Nr. 1/2021 |
14. April 2021 |
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1. Massenhafte Flucht in irisches EBR-Recht
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Brexit offenbart die mangelhafte Umsetzung der EBR-Richtlinie in Irland
Vor dem Brexit spielte Irland nur eine untergeordnete Rolle in der Landschaft der Europäischen Betriebsräte. Insgesamt nur elf Unternehmen mit Hauptsitz in der Republik hatten bislang einen Europäischen Betriebsrat gegründet, dagegen siedelten schon lange vor dem Brexit 36 nicht-irische Konzerne ihren EBR dort an. Mit dem Brexit kamen rund 100 Unternehmen hinzu, viele aus den USA, die das Vereinigte Königreich in Richtung z. B. der Dublin Docklands (Foto) verließen. Damit ist Irland von Platz 13 auf den dritten Platz der EU aufgerückt, nach Deutschland und Frankreich.
Für angelsächsische Unternehmen spielt nicht nur die Sprache und die Rechtskultur eine Rolle, wenn sie ihre Tochtergesellschaft in Dublin zur zentralen Leitung ernennen. Besonders attraktiv erscheint das irische EBR-Recht, weil es als defizitär gilt und nicht den Standards der EU-Richtlinie genügt, vor allem beim Beschreiten des Rechtsweges. Streitfälle über die Auslegung von EBR-Vereinbarungen oder zum EBR "kraft Gesetz" müssen einem unabhängigen Schlichter vorgelegt werden, auf den sich beide Seiten verständigen (vergleichbar dem Vorsitzenden einer deutschen Einigungsstelle). Können sich die Parteien nicht einigen, benennt der Arbeitsgerichtshof einen oder mehrere Schlichter. Die Entscheidung des Schlichters ist endgültig und kann nur im Falle eines Rechtsverstoßes gerichtlich angefochten werden. Das Gesetz gibt keinerlei Hinweise, welche Anordnungen der Schlichter treffen kann und es ist zweifelhaft, ob ein privates Schiedsverfahren als Ersatz für den Gerichtsweg der EU-Richtlinie entspricht. Bisher hat noch nie ein solches Schiedsverfahren in Irland stattgefunden.
Erster EBR-Rechtsstreit in 25 Jahren
Am 20. November 2020 reichte die Industriegewerkschaft SIPTU eine Beschwerde beim irischen Minister für Unternehmen, Handel und Beschäftigung gegen den Baustoffhersteller Kingspan ein. Das ehemalige Familienunternehmen mit Sitz in Kingscourt nahe der Grenze zu Nordirland ist in den letzten Jahren durch Akquisitionen auf 15.500 Beschäftigte in 70 Ländern gewachsen, z. B. durch die Übernahme von sieben Fabriken der ThyssenKrupp Construction Group in Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich und Ungarn.
Am 21. März 2018 wurde aus Irland und Belgien die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates für Kingspan beantragt. Bis heute unternahm die zentrale Leitung allerdings nichts, um ein Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) einzuberufen. Während in anderen EU-Ländern in einem solchen Fall die Gerichte angerufen werden können (siehe Bericht in den EBR-News 3/2016), ist dies in Irland nur auf einem Umweg möglich. Das Arbeitsministerium leitete die Beschwerde der Gewerkschaft SIPTU an die Arbeitsinspektion weiter. Da das Unternehmen auf mehrere Aufforderungen nicht reagierte, kann diese nun beim örtlichen Gericht (Circuit Court) eine Geldstrafe von 1.500 € beantragen.
Irland ist das einzige EU-Land ohne staatlichen Rechtsweg bei EBR-Gründung
Es gibt für eine Gewerkschaft oder Arbeitnehmervertretung keine Möglichkeit, die Bildung des EBR vor Gericht einzuklagen. Diese Lücke in der Gesetzgebung und die geringen Strafen haben nach Meinung der Gewerkschaft SIPTU dazu geführt, dass irische Arbeitgeber das EBR-Gesetz nicht ernst nehmen. Am 5. März 2021 machte sie die Europäische Kommission auf diese Situation aufmerksam und bat darum, die richtlinienkonforme Umsetzung der EBR-Regeln in der Republik Irland zu überprüfen. Sollte die Europäische Kommission die Kritik teilen, wird sie eine Gesetzesänderung fordern. Letztes Mittel wäre eine Klage der Europäischen Kommission gegen Irland vor dem Europäischen Gerichtshof.
Die Kritik der Gewerkschaft SIPTU bezieht sich darauf, dass die 2015 gebildete Workplace Relations Commission (WRC), die als erste Instanz im kollektiven Arbeitsrecht fungiert, nur begrenzte Zuständigkeit für Europäische Betriebsräte bekommen hat (siehe Bericht in den EBR-News 2/2015). SIPTU will dies ändern, damit die WRC eine ähnlich kompetente Funktion übernehmen kann wie das Central Arbitration Committee (CAC) in Großbritannien.
Das irische EBR-Gesetz im Wortlaut
Die Aufgaben der Workplace Relations Commission
Offener Brief von SIPTU an den Arbeitsminister
Hintergrundberichte über das irische EBR-Recht
Vom britischen zum irischen Recht: Management kann alleine entscheiden
Am 18. Januar 2021 wies das Central Arbitration Committee (CAC) in London eine Klage des Europäischen Betriebsrates von Verizon ab. Der US-Telekommunikationskonzern war am 20. Oktober 2020 nach dem Auslaufen der bisherigen EBR-Vereinbarung vom britischen zum irischen Recht gewechselt. Da Verhandlungen über eine neue EBR-Vereinbarung zuvor kein Ergebnis brachten, gelten seit diesem Tag automatisch die subsidiären Bestimmungen (EBR "kraft Gesetz"). Die Arbeitnehmervertreter waren der Meinung, dass ein Wechsel des nationalen Rechts mit dem EBR vereinbart werden muss und das Management hierüber nicht alleine entscheiden darf (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020).
Die gleiche Frage wurde vom CAC am 15. Februar 2021 ein weiteres Mal entschieden. Geklagt hatte der Europäische Betriebsrat des schweizerischen Personaldienstleisters Adecco. Er wollte verhindern, dass ab 1. Januar 2021 irisches statt britisches Recht gilt. Die zentrale Leitung von Adecco hatte dies einseitig festgelegt. Das CAC entschied nicht über die beiden Klagen, sondern erklärte sich für nicht zuständig. Unternehmen aus den USA oder der Schweiz können das nationale Recht für den EBR frei wählen, unabhängig vom Brexit. In diesem Sinne gibt es bereits mehrere Urteile, zuletzt im Juni 2019 im Fall von Hewlett Packard Enterprise (siehe Bericht in den EBR-News 2/2019). In Deutschland hatte das Landesarbeitsgericht Hessen im Juli 2018 im Fall des US-Konzerns DXC Technology Irland als zuständig erachtet, wie zuvor das Arbeitsgericht Wiesbaden (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018).
Die CAC-Entscheidung im Fall Verizon
Die CAC-Entscheidung im Fall Adecco
Kommentar zur Entscheidung im Fall DXC Technology |
2. Aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene
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Zwang zur ständigen Erreichbarkeit im Homeoffice soll verboten werden
Am 21. Januar 2021 forderte das Europäische Parlament mit einer Mehrheit von 472 zu 126 Stimmen bei 83 Enthaltungen, dass kein Arbeitnehmer mehr rund um die Uhr erreichbar sein muss. Eine neue EU-Richtlinie soll Mindestanforderungen für Telearbeit, z. B. Arbeits- und Ruhezeiten sowie ein Recht auf Nichterreichbarkeit festlegen, um psychischen Belastungen und Burnout vorzubeugen. In der Arbeitswelt werden immer häufiger digitale Hilfsmittel genutzt und die Arbeit im Homeoffice nahm in der Corona-Pandemie stark zu, was einen Zwang zur ständigen Erreichbarkeit fördert. Darunter leide die Ausgewogenheit zwischen Berufs- und Privatleben, so die Europa-Abgeordneten.
Mit Beginn der Corona-Pandemie wurden im europäischen Vergleich in Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Schweden besonders viele Beschäftigte ins Homeoffice geschickt, dagegen in Bulgarien und Rumänien nur sehr wenige. Deutschland liegt im Mittelfeld. Beim Recht auf Nichterreichbarkeit ist Frankreich Vorreiter. Seit August 2016 sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Verfahren festzulegen sowie Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen durchzuführen, um einen angemessenen Einsatz digitaler Hilfsmittel zu fördern. Die europäischen Sozialpartner hatten dieses Thema im Juni 2020 in einem Rahmenabkommen zur Digitalisierung aufgegriffen (siehe Bericht in den EBR-News 3/2020). Es gibt auch beispielhafte Betriebsvereinbarungen dazu wie beispielsweise bei Daimler und Orange (siehe Bericht in den EBR-News 4/2016) oder die im Oktober 2020 geschlossene europaweite Vereinbarung in der italienischen Bank UniCredit (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020).
Pressemitteilung des Europäischen Parlaments
Die Entschließung im Wortlaut
Studie zur Verbreitung digitalen Arbeit vor der Corona-Pandemie
Studie über mobile Arbeit in Deutschland
Gewerkschaftlicher Leitfaden für das Recht auf Nichterreichbarkeit
Neue EU-Richtlinie will Entgeltgleichheit stärken
Am 4. März 2021 legte die Europäische Kommission den Text einer Lohntransparenz-Richtlinie vor, mit der sichergestellt werden soll, dass Frauen und Männer überall in der EU gleiches Entgelt bei gleicher Arbeit erhalten. Sie beinhaltet zwei Kernelemente zur Stärkung der Entgeltgleichheit: Maßnahmen zur Lohntransparenz, damit z. B. Bewerberinnen einen besseren Einblick in die Lohn- und Gehaltsstrukturen bekommen, und ein besserer Zugang zur Justiz, damit die Opfer von Lohndiskriminierung Entschädigungen einklagen können. Alle Unternehmen ab 250 Beschäftigte müssen Berichte über das geschlechtsspezifische Lohngefälle veröffentlichen und in Zusammenarbeit mit den Betriebsräten oder Gewerkschaften eine Entgeltbewertung vornehmen.
Nach Annahme der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um sie in nationales Recht umzusetzen. Die Europäische Kommission plant schon jetzt, die Auswirkungen der Richtlinie nach acht Jahren zu bewerten. Derzeit verdienen Frauen in der EU 16% weniger als Männer, ein Grund dafür sind die geschlechtsspezifischen diskriminierenden Lohn- und Gehaltsunterschiede. Besonders hoch ist der Gender Pay Gap in Österreich und Deutschland mit über 20%, während er in Luxemburg nur bei 1,4%, in Italien bei 5,5% und in Polen bei 8,5% liegt. Seit Juli 2017 gibt es in Deutschland ein Entgelttransparenzgesetz, das aber nur wenig genutzt wird.
Pressemitteilung der Europäischen Kommission
Der Richtlinienvorschlag im Wortlaut
Bericht über den Gender Pay Gap in den EU-Ländern
Untersuchung zum Entgelttransparenzgesetz in Deutschland
Lieferkettengesetz ist auf dem Weg
Am 10. März 2021 forderten 504 Abgeordnete des Europäischen Parlaments (bei 79 Nein-Stimmen und 112 Enthaltungen) ein EU-Gesetz, das Unternehmen dafür haftbar macht, wenn sie in ihrer globalen Lieferkette Menschenrechte, Umweltstandards und gute Regierungsführung verletzen oder dazu beitragen. Sie sollen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und negative Auswirkungen sowohl auf Menschenrechte wie auch Umwelt identifizieren und beheben. Das neue Gesetz soll alle im Europäischen Binnenmarkt tätigen Unternehmen erfassen, auch wenn sie ihren Hauptsitz außerhalb der EU haben. Produkte, die mit Zwangs- oder Kinderarbeit in Verbindung stehen, sollen verboten werden und bei Verstößen sind harte Sanktionen vorgesehen. Die Europäische Kommission hat angekündigt, bis Jahresende 2021 einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Pressemitteilung des Europäischen Parlaments
Die Entschließung im Wortlaut
Berichte über Ausbeutung in der Lieferkette
Bericht über die Planungen der Europäischen Kommission
Analyse des französischen Lieferkettengesetzes
Am 3. März 2021 hatte die deutsche Bundesregierung nach monatelangen Verhandlungen den Entwurf eines Lieferkettengesetzes beschlossen. Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten müssen ab Januar 2023 bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf die Vermeidung von Umweltschäden achten, ab 2024 auch Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Das neue Gesetz betrifft zunächst 600 und im zweiten Schritt knapp 2.900 Unternehmen. Eine zivilrechtliche Haftung ist zwar nicht vorgesehen, es drohen aber Bußgelder von bis zu 800.000 € und ein Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Eine Kontrollbehörde kann gemeldeten Sorgfaltsverletzungen vor Ort nachgehen, Verbände und Gewerkschaften können bei Verdacht auf Menschenrechtsverletzungen vor deutschen Gerichten klagen. Bisher gibt es nur eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, an die sich aber nur ein Fünftel aller Unternehmen hält. Seit September 2019 hatte ein Bündnis aus 17 Organisationen, darunter Gewerkschaften, in der "Initiative Lieferkettengesetz" für ein solches Gesetz geworben (siehe Bericht in den EBR-News 4/2019). Auch 73 Unternehmen hatten sich für ein Gesetz ausgesprochen.
Die Inhalte des neuen Gesetzes
Informationen der Bundesregierung
Der Aufruf von 73 Unternehmen
Bericht über die Einigung in Deutschland
Forschungsbericht der Hans-Böckler-Stiftung |
3. Meldungen aus der Gig Economy
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Bundesarbeitsgericht: Crowdworker gelten in Deutschland als Arbeitnehmer
Am 1. Dezember 2020 wurde erstmals ein Crowdworker, der auf der Plattform "Roamler" Kleinstaufträge abarbeitet, höchstrichterlich als Arbeitnehmer eingestuft. Der Kläger aus Wesel war im Bereich Field Marketing eingesetzt, er kontrollierte die Präsentation von Waren und Werbeplakaten in Supermärkten und verdiente mit 20 Arbeitsstunden pro Woche etwa 20.000 € im Jahr. Roamler ist ein niederländisches Startup, das Crowd-Sourcing-Lösungen für Unternehmen anbietet. Auf der Webseite wird man mit folgendem Hinweis begrüßt: "Stärken Sie Ihr Unternehmen mit einer flexiblen Belegschaft." Roamler spricht von "Experten auf Abruf", die nach Fähigkeit, Erfahrung und Standort rekrutiert, trainiert und "Aufträgen" zugeordnet werden.
Das Urteil der Richter in Erfurt gilt als "Paukenschlag" im deutschen Arbeitsrecht mit weitreichenden Konsequenzen für die Plattformökonomie. Wenige Tage zuvor hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Eckpunkte für faire Arbeit in der Plattformökonomie vorgelegt. Solo-Selbstständige sollen Zugang zu elementarem arbeits- und sozialrechtlichen Schutz erhalten. Die Beweislast für das Nicht-Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses soll auf den Plattformbetreiber verlagert werden.
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts
Pressebericht über das Urteil
Juristischer Kommentar zum Urteil
Die Eckpunkte der Bundesregierung
Epochaler Wendepunkt für Arbeitnehmerrechte in der digitalen Welt
Mit diesen Worten beschreibt die italienische Gewerkschaft CGIL ein Urteil des Arbeitsgerichts Bologna vom 31. Dezember 2020 gegen den Lieferdienst Deliveroo. Das britische Unternehmen, das Essensbestellungen durch selbständige Fahrradkuriere zustellen lässt, wurde hinsichtlich Verletzung von Arbeitnehmerrechten und Diskriminierung verurteilt. Die Fahrradkuriere müssen ihre zeitliche Verfügbarkeit über ein Buchungssystem im Voraus mitteilen. Wer aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Teilnahme an Streiks nicht zum Dienst erschien, wurde durch einen Algorithmus in der App genauso abgestraft wie bei unentschuldigtem Fehlen.
Deliveroo muss nun jedem einzelnen betroffenen Fahrradkurier eine Entschädigung von 50.000 € plus Zinsen und die Kosten des gesamten Rechtsstreits zahlen. Bologna ist eine Hochburg von Streiks der Fahrradkuriere (Foto), die eine eigene Gewerkschaft gegründet haben. Seit November 2019 gibt es in Italien ein neues Gesetz, das selbständige Fahrradkuriere mit abhängig Beschäftigten gleichstellt. Im Heimatland des Lieferdienstes gab es ebenfalls spektakuläre Gerichtsverfahren. In London kam es im Juni 2018 zu einer außergerichtlichen Einigung (siehe Bericht in den EBR-News 3/2018).
Pressebericht über das Urteil
Das Urteil im Wortlaut
Webseite der Gewerkschaft der Fahrradkuriere von Bologna
Historische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in London
Am 19. Februar 2021 beendete der Oberste Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs eine jahrelange Auseinandersetzung über den Status von Uber-Fahrern. Das US-Unternehmen für Personenbeförderung betrachtete die Fahrer als selbständige Unternehmer und nicht als Angestellte. Dem hatten schon drei Vorinstanzen widersprochen und nun ist die Entscheidung in letzter Instanz gefallen. Uber-Fahrer im Vereinigten Königreich haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, Pausen, Lohnfortzahlung bei Krankheit und bezahlten Urlaub. Der Fall geht nun zurück ans Arbeitsgericht, das die Höhe der Entschädigung für über 2.000 Fahrer festlegen muss. Diese können durchschnittlich 12.000 £ (13.900 €) pro Person betragen. Als Folge des Urteils änderte Uber sein Geschäftsmodell. Seit dem 17. März 2021 gelten alle 70.000 Fahrer im Vereinigten Königreich als Angestellte.
Pressebericht über die Entscheidung
Kommentar aus Gewerkschaftssicht
Bericht über das neue Geschäftsmodell
Weitere Entwicklungen in der Plattformwirtschaft
Am 30. Januar 2021 kündigte der niederländische Lieferdienst Just Eat Takeaway an, sein Geschäftsmodell in Frankreich umzustellen. Im Laufe des Jahres 2021 sollen 4.500 Fahrradkuriere in 30 Städten des Landes einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Sozialversicherung und einem Stundenlohn von 10,30 € erhalten. Während die anderen Lieferdienste Zusteller weiterhin als Selbständige behandeln (solange Gerichte dies nicht untersagen), will sich Just Eat Takeaway als ein sozial verantwortliches Unternehmen präsentieren.
In Italien forderte die Staatsanwaltschaft Mailand am 24. Februar 2021 vier große Essenslieferdienste auf, innerhalb der nächsten drei Monate rund 60.000 Fahrradkuriere einzustellen. Andernfalls drohen Geldstrafen in Höhe von 733 Mio. €. In Spanien einigten sich am 10. März 2021 die Regierung und die Tarifparteien auf einen Gesetzentwurf, der Essenskuriere künftig als Angestellte behandelt. In Brüssel startete die Europäische Kommission am 24. Februar 2021 eine Konsultation der Sozialpartner, um Arbeitsbedingungen bei digitalen Plattformen zu verbessern. Es ist der erste Schritt zu einer EU-Gesetzesinitiative. Da immer mehr Aufträge an Handwerker, Freiberufler oder Putzkräfte über solche Plattformen vergeben werden, entsteht ein Heer digitaler Tagelöhner mit einer Illusion von endloser Flexibilität und unternehmerischer Freiheit. Ohne Regulierung ist eine Entwicklung des Arbeitsmarktes wie zu Beginn der Industriellen Revolution zu befürchten.
Bericht über Just Eat Takeaway in Frankreich
Bericht über die Entwicklung in Italien
Bericht über die Entwicklung in Spanien
Pressemitteilung der Europäischen Kommission
Studie über die Interessenvertretung in der Plattformwirtschaft |
4. Faire Mindestlöhne im Fokus
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Wahrung von Arbeitnehmerrechten hat Priorität für die britische Regierung
Mit diesem Argument publizierte das Wirtschaftsministerium am 31. Dezember 2020 eine Liste von 139 Unternehmen, die in den Jahren 2016 bis 2018 gegen ihre Pflicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verstoßen haben. Insgesamt wurde 95.000 Beschäftigten 6,7 Mio. £ (7,4 Mio. €) zu wenig ausbezahlt. Eine der Hauptursachen dafür sind Lohnabzüge für Arbeitskleidung, Schulungs- oder Parkgebühren. Solche Verstöße werden von den Finanzbehörden ermittelt. Alle 139 Arbeitgeber mussten die Lohndifferenz an ihre Arbeitnehmer zurückzahlen und erhielten eine Geldstrafe von bis zu 200% der Rückstände.
Der größte Teil entfällt auf die Supermarktkette Tesco, die 78.199 Angestellten 5,1 Mio. £ (5,7 Mio. €) vorenthalten hat, angeblich aufgrund eines Softwarefehlers. An zweiter Stelle steht die Restaurantkette Pizza Hut, die 10.980 Angestellten zuviel für Arbeitskleidung abzog. Auch ein deutscher Name ist auf der Liste zu finden: die Unternehmensgruppe Theo Müller stellt in Mittelengland Joghurt und Desserts her. Allerdings hat das schwäbische Familienunternehmen, das für Müllermilch, Weihenstephan und Homann Feinkost bekannt ist, seit 2011 seinen offiziellen Sitz in Luxemburg. Am 1. April 2021 stieg der britische Mindestlohn für Arbeitnehmer ab 23 Jahren auf 8,91 £ (9,89 €) und für Auszubildende auf 4,30 £ (4,77 €).
Pressemitteilung mit der Liste der 139 Unternehmen
Pressemitteilung über die Erhöhung des Mindestlohns
Fairer Mindestlohn für die Tschechische Republik
Seit 2016 gibt es in Prag eine informelle Diskussionsplattform aus 22 Wissenschaftlern und Gewerkschaftern zur Bedarfsermittlung eines fairen Mindestlohns. Zu ihnen gehört auch der ehemalige Ministerpräsident und EU-Sozialkommissar Vladimír Špidla (siehe Interview in den EBR-News 4/2007). Für das Jahr 2020 ergibt sich ein Betrag von 32.428 Kronen (1.238 €) sowie für Prag von 37.987 Kronen (1.450 €), um Kosten einer angemessenen Lebensführung abzudecken. Mehr als die Hälfte aller tschechischen Arbeiternehmer erreicht dieses Niveau allerdings nicht. Die Berechnungsmethode ist auf einer eigenen Webseite erläutert, die von vier Organisationen unterstützt wird, darunter auch vom Prager Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die Webseite des Projekts
Pressebericht über das Projekt
Der gesetzliche Mindestlohn in Tschechien ist erheblich niedriger. Er verteilt sich auf acht Kategorien von 15.200 Kronen (580 €) für einfachste Hilfstätigkeiten bis 30.400 Kronen (1.160 €) für Betriebsleiter. Seit 2015 drängt der böhmisch-mährische Gewerkschaftsbund ČMKOS mit einer Kampagne auf "Das Ende der billigen Arbeit" und die seit Juni 2018 regierende Koalition aus der liberalpopulistischen ANO ("Aktion unzufriedener Bürger") und den Sozialdemokraten unter Tolerierung der Kommunisten (siehe Bericht in den EBR-News 4/2018) sorgte für einen Anstieg des Mindestlohns um 25%. Tschechien hat mit 3,2% die zweitniedrigste Arbeitslosenquote aller EU-Länder (nach Polen) und der Wechselkurs ist seit der Finanzmarktkrise von 2008 weitgehend stabil (26 Kronen für einen Euro). Obwohl Tschechien alle Kriterien erfüllt und das Nachbarland Slowakei schon seit 2009 zur Euro-Zone gehört, lehnt die Regierung die baldige Einführung des Euro ab.
Länderstudie zur Kampagne "Das Ende der billigen Arbeit"
Überblick über die aktuellen Mindestlöhne in Europa
Alle Zulieferer sollen fairen Mindestlohn zahlen
Als einer der ersten weltweit tätigen Konzerne kündigte Unilever am 21. Januar 2021 an, nur noch mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, die existenzsichernde Löhne nach den Bedingungen des jeweiligen Landes zahlen. Bis 2030 will der britisch-niederländische Konsumgüterhersteller den Plan umsetzen, was angesichts der enormen Größe und globalen Reichweite von Unilever das Potenzial hat, das Leben von Millionen Menschen zu verändern.
Der Lohn sollte ausreichen, um Ernährung, Wasser, Wohnen, Bildung, Gesundheitswesen, Transport und Kleidung abzudecken, und eine Rückstellung für unerwartete Ereignisse enthalten. Hierzu werden genaue Lohnsätze für 190 Länder festgelegt. Unilever überprüft seine Lieferanten heute schon auf die Einhaltung von Klimazielen. Der Vorstandsvorsitzende sieht die beiden größten Bedrohungen, denen die Welt derzeit ausgesetzt ist, im Klimawandel und der sozialen Ungleichheit. Für Verbraucher seien Preis, Zweckmäßigkeit oder Produktpalette immer weniger entscheidend, da ökologische und soziale Aspekte eine immer größere Rolle spielten.
Der Plan beinhaltet auch Angebote für Weiterbildung und flexible Beschäftigungsmodelle. Seit Januar 2016 gibt es bereits eine weltweite Verpflichtungserklärung mit den Gewerkschaften zur Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (siehe Bericht in den EBR-News 1/2016) und im März 2019 ist es dem Europäischen Betriebsrat gelungen, ein europaweites Rahmenabkommen zur strategischen Personalentwicklung durchzusetzen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2019).
Pressemitteilung von Unilever
Der aktuelle Menschenrechtsreport 2020
Pressebericht über die Initiative |
5. Gerichtsentscheidungen in Großbritannien
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Oberstes schottisches Gericht verbietet "Fire and Rehire"
Am 12. Februar 2021 konnte die Handelsgewerkschaft USDAW eine einstweilige Verfügung gegen die Supermarktkette Tesco vor dem Court of Session in Edinburg durchsetzen. Das Gericht untersagte eine geplante Tarifflucht im Verteilzentrum Livingston in Mittelschottland. Dort sollten 290 Beschäftigte gekündigt und zu schlechteren Bedingungen sofort wieder eingestellt werden, was zu jährlichen Einkommensverlusten von 4.000 bis 19.000 £ (4.600 bis 21.700 €) führen würde. Die gleiche Strategie verfolgt Tesco in drei englischen Zentrallagern. In sozialen Medien startete USDAW die Kampagne HonourTheAgreement (haltet den Tarifvertrag ein).
Die Praxis von "Fire and Rehire", bei denen ein Arbeitgeber droht, Beschäftigte zu entlassen, wenn sie sich nicht erneut zu minderwertigen Bedingungen auf ihren Arbeitsplatz bewerben, hat in der Corona-Pandemie stark zugenommen. Der britische Gewerkschaftsbund TUC veröffentlichte im Januar 2021 eine Untersuchung, wonach jeder zehnte Arbeitnehmer im Vereinigten Königreich davon betroffen war, insbesondere schlechter bezahlte Berufe, unter 24-jährige und ethnische Minderheiten. Auch große Unternehmen wie British Airways wollten zuerst 12.000 Beschäftigte aufgrund der Corona-Pandemie entlassen und später zu schlechteren Bedingungen wieder einstellen, was nur mit einem neuntägigen Streik über Weihnachten verhindert werden konnte.
Pressemitteilung der Gewerkschaft USDAW
Einzelheiten der TUC-Untersuchung
Bericht über die Einigung bei British Airways
Steuerung über Finanzzahlen ist ein EBR-Thema
Am 5. März 2021 konnte der Europäische Betriebsrat von Adecco eine Klage beim Central Arbitration Committee (CAC) in London für sich entscheiden. Die zentrale Leitung des schweizerischen Personaldienstleisters hatte ihn weder über Massenentlassungen informiert noch Geschäftszahlen einzelner Länder offengelegt. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt (Mitte 2020) nach britischem Recht mit einer EBR-Vereinbarung, die zuletzt im Mai 2018 überarbeitet wurde (siehe Bericht in den EBR-News 3/2018). Der Konzern hat weltweit 600.000 Leiharbeiter, die er an andere Firmen vermittelt, und 35.000 interne, festangestellte Arbeitnehmer.
Im Mai 2020 stellte der EBR-Lenkungsausschuss fest, dass es in mehreren Ländern zu erheblichem Personalabbau kam: 13% der Belegschaft in Ungarn, 43% in den Niederlanden, 25% in Schweden. Die zentrale Leitung weigerte sich, den EBR zu unterrichten und anzuhören, da alles rein "nationale" Entscheidungen seien. Entlassungen würden nicht vom europäischen oder weltweiten Management angeordnet, sondern in jedem Land in eigener Verantwortung beschlossen. Die Zentrale sei nur für die Entwicklung der Konzernstrategie und deren Umsetzung in lokale operative Ziele und Länderbudgets verantwortlich. Innerhalb des vereinbarten Budgets könne das lokale Management selbständig agieren. Die Konzernleitung müsse den EBR nur beteiligen, wenn sie selbst eine Entscheidung trifft.
Der EBR widersprach dieser Auffassung, da Massenentlassungen so niemals in den Geltungsbereich der EBR-Vereinbarung fallen würden. Weiterhin verlangte er nach Ländern aufgeschlüsselte Daten zur Geschäftsentwicklung, die ihm seit Jahren verweigert wurden. Das CAC bestätigte seine Ansprüche in allen Punkten. Bei Massenentlassungen in mehr als einem Land ist der EBR immer zu beteiligen, und zwar unabhängig von der Frage, welche Managementebene dies beschließt oder koordiniert. Auch die Offenlegung länderspezifischer Finanzdaten darf ihm nicht verweigert werden.
Die CAC-Entscheidung im Wortlaut
Bericht über den EBR und den sozialen Dialog bei Adecco
Spanischer EBR-Sekretär darf spanische Belegschaft informieren
Am 25. März 2021 stellte das Central Arbitration Committee (CAC) in London fest, dass der Ausschluss des Arbeitnehmersprechers im EBR von Alliance Healthcare von Sitzungen mit dem Management beendet werden muss. Er hatte die Belegschaft seines Landes mit kritischen Worten über ein Outsourcing-Projekt informiert und wurde als Strafe vom Management mit Sitzungsverbot und Gehaltsabzug belegt (siehe Bericht in den EBR-News 3/2020). Die Klage wurde im Oktober 2020 eingereicht, als der US-Pharmagroßhändler noch auf britischem Recht basierte. Ab 2021 gilt das niederländische Recht, jedoch liegt der Vorsitz im EBR weiterhin beim Arbeitgeber.
Über die Verschwiegenheitspflicht von EBR-Mitgliedern gab es im US-Computerkonzern IBM ebenfalls einen Rechtsstreit. Der Oberste Gerichtshof von Spanien entschied im Oktober 2020, dass Pläne für Personalabbau niemals einer Geheimhaltung unterliegen (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020). Für die Arbeitnehmervertreter im EBR von Alliance Healtcare gab es im vergangenen Jahr zudem immer wieder Probleme, ihre internen Vor- und Nachbesprechungen abzuhalten. Daher ging es bei der Klage auch um fehlende Dolmetscherunterstützung. Das CAC entschied, dass für alle internen Sitzungen der Arbeitnehmerseite ein Anspruch auf Dolmetscher besteht. Die rechtliche Beratung und Vertretung vor dem CAC hatte die EWC Academy übernommen, die den EBR schon seit Oktober 2019 berät (siehe Bericht in den EBR-News 3/2019).
Die CAC-Entscheidung im Wortlaut |
6. Neue EBR-Vereinbarungen
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Schweizer Flughafen-Servicegesellschaft siedelt EBR in Irland an
Am 15. Dezember 2020 wurde nach etwas mehr als drei Jahren Verhandlungszeit eine EBR-Vereinbarung für Swissport auf Basis irischen Rechts geschlossen. Mit 45.600 Beschäftigten an 300 Flughäfen ist es der größte Dienstleister für Bodenabfertigung der Welt mit Sitz in der Nähe des Flughafens Zürich. Die Corona-Krise hat das Unternehmen hart getroffen. Im Juni 2020 ging die belgische Tochtergesellschaft in Insolvenz und die Belegschaft in Großbritannien und Irland wurde um 4.600 mehr als halbiert. Die Finanzprobleme führten im Dezember 2020 zur Übernahme durch mehrere US-Fondsgesellschaften.
Die EBR-Vereinbarung orientiert sich weitgehend an den subsidiären Bestimmungen der EU-Richtlinie. Das Vereinigte Königreich ist nur noch zwei Jahre lang im EBR vertreten, die Schweiz von Anfang an ausgeklammert. Der zeitliche Ablauf der jährlichen Plenarsitzung wurde genau festgelegt: spätestens acht Wochen vorher legen der engere Ausschuss und die zentrale Leitung in einer Videokonferenz die Punkte für den schriftlichen Bericht fest, der vier Wochen vorher dem EBR übermittelt wird. Der engere Ausschuss diskutiert diesen Bericht in einer Videokonferenz mit seinem Sachverständigen. Spezielle Punkte für die Anhörung in der Plenarsitzung muss der EBR spätestens sieben Arbeitstage vorher mitteilen. Ein halbes Jahr später wird der engere Ausschuss von der zentralen Leitung über den Geschäftsgang in einer dreitägigen Sitzung informiert. Den Sitzungsort legt die zentrale Leitung fest.
Außerordentliche Sitzungen des engeren Ausschusses - erweitert um Delegierte aus den betroffenen Ländern - finden nur statt, wenn eine Maßnahme Auswirkungen auf mindestens 5% der europäischen Belegschaft hat. Vor Beginn solcher Konsultationen wird ein konkreter Zeitplan ausgehandelt. Kommt keine Einigung zustande, findet die außerordentliche Sitzung fünf Wochen nach der Ankündigung der zentralen Leitung statt. Auf eine Stellungnahme des EBR antwortet das Management innerhalb einer Woche. Somit gelten Konsultationsverfahren normalerweise nach sechs Wochen als abgeschlossen. Sitzungen finden grundsätzlich face-to-face statt. Sie können als Videokonferenz durchgeführt werden, wenn es die Vereinbarung ausdrücklich vorsieht oder wenn Präsenzsitzungen ausnahmsweise nicht zumutbar sind.
US-Verpackungsunternehmen gründet EBR nach französischem Recht
Kurz vor dem Ende der dreijährigen Verhandlungsfrist wurde am 5. März 2021 eine EBR-Vereinbarung für die AptarGroup elektronisch signiert. Das US-Unternehmen stellt Verpackungen für Kosmetik, Lebensmittel und die Pharmaindustrie her. Der EBR vertritt 7.800 Beschäftigte in sechs EU-Ländern und im Vereinigten Königreich, davon 4.700 in Frankreich und 2.000 in Deutschland. Als zentrale Leitung wurde die Niederlassung Louveciennes bei Paris benannt.
Die 17 EBR-Mitglieder, darunter sieben aus Frankreich und vier aus Deutschland, tagen einmal jährlich unter dem Vorsitz des Arbeitgebers. Sie wählen einen Sekretär (Sprecher) und drei weitere Mitglieder in das Präsidium, das zwei jährliche Sitzungen durchführt, eine davon als Videokonferenz. Im Fall von außerordentlichen Umständen wird eine Sitzung des Präsidiums einberufen, in der zur Begutachtung der Restrukturierung ein Sachverständigenbüro benannt wird. Einen Monat später findet dann eine Plenarsitzung statt, bei umfangreichen Projekten noch eine zweite. Die finale Stellungnahme des EBR muss acht Tage nach der letzten Sitzung vorliegen.
Die Vereinbarung definiert einen sehr ausführlichen Katalog der Zuständigkeiten des EBR und die nach französischer Praxis sehr weitreichende Unterstützung durch Sachverständige. Die Beratungskosten sind allerdings auf 60.000 € pro Jahr begrenzt. In außerordentlichen Umständen wird ein zusätzliches Budget ausgehandelt. Die EBR-Mitglieder erhalten 64 Stunden Freistellung pro Jahr, die Mitglieder des Präsidiums 96 Stunden und der Sekretär 128 Stunden. Sitzungen, Schulungen und der Besuch von Betriebsstätten wird auf dieses Kontingent nicht angerechnet. Der EBR hat drei Schulungstage in der vierjährigen Amtszeit und jeder Delegierte kann 30 Stunden Englischkurse pro Jahr online buchen. Ein eigener Paragraph ermöglicht den Ersatz von Präsenzsitzungen durch Videokonferenzen im Fall einer Pandemie. |
7. Neue SE-Umwandlungen
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Hessisches Familienunternehmen vermeidet Mitbestimmung vollständig
In zwei Stufen wandelte Viessmann, ein Hersteller von Heiz- und Kühlsystemen mit weltweit 12.300 Beschäftigten, wichtige Teile des Unternehmens in eine Europäische Gesellschaft (SE) um. Am 28. August 2020 wurde eine Beteiligungsvereinbarung am Stammsitz in Allendorf (Nordhessen) geschlossen und am 1. September 2020 die Viessmann Climate Solutions SE im Handelsregister eingetragen, zunächst mit 678 Arbeitnehmern in Deutschland. Am 2. November 2020 wurde dann der Bereich Heizsysteme mit Tochtergesellschaften in 21 Ländern in die SE integriert.
Der neue SE-Betriebsrat vertritt 8.000 Beschäftigte, davon 5.400 in Deutschland. Seine 16 Mitglieder, darunter sieben aus Deutschland, kommen aus sieben Ländern. 14 kleinere Länder erhalten erst dann einen Sitz, wenn sie die Schwelle von 100 Arbeitnehmern erreichen. Besonders positiv fällt auf, dass sowohl der geschäftsführende Ausschuss als auch der SE-Betriebsrat jedes Quartal eine Sitzung mit der zentralen Leitung durchführen. Video- oder Telefonkonferenzen sind möglich, gelten aber nicht als Normalfall. Ansonsten zitiert die Vereinbarung fast vollständig die Auffanglösung der SE-Richtlinie und fällt - anders als bei manch anderen Familienunternehmen - nicht hinter diesen Standard zurück.
Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist trotz der großen Belegschaft in Deutschland ausgeschlossen. Sollte allerdings die Familie Viessmann Anteile verkaufen und beim Käufer schon eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat existieren, dann wird sie auch in der SE eingeführt. Eine vergleichbare Regelung wurde im März 2019 im Bauunternehmen Köster getroffen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2019).
Beratungsunternehmen flüchtet in letzter Sekunde aus der Mitbestimmung
Am 22. Oktober 2020 wurde die umlaut SE im Handelsregister von Aachen eingetragen. Das inhabergeführte Unternehmen mit weltweit 4.500 Beschäftigten bietet Technologie- und Umsetzungsberatung für Mobilfunknetze, Luftfahrt, Automobilindustrie, Energieversorgung und Telemedizin. In Deutschland war die 2.000er-Schwelle zur Einführung der paritätischen Mitbestimmung mit 1.987 Arbeitnehmern nicht mehr weit. Die am 17. Februar 2020 in einer Telefonkonferenz akzeptierte SE-Beteiligungsvereinbarung schließt die Belegschaft auf Dauer von jeder Mitbestimmung im Aufsichtsrat aus. Das Verhandlungsgremium (BVG) hatte 14 Mitglieder, davon neun aus Deutschland.
Der künftige SE-Betriebsrat mit dem Namen "Employees Board" tagt zweimal jährlich und vertritt 2.500 Beschäftigte in Deutschland, Frankreich, Spanien, Polen und im Vereinigten Königreich. Lokale Betriebsräte existieren nur in Frankreich und Spanien, nicht aber in Deutschland. Es ist beabsichtigt, künftig auch außereuropäische Standorte einzubeziehen. Der SE-Betriebsrat hat Unterrichtungs- und Anhörungsrechte sowie weitreichende Initiativrechte, z. B. zur Umwelt- und Sozialverantwortung. Es fehlen jedoch ein Schulungsanspruch und das SE-typische doppelte Konsultationsverfahren.
Chemiehandelsgruppe aus dem Ruhrgebiet firmiert als SE
Seit dem 1. Februar 2021 ist Brenntag mit 17.500 Beschäftigten weltweit eine SE. Nach zehn Monaten Verhandlung wurde am 20. November 2020 eine SE-Beteiligungsvereinbarung für knapp 7.000 Arbeitnehmer in 25 europäischen Ländern unterschrieben. Bislang hatte das Unternehmen mit Sitz in Essen 1.800 Arbeitnehmer in Deutschland und keine Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat. Durch die SE-Umwandlung konnte frühzeitig vor dem Erreichen der 2.000er Grenze die Mitbestimmung für alle Zeiten ausgeschlossen werden.
Im neuen SE-Betriebsrat mit der Bezeichnung "European Employee Forum" hat jedes Land (inklusive dem Vereinigten Königreich und der Schweiz) mindestens einen Sitz. Er besteht aus 29 Delegierten, die von den Arbeitnehmervertretungen des jeweiligen Landes gewählt werden - falls es diese nicht gibt, finden elektronische Direktwahlen statt. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Pro Jahr sind zwei Sitzungen mit der zentralen Leitung geplant, eine davon als Videokonferenz. In außergewöhnlichen Umständen finden ausschließlich Videokonferenzen und keine Präsenzsitzungen statt. Der SE-Betriebsrat wählt einen geschäftsführenden Ausschuss aus fünf Mitgliedern, der Telefon- und Videokonferenzen sowie Präsenzsitzungen nach Bedarf durchführen kann. Alle anderen Regeln stimmen mit der Auffanglösung der SE-Richtlinie überein. Einen Europäischen Betriebsrat hatte Brenntag vorher noch nicht.
Pressemitteilung zur SE-Umwandlung
Der Umwandlungsbericht im Wortlaut
Weitere Informationen zur Rechtsform SE
Aktuelle Bestandsaufnahme der SE-Entwicklungen |
8. Umstrukturierungen auf der EBR-Agenda
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Spanische Bekleidungskette bekennt sich zu sozialverträglicher Digitalisierung
Am 21. Dezember 2020 veröffentlichte die zentrale Leitung von Inditex gemeinsam mit dem Europäischen Betriebsrat eine Deklaration zur Digitalisierung. Inditex ist eines der größten Textilunternehmen der Welt und betreibt Modegeschäfte wie Zara, Bershka, Pull & Bear oder Massimo Dutti. Durch Geschäftsschließungen im Corona-Lockdown gingen die Umsätze stark zurück, nur die Zunahme im Online-Handel bewahrte den Konzern vor Verlusten. Daher will er jetzt 1.200 kleinere der weltweit 7.400 Geschäfte dauerhaft schließen und den Verkauf über das Internet massiv ausbauen.
In einer EBR-Sitzung am 15. Juni 2020 hatte die zentrale Leitung bereits angekündigt, diesen Umbau möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen umzusetzen. Dieser Grundsatz ist jetzt Kernpunkt der gemeinsamen Erklärung geworden. Wenn Arbeitsplätze durch Schließung von Geschäften wegfallen, soll in der Nähe Ersatz geschaffen sowie angemessene Weiterbildung angeboten werden. Die Details werden in jedem Land durch die Arbeitnehmervertretungen vor Ort ausgehandelt. Der EBR von Inditex wurde erst im September 2018 gegründet (siehe Bericht in den EBR-News 4/2018) und seit November 2019 gibt es ein weltweites Gewerkschaftskomitee (siehe Bericht in den EBR-News 4/2019).
Bericht über die gemeinsame Erklärung
Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut
Britische Versicherung vor der Zerschlagung
Am 12. Januar 2021 gab der Europäische Betriebsrat der RSA Insurance Group eine positive Stellungnahme zu der geplanten Übernahme durch ein kanadisch-dänisches Konsortium ab. Die zweitgrößte Versicherung des Vereinigten Königreiches, deren Geschichte bis 1710 zurückreicht, hat 13.500 Beschäftigte mit Schwerpunkten in Irland, Skandinavien und Kanada. RSA steht schon länger zum Verkauf.
Am 18. November 2020 wurde bekannt, dass die Intact Financial Corporation aus Kanada gemeinsam mit Tryg Forsikring aus Dänemark insgesamt 7,2 Mrd. £ (8,4 Mrd. €) für die Akquisition zahlen wollen. Am gleichen Tag wurde dies dem Europäischen Betriebsrat offiziell mitgeteilt. In einer Sondersitzung des Präsidiums bestellte er daraufhin ein Sachverständigenbüro zur Untersuchung der Konsequenzen. Die Transaktion, die bis Mitte 2021 abgeschlossen sein soll, hat die Zerschlagung von RSA zur Folge. Intact übernimmt die kanadischen, britischen und internationalen Geschäfte, Tryg die schwedischen und norwegischen Niederlassungen. Das dänische Geschäft von RSA wollen die Käufer gemeinsam weiterführen. Intact hat weltweit 16.000 Beschäftigte und Tryg ist mit 4.000 Beschäftigten einer der größten Versicherer Skandinaviens. Beide Unternehmen haben bisher noch keinen EBR gegründet.
In seiner Stellungnahme begrüßt der Europäische Betriebsrat von RSA, den es schon seit 1999 gibt, die geplante Übernahme, weil die Geschäfte strategisch gut zusammenpassen würden. Er sieht aber erhebliche Unsicherheit bei den kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die RSA-Belegschaft. Insbesondere fordert er genauere Informationen zum Zeitplan für das Joint Venture in Dänemark und eine Verpflichtung zur Konsultation in jeder Phase. Es ist bereits absehbar, dass 200 Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich und 435 Arbeitsplätze in Schweden und Norwegen verloren gehen. Da beide Käufer keinen EBR haben, drängt er darauf, beim Übergang in die neuen Organisationen fortlaufend seine Unterrichtungs- und Anhörungsrechte mit Unterstützung von Sachverständigen wahrnehmen zu können und mit den neuen Eigentümern konkret die weitere Zusammenarbeit zu besprechen.
Pressebericht über die Akquisition |
9. Der Blick über Europa hinaus
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Französischer Baukonzern will Umweltschutz stärken
Am 6. November 2020 unterzeichneten der Vorstandsvorsitzende und der Sekretär des Europäischen Betriebsrates von Vinci konzernweite Umweltleitlinien für alle 222.000 Beschäftigten in 110 Ländern. Der zweitgrößte Baukonzern der Welt war zuletzt im März 2019 wegen Verschmutzung der Seine durch ein Betonwerk in die Schlagzeilen geraten. Die Umweltleitlinien zielen auf den gesamten Lebenszyklus der Projekte, um möglichst umweltschonend mit nicht-erneuerbaren Ressourcen umzugehen. Sie beinhalten vier Schritte für die 3.100 operativen Einheiten: Risikoanalyse, Umwelt-Aktionspläne und deren Überwachung sowie Sensibilisierung und Schulung der Arbeitnehmer für Umweltbelange. Die Ergebnisse werden anhand von sachdienlichen Indikatoren (einschließlich der Treibhausgasemissionen) gemessen, im Geschäftsbericht von Vinci veröffentlicht und regelmäßig dem Europäischen Betriebsrat vorgestellt. Dieser hatte zuletzt im September 2018 seine Vereinbarung überarbeitet (siehe Bericht in den EBR-News 4/2018).
Die Umweltleitlinien im Wortlaut
Erstes internationales Rahmenabkommen in der Aufzugs- und Rolltreppenbranche
Am 25. November 2020 unterzeichnete die zentale Leitung des deutschen Unternehmens thyssenkrupp Elevator ein weltweites Rahmenabkommen über grundlegende Prinzipien, Arbeits- und Gewerkschaftsrechte mit dem Internationalen Industriegewerkschaftsbund (industriALL) in Genf, der IG Metall und dem deutschen Konzernbetriebsrat. Sie sieht die Errichtung von Arbeitsschutzausschüssen in allen Standorten der Welt vor. An der Überwachung des Abkommens für die 50.000 Beschäftigten ist auch der Europäische Betriebsrat beteiligt. In der ehemaligen Muttergesellschaft, dem Stahlkonzern Thyssenkrupp, wurde im März 2015 ein internationales Rahmenabkommen vereinbart (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015). Nach dem Verkauf der Fahrstuhlsparte im Februar 2020 an drei Investoren war eine eigenständige Regelung notwendig. Seit November 2012 gibt es für die Fahrstuhlsparte schon eine europaweite Vereinbarung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (siehe Bericht in den EBR-News 2/2012).
Bericht über das Rahmenabkommen
Das Rahmenabkommen im Wortlaut
Britischer Modehändler will Auswirkungen der Corona-Krise minimieren
Am 23. Februar 2021 bekräftigte die Unternehmensleitung von ASOS gegenüber dem Internationalen Industriegewerkschaftsbund in Genf (industriALL) ihre Bereitschaft, zur Erholung der Bekleidungsindustrie und zur Sicherheit der Arbeitnehmer in der Lieferkette beizutragen. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte sich ASOS bereits zu stabilen Zahlungsbedingungen verpflichtet, um den Cashflow der Produzenten zu unterstützen und somit auch deren Arbeitnehmern Stabilität und Planbarkeit zu ermöglichen. Das Londoner Unternehmen arbeitet mit Lieferanten, Gewerkschaften und Regierungen in den Produktionsländern zusammen, um dort Koalitionsfreiheit, Tarifverhandlungen und verbesserte Arbeitsbeziehungen zu fördern. Nun sollen auch negative Folgen der Corona-Krise durch sozialverträgliche Maßnahmen abgemildert werden. Im Oktober 2017 hatte ASOS ein internationales Rahmenabkommen mit den Gewerkschaften geschlossen, das allererste seiner Art im Onlinehandel (siehe Bericht in den EBR-News 3/2017). Am 1. Februar 2021 kaufte ASOS die insolvente britische Textilkette Topshop und ist seither auch im stationären Einzelhandel vertreten.
Pressemitteilung zur gemeinsamen Erklärung
Die gemeinsame Erklärung im Wortlaut |
10. Interessante Webseiten
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Europäischer Betriebsrat aus Frankreich präsentiert seine Arbeit
Der EBR der genossenschaftlichen Bankengruppe Crédit Agricole hat eine eigene Webseite. Er besteht seit 2008 mit 22 Delegierten aus 14 Ländern, davon zwölf aus Frankreich (siehe Bericht in den EBR-News 1/2008). Der französische Text kann über einen Button ganz unten auf der Startseite in zahlreiche Sprachen übersetzt werden. Seit 2014 erscheint einmal im Jahr ein Newsletter, der in sieben Sprachen abgerufen werden kann. Jedes Jahr besuchen die acht Mitglieder des engeren Ausschusses ein bestimmtes Land oder eine Region, um sich beim Management und den Betriebsräten vor Ort zu informieren. Auch dazu ist jeweils ein Bericht in drei Sprachen verfügbar. Als die Bank 2013 alle Niederlassungen in Tschechien und der Slowakei auflöste, verhandelte der EBR die Abfindungen (siehe Bericht in den EBR-News 3/2013). Seit Juli 2019 gibt es ein weltweites Rahmenabkommen mit einem eigenen Kapitel zur Digitalisierung (siehe Bericht in den EBR-News 3/2019).
Die Webseite des EBR
Beschäftigte von Google gründen Gewerkschaft
Am 4. Januar 2021 wurde die Gründung einer Gewerkschaft für die Google-Muttergesellschaft Alphabet mit anfänglich 800 Mitgliedern bekanntgegeben und eine eigene Webseite freigeschaltet. Dies ist das Ergebnis einer Kampagne zur Organisierung Beschäftigter der Technologie-, Spiele- und Digitalindustrie in den USA und Kanada, die ein Jahr zuvor von der Gewerkschaft CWA (Communications Workers of America) gestartet wurde. Die CWA hat 700.000 Mitglieder und arbeitet bei der Vertretung von T-Mobile-Beschäftigten in den USA mit der Gewerkschaft ver.di in Deutschland zusammen (siehe Bericht in den EBR-News 2/2011).
Politische Forderungen gegen sexuelle Belästigung und Rassismus führten bereits im November 2018 zum "Google Walkout", einer Art Warnstreik, in 50 Städten (siehe Bericht in den EBR-News 4/2019). Um solche Aktivitäten weltweit zu koordinieren, gibt es seit dem 25. Januar 2021 die Allianz "Alpha Global". Unter dem Dach des internationalen Bundes der Dienstleistungsgewerkschaften UNI gehören ihr Gewerkschaften aus zehn Ländern an, darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Schweden und die Schweiz.
Die Webseite der neuen Gewerkschaft
Die Gesichter der Gewerkschaft
US-Pressebericht über die Gewerkschaftsgründung
Hintergrundbericht über die neue Gewerkschaft
Das Manifest der weltweiten Allianz
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Arbeitnehmerentsendung
Die Bauindustrie ist besonders stark von der Entsendung zumeist osteuropäischer Arbeiter nach Westeuropa betroffen. Ziel des von der EU finanziell geförderten ISA-Projekts ist es, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Behörden und Interessengruppen verschiedener Länder zu fördern, um die Arbeitnehmerentsendung in der Bauindustrie besser zu überwachen. An dem zweijährigen Projekt, das bis Dezember 2020 lief, waren Einrichtungen aus sieben Ländern beteiligt, nämlich aus Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Portugal und Spanien. Die Ergebnisse sind auf einer eigenen Webseite verfügbar. Dort gibt es auch Länderprofile, die das Thema Arbeitnehmerentsendung genauer analysieren. Mindeststandards hierfür legt die EU-Entsenderichtlinie fest (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017).
Die Webseite des ISA-Projekts
Die Länderprofile zum Download
Gewerkschaftliche Webseite zur europäischen Säule sozialer Rechte
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) in Brüssel stellt auf einer neuen Webseite in 24 Sprachen seine Positionen zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte vor, die im November 2017 auf einem Sozialgipfel der EU proklamiert wurde (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017). Die Säule enthält zwanzig Grundsätze für faire, gut funktionierende Arbeitsmärkte und Sozialsysteme und soll als ein "Kompass für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten" dienen. Die Europäische Kommission legte hierzu am 4. März 2021 einen Aktionsplan vor.
Die EGB-Webseite zur Europäischen Säule sozialer Rechte
Der Aktionsplan der Europäischen Kommission |
11. Neue Publikationen
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Schutz von Hinweisgebern: Praxisleitfaden zur EU-Richtlinie
Am 3. Dezember 2020 legte der europäische Gewerkschaftsdachverband für Fach- und Führungskräfte Eurocadres in Zusammenarbeit mit der britischen Stiftung Protect einen Leitfaden zum Whistleblowing in sechs Sprachen vor. Im Oktober 2019 ist eine EU-Richtlinie zum Schutz von Personen erlassen worden, die Gesetzesverstöße und Fehlverhalten melden. Bis 17. Dezember 2021 muss sie in nationales Recht umgesetzt werden. Die Gewerkschaften fordern hier zusätzliche Rechte (siehe Bericht in den EBR-News 4/2019). Im Leitfaden wird erläutert, was eine gute Unternehmensrichtlinie auszeichnet, und ein Mustertext präsentiert. Ein eigenes Kapitel beschreibt den Umgang mit Hinweisgebern anhand eines Flussdiagramms und listet elf praktische Empfehlungen für Führungskräfte und Arbeitnehmervertreter auf. Im Anhang sind zwei Fallstudien über Whistleblowing in der Arzneimittelforschung und in einer Buchhaltungsabteilung zu finden.
Download des Leitfadens
Überblick über die weiteren Sprachversionen
Die Webseite der britischen Stiftung Protect
Die Webseite der europaweiten Kampagne Whistleblowerprotection
Gewerkschaftliches Positionspapier zur Umsetzung in Deutschland
Veränderung der Arbeitsweise von Gewerkschaften in Corona-Zeiten
Am 12. Januar 2021 veröffentlichte der Thinktank Unions21 aus London eine internationale Studie über die Gewerkschaften in der Corona-Pandemie. Ihre Rolle bestand vorwiegend darin, Arbeitsplätze zu schützen, die Wirtschaft lebensfähig zu halten und die Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Der Autor von der Universität Sheffield beleuchtet, wie sie dabei alle Aspekte ihrer Arbeit überprüften, Remote Work einführten, neue digitale Wege für Kampagnen, Verhandlungen, Lobbying, Schulung und Interessenvertretung entwickelten. Dabei nahm das Engagement der Mitglieder zu und es gibt Hinweise, dass die Mitgliederzahlen 2020 gestiegen sind. 70% der befragten hauptamtlichen Gewerkschaftssekretäre u. a. aus Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Schweden waren der Meinung, dass ihre Organisation jetzt stärker sei als vor Beginn der Pandemie. Es werde nicht möglich sein, zu den alten "Business as usual"-Arbeitsweisen zurückzukehren.
Informationen über die Studie
Die Studie im Wortlaut
Sicheres und gesundes Arbeitsumfeld in Pandemiezeiten
Am 25. Januar 2021 ist ein aktualisierter Corona-Leitfaden der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz erschienen. Er enthält Leitlinien, wie sich Arbeitnehmer in einem durch die Pandemie geprägten Arbeitsumfeld sicher bewegen und gesund bleiben können. Dazu gehören Empfehlungen in Bezug auf Gefährdungsbeurteilungen, Minimierung der Exposition, Wiederaufnahme der Arbeit, Bewältigung von Abwesenheiten und Führung von Arbeitnehmern, die von zu Hause aus arbeiten. Auch die Betreuung von Beschäftigten, die bereits krank waren, wird angesprochen. Hinzu kommen Informationen und Links für zahlreiche Branchen, Berufe und Länder. Das Dokument ist in 25 Sprachen verfügbar. Die Agentur stellt auch eine Kurzfassung des Leitfadens auf ihrer Online-Enzyklopädie (OSHwiki) zu Themen des betrieblichen Gesundheitsschutzes zur Verfügung.
Download des Leitfadens
Die weiteren Sprachversionen
Der Leitfaden auf OSHwiki
China aus dem Blickwinkel eines deutschen Gewerkschaftssekretärs
Ende Januar 2021 ist dieses Buch erschienen, dessen Autor Vorurteile, Halbwahrheiten und Einseitigkeiten über China hinterfragen will. Er war Betriebsratsmitglied in einem US-Computerunternehmen, hauptamtlich bei der IG Metall angestellt und lebte mehrere Jahre in Peking. Der Aufstieg der sogenannten "Volksrepublik" zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt wird von einer Entfesselung des Kapitalismus, hoher sozialer Ungleichheit ("Klassengesellschaft zwischen Kommunismus und Plutokratie") und einer ausgeprägten digitalen Kontrolle begleitet. Im Wettbewerb mit den USA und Europa geht es um die Schlüsseltechnologien der Zukunft - China ist heute schon Weltmarktführer für Elektromobilität. Für Kommunisten war immer eine der wichtigsten Fragen: "Wem gehören die Produktionsmittel?" Gibt es auf diese Frage unterschiedliche Antworten, wenn man China und die USA heute vergleicht? Den Unterschied macht eher die staatliche Industriepolitik, die sich in den USA nur auf den militärischen Bereich beschränkt.
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Inhaltsverzeichnis mit Leseprobe
Das Schlusskapitel des Buches
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12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit
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SE-Verhandlungen in Hamburger Life Sciences-Unternehmen
Das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) von Eppendorf konstituierte sich am 20. Januar 2021 in einer Videokonferenz. Der Weltmarktführer bei Geräten und Verbrauchsmaterialien für Forschungslabore steht mit 1.983 Beschäftigten in Deutschland kurz vor der Schwelle zur Einführung einer paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Durch die Corona-Pandemie hat die Nachfrage aus den medizinischen Laboren stark zugenommen und die Belegschaft wächst. Um die Drittelbeteiligung auf Dauer beizubehalten, wurde die SE-Umwandlung eingeleitet. 23 BVG-Mitglieder aus 16 Ländern, darunter acht aus Deutschland, vertreten 2.500 europäische Arbeitnehmer. Einen Europäischen Betriebsrat gibt es bei Eppendorf bisher noch nicht. Nachdem die EWC Academy bereits zuvor den deutschen Konzernbetriebsrat geschult hatte, wurde sie vom BVG als Sachverständigenbüro für die laufenden Verhandlungen bestellt.
Japanischer Automobilzulieferer baut wegen Corona-Pandemie Personal ab
Am 22. Februar 2021 bestellte der Europäische Betriebsrat von U-Shin die EWC Academy zum Sachverständigenbüro für eine bevorstehende Umstrukturierung. Rückläufige Umsätze in der Corona-Pandemie veranlassten den Automobilzulieferer, die Fertigung von Türschlössern in Europa ganz aufzugeben. Bis März 2022 wird die Fabrik in Abrera bei Barcelona (Foto) geschlossen und in zwei französischen Standorten Personal abgebaut. U-Shin gehört zu MinebeaMitsumi, ein japanischer Elektrotechnikkonzern, und hat seit Juni 2014 einen eigenständigen EBR nach französischem Recht (siehe Bericht in den EBR-News 2/2014).
Pressebericht über den Sozialplan in Spanien
US-Kinobetreiber verlagert EBR nach Spanien
Aufgrund des Brexit unterliegt der Europäische Betriebsrat der Odeon Cinemas Group nicht mehr britischem Recht. Die größte Belegschaft innerhalb der EU hat Spanien. Mit Unterstützung der EWC Academy wird seit dem 26. März 2021 über eine Anpassung der EBR-Vereinbarung verhandelt. Odeon wurde 2016 von AMC Theaters aus den USA aufgekauft, dem größten Kinokonzern der Welt. Derzeit betreibt Odeon 360 Kinos in 13 europäischen Ländern, davon 120 im Vereinigten Königreich, wo sich auch der Firmensitz befindet. Der EBR hat 18 Mitglieder, darunter drei aus dem Vereinigten Königreich, und vertritt 9.000 Beschäftigte. |
13. Aktuelle Seminartermine
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Die EWC Academy und ihre Vorläuferorganisation führt seit Januar 2009 Tagungen und Seminare für Mitglieder von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien durch. Bisher haben daran 844 Arbeitnehmervertreter aus 292 Unternehmen teilgenommen, viele von ihnen auch mehrfach. Das entspricht 25% aller transnationalen Betriebsratsgremien in Europa. Hinzu kommen zahlreiche Inhouse-Veranstaltungen und Gastvorträge bei anderen Veranstaltern.
Überblick über die bevorstehenden Seminartermine
13. Hamburger Fachtagung für Europäische und SE-Betriebsräte
Wie jedes Jahr findet auch 2021 unsere Fachtagung statt, allerdings aufgrund der Corona-Pandemie nicht zum üblichen Termin im Januar, sondern am 13. und 14. September 2021. Zu Beginn werden neueste Entwicklungen in der EBR- und SE-Landschaft und rechtliche Folgen des Brexit diskutiert, danach folgen Fallbeispiele aus Unternehmen. Einer der Schwerpunkte wird der korrekte Umgang mit vertraulichen Informationen sein, die der EBR erhält - oder auch nicht erhält (siehe Bericht in den EBR-News 2/2020).
Das Programm der Fachtagung
Bericht von der letzten Hamburger Fachtagung
Inhouse-Veranstaltungen
Eine Übersicht über mögliche Themen für Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:
Beispiele für Inhouse-Seminare |
14. Impressum
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Die EBR-News werden herausgegeben von:
EWC Academy GmbH Rödingsmarkt 52, D-20459 Hamburg www.ewc-academy.eu
Verteiler der deutschsprachigen Ausgabe: 23.018 Empfänger Verteiler der englischsprachigen Ausgabe: 4.114 Empfänger Verteiler der französischsprachigen Ausgabe: 4.066 Empfänger
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