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20.
April 2004
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1. EU-Osterweiterung und EBR
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1. Mai 2004: Die EU
wird größer - was bedeutet das
für den EBR?
Nur
noch wenige Tage bis zur EU-Erweiterung. Zehn neue Mitgliedsstaaten mit
insgesamt rund 75 Millionen Einwohnern gehören ab dem 1. Mai
2004 zur Europäischen Union. Zu den 169 Millionen
Erwerbstätigen in den "alten" EU-Ländern kommen 29
Millionen hinzu. Mit dem Beitritt übernehmen die neuen
EU-Länder die europäische Gesetzgebung
und damit auch den Europäischen Betriebsrat. Wir
haben bei den wichtigsten Einzelgewerkschaften nachgefragt, wie die
Vorbereitungen auf die Erweiterung der Europäischen
Betriebsräte gediehen sind und einige Hintergründe
beleuchtet.
Gutachten
zur EU-Erweiterung für Europäische
Betriebsräte
EU-Erweiterung heißt gleichzeitig auch
EBR-Erweiterung. In allen Beitrittsländern muß die
EBR-Richtlinie ab 1. Mai 2004 angewendet und
bestehende Europäische Betriebsräte um
Delegierte aus diesen Ländern erweitert werden. Daraus
resultieren eine Reihe offener Fragen, die der DGB kürzlich in
einem Gutachten untersuchen ließ.
Die von
Flávio Benites, Doktorand bei Prof. Däubler,
vorgelegte Arbeit gibt einen Überblick über die
rechtlichen Auswirkungen der EU-Erweiterung und beantwortet konkrete
Fragen, die sich hierzu in vielen Europäischen
Betriebsräten stellen.
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2.
EBR-Gründung:
Richter stärken Informationrechte von Betriebsräten
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Neue Urteile
zur Informationspflicht des Arbeitgebers
Betriebsräte in europaweit
tätigen Unternehmen haben einen Anspruch auf Informationen,
die zur Gründung eines Europäischen Betriebsrates
erforderlich sind. Das erste Urteil des Europäischen
Gerichtshofes (EuGH) hierzu erging im März 2001. Dem
Betriebsrat des Handelsunternehmens Bofrost,
bekannt für seine Tiefkühlprodukte, hatte der
Arbeitgeber die notwendigen Informationen über die Struktur
des Unternehmens im Ausland verweigert. Nachdem der EuGH dem deutschen
Betriebsrat einen umfassenden Informationsanspruch zugebilligt hatte,
um in Verhandlungen über die Gründung eines EBR
eintreten zu können, schloss sich jetzt auch das
Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 30.
März 2004 dieser Meinung an.
Im Januar 2004 hatte der Europäische Gerichtshof
(EuGH) ein ähnliches Urteil gefällt. Seit 1996
versuchen die Arbeitnehmervertreter des Speditionsunternehmens Kühne
+ Nagel vergeblich, einen EBR zu
gründen. Da die Muttergesellschaft des Konzerns in
der Schweiz sitzt und diese nicht unter die EBR-Richtlinie
fällt, wurde die Weitergabe der notwendigen Informationen vom
Arbeitgeber bisher verweigert. Der EuGH bejahte auch in diesem Fall die
Pflicht des Unternehmens zur Unterrichtung der
Arbeitnehmervertreter.
→ weitere
Informationen
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3. Kommt die Novellierung der EBR-Richtlinie in
Schwung?
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Seit Jahren wird
ergebnislos über eine Novellierung der EBR-Richtlinie
diskutiert. Während die Gewerkschaften eine Erweiterung
der EBR-Informations- und Konsultationsrechte verlangen,
blockieren die Arbeitgeber jegliche Änderung. So ist der
Europäische Arbeitgeberverband für die Metall- und
Elektroindustrie (WEM) beispielsweise der Meinung, daß eine
Revision der EBR-Richtlinie im Zuge der EU-Erweiterung zu früh
käme und nicht notwendig sei.
Der
Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hatte zuletzt im Februar
2004 seine Forderungen zur Novellierung in einem 26 Punkte umfassenden
Strategiepapier präzisiert. Es enthält wichtige
Aspekte zur Verbesserung der EBR-Arbeit, wird aber vor dem Hintergrund
der politischen Kräfteverhältnisse von vielen als
eine "fromme Wunschliste" betrachtet. Manche Stimmen
fordern eine Konzentration auf ausgewählte
Schwerpunkte, was für die Novellierung förderlicher
sei als Maximalforderungen, mit denen man bei den
Arbeitgeberverbänden "auf Granit" stoßen
würde.
Angesichts der
Blockade der Arbeitgeberverbände und der vielfältigen
Forderungen für ein sozialpolitisches Moratorium (u.a. auch
aus Deutschland), schindet die Europäische Kommission weiter
Zeit. Die Anhörungen der Sozialpartner, eigentlich
für das erste Quartal 2004 geplant, sind erneut verschoben
worden. Gegenüber unserer Newsletter-Redaktion
kündigte Billie Mathews, der bei der EU-Kommission
für die Revision der EBR-Richtlinie zuständig
ist, vor wenigen Tagen an, daß die
Anhörungen im Mai 2004 beginnen sollen. Wir werden
darüber berichten.
Hintergrundmaterial
zum Download:
"Towards
more influence!"
Unter diesem Motto trafen sich
Ende 2002 mehrere hundert EBR-Mitglieder aus ganz Europa zu einer
Konferenz im dänischen Aarhus. Diskutiert wurde dort
über die Rolle der Europäischen Betriebsräte
bei Umstrukturierungen, die Verbesserung der Informations- und
Konsultationsverfahren sowie über die juristische Durchsetzung
der Rechte von EBR-Gremien.
Stellungnahme
des EWSA
Im September 2003 legte
der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) eine
Stellungnahme über die praktische
Anwendung der bisherigen EBR-Richtlinie vor. Das Papier
ist eine Bewertung der EBR-Richtlinie, die von Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerseite gemeinsam ausgearbeitet wurde und
stellt daher einen Kompromiss unterschiedlicher Interessen dar.
Strategiepapier
des EGB
Der Europäische
Gewerkschaftsbund (EGB) legte im Februar 2004 seine Positionen zur
Revision der EBR-Richtlinie in einem Strategiepapier fest.
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4. EBR-konkret:
Was tut sich in den Betrieben?
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Hände weg von Aventis
"Die Saison ist eröffnet" und von einem
"großen Fressen" künden in jüngster Zeit
die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. Nach Meinung der
Beratungsgesellschaft KPMG ist das Fusionsklima in der EU derzeit
besonders günstig. Eine Übernahmeschlacht, die
Erinnerungen an Mannesmann und Vodafone weckt, tobt derzeit in der
Pharmabranche. Der französische Konzern
Sanofi-Synthélabo versucht seinen Konkurrenten Aventis zu
übernehmen. Gemessen am Umsatz ist Sanofi jedoch nur halb so
groß wie Aventis.
Die Großaktionäre von Sanofi
(Total und L’Oréal) versprechen sich von der
Aventis-Übernahme Vorteile, die vor allem zu Lasten der
Belegschaften gehen. 10.000 Arbeitsplätze und etwa
170 Ausbildungsplätze pro Jahr, so der stellvertretende
EBR-Vorsitzende von Aventis, Friedhelm Conradi im Interview mit unserer
Newsletter-Redaktion, stehen dabei auf dem Spiel. Außerdem
sind weitere Stellen bei den Zulieferern und in den betroffenen
Regionen gefährdet.
Der Europäische Betriebsrat von Aventis
hat in einer Stellungnahme die feindliche Übernahme
entschieden abgelehnt. Mit Aktionen wie "Hände weg von
Aventis“, "Der L’Oréal-Berg
wächst“ und Informationskampagnen kämpfen
die Beschäftigten gegen die Übernahme. Die
Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) und die
französische CFDT forderten beide Unternehmen auf, in einen
konstruktiven Dialog einzutreten und die Arbeitnehmer in den
Entscheidungsprozeß einzubeziehen. Mit einer ersten
Entscheidung der französischen Justiz zur
Übernahmegenehmigung wird bis Ende Mai 2004 gerechnet. Weitere
Informationen unter: www.haende-weg-von-aventis.de
Kraft
Foods: angedrohter Personalabbau ruft
Betriebsräte auf den Plan
Im Januar 2004 sind
die Beschäftigten des Nahrungsmittelherstellers Kraft Foods
vom Management über einen "Plan für
nachhaltiges Wachstum" informiert worden, der europaweit die
Schließung von zwanzig Standorten und den Abbau von 6.000
Arbeitsplätzen vorsieht. In einem offenen Brief an die
Konzernleitung fordern die Belegschaftsvertretungen ihre
Einbeziehung in den Planungsprozeß und eine ernsthafte
Prüfung von Alternativen zu diesem Abbauplan.
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5. Europäische Betriebsräte in
der Automobilindustrie
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Die
Automobilindustrie, die die Herstellung von Fahrzeugen und Komponenten
umfaßt, beschäftigt rund 8 % aller in der
verarbeitenden Industrie tätigen Arbeitnehmer der EU. Ihre
Bedeutung geht allerdings weit darüber hinaus, nicht zuletzt
als traditionelle Hochburg der Gewerkschaften und als innovative Kraft
bei der Arbeitsorganisation und den Arbeitsbeziehungen.
In praktisch allen großen
Automobilunternehmen gibt es inzwischen Europäische
Betriebsräte. Das zeigt eine im März 2004
veröffentlichte Studie über Arbeitsbeziehungen in der
Automobilindustrie. Wie in anderen Branchen auch handelt es sich in der
Regel um Foren für Information und Konsultation über
transnationale Fragen. Bei einigen Gelegenheiten waren
Europäische Betriebsräte der Automobilindustrie
jedoch Vorreiter: so bei
Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Schließung des
Renault-Werkes in Vilvoorde im Jahre 1997. Der EBR von Ford hatte
Anfang 2000 mit der Konzernspitze eine Vereinbarung über die
sozialen Folgen der Ausgründung des Tochterunternehmens
Visteon (Komponentenherstellung) für den Status der
Beschäftigten und der Arbeitnehmervertretung geschlossen. Der
EBR von General Motors begann im Jahr 2000 damit, Verhandlungen mit der
Geschäftsleitung zu führen und eine Vereinbarung
über die Auswirkungen von Umstrukturierungsplänen zu
erarbeiten.
In der Automobilindustrie gibt es die
meisten Initiativen zur gewerkschaftlichen Kooperation über
die EU-Grenzen hinaus. Seit vielen Jahren
organisiert der Internationale Metallgewerkschaftsbund
(IMB) Betriebsratstreffen,
in denen Arbeitnehmervertreter aus den weltweiten Niederlassungen eines
Konzerns zusammenkommen. In der Automobilindustrie sind derzeit drei Weltbetriebsräte
vom Management als Gesprächspartner akzeptiert: Volkswagen,
DaimlerChrysler und Renault (die außereuropäischen
Vertreter haben bei Renault jedoch nur Beobachterstatus).
Als
erstes Unternehmen der Automobilindustrie unterzeichnete Volkswagen im
Juni 2002 eine Erklärung zu den sozialen Rechten und den
industriellen Beziehungen mit seinem Weltbetriebsrat,
DaimlerChrysler verständigte sich im September 2002 mit seiner
Weltarbeitnehmervertretung auf Grundsätze der
sozialen Verantwortung und der EBR von General Motors
(in Fortsetzung seiner Rolle als Verhandlungspartner - siehe oben)
unterzeichnete im Oktober 2002 mit dem Management ein Dokument
über Grundsätze der sozialen
Verantwortung.
→ Download
der Originaltexte
Die Studie listet
zahlreiche Automobilhersteller und die Gründungsdaten der
entsprechenden Europäischen Betriebsräte auf. In ihr
werden aber auch zahlreiche weitere Aspekte der Arbeitsbeziehungen wie
die Tarif- und Unternehmenspolitik analysiert. Die Untersuchung
umfaßt die derzeitigen EU-Mitgliedstaaten sowie
Norwegen und vier Beitrittsländer (Ungarn, Polen, Slowakei und
Slowenien).
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6. Neue EBR-Vereinbarungen und Rahmenabkommen
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Gründung
von Europäischen Betriebsräten bei
Schmitz Cargobull, Bahlsen und Radisson
Die
Gründung von Europäischen Betriebsräten geht
derzeit recht schleppend voran. In den letzten Monaten sind nur wenige
Fälle bekanntgeworden, in denen neue EBR-Vereinbarungen
unterzeichnet wurden. Ein Beispiel ist der Hersteller von
Lkw-Anhängern Schmitz Cargobull
mit Hauptsitz im Münsterland. In
den zukünftigen EBR werden die
Länder Deutschland, Großbritannien, Spanien und
Litauen Delegierte entsenden. Geregelt wurde in
dieser EBR-Vereinbarung insbesondere das Recht auf
Schulungsmaßnahmen und eine Streitschlichtung durch eine
paritätisch besetzte Kommission. Im Vorfeld dieser
EBR-Verhandlungen war auch Werner Altmeyer, Mitglied des Trainings- und
Beratungsnetzes "euro-betriebsrat.de", in enger Abstimmung mit der IG
Metall beratend tätig. Die konstituierende Sitzung des EBR
soll im Sommer 2004 stattfinden.
Auch
bei Bahlsen wurde erstmals ein Vertrag
über die Einrichtung eines EBR unterzeichnet. Das Unternehmen,
das Kekse und Biskuits produziert, ist vor allem in Deutschland,
Frankreich, Italien, Polen, Österreich und Benelux vertreten.
Diese Länder werden auch Delegierte in den EBR entsenden. Die
EBR-Vereinbarung sieht ein detailliertes Verfahren zur Information und
Konsultation der Arbeitnehmervertreter vor, deren Qualifizierung sowie
die Möglichkeit, Experten hinzuzuziehen.
Im
März 2004 wurde erstmals eine EBR-Vereinbarung für
die Radisson-Hotelgruppe unterzeichnet.
Das Abkommen umfaßt derzeit elf Länder und
wird bald um die künftigen EU-Länder
auf zwanzig erweitert. Das Abkommen eröffnet die
Möglichkeit, Beobachter aus weiteren Nicht-EU-Ländern
als Beobachter einzuladen.
Rahmenabkommen bei Bosch und
Rheinmetall
In zwei weltweit tätigen Metallunternehmen
wurden
kürzlich internationale Rahmenabkommen zur sozialen
Verantwortung des Unternehmens (Code of Conduct)
unterzeichnet. In beiden Fällen spielte der
Europäische Betriebsrat eine wichtige Rolle in den
Verhandlungen.
Vor knapp zwei Jahren, so der
EBR-Vorsitzende von Bosch, Walter Bauer
im Interview mit unserer Newsletter-Redaktion, sind die
Arbeitnehmervertreter an die Konzernleitung mit der Forderung nach
einem Abkommen über soziale Verantwortung herangetreten.
Anfangs wollte das Unternehmen die Vereinbarung nur mit den
betrieblichen Arbeitnehmervertretern unterzeichnen, am Ende war auch
der Internationale Metallgewerkschaftsbund (IMB) Vertragspartner.
Die Prinzipien des
Rahmenabkommens stützen sich auf die Arbeitsstandards der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und beinhalten die
Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, die Einhaltung der
internationalen Rechte des Kindes, Gesundheitsschutz und Sicherheit am
Arbeitsplatz, die Gleichbehandlung, die Integration behinderter
Menschen und die Ächtung von Zwangsarbeit. Besonders
hervorzuheben ist hier die Zuliefererklausel, nach der Zulieferbetriebe
von Bosch nicht gegen die ILO-Mindeststandards
verstoßen dürfen.
Auch im Elektronikkonzern Rheinmetall,
der an weltweit zwanzig Standorten 25.000 Menschen
beschäftigt, bezieht sich das Rahmenabkommen explizit auf die
Arbeitsstandards der ILO und regelt die Vereinigungsfreiheit und das
Recht auf Kollektivverhandlungen. Außerdem beinhaltet es das
Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und von Diskriminierung sowie
Fragen der Arbeitszeit, Grundsätze der Entlohnung,
Gesundheitsschutz und Sicherheit.
Der volle Text der Rahmenabkommen steht hier zum
Download zur Verfügung: Rheinmetall
Bosch
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7. Webseite zur Arbeitnehmerbeteiligung in
der
Europäischen
Aktiengesellschaft (SE)
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Seit wenigen Tagen ist die Webseite www.seeurope-network.org
online, die in englischer Sprache über das Thema
Arbeitnehmerbeteiligung in der Europäischen Aktiengesellschaft
(SE) informiert. Ab Oktober 2004 können Unternehmen eine
solche gründen.
Mit finanzieller
Unterstützung des Europäischen Gewerkschaftsinstituts
und der Hans-Böckler-Stiftung wird ein international
zusammengesetztes Netzwerk von Wissenschaftlern eine Mischung aus
Länder- und Themenexpertisen auf dieser Webseite
bereitstellen. Derzeit gibt es bereits Informationen zum Stand
der Umsetzung der SE-Gesetzgebung in nationale Gesetze, zu nationalen
Systemen der Arbeitnehmerbeteiligung in den höchsten
Unternehmensorganen sowie Arbeitspapiere, politische Stellungnahmen und
Gesetzestexte zur SE.
Die SE-Gesetzgebung sichert nicht nur
die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer,
sondern ermöglicht darüber hinaus, daß
Arbeitnehmer in den höchsten Unternehmensorganen der SE
repräsentiert sind. Die SE-Gesetzgebung stellt einen
historischen Kompromiss dar, durch den Arbeitnehmerbeteiligung im
Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat zu einem Standard wird.
Hintergründe zu diesem Thema
liefert auch der folgende Beitrag von Werner Altmeyer:
Druck
auf die deutsche Mitbestimmung - Unternehmenskontrolle in der EU,
in: Mitbestimmung. Magazin der
Hans-Böckler-Stiftung, 48. Jahrgang, Heft Nr. 12/2002, S. 62-65
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Spätestens seit den
1980er Jahren befindet sich das Konzept einer solidarischen Lohnpolitik
in einer grundlegenden Krise. Fast überall in Europa zeigt
sich eine wachsende Umverteilung zugunsten der
Kapitaleinkommen, während Lohndifferenzen zwischen den
einzelnen Beschäftigtengruppen immer mehr zunehmen.
Schließlich steht auch der Flächentarifvertrag
als wichtige Stütze der Tarifpolitik in den meisten
europäischen Ländern unter Druck.
Der
Autor, Mitarbeiter am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, hat mit seiner
Dissertation den Versuch unternommen, die aktuellen tarifpolitischen
Debatten in den Kontext einer empirischen Grundlagenarbeit
über gewerkschaftliche Lohnpolitik zu stellen.
Ausgehend
von den verschiedenen Erklärungsansätzen zur
gewerkschaftlichen Tarifpolitik zeichnet er die lohnpolitische
Entwicklung der letzten Jahrzehnte nach und diskutiert Ansätze
für eine tarifpolitische Kooperation der
europäischen Gewerkschaften.
Diese beschreibt er sowohl auf der interregionalen Ebene
("Doorn-Initiative") als auch auf der Ebene des Europäischen
Metallgewerkschaftsbundes
(EMB). → Nähere
Informationen zum Buch mit Leseprobe
Thorsten
Schulten: Solidarische Lohnpolitik in Europa.
Handbuch
und CD zur EBR-Schulung
Seit zwei Jahren läuft in der chemischen
Industrie das Projekt LIFT.COM. Ziel dieses Projektes ist es, die
Handlungskompetenz Europäischer Betriebsräte
durch effektivere Arbeitsstrukturen zu stärken und den
Sozialen Dialog auf europäischer Ebene zu verbessern. Neben
der Europäische Föderation der Bergbau-, Chemie- und
Energiegewerkschaften (EMCEF) und dem Europäischen
Gewerkschaftsinstitut waren Einzelgewerkschaften aus
fünf Ländern daran beteiligt. Im Rahmen des
LIFT.COM-Projekts, dessen Sekretariat beim Vorstand der IG BCE
in Hannover angesiedelt ist, wurde ein spezielles Seminarprogramm
entwickelt und erprobt, das gemeinsam mit den Europäischen
Betriebsräten von Degussa, BP Oil, AstraZeneca und Kemira Oyj
evaluiert und optimiert worden ist.
Hauptergebnis
des von der EU im Rahmen des LEONARDO-Programms geförderten
Projekts ist eine CD, die ein modular aufgebautes Trainings-
und Coachingprogramm für Europäische
Betriebsräte anbietet. Zielgruppe sind gewerkschaftliche
Bildungsreferenten, denen Materialien zur EBR-Schulung in den Bereichen
Teambildung, interkulturelle Kommunikation und Kompetenz zur
Verfügung gestellt werden. Dabei geht es ebenso um die
Beschreibung von bewährten didaktischen Ansätzen als
auch um die Bereitstellung von geeigneten
Präsentationsmaterialien für den Einsatz durch
Multiplikatoren.
Die CD wird Anfang Mai 2004 zur
Verfügung stehen und kann unter der folgenden Adresse bestellt
werden: lift.com@igbce.de.
Die
Sozialbeziehungen im Bereich der EMCEF und die Unterstützung
des sozialen Dialogs durch das LIFT.COM-Projekt sind hier
beschrieben.
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9.
Arbeitsschutz in Europa
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Arbeitsschutz
und EU-Osterweiterung
Obwohl
der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz weitgehend auf der
EU-Ebene einheitlich gestaltet wird, werden die arbeitsrechtlichen
Vorgaben in den einzelnen Mitgliedsländern bisher nur
unzureichend umgesetzt. Im Rahmen des Beitritts der
osteuropäischen Länder ist in jüngster Zeit
eine Diskussion entbrannt, ob das bestehende Niveau nicht sogar weiter
reduziert werden soll. Die gültigen Vorgaben werden zunehmend
von den Nationalstaaten und der EU-Verwaltung in Frage gestellt und
ökonomischen Prinzipen untergeordnet, was eine weitere
Einschränkung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zur Folge
haben wird. Um innerhalb der EU gegenüber den
Beitrittsländern konkurrenzfähig zu bleiben - so die
Forderung -, sollen die in Westeuropa bestehenden sozialen Standards im
Arbeits- und Gesundheitsschutz reduziert werden.
Wir dokumentieren hier eine Grundsatzrede, die der
Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes
(EGB) John Monks kürzlich auf einer gemeinsamen Tagung des EGB
und des Europäischen Technikbüros der Gewerkschaften
hielt. Er plädiert dafür, die Realität dem
anspruchsvollen Gesetzeswerk anzupassen und nicht den umgekehrten Weg
zu gehen.
"Sicher
Bauen!" - Europäischer Wettbewerb sucht Beispiele guter
Lösungen im Bauwesen
Die
Europäische Woche für Sicherheit und Gesundheit bei
der Arbeit findet in diesem Jahr unter dem Motto "Sicher bauen!" statt.
Der Startschuß fällt am 30. April 2004. Unternehmen
und Organisationen können an dem Wettbewerb European
Good Practice Award teilnehmen, der im Rahmen der
Informationskampagne läuft. Gesucht werden herausragende und
innovative Beiträge zur Prävention von
Gefährdungen für Arbeitnehmer bei
Bautätigkeiten.
Die
Beiträge sollen ein gutes Arbeitsschutzmanagement als
integrierten Bestandteil eines Unternehmens widerspiegeln und
insbesondere die effektive Nutzung von
Gefährdungsbeurteilungen sowie die Umsetzung der daraus
gewonnenen Erkenntnisse deutlich machen. Der Wettbewerb wird
zunächst auf nationaler Ebene und später auf
europäischer Ebene ausgetragen. Im November 2004 werden die
europäischen Preise in Bilbao übergeben.
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10. Trainings- und Beratungsnetz: Aus unserer Arbeit
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Europäische
Solidarität: Beispiele positiver Arbeit Europäischer
Betriebsräte
In zahlreichen
Forschungsarbeiten ist in den letzten Jahren die praktische Arbeit
Europäischer Betriebsräte untersucht worden. Im
deutschsprachigen Raum bisher wenig bekannt ist eine Studie, die von
spanischen, französischen, niederländischen und
englischen Partnern vor etwas mehr als einem Jahr publiziert wurde.
Reingard Zimmer, Mitglied des Trainings- und Beratungsnetzes
"euro-betriebsrat.de", hat die Fallbeispiele über
Restrukturierungen und die Tätigkeit des EBR in Unternehmen
wie Unilever, Schlumberger, Otis, Panasonic, Ford, Valeo und General
Motors für das deutschsprachige Publikum aufgearbeitet und in
der Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb (AiB)
publiziert. Ihr Resümee: Sofern sich der EBR nicht nur
pflichtgemäß einmal im Jahr unterrichten und
anhören lässt, sondern an einer europäischen
Vernetzung arbeitet, ist nicht nur eine europaweite
Solidarität in Krisenfällen möglich, sondern
auch das Entwickeln europäischer Strategien.
Die vollständige Studie kann in den
Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch auf der
Webseite der spanischen Gewerkschaft CC.OO. heruntergeladen werden:
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11. Aktuelle Seminartermine
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Wir bieten folgende Seminare -
zum Teil in Kooperation mit verschiedenen Bildungsträgern - an:
Betriebsratstätigkeit
in Europa - Der Euro-Betriebsrat (EBR)
Rechtliche
Grundlagen - Errichtung - Interkulturelle Kommunikation
25. -
30.04.2004 in Brüssel (noch
wenige Plätze frei !!)
19. - 24.09.2004 in
Brüssel
Die
praktische
Arbeit Europäischer Betriebsräte
Workshop
für den Organisationsbereich der Gewerkschaft ver.di
20.
- 22.10.2004 in Walsrode
Sprachkurs
Englisch für Betriebsratsmitglieder
08. - 12.11.2004 in Hannover
weitere Infos zum Sprachkurs
Alle Seminare und der
Sprachkurs finden auf der Grundlage von § 37,6 BetrVG
statt.
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Die EBR-News
werden herausgegeben von:
Trainings-
und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" GbR
Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe:
Werner Altmeyer, Kathleen
Kollewe, Sascha Stockhausen, Reingard Zimmer
Verteiler: 1.626
Empfänger
Wir freuen uns über Anregungen zu diesem
Newsletter und über Berichte aus Ihrem EBR.
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