeiter"
begeistert. Der Konzern will die Sach-, Lebens- und Krankenversicherung
sowie den Vertrieb in Deutschland zusammenfassen.
Will
SAP durch
Europäische Aktiengesellschaft die Mitbestimmung
einschränken?
Das
Software-Unternehmen SAP will offenbar die
Pläne zur Umwandlung in eine Europäische
Aktiengesellschaft forcieren. Hintergrund ist der aktuelle Streit um
die Gründung eines Betriebsrates. Mit rund 14.000
Beschäftigten in Deutschland, davon 80% Akademiker, ist SAP
das einzige Großunternehmen ohne Arbeitnehmervertretung.
Lediglich im Aufsichtsrat sitzen acht Vertreter der Belegschaft. Da es
am 2. März 2006 auf einer Betriebsversammlung keine Mehrheit
zur Wahl eines Betriebsrates gab, haben einige engagierte Arbeitnehmer
am 5. März 2006 beim Arbeitsgericht Mannheim beantragt, einen
Wahlvorstand für die Konzernzentrale in Walldorf und den
Standort im benachbarten St. Leon-Rot gerichtlich bestellen zu
lassen. Die Initiatoren der Betriebsratsgründung haben ihren
Schritt in einer Rundmail an die SAP-Belegschaft
folgendermaßen begründet:
"...
finden wir es wenig
überzeugend, Rechte, die uns gesetzlich zustehen, durch
Ver-einbarungen mit der Geschäftsführung zu ersetzen
... Wir sind der festen Überzeu-gung, daß der
einfachste und wirkungsvollste Weg, unsere Interessen zu vertreten, in
Deutschland der Betriebsrat ist. Wir müssen hier nicht das
gesetzliche Rad durch ver-tragliche Regelungen neu erfinden ... Aus
unserer Sicht bringt nur ein Betriebsrat die erforderliche Transparenz
und rechtliche Absicherung unserer Interessenvertretung."
Am
11. April 2006 will das
Arbeitsgericht Mannheim über den Antrag entscheiden. Nachdem
von der Konzernleitung zunächst ein Gang vor das
Bundesverfassungsgericht angekündigt worden war, um sich dem
Betriebsverfassungsgesetz zu entziehen (zumindest
vorübergehend mit aufschiebender Wirkung), will sie jetzt auf
einer erneuten Betriebsversammlung am 30. März 2006 die
Bildung eines Wahlvorstandes mit arbeitgeberfreundlichen Personen
durchsetzen.
Mit
der Umwandlung
in eine Europäische Aktiengesellschaft erhofft sich
die Konzernleitung laut Presseberichten
eine Einschränkung der Mitbestimmung. So könnten der
Konzernsitz relativ einfach ins Ausland verlegt und das
angelsächsische Modell gewählt, also Vorstand und
Aufsichtsrat durch ein einziges Gremium (Verwaltungsrat oder Board)
ersetzt werden. Selbst bei Beibehaltung des Aufsichtsrats
würde die Macht der deutschen Arbeitnehmervertreter im
Aufsichtsrat geschwächt, da auch Vertreter
ausländischer Standorte in das Gremium einziehen. Dennoch:
ganz so einfach ist der Ausstieg aus der deutschen Mitbestimmung nicht.
Der Oldenburger Arbeitsrechtler Prof. Dr. Thomas Blanke, Verfasser
eines einschlägigen juristischen
Kommentars, erklärte gegenüber den EBR-News:
"Bei
der Umwandlung in eine SE
wäre das bestehende Beteiligungsniveau in Bezug auf alle
Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung fortzuführen. Dazu
würde dann die Bildung eines europaweiten SE-Betriebsrates
gehören."
Aktuelle
Liste mit potentiellen
SE-Gründungen aus Brüssel
Neben den oben genannten
Beispielen laufen derzeit in der schwedischen Bankengruppe Nordea die
Verhandlungen über die Arbeitnehmervertretung in der
zukünftigen SE. Über ein Dutzend weitere Unternehmen
haben in den letzten Monaten öffentlich Interesse bekundet,
sich in eine Europäische Aktiengesellschaft umzuwandeln. Das
Europäische Gewerkschaftsinstitut in Brüssel
veröffentlichte am 4. Februar 2006 eine aktualisierte Liste
dieser Unternehmen: Arcelor, Braun-Melsungen, Conti, DaimlerChrysler,
EADS, Eurotunnel, Fortis, Hypo Real Estate, MAN B&W Diesel,
Mazaars, Mensch und Maschine Software AG, Neumann Partners, SEB,
TeliaSonera und die WAZ-Mediengruppe sind dort aufgeführt.
Die
Hans-Böckler-Stiftung hat kürzlich untersucht, in
welchem Ausmaß sich deutsche Unternehmen in
ausländische Rechtsformen flüchten, um der
Mitbestimmung zu entgehen. Nach Urteilen des Europäischen
Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit wird dieses Thema immer wieder
diskutiert.
Neue
Broschüre zur
Europäischen Aktiengesellschaft
Das
Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI-REHS) und die Agentur
für soziale Entwicklung (SDA) haben vor wenigen Tagen in
Brüssel eine neue Broschüre vorgestellt. Sie
enthält Beiträge zur Arbeitnehmerbeteiligung im
Aufsichts- oder Verwaltungsrat wie auch zum Umsetzungsprozeß
der SE-Gesetzgebung in 25 EU-Ländern. Sie liegt in englischer
und deutscher Sprache vor.
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4.
Europäische Betriebsräte in der Praxis
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Neue EBR-Vereinbarungen
Am
17. November 2005 konstituierte sich ein erweiterter
Europäischer Betriebsrat für Mayr-Melnhof
Karton
in Wien. Er ist bereits im Jahr 1995 gegründet worden. Das
österreichische Unternehmen
mit 7.500 Beschäftigten produziert Recyclingkarton und
Faltschachteln.
Für den Unternehmensbereich Verpackungen (Mayr-Melnhof
Packaging)
gibt es einen eigenständigen Europäischen
Betriebsrat. Der
neue
EBR-Vorsitzende im Kartonbereich kommt aus Deutschland, seine beiden
Stellvertreter aus England und Österreich. Bei den
Verhandlungen
über die neue EBR-Vereinbarung waren aus Österreich
die
Angestelltengewerkschaft GPA und die Druckergewerkschaft DJP, ver.di
aus Deutschland und Amicus aus England federführend beteiligt.
Bei der Gründung
Europäischer Betriebsräte sind schwedische
Gewerkschaften besonders rege (siehe Länderbericht
Schweden). Zuletzt wurde am 6. März 2006
für das schwedische Unternehmen Dometic eine
neue EBR-Vereinbarung unterzeichnet. Die wichtigsten Produktionsstätten des
Herstellers von Spezialkühlschränken sowie
Ausrüstungsteilen für Freizeitmobile und Boote befinden sich in Deutschland,
Luxemburg, Ungarn und in der Slowakei. Weltweit arbeiten 4.400
Beschäftigte bei Dometic. Der Inhalt der EBR-Vereinbarung deckt sich
weitgehend mit den Mindestvorschriften der EBR-Richtlinie.
Coca-Cola
verletzt EBR-Vereinbarung
Vor
der Europazentrale in Paris demonstrierten am 6. Februar 2006 Hunderte
von Beschäftigten von Coca-Cola Enterprises (CCE). Das
Unternehmen, das im Auftrag des amerikanischen Coca-Cola-Konzerns
Getränke abfüllt, legte im November 2005 für
die belgischen Niederlassungen den dritten aufeinanderfolgenden
Restrukturierungsplan vor, im Dezember 2005 folgte eine
ähnliche Ankündigung für Frankreich und im
Januar 2006 für Großbritannien. Insgesamt sind fast
400 Stellen bedroht.
Die
zentrale Leitung betrachtet diesen Arbeitsplatzabbau offenbar nicht als
grenzüberschreitende Angelegenheit, denn sie hat den
Europäischen Betriebsrat weder informiert noch konsultiert. Es
gibt auch keinerlei Verhandlungen mit den nationalen
Arbeitnehmervertretungen. Die EBR-Vereinbarung wurde 1998 nach
belgischem Recht geschlossen, der Vorsitz liegt beim Arbeitgeber. Sie
umfaßt die BeNeLux-Länder, Frankreich und
Großbritannien. Unabhängig davon gibt es seit 1998
auch einen EBR für den Coca-Cola-Konzern, der wesentlich mehr
Länder umfaßt.
Aktivitäten
über Europa hinaus
Betriebsräte
des
Elektronikkonzern Siemens aus zehn europäischen
Ländern trafen sich am 17./18. Januar 2006 mit
Arbeitnehmervertretern aus Indien und Indonesien. Das Treffen in
Niederpöcking am Starnberger See war von der IG Metall mit
Unterstützung des Internationalen Metallarbeiterbundes (IMB)
und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert worden.
Am
18. Januar 2006 wurde zwischen den
Gewerkschaften und Portugal Telecom ein weltweites
Rahmenabkommen über soziale Mindeststandards unterzeichnet.
Das Unternehmen verfügt bisher noch nicht über einen
Europäischen Betriebsrat. Auch der französische
Automobilkonzern PSA Peugeot Citroën
verpflichtete sich am 1. März 2006 in einem Abkommen mit den
Gewerkschaften und dem Europäischen Betriebsrat zur weltweiten
Achtung von sozialen Mindeststandards. Innerhalb von drei Jahren soll
ein weltweites Komitee gebildet werden, um die Einhaltung des Abkommens
zu überwachen, was als erster Schritt zur Bildung eines
Weltbetriebsrates betrachtet werden kann.
Eine Evaluierung des
internationalen
Rahmenabkommens über soziale Mindeststandards, das der
Automobilzulieferer Bosch im Jahre 2004 unterzeichnet hatte, war Thema
der Bosch-Weltkonferenz vom 15. - 17. Februar 2006
in Abstatt bei Heilbronn. Arbeitnehmervertreter aus Australien,
Brasilien, Südkorea, Südafrika und den USA tagten
zusammen mit dem 40köpfigen Europäischen Betriebsrat.
Sie einigten sich darauf, auch die Zulieferer von Bosch dahingehend zu
überprüfen, ob sie den Grundsätzen des
Abkommens entsprechen.
Deutsch-britische
EBR-Kooperation
Im
Oktober 2004 hatte ver.di
mit der größten britischen Einzelgewerkschaft UNISON
ein Kooperationsabkommen geschlossen, das die Betreuung
Europäischer Betriebsräte mit umfaßt (siehe
Bericht in den EBR-News
4/2004). Am 24. Februar 2006 fand nun in der
ver.di-Bundesverwaltung in Berlin eine Konferenz statt, an der rund 45
betriebliche und hauptamtliche Vertreter beider Gewerkschaften
teilnahmen. Dort stellte Prof. Dr. Jeremy Waddington von der
Universität Manchester seine jüngste EBR-Studie vor
(näheres hierzu in den EBR-News 4/2005),
er setzte sich vehement für mehr Bildungsangebote für
EBR-Mitglieder ein. Illustriert wurde die deutsch-britische
Zusammenarbeit am Beispiel des Europäischen Wasserforums von
RWE Thames Water (siehe auch EBR-News 4/2005).
Jan Willem Goudriaan vom Europäischen Gewerkschaftsverband
für den Öffentlichen Dienst (EGÖD)
präsentierte die EBR-Betreuung seines Verbandes.
In
einer Podiumsdiskussion wurde die Bedeutung des persönlichen
Kontakts der EBR-Mitglieder und der informellen Gespräche
hervorgehoben. Dies wiederum stößt durch die
Sprachbarrieren schnell an seine Grenzen. Neben der Notwendigkeit von
Sprachkursen wurde der Aufbau einer verbindlichen Arbeitsstruktur
direkt nach der EBR-Gründung betont. Auch ein gewisses
Beharrungsvermögen sei nötig, um rechtzeitig alle
erforderlichen Informationen von Unternehmensseite zu bekommen.
Kritisch wurde angemerkt, Europäische Betriebsräte
seien nicht nur quasi frauen- sondern auch "jugend-frei".
UNISON
und ver.di wollen zukünftig gemeinsame deutsch-britische
Workshops für EBR-Mitglieder aus der Ver- und
Entsorgungsbranche und den Sicherheitsdiensten durchführen,
Informations- und Schulungsmaterialien austauschen und ihre Strukturen
der EBR-Beratung miteinander abstimmen. Auch die regionale
Zusammenarbeit wird verstärkt. Nachdem bereits die Greater
London Region von UNISON mit dem ver.di-Bezirk Berlin/Brandenburg eine
Partnerschaft eingegangen ist, nimmt jetzt die UNISON-Northern Region
gerade Kontakt mit dem ver.di-Bezirk Niedersachsen/Bremen auf.
Erstmals gerichtliche
Auseinandersetzung über Gültigkeit einer
EBR-Vereinbarung
Am
11. Mai 2006 wird sich das
Arbeitgericht Stuttgart mit der Frage beschäftigen, ob eine
EBR-Vereinbarung nach Artikel 13 (sogenannte "freiwillige"
Alt-Vereinbarung aus der Zeit vor Inkrafttreten des deutschen
EBR-Gesetzes) immer noch gültig ist. Sollte es in diesem
Verfahren zu einem rechtskräftigen Urteil kommen,
könnte dies ein europaweiter Präzedenzfall
mit Auswirkungen auf bis zu 400 Unternehmen sein, die vor dem 22.
September 1996 eine EBR-Vereinbarung nach alter Rechtslage
abgeschlossen haben. Mit Spannung kann auch erwartet werden, ob die
Angelegenheit von der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden oder
an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verwiesen
wird. Zuletzt hatten die Luxemburger Richter im Januar 2004 in einer
EBR-Angelegenheit dem deutschen Gesamtbetriebsrat des
Speditionsunternehmens Kühne + Nagel den Rücken
gestärkt.
Der
Rechtsstreit wurde vom Betriebsrat der Stilke-Bahnhofsbuchhandlungen in
Hamburg angestrengt, der seit Oktober 2003 vergeblich versucht, die
EBR-Gründung einzuleiten. Die Muttergesellschaft von Stilke,
die schweizerische Valora-Holding, beruft sich auf eine "freiwillige"
EBR-Vereinbarung aus dem Jahre 1996, die heute auf Stilke anwendbar
sei. Von regelmäßigen EBR-Sitzungen ist darin
allerdings keine Rede. Arbeitnehmervertreter müssen sich an
ihren jeweiligen Spartengeschäftsführer wenden, der
ihnen dann schriftliche Informationen zukommen läßt.
Diese Informationen ersetzen die Gründung eines EBR.
Es handelt sich europaweit um die erste bekanntgewordene
EBR-Vereinbarung dieser Art (wir berichteten bereits in den EBR-News 1/2005).
Seine Informationsrechte aus dieser sogenannten
"EBR-Vereinbarung" mußte der Stilke-Betriebsrat sich dennoch
gerichtlich erstreiten. In letzter Minute vor Erlaß einer
einstweiligen Verfügung legte der europäische
Spartengeschäftsführer im Juli 2005 die
erforderlichen Informationen vor. Da es bisher noch nie eine
EBR-Sitzung bei Valora gegeben hat, bemüht sich jetzt die
ver.di-Bundesverwaltung um Kontaktaufnahme mit den
Belegschaftsvertretungen in den betroffenen EU-Ländern.
Bundesarbeitsgericht wird
über
Wahlanfechtung entscheiden
Wir
berichteten in den EBR-News
4/2005
über die Anfechtung der Wahl von deutschen Delegierten in den
Europäischen Betriebsrat des französischen Konzerns Schneider
Electric. Nachdem in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht
Düsseldorf im Dezember 2005 mit dem Rechtsstreit
befaßt war, ist er jetzt beim Bundesarbeitsgericht
anhängig. Dort wird die Frage zu beantworten sein, ob eine
Klage nur am Sitz der zentralen Leitung in Frankreich erfolgen kann.
Diese Grundsatzfrage spielt nicht nur für Wahlanfechtungen
eine Rolle, sondern kann jeden juristischen Schritt eines EBR betreffen.
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Unterstützung
für die EBR-Betreuer der chemischen Industrie
Seit
Oktober 2005 ist Peter Kerckhofs für die
Koordination der EBR-Arbeit der Europäischen
Föderation der Bergbau-, Chemie- und Energiegewerkschaften
(EMCEF) in Brüssel zuständig (wir berichteten in den EBR-News 4/2005).
Newsletter-Redakteurin Kathleen Kollewe fragte ihn nach den
Schwerpunkten seiner Arbeit, den Verfahrensweisen bei
Restrukturierungen und Fusionen und nach dem von ihm ausgearbeiteten EBR-Aktionsplan.
Am 27. April 2006 will er dem EMCEF-Komitee für
Europäische Betriebsräte auf dessen
halbjährlicher Sitzung in Luxemburg erste Ergebnisse des
Aktionsplans vorstellen.
Kerckhofs-Nachfolger beim Europäischen
Gewerkschaftsinstitut
Seit dem 1. Januar 2006 ist die
Forschungsstelle, auf der Peter Kerckhofs über acht Jahre lang
Grundlagenforschung über Europäische
Betriebsräte betrieben hat, wieder besetzt. Der
25jährige Sozialwissenschaftler Romuald
Jagodziñski aus Polen hatte zuletzt in Hamburg
studiert und befaßt sich seit mehreren Jahren mit
Europäischen Betriebsräten. So beteiligte er sich z.
B. am "Vive"-Projekt zur Arbeitnehmervertretung in den Ländern
Mittel- und Osteuropas (siehe Bericht in den EBR-News 3/2005).
Neben seiner polnischen Muttersprache spricht er auch Englisch, Deutsch
und Russisch. Wichtigste Aufgabe wird die Pflege der EBR-Datenbank sein.
Neuer EBR-Koordinator der
Nahrungsmittel- und Tourismusgewerkschaften
Seit
dem 1. Februar 2006 koordiniert Simon Cox die
Europäischen Betriebsräte bei der
Europäischen Föderation der Nahrungsmittel-,
Landwirtschafts- und Tourismusgewerkschaften (EFFAT). Der
35jährige Brite war zunächst im Arbeitsministerium in
London tätig, hat danach an der Universität Warwick
Arbeitsbeziehungen studiert und wechselte dann zum
Europäischen Gewerkschaftsinstitut nach Brüssel.
Zuletzt koordinierte er die EBR-Projekte der Agentur für
Soziale Entwicklung (SDA). Neben seiner Muttersprache spricht er auch
Französisch.
Neue
stellvertretende Generalsekretärin der Transportgewerkschaften
Seit November 2005 ist die
43jährige Deutsche Sabine Trier
stellvertretende Generalsekretärin der Europäischen
Transportarbeiter-Föderation (ETF). Die Volkswirtin kam 1997
zur ETF und arbeitete bisher als Sektionssekretärin
für die Bereiche Eisenbahn und Städtischer Transport,
für die sie auch weiterhin verantwortlich zeichnet. Davor war
sie bereits als Assistentin für die Europa-Abgeordneten
Christa Randzio-Plath und Evelyne Gebhardt in Brüssel
tätig. Neben ihrer Muttersprache spricht sie Englisch und
Französisch.
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6. Europäische Betriebsräte in Frankreich
|
Die Wirtschaft des nach Deutschland
zweitgrößten EU-Landes ist von einem starken Staat
geprägt, der die Entwicklung der Industrie seit dem Zweiten
Weltkrieg als nationale Aufgabe betrachtete. Viele Unternehmen haben
ihre Zentrale im Großraum Paris, während sich die
Produktionsstätten über den Rest des Landes
verteilen. In der französischen Unternehmenskultur herrscht
die Vorstellung, daß die Verantwortung in einer einzigen
Person an der Spitze konzentriert sein müsse, beim Président-Directeur
Général (P.-D.G.). Treten Konflikte
auf, wird stärker als z. B. in Deutschland Kommunikation
gesucht, nicht aber Konsens. Da in Frankreich traditionell der
Arbeitgeber den Vorsitz im Betriebsrat hat,
übernimmt der P.-D.G. meist auch den Vorsitz im
Europäischen Betriebsrat.
In
keinem anderen westeuropäischen Land
gibt es eine so große Zahl von Gewerkschaften und einen
derart niedrigen Organisationsgrad (unter 10%). Dagegen ist die
Fähigkeit zur Mobilisierung bei Streiks und Demonstrationen
erheblich höher als in anderen Ländern, und die
Wahlergebnisse der Betriebsratswahlen zeigen eine hohe Akzeptanz der
Gewerkschaften. Manche Aufgaben der Tarifparteien, wie z. B. die
Einführung der 35-Stunden-Woche, hat der Staat
übernommen.
Bei der Bildung
Europäischer
Betriebsräte war Frankreich Vorreiter. Das 1985 im
französischen Elektronikkonzern Thomson gebildete
Verbindungskomitee gilt als "Urvater" aller Europäischen
Betriebsräte. Auch die Verhandlungstätigkeit setzte
früh ein: der EBR von BSN-Danone hatte 1989 erstmals
gemeinsame Erklärungen mit der Konzernleitung ausgehandelt.
Sie bezogen sich auf Restrukturierungen und Gleichbehandlung der
Geschlechter. In den letzten Jahren wurden von vielen
französischen EBR-Gremien Restrukurierungsvereinbarungen
ausgehandelt, z. B. bei Cap Gemini, Rhodia, SUEZ, Axa oder EdF. Die
Hinzuziehung von externen Sachverständigen ist in keinem
anderen europäischen Land so weit verbreitet, sie ersetzen
sogar vielfach die hauptamtlichen Gewerkschaftssekretäre. Die
wenigen bisher in der EU vorliegenden Urteile hinsichtlich der Arbeit
Europäischer Betriebsräte sind zum großen
Teil von französischen Gerichten ergangen.
Nach
Berechnungen des Europäischen
Gewerkschaftsinstituts hatten im Juni 2005 knapp 10% aller
EBR-fähigen Unternehmen in der EU (210 von 2.204) ihren
Firmensitz in Frankreich. Davon hatten 79 bereits einen EBR
gegründet (= 38%). Mit dieser Zahl liegt Frankreich im
europäischen Durchschnitt (z. B. Schweden 48%,
Großbritannien 41%, Österreich 37%, Deutschland 27%).
Nach
den Unternehmen fusionieren auch die Betriebsräte
Mit
der
Fusion von Air France und KLM in der ersten Jahreshälfte 2004
entstand der umsatzstärkste Luftverkehrskonzern der Welt mit
über 100.000 Beschäftigten weltweit. Die neue
Holding, unter deren Dach die beiden Airlines noch jahrelang
als eigene Marken weiter existieren, konnte ihre Gewinne
beträchtlich steigern. Doch wie sieht es mit der sozialen
Perspektive aus?
Im
Februar und März 2006 wurden in 18 europäischen
Ländern die 37 Mitglieder des neuen EBR gewählt,
darunter zehn Vertreter aus Frankreich und sechs aus
den Niederlanden. Der neue EBR ersetzt das parallel zur Fusion zwischen
beiden Fluggesellschaften gebildete "Holding Forum",
das allen Beteiligten eine gute Möglichkeit bot, sich vor der
Bildung des neuen EBR einzuarbeiten und gegenseitig kennenzulernen. Air
France hatte 1997 einen EBR gebildet, KLM bereits ein Jahr zuvor.
Die neue
EBR-Vereinbarung wurde am 13. Februar 2006 unterzeichnet und beinhaltet
vier Sitzungen pro Jahr, darunter zwei reguläre und eine
zusätzliche Vollversammlung sowie eine Sitzung, die nur den 37
gewählten Arbeitnehmervertretern des EBR zugänglich
ist. Die zusätzlichen Termine bedürfen immer dem
Einverständnis des Arbeitgebers. Wie in Frankreich
üblich, liegt der Vorsitz beim Arbeitgeber.
Etwas ungewöhnlich ist die Tatsache, daß
Simultanübersetzungen nur in drei Sprachen
(Französisch, Niederländisch und Englisch)
bereitgestellt werden. Jedem EBR-Mitglied und jedem Stellvertreter
stehen acht Fortbildungstage pro vierjähriger Wahlperiode zu,
der EBR kann auch auf einen Sachverständigen
zurückgreifen. Noch nicht abgeschlossen sind die Verhandlungen
über das Budget des EBR, das in einem
"operationalen Protokoll" festgeschrieben werden soll.
Zu den
heiklen Punkten in den Verhandlungen gehörte die Frage, wann
Entscheidungen der zentralen Leitung ein Konsultationsverfahren
auslösen: bei konzernweiten Auswirkungen muß der EBR
auch dann konsultiert werden, wenn zunächst nur ein
Land betroffen ist. Bei Umstrukturierungen oder
Standortverlagerungen sieht die EBR-Vereinbarung ein rechtzeitiges
Konsultationsverfahren mit "nützlichem" Effekt vor. Dabei
werden die nationalen Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren
dem europäischen im Ablauf vorangestellt. Weiterhin ist eine
Ausdehnung der Sozial- und Ethikcharta auf den gesamten Konzern geplant.
Deutsche
Betriebsräte
auf französischem Parkett
"Wie
stark prägt das deutsche Mitbestimmungsmodell die EBR-Arbeit?"
war eine der Leitfragen von Prof. Dr. Hermann Kotthoff in einem
Forschungsprojekt, das die Arbeit Europäischer
Betriebsräte untersuchte. Im dritten Teil unserer Serie, in
der wir Ergebnisse des Projekts vorstellen, beleuchten wir die
EBR-Arbeit in französischen Unternehmen. Wie gestaltet sich
hier die Zusammenarbeit mit dem Management und welche Erfahrungen
machen deutsche EBR-Mitglieder in Paris?
Typ
3: Der EBR als Informationsanalytiker - das
Florettfechten
Beim Typ 3
handelt es sich um einen EBR mit Sitz
in Frankreich. Der Konzernchef ("Patron") ist der Präsident
des EBR, nur er lädt zu den Sitzungen ein, die immer in Paris
stattfinden, und übt dort persönlich den Vorsitz aus.
Die Arbeitnehmerseite hat für die administrativen Arbeiten
einen Sekretär benannt, der Betriebratsmitglied in einem
Pariser Werk und halbtags freigestellt ist. Anders als ein
KBR-Vorsitzender in Deutschland hat er aber keinen direkten Zugang zur
Konzernleitung. Zwischen dem Patron und den Arbeitnehmervertretern
herrscht ein formelles und distanziertes Verhältnis.
Der EBR hat einen gewerkschaftlichen Betreuer, der jedoch alle zwei
Jahre von einer anderen Gewerkschaft gestellt wird. Die EBR-Mitglieder
verstehen sich in erster Linie als Vertreter ihrer Gewerkschaft. Das
färbt sogar auf die deutschen Betriebsräte ab, die in
Paris primär als Gewerkschaftsdelegierte angesprochen werden.
Die Plenarsitzungen verlaufen
typisch französisch: Management und Arbeitnehmervertreter
sehen sich als Gegner. Es ist allerdings eine "trainierte", stilvoll
zelebrierte Gegnerschaft, die weder Entgleisungen noch Verletzungen
zuläßt - eine kunstvolle Übung
wie Florettfechten. Die EBR-Mitglieder unterstellen,
daß der Patron "mauert", also nicht offen und
freimütig über die strategischen Planungen
unterrichtet, und durch kunstvolle Attacken dazu gezwungen werden
muß. Der Patron ist darauf aus, diese Attacken
souverän zu parieren. Es ist weniger ein Frage- und
Antwortspiel als eine kunstvolle Zeugenvernehmung. Die
Arbeitnehmervertreter sind natürlich "präpariert" und
haben die Bilanz des Unternehmens durch ein gewerkschaftsnahes
Beratungsinstitut professionell und akribisch analysieren lassen. Es
kann losgehen! Das Florettfechten dauert fünf bis sechs
Stunden.
Der Patron leitet die
EBR-Sitzung straff und unnahbar. Den deutschen Betriebsräten
bleibt nichts anderes übrig, als sich dieser befremdlichen Art
des Umgangs anzupassen. "Wenn Du etwas zum Patron sagst, dann darfst Du
es zwar direkt sagen, aber Du mußt es auf einem gewissen
Niveau tun." Während in englischen oder deutschen Konzernen
Spitzenmanager durchaus auch einmal am Abendprogramm des EBR
teilnehmen, gilt in Frankreich: Der Patron mischt sich nicht unter's
Volk. Deutschen Betriebsräten gelingt daher nicht, was sie
instinktiv zuhause tun würden: eine persönliche
Begegnung suchen, um nach Entgegennahme der Informationen
unverzüglich in die Beratung und konstruktive Mitgestaltung
überzugehen.
Der EBR-Typ 3 ist (noch) kein
Mitgestalter geworden. Das Management gesteht ihm diese Rolle nicht zu.
Er arbeitet zwar Stellungnahmen zu konzernpolitischen Fragen aus, diese
werden jedoch eher wie diplomatische Noten ausgetauscht. Seine
Wirksamkeit besteht darin, daß er durch seine professionelle
Informationsanalyse das Management unter Druck setzt. Der
Lenkungsausschuß als reines Arbeitnehmergremium ist eine
handlungsfähige Einheit geworden und hat zur Verhinderung von
Personalreduzierungen bereits transnationale Aktionen
organisiert.
Dieses Muster beschreibt
lediglich einen von fünf verschiedenen EBR-Typen, weitere
Informationen:
Veranstaltungshinweis
Am
6. und 7. Juli 2006 feiert das INFO-Institut unter dem Motto "Sozial
verantwortliche Unternehmenspolitik" sein 10jähriges Bestehen
im Saarbrücker Schloß. Das Institut engagiert sich
in der grenzüberschreitenden Beratung von
Betriebsräten. Auf der Festveranstaltung wird es auch einen
Gastbeitrag von Mireille Battut, Leiterin der internationalen Abteilung
der französischen Betriebsräteberatung
Alpha-Consulting in Paris, geben.
EBR-News
à la française
Die
letzten drei Ausgaben der EBR-News sind als
Kurzfassung in französischer Sprache verfügbar. Sonia
Mesters von ALPHA-Consulting hatte sie übersetzt und
über Verteiler der Groupe ALPHA innerhalb von Frankreich
verschickt.
|
7. Sozialer Dialog
und EU-Richtlinien
|
Nicht viel Neues zur Revision
der EBR-Richtlinie
Im
April 2004 hatte die Europäische
Kommission das Verfahren zur Revision der EBR-Richtlinie mit einer
ersten Anhörungsrunde gestartet. In einer weiteren
Anhörung zum Thema "Umstrukturierung und
Beschäftigung" griff sie im März 2005 diese Revision
- allerdings versteckt in einem Unterpunkt des Papiers - erneut auf und
ersuchte Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, in eigener
Regie den Text einer veränderten EBR-Richtlinie auszuhandeln.
Beide Lager vertreten hierzu jedoch völlig konträre
Positionen, weshalb das Gesetzgebungsverfahren seither stockt. Am 26.
Januar 2006 schaltete sich der Ausschuß
für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
des Europäischen Parlaments in die Debatte ein, er
"bedauert, daß die
zweite Phase der Anhörung zum Europäischen
Betriebsrat lediglich in einem Unterkapitel einer umfassenden
Mitteilung der Kommission abgehandelt wird, und fordert die Kommission
... auf, eine regelrechte zweite Phase der Anhörung
einzuleiten, die den Sozialpartnern die Möglichkeit zu
Verhandlungen ... bietet."
Damit
wurde eine Forderung des
Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) aufgegriffen. Der
Bericht soll in Kürze als Entschließung im Plenum
des Europäischen Parlaments verabschiedet werden.
Rechtlicher
Rahmen für
transnationale kollektive Vereinbarungen
In
den letzten Jahren sind
neben den Vereinbarungen über die Gründung und
Arbeitsweise eines Europäischen Betriebsrates
(EBR-Vereinbarungen) zahlreiche internationale Abkommen über
soziale Unternehmensverantwortung (CSR), Arbeitssicherheit,
Umstrukturierung, Standortverlagerungen und Outsourcing geschlossen
worden. Viele dieser Vereinbarungen wurden auch von
Europäischen Betriebsräten (mit)gestaltet.
Für transnationale Vereinbarungen gibt es jedoch keinen
rechtlichen Hintergrund, sie sind nicht einklagbar und beinhalten oft
auch keinen "follow-up"-Mechanismus.
Zur
Zeit arbeitet eine
Expertengruppe der Generaldirektion Beschäftigung,
soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit der Europäischen
Kommission an der Ausarbeitung eines rechtlichen Rahmens für
solche Vereinbarungen. Ob dieser Rahmen in einer Richtlinie oder einem
anderen Instrument festgelegt werden soll, ist noch unklar. Die
Initiative der Europäischen Kommission ist Bestandteil ihrer
Sozialpolitischen Agenda für die Jahre 2005 bis 2010, die auch
eine Aktualisierung des Arbeitsrechts beinhaltet (siehe Bericht in den EBR-News 1/2005).
Bolkestein-Richtlinie
entschärft, Port Package gescheitert
Gleich
zwei Erfolge
für die Gewerkschaften im neuen Jahr: die heftig kritisierte
Richtlinie über den Marktzugang für
Hafendienstleistungen (Port Package II) wurde am 18.
Januar 2006 mit fast 80% Mehrheit vom Europäischen Parlament
abgelehnt. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über die Dienstleistungsrichtlinie
am 16. Februar 2006 einigten sich Sozialdemokraten und Konservative im
Europäischen Parlament auf einen Kompromiß, der eine
Entschärfung des Herkunftslandprinzips vorsieht. Allerdings
ist damit das Gesetzgebungsverfahren noch nicht beendet, weitere
Diskussionen werden folgen.
|
8. Gelder aus
Brüssel
für die EBR-Arbeit
|
Information und Konsultation in
europaweit tätigen Unternehmen
Seit rund zehn Jahren stellt
die Europäische Union Gelder zur Verfügung, um die
Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretern in multinationalen Konzernen
zu stärken. Entstanden ist diese Haushaltslinie
auf Druck des Europäischen Parlaments, um die
Gründung Europäischer Betriebsräte zu
unterstützen. Mitte der 90er Jahre weigerten sich
nämlich viele Arbeitgeber noch, die notwendigen Arbeiten im
Vorfeld der EBR-Gründung zu finanzieren.
Im
Haushaltsjahr 2006 stehen insgesamt 7,7 Mio.
€ für Projekte zur Stärkung der
Zusammenarbeit bei Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung
in Unternehmen zur Verfügung, die in mehreren
EU-Ländern tätig sind. Aus diesen Mitteln
können auch Ausbildungsmaßnahmen und innovative
Aktionen im Bereich der Verhütung und Beilegung von Konflikten
finanziert werden, vor allem wenn diese im Rahmen der Umstrukturierung
eines Unternehmens auftreten. Maßnahmen zur Steigerung der
Beteiligung von Frauen sowie Projekte unter Beteiligung
beitrittswilliger Länder (Bulgarien, Rumänien,
Kroatien, Türkei und Nordzypern) genießen bei der
Mittelvergabe Priorität. Anträge können noch
bis spätestens 15. September 2006 eingereicht werden.
Beispiele für
EU-geförderte Projekte
Wir haben hier einige Beispiele von Projekten
zusammengetragen, die einen Eindruck von der Palette an
Möglichkeiten dieser EU-Finanzierung geben. Mit der
Haushaltslinie werden nicht nur EBR-Projekte gefördert,
sondern auch branchenbezogene Initiativen. Als Antragsteller kommen dabei sowohl regionale,
nationale oder europäische Gewerkschaften wie auch die
Arbeitgeberseite in Frage. Die Europäische Kommission sieht es
besonders gerne, wenn Anträge von den beiden Sozialpartnern
gemeinsam eingereicht werden.
Um
Standortkonkurrenz entgegenzuwirken, hatte der
EBR des Gabelstaplerherstellers Jungheinrich
gemeinsam mit dem DGB Nord, der IG Metall, Arbeit und Leben Hamburg und
den französischen Gewerkschaftsbünden CFDT und CGT
mehrere Workshops veranstaltet, um die Beteiligungsrechte bei
Umstrukturierungen kennenzulernen (siehe Bericht in den EBR-News 3/2004).
Eine Internet-Plattform
für die grenzüberschreitende Kommunikation zwischen
EBR-Mitgliedern wurde mit EU-Geldern von dem in Lüttich
koordinierten Netzwerk
SODIA entwickelt. Der Europäische Betriebsrat der
belgischen Bankengruppe KBC wollte sich auf die
Osterweiterung der EU vorbereiten, indem er eine Webseite
in mehreren
Sprachen mit Hintergrundinformationen für die
EBR-Arbeit erstellte. Auch dieses Projekt wurde von der EU finanziell
unterstützt.
Die Hotelgruppe Hilton
ließ sich ihre Bemühungen zur stärkeren
Information der Belegschaft über Corporate Social
Responsibility (CSR) durch EU-Gelder finanzieren. In dieses Projekt war
auch der Europäische Betriebsrat einbezogen.
Auch die Arbeit des im Juli
2005
gegründeten Europäischen Betriebsrates der Deutschen
Bahn wird durch EU-Gelder unterstützt. Das von der EVA-Akademie
koordinierte Projekt zielt darauf ab, ein praktikables System
für die grenzüberschreitende Information,
Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren der betrieblichen
Mitbestimmung innerhalb des Konzerns zu etablieren.
Für
den DGB-Landesbezirk Nord und das Ostsee-Netzwerk
der Gewerkschaften (BASTUN-Network)
in Skandinavien, Polen und den
baltischen Staaten wurde von wmp Consult in Hamburg ein Projekt
entwickelt, um betriebliche Erfahrungen, politische Initiativen und
Vorstellungen der Sozialpartner in einem kritischen Austausch
zusammenzuführen.
Die
Entwicklung einer elektronischen Plattform zum
Vergleich von Tarifstrukturen in der deutschen, französischen,
britischen und italienischen Versicherungswirtschaft
hat sich das Projekt
SoDAss zum Ziel gesetzt. Im Auftrag von Gewerkschaften aus
diesen vier Ländern wurde das Projekt von IKS-Hamburg
entwickelt und in der Durchführung betreut.
Weitere
EU-geförderte Projekte wie die Internetseite des DGB-Bezirks
Berlin-Brandenburg und das Auster-Projekt in Niedersachsen hatten wir
bereits in den EBR-News
4/2005 vorgestellt.
Der europäische
Globalisierungsfonds
Am
1. März 2006 legte die
Europäische Kommission einen Vorschlag für einen
"Europäischen Fonds für die Anpassung an die
Globalisierung" vor. Mit einem jährlichen Volumen von bis zu
500 Mio. € soll die Wiedereingliederung von Menschen in den
Arbeitsmarkt unterstützt werden, die aufgrund von
Veränderungen im Welthandelsgefüge arbeitslos
geworden sind. Das
Europäische Parlament und der Rat müssen dem
Vorschlag noch zustimmen.
Der Fonds bietet EU-weit eine einmalige, zeitlich
befristete individuelle Unterstützung für
jährlich bis zu 50.000 Menschen in Form von individuellen
Einkommensbeihilfen, Umschulung oder konkreter Unterstützung
bei der Arbeitsuche.
Soweit ein eindeutiger Zusammenhang mit Massenentlassungen eines
großen Unternehmens erkennbar ist, werden auch
Beschäftigte in Subunternehmen oder Zulieferfirmen Anspruch
auf Fondsmittel haben. Wie viele Menschen tatsächlich in den
Genuß dieser Gelder kommen werden, hängt davon ab,
ob die Mitgliedstaaten entsprechende Anträge einreichen und in
welchem Umfang Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Auch
Europäische Betriebsräte sollten eine
Vorstellung davon haben, wann dieser Fonds in Anspruch genommen werden
kann, damit sie entsprechende Anträge initiieren
können.
|
9.
Interessante Webseiten
|
Newsletter des MOOS-Projekts
Seit Dezember 2004 widmet sich
das Gewerkschaftsprojekt MOOS ("Making Offshore Outsourcing
Sustainable") dem Transfer von IT-Arbeitsplätzen in die
Schwellenländer (siehe Bericht in den EBR-News 2/2005).
In dem Projekt sollen sozial und wirtschaftlich nachhaltige Strategien
für den Umgang mit solchen Outsourcing-Vorgängen
erarbeitet werden. Seit März 2005 versendet das Projekt, an
dem Gewerkschaften aus sechs Ländern beteiligt sind, auch
einen regelmäßigen Newsletter über
Entwicklungen in der Branche.
Europa-Informationen
aus dem Vereinigten Königreich
Während
in Teilen der britischen
Bevölkerung eine gewisse EU-Skepsis zu beobachten ist, haben
sich die britischen Gewerkschaften zu einer der europafreundlichsten
Institutionen des Landes entwickelt. Einer der Gründe liegt
darin, daß Fortschritte im Arbeitsrecht und der betrieblichen
Interessenvertretung in den letzten Jahren vielfach durch die Umsetzung
von EU-Richtlinien erzwungen wurden (siehe auch Länderschwerpunkt
Großbritannien in den EBR-News 3/2005). Der
Gewerkschaftsdachverband TUC betreibt gemeinsam mit dem South Thames
College in London und mit finanzieller Unterstützung der
Europäischen Kommission seit einigen Jahren ein "Trade
Union European Information Project", das
vierteljährlich einen elektronischen Newsletter ("magazine on
European affairs") versendet. Auch wenn die Internetseite optisch
durchaus verbesserungsfähig ist, bietet sie doch zahlreiche
aktuelle Informationen über EU-Entwicklungen aus britischer
Gewerkschaftssicht.
Umfangreiche
Gewerkschaftsaktivitäten im Dreiländereck
Deutschland - Tschechien - Polen
Seit
1993 gibt es den Interregionalen
Gewerkschaftsrat (IGR) Elbe-Neiße. Sein vorrangiges
Ziel ist, einen Beitrag zur Angleichung der Arbeits- und
Lebensverhältnisse in der Region zu leisten und das
Dreiländereck zu einer Modellregion für soziale
Partnerschaft und Beteiligung zu entwickeln. Aus der Zusammenarbeit
sind zahlreiche Publikationen entstanden, die auch für
Europäische Betriebsräte nützlich sind, z.
B. eine Broschüre über die arbeitsrechtlichen
Bedingungen in Deutschland, Polen und Tschechien in allen drei Sprachen.
Seit
September 2005 gibt es vom Europabüro
des DGB-Landesbezirks Sachsen einen Infobrief, der
regelmäßig über Entwicklungen in Europa,
die gewerkschaftliche Zusammenarbeit und aktuelle
Fördermöglichkeiten informiert. Auf der Internetseite
des Europabüros finden sich zudem zahlreiche interessante
Publikationen zum Download.
Auswirkungen der EU-Erweiterung
auf die Grenzregionen Österreichs
Mit
zwei Projekten will der
Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) zu einer
Verbesserung der Situation von Arbeitnehmern in den Grenzregionen zu
den EU-Beitrittsländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und
Slowenien beitragen.
Unter
dem Motto "Gemeinsam erweitern" soll die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit der Gewerkschaften gefördert werden. Neben
Seminaren und Konferenzen finden auch Betriebsbesuche,
sportliche und kulturelle Veranstaltungen, Bildungsexkursionen und
Kulturworkshops statt. Eines der Projekte war z. B. ein
interkulturelles Coaching für Mitarbeiter aus der
gewerkschaftlichen Bildungsarbeit.
Mit dem Projekt
"Grenzraum aktiv" werden gezielte Qualifizierungsmaßnahmen
für benachteiligte Berufsgruppen in den besonders betroffenen
Bundesländern Oberösterreich,
Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark und
Kärnten gefördert. Auch sollen durch einen
grenzübergreifenden Informationsaustausch in wichtigen
Belangen des Arbeitslebens Sorgen und Ängste abgebaut werden.
|
Ihre neue EBR-Vereinbarung -
was müssen Sie beachten?
Unter
diesem Titel legte die Agentur für Soziale Entwicklung (SDA)
in Brüssel im September 2005 einen Leitfaden für
Arbeitnehmervertreter vor (die Arbeit der SDA hatten wir in den EBR-News 1/2005
beschrieben). Seit Februar 2006 gibt es auch eine deutsche
Übersetzung. Sie richtet sich an alle, die ihre EBR-Vereinbarung
neu verhandeln oder einen EBR gründen wollen. In den
einzelnen Kapiteln (Grundlagen einer EBR-Vereinbarung, Fragen der
Zusammensetzung, Kompetenzen, Sitzungen und Ressourcen des EBR) wird
darauf hingewiesen, was man beachten sollte und wo die Fallstricke
liegen.
Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa
Wir
berichteten bereits in den EBR-News 3/2005
über ein Forschungsprojekt des Instituts Arbeit und Wirtschaft
der Universität Bremen, das den Einfluß deutscher
Direktinvestitionen in den neuen EU-Ländern Mittel- und
Osteuropas zum Gegenstand hatte. In Niederlassungen von Bosch,
Continental, Henkel, Nestlé, Oetker, RWE, Sanofi-Aventis,
Siemens und Volkswagen in Polen, Tschechien und der Slowakei wurde
untersucht, ob die Betriebsräte des Mutterlandes
Einfluß auf die dortigen Arbeitnehmervertretungen haben, ob
die deutschen Arbeitsbeziehungen übertragen wurden und wie
sich Manager in den EU-Beitrittsländern konkret verhalten. Das
Ergebnis des Forschungsprojektes liegt seit Dezember 2005 in Buchform
vor.
Jochen
Tholen/Ludovit Czíria/Eike Hemmer/Wieslawa Kozek/Zdenka
Mansfeldová:
Direktinvestitionen deutscher
Unternehmen in
Mittel- und Osteuropa
Fallstudien
zu den Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen in Polen, Tschechien und
der Slowakei
München/Mering
2005, 242 Seiten, ISBN 3-86618-006-3, €
27,80
→ Online-Bestellung
Haustarifverträge im
Ländervergleich
Während
in den meisten europäischen Ländern alle
betrieblichen Fragen der Tarifautonomie unterliegen, stehen in Deutschland
Mitbestimmung und Tarifautonomie in einem gewissen
Spannungsverhältnis zueinander. Haustarifverträge
spielen keine herausragende Rolle, innerbetriebliche kollektive Fragen
werden in der Regel von Betriebsräten verhandelt und die
Ergebnisse in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt. Dagegen sind
Haustarifverträge in Großbritannien
an der Tagesordnung, sie haben den Flächentarifvertrag fast
vollständig verdrängt. In Frankreich
werden sie zunehmend als Ergänzung zum Branchentarifvertrag
abgeschlossen. Das im Januar 2006 erschienene Buch gibt einen
Überblick sowohl über die rechtlichen wie auch die
politischen Fragen im Zusammenhang mit dem Firmentarifvertrag in diesen
drei Ländern.
Nikolaus
Bardenhewer:
Der Firmentarifvertrag in Europa
Ein
Vergleich der Rechtslage in Deutschland, Großbritannien und
Frankreich
Baden-Baden
2006, 246 Seiten, ISBN 978-3-8329-1717-3, € 48,-
→ Nähere
Informationen
→ Online-Bestellung
Interkulturelles
Lernen für
Betriebsräte
Seit
Herbst 2005 hat die juristische Zeitschrift für
Betriebsratsmitglieder "Arbeitsrecht im Betrieb" eine neue Fachbeilage:
AiB plus. Dort wird jenseits
juristischer Themen achtmal jährlich in anschaulicher Form aus
der betrieblichen Praxis berichtet. Die Herausgeber wollen neben den
Betriebsräten auch die DGB-Gewerkschaften sowie
gewerkschaftsnahe Wissenschaftler und Beratungseinrichtungen zu Wort
kommen lassen. In der Ausgabe 1/2006 wurde beispielsweise unter der
Rubrik
"Soziale Kompetenz" interkulturelles Lernen zwischen
Arbeitnehmervertretern aus mehreren Ländern dargestellt.
Weitere
Publikationen haben wir auf unserer Homepage unter Fachliteratur
zusammengestellt.
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11. Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de":
Beispiele aus unserer Arbeit
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EADS
kauft Nokia-Werk
Für
den Luft- und Raumfahrtkonzern EADS wurde im Jahr 2000 ein EBR
gegründet. Das Besondere an dieser EBR-Vereinbarung ist die
Errichtung von Europäischen
Spartenbetriebsräten für Airbus, Defence
und weitere. Da es für die Sparte Defence & Security
Systems (DS) keinen einheitlichen Rechtsmantel gibt, trägt der
Sparten-EBR die Bezeichnung "informelles Komitee DS". Dieses Komitee
steht vor der Frage, ob es sich um Delegierte aus Finnland erweitern
wird, nachdem dort ein Elektronik-Standort von Nokia erworben wurde und
weitere Beteiligungen aufgestockt werden sollen. Bisher
gehören dem Gremium lediglich Vertreter aus Deutschland,
Frankreich, Großbritannien und Spanien an. Um die
Entscheidung vorzubereiten, wollten sich die Arbeitnehmervertreter
über die unterschiedlichen Systeme von Betriebsverfassung in
den betroffenen Ländern genauer informieren. Zu diesem Zweck
war Dr. Werner Altmeyer zu einer Sitzung am 8. Februar 2006 in Hamburg
eingeladen, an der auch die Personalleiter der vier genannten
Länder teilnahmen.
Westpharma
auf dem Weg zum EBR
Die Arbeitnehmervertreter des
Pharmaunternehmens West wollen einen Europäischen Betriebsrat
gründen. Das US-amerikanische Unternehmen stellt mit
europaweit 1.200 Beschäftigten Formteile aus Gummi, Metall und
Kunststoff für die pharmazeutische Industrie her, zu den
bekanntesten Kunden gehören Bayer, Sanofi-Aventis und
Novartis. Neben dem Standort Eschweiler bei Aachen, wo auch die
Europazentrale hat ihren Sitz hat, gibt es Niederlassungen in
Frankreich, England, Dänemark und weiteren Ländern.
In Eschweiler fand am 14. Februar 2006 die Auftaktveranstaltung statt,
zu der Dr. Werner Altmeyer vom Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" als Sachverständiger benannt worden war.
Umstrukturierungen
bei Gamma
Die
niederländische
Gamma-Holding, Dachgesellschaft mehrerer Textil- und
Kunststoffhersteller mit 4.500 Beschäftigten europaweit, setzt
ihre Standortoptimierung fort. Im Februar 2006 wurde bekannt,
daß die Hälfte der Belegschaft des Werkes
Münchberg in Oberfranken abgebaut und Teile der Produktion
nach Tschechien verlagert werden. Der EBR mußte sich in der
Vergangenheit bereits mit zahlreichen Verlagerungen befassen: von England in die Niederlande und nach
Deutschland, von Belgien, den Niederlanden und Deutschland nach
Tschechien, von Deutschland nach Schweden usw. In der
Praxis behandelt der engere Ausschuß diese Fragen gemeinsam
mit den Vertretern der betroffenen Länder.
Für
den EBR ist es
wichtig, seine Konsultationsrechte zukünftig effizienter
wahrzunehmen und die Reaktionsfähigkeit angesichts permanenter
Umstrukturierungen zu steigern. Auf Vorschlag der IG Metall
hat daher Dr. Werner Altmeyer am 22. Februar 2006 erstmals an einer
Sitzung des engeren Ausschusses am Konzernsitz in Helmond (Niederlande)
teilgenommen. Der EBR wurde 1996 gegründet, die
EBR-Vereinbarung zuletzt im Herbst 2005 an die aktuellen Gegebenheiten
angepaßt.
Regelmäßige
EBR-Trainings bei Pumpenhersteller
In
der niederländischen Unternehmensgruppe Sterling Fluid
Systems, Hersteller von Pumpen für die Automobil- und
chemische Industrie, wurde 2001 ein EBR gegründet. In
Deutschland ist die Sterling-Gruppe mit Produktionsstätten in
Ludwigshafen, Itzehoe und Tönning vertreten. In § 8
sieht die EBR-Vereinbarung vor, daß jedes Jahr
in zeitlichem Zusammenhang mit der jährlichen EBR-Sitzung ein
Schulungstag durchgeführt werden kann - im Vergleich zu vielen
anderen EBR-Vereinbarungen eine recht weitgehende Regelung. Am 16.
März 2006 wurde der diesjährige Schulungstag bei der
EBR-Tagung in Tönning vom Traininungs- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" gestaltet.
ver.di
und GPA starten gemeinsamen EBR-Newsletter
Die
Vereinte
Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) wird ab Sommer 2006 gemeinsam mit
der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) einen Newsletter
für Europäische
Betriebsräte verschicken. Bei
ver.di erhalten die EBR-Betreuung und die Vernetzung über die
Grenzen der Fachbereiche hinweg damit einen höheren
Stellenwert. Aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Fachbereichen
sollen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. ver.di ist damit
die erste deutsche Einzelgewerkschaft mit einer
eigenständigen EBR-Publikation.
Die
österreichische GPA wird aus ihrem Organisationsbereich
Informationen über die internationale Arbeit publik machen.
Für sie stellt der Newsletter
mit ver.di eine Erweiterung des eigenen Angebots dar, denn bereits seit
März 2005 verschickt sie einen Newsletter zu
europäischen Themen.
Frank
Siebens, EBR-Koordinator aus der
fachbereichsübergreifenden Mitbestimmungsabteilung von ver.di,
Wolfgang Greif, Leiter der Abteilung
Europa, Konzerne & Internationale Beziehungen bei der GPA und Werner
Altmeyer vom Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" werden die Redaktion übernehmen. Der EBR-Newsletter ist damit von Anfang an eine
grenzüberschreitende deutsch-österreichische
Publikation. Bereits jetzt ist es
möglich, sich online für ein Abonnement zu
registrieren. Für Gewerkschaftsmitglieder ist der Bezug
kostenlos.
Unsere
Publikationstätigkeiten
Die
Situation der Beschäftigten des Einzelhandelsunternehmens
Hennes & Mauritz mit seinen über 1.000
Filialen in 21 Ländern hat Dr. Heiner Köhnen
untersucht und als Arbeitspapier der
Hans-Böckler-Stiftung publiziert. Darin wird sowohl
die Personalpolitik des Unternehmens wie auch die Realität der
betrieblichen Interessenvertretung beleuchtet (auch in den USA). Wurde
der 1997 unterzeichnete Verhaltenskodex mit Leben gefüllt oder
handelt es sich eher um eine PR-Maßnahme? Zahlreiche
Interviews mit Betriebsräten und Managementvertretern in
Deutschland und Schweden zeichnen ein zwiespältiges Bild der
Unternehmenskultur, die vielfach als Disziplinierungsinstrument
gegenüber den Beschäftigten erlebt wird. Die 44
Betriebsräte in den 269 deutschen Filialen konnten z. B. nur
gegen massive Widerstände des Arbeitgebers etabliert werden.
Die Broschüre kostet 15,- €.
Mit
dem speziell für die Betriebsratspraxis entwickelten
Loseblattwerk Wirtschaftswissen für den Betriebsrat
sind betriebswirtschaftliche Entscheidungen des Arbeitgebers leichter
zu verstehen. Es befindet sich noch im Aufbau und enthält
bisher etwa 30 Stichworte. Im Februar 2006 wurde ergänzend das
von Werner Altmeyer verfaßte Kapitel zum
Europäischen Betriebsrat ausgeliefert. Herausgeber des Werkes
sind die Oldenburger Professoren Thomas Blanke und Thomas Breisig.
Ebenfalls
von Werner Altmeyer sind die Beiträge zur Revision der
EBR-Richtlinie in der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb
und über die Systeme der Betriebsverfassung in den
Ländern Mittel- und Osteuropas in der Zeitschrift der
betriebsrat. Beide Artikel sind im Januar 2006 erschienen.
Weitere
Veröffentlichungen finden Sie auf unserer Publikationsseite.
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