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13. Juli 2008
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1.
Wird das Europäische Parlament nachbessern?
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Erster
Entwurf der neuen
EBR-Richtlinie enttäuschend
Am 2. Juli 2008
präsentierte die Europäische Kommission ihren
Textentwurf zur Revision der EBR-Richtlinie der
Öffentlichkeit. Anders als zuvor erwartet, bleibt der Entwurf
jedoch in wichtigen Punkten hinter den Forderungen der Gewerkschaften
zurück. Noch vor Ende dieses Jahres soll er verabschiedet
werden. Die Hoffnungen richten sich nun auf das Europäische
Parlament, das noch im Mai 2007 ausdrücklich eine Verbesserung
gefordert hatte (siehe Bericht
in den EBR-News 2/2007). Die Arbeitgeberverbände
betreiben inzwischen eine harte Lobbykampagne, die sich insbesondere
gegen den Gewerkschaftseinfluß auf die Europäischen
Betriebsräte richtet.
Rückblick:
Spiel auf
Zeit abgelehnt
Als
am 2. April 2008 bekannt wurde, daß die
Arbeitgeberverbände ihre langjährige Blockade gegen
eine Verhandlung mit den Gewerkschaften aufgegeben hatten, schien eine
pragmatische Lösung in greifbare Nähe
gerückt (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2008). Doch der Europäische
Gewerkschaftsbund (EGB) wollte eine Verabschiedung der neuen
EBR-Richtlinie noch vor Ablauf der Amtszeit des Europäischen
Parlaments und der Europäischen Kommission sicherstellen und
plädierte deshalb für schnelle Verhandlungen ("fast
track negotiations").
Als
der europäische
Arbeitgeberverband BusinessEurope dies in
Sondierungsgesprächen ablehnte, ließ der EGB die
noch nicht begonnenen Verhandlungen am 11. April 2008 platzen und
forderte die Europäische Kommission auf, umgehend einen
Gesetzestext vorzulegen.
Die
Europäische
Kommission reagierte am 30. April 2008 mit der Aufforderung an die
Sozialpartner, sie mögen doch noch an den Verhandlungstisch
kommen. Der EGB begründete daraufhin in einem Schreiben an den
Präsidenten der Europäischen Kommission, Barroso,
nochmals seine Ablehnung.
Lobbykampagne
der Gewerkschaften
Am
1. Mai 2008 startete der EGB eine Kampagne unter dem Motto "In der
Offensive für stärkere Europäische
Betriebsräte". Hierzu wurden fünf
Informationsblätter veröffentlicht, aus denen in
kompakter Form wichtige Punkte der Debatte deutlich werden.
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Was
genau sind
Europäische Betriebsräte?
-
Was
muß
geändert werden? Gründe für die Revision der
EBR-Richtlinie
-
Fortbildung:
ein wesentliches
Instrument für die Vertreter in den Europäischen
Betriebsräten
-
Die
EBR wenden sich an die
Gerichte
-
EBR
- ein wesentlicher Teil guter Unternehmensführung
Auf
einer Konferenz versammelte
der EGB am 9. und 10. Juni 2008 in Brüssel über 300
Mitglieder Europäischer Betriebsräte und
Gewerkschaftssekretäre, um die aktuelle Situation mit
Vertretern der Politik zu diskutieren. Wenige Tage später
sprach sich der französische Premierminister
François Fillon am 18. Juni 2008 vor der Nationalversammlung
in Paris ausdrücklich für eine Stärkung der
Europäischen Betriebsräte aus. Die "Wiederbelebung
des sozialen Europa" ist eines der Stichworte der
französischen EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr
2008.
Fachtagung
zur neuen
EBR-Richtlinie: Was kommt da auf uns zu?
Viele
EBR-Mitglieder sind sich über die rechtlichen Konsequenzen der
Richtlinienrevision noch im unklaren und möchten ihre aktuelle
EBR-Vereinbarung auf der Grundlage der neuen Gesetzeslage rechtssicher
gestalten und auf den aktuellen Stand bringen. Auch
Betriebsratsmitglieder, die die EBR-Gründung noch vor sich
haben, möchten die neuen Regelungen frühzeitig in
ihre Überlegungen mit einbeziehen. Eine Reihe von Fragen
werden sich nicht zuletzt auch für Rechtsanwälte nach
Verabschiedung der neuen EBR-Richtlinie zum Jahresende 2008 stellen.
Das Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" bietet am 26.
Januar 2009 auf einer Fachtagung in Hamburg die Gelegenheit,
mit Fachleuten aus Brüssel sowie aus der deutschen
Wissenschaft und Praxis die neue Rechtslage im Detail zu diskutieren.
Die
Fachtagung wird in
deutscher Sprache durchgeführt. Interessenten in anderen
Sprachen wenden sich zwecks individueller Absprachen bitte direkt an
uns.
Angebot
für
Gewerkschaften
Vergleichbare
Veranstaltungen
führen wir im Auftrag von Bezirksleitungen und
Verwaltungsstellen der Gewerkschaften durch (siehe beispielsweise Bericht in den
EBR-News 2/2007), in Vorbereitung ist auch ein
mehrtägiger EBR-Workshop für die
ver.di-Bundesverwaltung. Die Kostenregelung richtet sich nach
§ 37 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes. Weiterhin
können EU-Gelder für solche Veranstaltungen beantragt
werden (siehe Punkt
8 weiter unten).
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2.
Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa
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Verfassungsgericht
kippt Betriebsrätegesetz
Am 1. Juli 2008 gab das
polnische Verfassungsgericht einer Klage des polnischen
Arbeitgeberverbandes statt und erklärte das im April 2006
verabschiedete Betriebsrätegesetz für
verfassungswidrig. Innerhalb von zwölf Monaten muß
der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen. Das Gesetz war damals nach
heftigen politischen Diskussionen und mit Verspätung in Kraft
getreten. Es setzt eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 in polnisches
Recht um, die in Betrieben ab 50 Beschäftigten eine
Unterrichtung und Anhörung der Belegschaft in sozialen und
wirtschaftlichen Fragen verbindlich vorschreibt. Zuvor hatte es noch
keine Betriebsräte in Polen gegeben und die Vertretung der
Belegschaft war alleinige Aufgabe der Gewerkschaften – sofern
sie im Betrieb Mitglieder hatten (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006).
Das
Gericht erklärte
das Wahlverfahren, das den Gewerkschaften einen Vorrang bei der
Benennung von Kandidaten für die Betriebsräte
einräumt, für unvereinbar mit der negativen
Koalitionsfreiheit. Es benachteilige Arbeitnehmer, die keiner
Gewerkschaft angehören (wollen). Sollte das Urteil in anderen
Ländern Widerhall finden, könnte es z. B. in
Großbritannien oder Frankreich die Grundfesten der
Arbeitsbeziehungen erschüttern. Es bedeutet faktisch eine
Hinwendung zum deutschen System, wo der Betriebsrat formalrechtlich
völlig unabhängig von den Gewerkschaften ist.
Betriebsräte
erkämpfen sich Informationsrechte
Ein anderes Gerichtsurteil
verärgert dagegen die polnischen Arbeitgeber. Der Betriebsrat
von FSO in Warschau, einst das Zentrum der polnischen
Automobilindustrie, war besorgt über die hohe Zahl von
Leiharbeitern und wollte genauere Informationen über die
vollen Kosten dieser Beschäftigungsart. Als der Arbeitgeber
dies verweigerte, zog er vor Gericht und erzielte einen Erfolg. Das
Unternehmen muß nun alle Zahlen offenlegen. Das Urteil gilt
als Präzedenzfall für alle Betriebsräte in
Polen und brachte zwischenzeitlich rund zwanzig weitere
Gerichtsverfahren ins Rollen.
Otto-Brenner-Stiftung:
Engagement in Osteuropa
Vom
14. bis 16. Mai 2008
führte die Otto-Brenner-Stiftung (OBS) eine Konferenz
über gewerkschaftliche Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa
in Kronau (Slowenien) durch. Die OBS ist die Wissenschaftsstiftung der
IG Metall und legt besonderen Wert auf den Ausgleich zwischen Ost und
West. Präsentationen und Reden der Konferenz sind als
pdf-Dokumente sowie in Bild und Ton im Internet abrufbar. Die
Konferenzteilnehmer sprachen sich auch für eine
zügige Verbesserung der EBR-Richtlinie aus.
Gutachten
und Studien zur
Situation der Gewerkschaften
Eine Zwischenbilanz der
gewerkschaftlichen Entwicklung und der Arbeitsbeziehungen nach der
EU-Osterweiterung legte Dr. Heribert Kohl auf der Konferenz vor:
Sind
die Gewerkschaften der
neuen EU-Mitgliedsländer in Mittel- und Osteuropa inzwischen
in Brüssel angekommen? Dies war Gegenstand eines
Forschungsprojekts im Jahr 2007:
Antworten auf die
Frage, welche Bedeutung die
EU-Osterweiterung für Europäische
Betriebsräte hat, haben wir auf einer Sonderseite
zusammengestellt.
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3. EBR-Antworten
auf Restrukturierungen
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Soziale
Garantien bei Verkäufen
Die
französisch-belgische Bank Dexia ("short term has no future")
gilt als Musterbeispiel für ein sozialpartnerschaftliches
Unternehmen in der Branche. Am 19. Dezember 2007 wurde in
Brüssel ein Abkommen unterzeichnet, das dem
Europäischen Betriebsrat Mindeststandards beim Verkauf von
Geschäftsaktivitäten zusichert. Dies gilt sowohl
für den Zeitpunkt der Unterrichtung und Anhörung wie
auch für die Modalitäten des Verkaufsprozesses. Alle
potentiellen Käufer werden um schriftliche Auskunft gebeten,
ob sie den sozialen Standard von Dexia beibehalten und den bisherigen
Status der Beschäftigten nach der Übernahme
sicherstellen wollen. Die zentrale Leitung von Dexia wird dies zu einem
Kriterium für die Auswahl des Käufers machen.
Am 3. Juli 2008
beschloß der Verwaltungsrat die Umwandlung in eine
Europäische Gesellschaft (SE). Verhandlungen über
eine Mitbestimmungsvereinbarung sollen im September 2008 beginnen.
Folgende Texte liegen nur in englischer Sprache vor:
Abkommen
in der
Mineralölwirtschaft
Der
Europäische Betriebsrat und die Leitung des
Mineralölunternehmens BP schlossen am 2. April 2008 ein
europaweites Restrukturierungsabkommen, das die Beteiligung der
Arbeitnehmer bei der Verlagerung der Kundendienst- und
Finanzaktivitäten regelt. Diese sollen bis 2010 an einem
einzigen Standort in einem Niedriglohnland zusammengefaßt
werden. Das Abkommen sieht einen offenen Dialog mit dem EBR
über Projektziele und Umsetzung vor. Der Arbeitgeber will
Entlassungen durch innerbetriebliche Versetzungen, Umschulungen und
Frühverrentungen vermeiden. Der EBR wird in die
Steuerungsgruppe des Managements eingebunden und erhält Zugang
zu allen Dokumenten, spezielle Schulungen und kann eigene Experten
hinzuziehen. Derzeit wird ein Umsetzungsplan mit Zeitrahmen erarbeitet.
EBR
sichert Standorte bei General Motors
Am
29. April 2008 wurde in
Rüsselsheim zwischen EBR und zentraler Leitung ein
europaweiter Rahmenvertrag über die Produktion der neuen
Astra- und Zafira-Modelle geschlossen (siehe Foto). Dieses Abkommen ist
nicht nur ein Meilenstein für General Motors, sondern auch ein
politisches Signal ersten Ranges für die Fortentwicklung aller
Europäischen Betriebsräte zu einem vollwertigen Organ
der Interessenvertretung.
Das
Rahmenabkommen sieht
folgende Punkte vor:
-
Standortgarantien
für die Werke Ellesmere Port (UK), Bochum
(Deutschland), Trollhättan (Schweden) and Gleiwitz (Polen) bis
2016
-
Das
Werk Antwerpen (Belgien) wird durch eine andere Produktlinie
abgesichert.
-
Ausschluß
betriebsbedingter Kündigungen
-
Mitsprache
bei Outsourcing in
allen europäischen Standorten
-
Soziale
Absicherung bei
Personaltransfer (fünf Jahre)
-
Örtliche
Betriebsvereinbarungen werden Teil dieses Abkommens
Der
Rahmenvertrag
mußte hart erkämpft werden und hat eine
Vorgeschichte:
-
Fünf
Standorte sollten in einem "beauty contest" gegeneinander konkurrieren
-
20.000
Beschäftigte waren betroffen
-
Aussage
der Konzernleitung: "nur drei Werke können überleben"
-
Die
Konzernleitung streute
Gerüchte über Zugeständnisse
örtlicher Betriebe
-
Es
gab Gerüchte
über neue Produktionskapazitäten in Osteuropa
Als Reaktion auf diesen Versuch
des "Teile und herrsche" schlossen alle Arbeitnehmervertretungen im
Dezember 2005 ein "Europäisches
Solidaritätsversprechen" mit dem Ziel, Verhandlungen
über die Zukunft der Standorte ausschießlich auf
europäischer und nicht auf lokaler Ebene zu führen.
Damit ermächtigten sie also den Europäischen
Betriebsrat, ihre Mitbestimmungs- und Verhandlungsrechte wahrzunehmen,
obwohl dies vom Gesetzgeber bislang überhaupt nicht vorgesehen
ist. Um dies auf ein tragfähiges Fundament zu stellen, wurde
eine wissenschaftliche Projektbegleitung gestartet und eine
Finanzierung durch die EU beantragt (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2006).
Die
Vereinbarung von General Motors macht Schule
Am 3. Juni 2008 kamen
Arbeitnehmervertreter des Automobilherstellers Ford aus Deutschland,
Frankreich und Belgien in Brüssel zusammen, um die drohende
Schließung der Produktionsstätte für
Automatikgetriebe in Blanquefort bei Bordeaux zu verhindern. Sie wollen
auf europäischer Ebene einen Vereinbarungsentwurf erarbeiten
und mit der zentralen Leitung hierüber Verhandlungen
aufnehmen. Werksschließungen wären dann auch bei
Ford keine nationale Angelegenheit mehr, sondern ein
europäisches Thema.
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4.
Verbesserte EBR-Vereinbarungen
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Nach
Teilfusion:
exzellente EBR-Regelungen ausgehandelt
Die Übernahme einiger
Aktivitäten von Alcatel-Lucent durch die französische
Elektronikgruppe Thales führte zur Anpassung der
EBR-Vereinbarung von 1993 an die neue Konzernstruktur. Am 18. Dezember
2007 wurde sie im Pariser Vorort Neuilly unterzeichnet.
Zukünftig
gehören dem EBR, der unter dem Vorsitz des Arbeitgebers tagt,
35 Arbeitnehmervertreter an, darunter 17 aus Frankreich, fünf
aus Großbritannien, drei aus Deutschland und je zwei aus
Italien und Spanien. Die hohe französische Delegiertenzahl war
notwendig, um alle Gewerkschaften angemessen zu
berücksichtigen. Die Vereinbarung sieht zwei
jährliche EBR-Plenumssitzungen vor, zusätzlich gibt
es erstmals Spartentreffen: zweimal jährlich für die
Bereiche Verteidigung, Luftfahrt und Transportsicherheit.
Der Lenkungsausschuß besteht aus
zwölf Mitgliedern (davon sechs aus Frankreich) und trifft sich
alle zwei Monate. Der Sekretär des EBR erhält 350
Stunden Freistellung pro Jahr, die Mitglieder des Lenkungsausschusses
150 Stunden und die übrigen EBR-Mitglieder 100 Stunden. Der
EBR wird von der Beratungsgesellschaft des französischen
Konzernbetriebsrates unterstützt und kann zusätzlich
einen internationalen Sachverständigen bis zum
jährlichen Limit von 50.000 € beauftragen.
Zusätzlich erhält der EBR ein Jahresbudget von 16.500
€ für sonstige Kosten, wobei die Sitzungs-, Reise-
und Dolmetscherkosten hierauf nicht angerechnet werden.
Präzise
Unterrichtungsrechte
Die neue Vereinbarung sorgt an einem wichtigen
Punkt für Klarheit, der in vielen Europäischen
Betriebsräten immer wieder zu Streit mit dem Arbeitgeber
führt. Wann hat eine Angelegenheit transnationalen Charakter?
Der
EBR von Thales wird beteiligt, wenn in zwei
Ländern mehr als 150 Entlassungen vorgenommen werden oder wenn
eine Restrukturierungsmaßnahme mehr als 500
Beschäftigte betrifft. Bei grundsätzlichen
Strukturveränderungen des Unternehmens in nur einem Land ist
ebenfalls der EBR zu beteiligen.
Bouygues
jetzt mit vollwertigem Europäischen Betriebsrat
Es
bedurfte einer gerichtlichen Auseinandersetzung, um die zentrale
Leitung des französischen Mischkonzerns Bouygues zur
Neuverhandlung der Vereinbarung aus dem Jahre 1995 zu bewegen (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007). Am 19. Februar 2008 wurde sie in Paris
unterzeichnet. Danach wird das Europäische Komitee
für Sozialdialog in einen vollwertigen EBR umgewandelt, der
neben der EU auch die Schweiz umfaßt. Bouygues ist im Bau-
und Immobiliensektor tätig, betreibt eine Telefongesellschaft,
besitzt Anteile am ehemals staatlichen Fernsehkanal TF1 und am
Maschinen- und Fahrzeugbauer Alstom.
Der
EBR besteht aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, was bei
EBR-Vereinbarungen nach französischem Muster typisch ist. Die
Arbeitnehmerseite entsendet zwölf Mitglieder aus Frankreich
und zwölf Mitglieder aus anderen Ländern sowie zwei
Gewerkschaftsdelegierte, die Arbeitnehmer der Gruppe sein
müssen. Die französischen Delegierten werden nicht
vom Konzernbetriebsrat gewählt, sondern von den Gewerkschaften
ernannt, wobei die CGT-FO mit sieben Mandaten die Mehrheit stellt.
Länder, mit denen die EU Beitrittsverhandlungen führt
(derzeit sind dies Kroatien und die Türkei) entsenden
Beobachter in den EBR.
Die
Arbeitnehmerseite wählt einen Sprecher ("Sekretär")
und vier Stellvertreter, die gemeinsam das "Büro" bilden und
je 220 Stunden Freistellung pro Jahr für dieses Amt erhalten.
Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Bouygues, der auch den
Vorsitz des EBR ausübt, bilden sie den engeren
Ausschuß. In dringenden Fällen tritt dieser
innerhalb von 72 Stunden zusammen. Der Arbeitgeber trägt alle
Kosten für Sitzungen, Arbeitsmittel und
Sachverständige und stellt dem EBR zusätzlich ein
eigenes Jahresbudget von 14.000 € zur Verfügung. Es
besteht ein Schulungsanspruch von vier Tagen während einer
vierjährigen Wahlperiode.
Drohung
mit Rechtsstreit
führt zu verbesserten EBR-Regelungen
Am
2. April 2008 wurden einige Passagen der geltenden EBR-Vereinbarung des
französischen Reifenherstellers Michelin in einer
Plenarsitzung des EBR am Konzernsitz in Clermont-Ferrand modifiziert.
Eine komplette Neufassung soll jedoch erst erfolgen, wenn die Revision
der EBR-Richtlinie in Brüssel abgeschlossen ist. Ausgangspunkt
für die Neuverhandlung war ein drohender Rechtsstreit, der im
April 2007 in letzter Minute abgewendet werden konnte (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007). Michelin hat seit 1997 einen EBR.
Die Vereinbarung klammert die
Schweiz noch aus, eröffnet jedoch allen Ländern, mit
denen die EU Beitrittsverhandlungen führt, einen
Beobachterstatus im EBR. Der engere Ausschuß wurde auf sechs
Mitglieder aufgestockt, um einen zusätzlichen Sitz an
Osteuropa zu vergeben. Alle sechs müssen aus verschiedenen
Ländern kommen. Die Anzahl der jährlichen Sitzungen
wurde von zwei auf vier erhöht. Die Unterrichtung und
Anhörung des EBR in außergewöhnlichen
Umständen erfolgt zukünftig zeitgleich mit den
nationalen Betriebsräten der betroffenen Länder.
Siemens-EBR gründet
Regionalausschüsse
Bei einem Treffen in Wien wurde am 29. Mai 2008
eine neue Fassung der EBR-Vereinbarung von Siemens unterzeichnet. Die
vorherige Vereinbarung war auf dem Niveau von 1995 stehengeblieben, als
auf freiwilliger Grundlage das "Siemens Europe Committee" (SEC)
gebildet worden war.
Die wichtigsten
Neuerungen sind: der
geschäftsführende Ausschuß wird von vier
auf fünf Mitglieder erweitert, die Mandate
sind künftig an bestimmte Regionen gebunden,
nämlich
Nordwest-, Südwest- und Osteuropa. Ergänzend
zur
jährlichen Plenarsitzung finden einmal pro Jahr
sogenannte "Cluster-Meetings" statt, in denen sich die SEC-Mitglieder
der jeweiligen Region mit dem Management treffen. Diese neuen
Regionalausschüsse werden in Angelegenheiten unterrichtet und
angehört, die ihre jeweiligen Länder betreffen. Es
bedeutet eine Verdoppelung der
Sitzungshäufigkeit, denn zuvor ging der Elektronikkonzern
nicht
über die gesetzliche Mindestregelung von einer Sitzung pro
Jahr hinaus.
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5.
Neugründung von
Europäischen
Betriebsräten
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Belgische
Textilgruppe gründet EBR
Für die Beaulieu
International Group wurde am 28. Februar 2008 eine EBR-Vereinbarung
nach belgischem Recht unterzeichnet. Das Unternehmen mit Sitz in
Waregem (Westflandern) ist in Familienbesitz und stellt
Bodenbeläge und Möbelstoffe her. Der EBR ist nach
belgischen Gepflogenheiten paritätisch besetzt. Ihm
gehören 18 Management- und 18 Arbeitnehmervertreter aus
Belgien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und
Norwegen an, die sich einmal jährlich treffen.
Zusätzlich ist eine außerordentliche Sitzung
möglich, ein Lenkungsausschuß ist nicht vorgesehen.
Britische
Vereinbarung in Logistikunternehmen
Am 14. März 2008 wurde
für das zweitgrößte Logistikunternehmen der
Welt eine EBR-Vereinbarung nach britischem Recht unterzeichnet. Ceva
Logistics mit Sitz in der Nähe des Amsterdamer Flughafens
entstand im August 2007 durch die Fusion der niederländischen
TNT Logistics mit dem US-Unternehmen Eagle Global Logistics (EGL).
Beide gehören dem US-Finanzinvestor Apollo Management. Dem
neuen EBR gehören 30 Mitglieder aus 16 Ländern an,
die sich ein- bis zweimal jährlich treffen. In
außerordentlichen Fällen sind weitere Sitzungen
möglich. Der Lenkungsausschuß besteht aus vier
Mitgliedern. Die Vereinbarung sieht Schulungsmaßnahmen sowie
die Hinzuziehung von Sachverständigen vor.
US-Pharmazulieferer
gründet EBR nach deutschem Recht
Am 31. März 2008 wurde
eine Vereinbarung zur Gründung eines Europäischen
Betriebsrates für West Pharmaceutical Services unterzeichnet
(siehe auch Bericht
in den EBR-News 1/2006). Die US-Gruppe produziert Gummi- und
Kunststoffteile, die bei der Verpackung von Arzneimitteln Verwendung
finden
Dem
EBR werden je zwei
Delegierte aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien
angehören; Dänemark, Italien, Spanien und Irland
entsenden je einen Delegierten. Sie kommen einmal jährlich am
Sitz der Europaleitung in Eschweiler bei Aachen für drei Tage
zusammen, die Sitzungen werden in englischer Sprache ohne Dolmetscher
durchgeführt. Der EBR-Vorsitzende kann in dringenden
Fällen Standorte in anderen Ländern besuchen, er und
sein Stellvertreter erhalten zusätzlich zu den Jahressitzungen
zwölf Tage Freistellung pro Jahr, alle anderen EBR-Mitglieder
sechs Tage pro Jahr für EBR-Angelegenheiten. Die
konstituierende Sitzung ist für Ende August 2008 geplant.
Neuer
EBR nach luxemburgischen Recht
Die Wirtschaft des
Großherzogtums besteht nicht nur aus Banken und Stahlwerken.
Ein kleinerer "global player" ist die Monier-Gruppe, Hersteller von
Dachbaustoffen. Die am 17. Juni 2008 unterzeichnete Vereinbarung sieht
einen 15köpfigen Europäischen Betriebsrat vor, der
einmal jährlich tagt. Der Vorstandsvorsitzende des
Unternehmens und der EBR-Sekretär wechseln sich jedes Jahr im
Vorsitz ab. Einige Länder wurden zu Gruppen
zusammengefaßt, die jeweils nur ein Mandat erhalten (z. B.
Belgien und Niederlande). Der EBR ist auch zuständig
für Bosnien, Kroatien, Serbien, die Schweiz und die
Türkei.
Der
EBR wählt ein
"geschäftsführendes Sekretariat" aus dem
Sekretär, seinem Stellvertreter und drei weiteren Mitgliedern,
die dreimal jährlich tagen. In
außergewöhnlichen Umständen findet eine
Sondersitzung des Sekretariats statt, zu der Delegierte aller
betroffenen Länder eingeladen werden. Neben der Teilnahme an
den Sitzungen erhält der Sekretär 100 Stunden
Freistellung pro Jahr, die weiteren Mitglieder des Sekretariats 70
Stunden und alle anderen EBR-Mitglieder 30 Stunden pro Jahr. Der EBR
hat einen eigenen Schulungsanspruch von vier Tagen pro
vierjähriger Wahlperiode.
Italienischer
Zementkonzern gründet EBR
Am
18. Juni 2008 wurde
für Buzzi Unicem, zu dem seit 2004 auch der Dyckerhoff-Konzern
gehört, eine EBR-Vereinbarung nach italienischem Recht
unterzeichnet. Bei Dyckerhoff gab es bereits seit 1996 einen EBR nach
deutschem Recht, der jetzt aufgelöst wird. Der neue EBR
besteht aus 15 Mitgliedern: sechs aus Italien, vier aus Deutschland, je
einer aus den Niederlanden, Polen, Luxemburg, Tschechien und der
Slowakei. Sie kommen einmal jährlich zusammen sowie in
außerordentlichen Umständen. Bemerkenswert: alle
Länder, mit denen die EU Beitrittsverhandlungen
führt, werden als Beobachter zu den EBR-Sitzungen eingeladen.
Der EBR bildet einen geschäftsführenden
Ausschuß aus fünf Mitgliedern (drei aus Italien und
zwei aus Deutschland), die sich mindestens zweimal jährlich
treffen.
Call
Center mit "langer Leitung"
Vom
Gesetzgeber sind EBR-Verhandlungen auf drei Jahre begrenzt, wobei das
Besondere Verhandlungsgremium (BVG) innerhalb von sechs Monaten zur
konstituierenden Sitzung einberufen werden muß. Dennoch gibt
es Fälle, in denen Verhandlungen erheblich später und
unter recht ungewöhnlichen Umständen stattfinden: so
bei Transcom WorldWide, einem Call-Center- und Inkasso-Dienstleister
mit Sitz in Luxemburg, der zum Portfolio des schwedischen
Finanzinvestors Kinnevik gehört.
Obwohl
der Antrag zur Bildung
des Europäischen Betriebsrates schon im März 2004
gestellt wurde, kam das Besondere Verhandlungsgremium erst vom 30. Juni
bis 2. Juli 2008 zur ersten und einzigen Sitzung in Barcelona zusammen.
In einer Kampfabstimmung fand sich eine knappe Mehrheit unter den 16
Arbeitnehmervertretern aus 16 Ländern zur Unterzeichnung einer
EBR-Vereinbarung nach luxemburgischen Recht. Der EBR wird aus 23
Arbeitnehmer- und mehreren Arbeitgebervertretern bestehen, einmal
jährlich tagen und ein Koordinierungsteam wählen, das
sich per Videokonferenz austauschen kann. Die konstituierende Sitzung
ist für Juni 2009 vorgesehen.
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6.
Durchwachsene Zwischenbilanz der Europa-AG
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Knauf
Interfer mit nur einem Arbeitnehmervertreter
Seit dem 27. Juni 2008 firmiert
Knauf Interfer mit Sitz in Essen (ehemals Stinnes Stahl) als
Europäische Gesellschaft (SE). Zuvor war am 8. April 2008 eine
SE-Mitbestimmungsvereinbarung unterzeichnet worden. Die
Stahlhandelsgruppe verfügt über Niederlassungen in
Österreich, Polen, Ungarn und den Niederlanden.
Der Aufsichtsrat besteht aus
drei Mitgliedern, davon ein Arbeitnehmervertreter. Ein SE-Betriebsrat
auf der Grundlage der gesetzlichen Mindestbestimmungen wird
gegründet, wenn die Belegschaftszahl außerhalb
Deutschlands 250 übersteigt. Bis dahin übernimmt der
deutsche Konzernbetriebsrat die Aufgaben des SE-Betriebsrates, alle
Länder mit mehr als 50 Arbeitnehmern können
Gäste zur KBR-Sitzung entsenden. Das Hineinwachsen in die
paritätische Mitbestimmung wird in der Vereinbarung
ausdrücklich ausgeschlossen.
Interseroh
völlig ohne Mitbestimmung
Im Kölner Rohstoff- und
Recyclingunternehmen Interseroh wurde am 15. April 2008 eine
SE-Beteiligungsvereinbarung unterzeichnet. Die Verhandlungen hatten im
Januar 2008 begonnen (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2007). Da es im jetzigen deutschen Aufsichtsrat
keine Mitbestimmung gibt, bleibt auch der zukünftige
SE-Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmerbeteiligung. Der SE-Betriebsrat wird
aus neun Mitgliedern bestehen, obwohl dem Besonderen
Verhandlungsgremium (BVG) zuvor 17 Mitglieder angehört hatten.
Der SE-Betriebsrat wird bei Interseroh das erste transnationale Gremium
der Arbeitnehmervertretung sein, zuvor hatte es noch keinen
Europäischen Betriebsrat gegeben. Die Eintragung der
Interseroh SE im Handelsregister ist für September 2008
geplant.
Auch
Klöckner
ohne Mitbestimmung
Am
29. April 2008 wurde eine SE-Vereinbarung für den
Metallgroßhändler Klöckner in Duisburg
unterzeichnet. Der Betriebsrat kritisiert daran, daß die
Mitbestimmung auf Dauer eingeschränkt bleibt. Im Aufsichtsrat
der Klöckner SE, der unverändert aus sechs
Mitgliedern besteht, wird es keinen einzigen Arbeitnehmervertreter
geben. Dagegen konnte das BVG einen SE-Betriebsrat aus 21 Mitgliedern
durchsetzen. Zweimal jährlich kommen dort Delegierte aus der
EU zusammen, auch aus Ländern mit sehr kleiner Belegschaft.
Geleitet wird er von einem fünfköpfigen engeren
Ausschuß.
Europa-AG
als Drohpotential?
"Sag
beim Abschied leise SErvus
– die Mitbestimmung aus deutscher Sicht bröckelt."
So schreibt das Wirtschaftsmagazin Capital am 21. März 2008.
Im Titel heißt es, durch die Europa-AG ließen sich
"Mitarbeiter wie Politik besser in Schach halten". Tatsache ist:
für die Arbeitnehmerseite gibt es bei der Umwandlung in eine
SE an mehreren Stellen Probleme. So sichert die EU-Gesetzgebung zwar
das aktuelle Niveau der Mitbestimmung ab, gleichzeitig wird es aber in
der SE für alle Zukunft eingefroren. Unternehmen knapp unter
der Grenze von 2.000 Beschäftigten vermeiden mit der
SE-Umwandlung das Hineinwachsen in die paritätische
Mitbestimmung. Große Aktiengesellschaften können
ihren Aufsichtsrat von 20 auf zwölf Mitglieder verkleinern.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer
Wendt, befürchtet daher: "Auf Dauer haben wir nur noch SE."
Niedrigere Standards im Vergleich zu den deutschen
Mitbestimmungsgesetzen, übersichtliche Konzernstrukturen,
leicht verschiebbares Kapital seien die Gründe. "Vor allem
aber kann die SE leichter den Sitz ihrer Konzernzentrale ins Ausland
verlagern – ein wichtiges Argument in künftigen
Diskussionen um Gesetze, Arbeitsplatzabbau und Privilegien," schreibt
Capital weiter.
Arbeitsplatzabbau
erstmals Thema für SE-Betriebsrat
Am 3. Juli 2008 wurde der
SE-Betriebsrat des französischen Rückversicherers
Scor kurzfristig zu einer Sondersitzung geladen. Die zentrale Leitung
kündigte den Abbau von 200 Arbeitsplätzen an, was ein
Achtel der Belegschaft bedeutet. Der Personalabbau steht offenbar im
Zusammenhang mit Fusions- und Umstrukturierungsprozessen in Deutschland
und der Schweiz als Teil der Umwandlung in eine Europäische
Gesellschaft (SE). Scor hatte im Mai 2007 als erstes Unternehmen eine
SE-Vereinbarung nach französischem Recht geschlossen (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007). Der SE-Betriebsrat will eine
Beratungsgesellschaft beauftragen, um die betriebswirtschaftlichen
Daten zu analysieren und ein fundiertes Alternativkonzept zu den
Plänen der zentralen Leitung auszuarbeiten. Für die
Arbeitnehmervertreter steht die gesamte Rechtsform der SE politisch auf
dem Prüfstand.
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7.
Internationale Rahmenvereinbarungen
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Rhodia
erneut sein Rahmenabkommen
Am 25. März 2008 wurde
für den französischen Chemiekonzern Rhodia in Paris
ein überarbeitetes, weltweites Rahmenabkommen unterzeichnet,
das in der Wortwahl konkreter gefaßt ist als das alte
Abkommen von 2005 (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2005). Neu ist die Bildung einer internationalen
Arbeitsgruppe zur Arbeitssicherheit unter Einbeziehung eines externen
Sachverständigen. Um die Einhaltung des Abkommens vor Ort zu
überprüfen, besucht eine Kommission jährlich
ein bestimmtes Land. Im Oktober 2007 stand China auf dem Programm,
demnächst wird Brasilien folgen. Folgende Texte liegen nur in
englischer Sprache vor:
Europcar verpflichtet sich zur
Einhaltung sozialer Grundrechte
Auf der EBR-Sitzung am 8. und 9. April 2008 in
Paris wurde zwischen der zentralen Leitung und dem EBR des
Autovermieters Europcar eine Erklärung unterzeichnet, die
Mindeststandards international verbindlich festschreibt, u. a.
über Chancengleichheit, Gesundheit und Sicherheit, Anspruch
auf kollektive Interessenvertretung und Mindestlöhne. Europcar
war bis März 2006 eine Tochtergesellschaft von Volkswagen und
gründete erst nach dem Verkauf an den französischen
Finanzinvestor Eurazeo einen Europäischen Betriebsrat nach
französischem Recht.
Französischer
Röhrenhersteller mit sozialer Verantwortung
Am 9. April 2008 wurde zwischen
dem Europäischen Betriebsrat und der zentralen Leitung von
Vallourec ein weltweit gültiges Rahmenabkommen unterzeichnet.
Das Unternehmen produziert Rohrleitungen für die Öl-
und Gasindustrie und hat sich mit dem Abkommen auf die Respektierung
internationaler Arbeitsnormen in allen Niederlassungen und bei der
Auswahl der Zulieferer verpflichtet. Hierüber erhält
der EBR jährlich einen Bericht.
Bahnbrechendes
Abkommen im
Facility Management
Das
dänische Unternehmen ISS mit weltweit 440.000
Beschäftigten in 50 Ländern unterzeichnete am 3. Juni
2008 in Kopenhagen ein Abkommen mit dem Dachverband der
Dienstleistungsgewerkschaften (UNI), das als eines der
fortschrittlichsten seiner Art gilt und das Abkommen von 2003 ersetzt.
Die zentrale Leitung des Gebäudedienstleisters
(Büroreinigung, Rezeption, Kantine, Landschaftspflege,
Sicherheit usw.) unterstützt nicht nur die Gewerkschaften
zukünftig aktiv bei der Mitgliederwerbung weltweit in allen
Niederlassungen, sondern stellt auch einen Fonds in Höhe von
100.000 € jährlich zur Verfügung, um in
besonders sensiblen Bereichen die Arbeitsstandards zu heben. ISS
möchte mit diesem Abkommen die soziale Verantwortung der
gesamten Branche beeinflussen.
Stahlkonzern
stärkt Arbeits- und Gesundheitsschutz
Am 3. Juni 2008 wurde für den
Stahlkonzern ArcelorMittal in Luxemburg ein Abkommen zum Arbeits- und
Gesundheitsschutz unterzeichnet. Es sieht die Bildung eines
internationalen Arbeitssicherheitsausschusses aus drei Arbeitgeber- und
neun Gewerkschaftsvertretern vor, die Fabriken auf der ganzen Welt zur
Verbesserung der Sicherheitsbestimmungen aufsuchen können. Die
Vereinbarung war bereits auf einer Konferenz der Arbeitnehmervertreter
von ArcelorMittal im September 2007 in Montréal (Kanada)
angekündigt worden (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2007). Folgende Texte liegen nur in englischer
Sprache vor:
Weltweite
Sozialstandards im Baukonzern
Der italienische Zementhersteller Italcementi
schloß am 17. Juni 2008 ein internationales Rahmenabkommen mit
der Bau-
und Holzarbeiter-Internationale (BHI) und seinem Europäischen
Betriebsrat am Hauptsitz des Konzerns in Bergamo. Das Abkommen gilt
nicht nur für alle Niederlassungen weltweit, sondern auch
für Auftragnehmer und Zulieferer. Es sieht die Bildung eine
Referenzgruppe unter Beteiligung des EBR vor, die mindestens einmal
jährlich die Einhaltung des Abkommens überwacht.
Italcementi hatte im Juli 2007 auch seine EBR-Vereinbarung verbessert
(siehe Bericht
in den EBR-News 2/2007). Folgende Texte sind nur in
englischer Sprache verfügbar:
Gaz
de France sichert weltweite Sozialstandards
Kurz
vor der Fusion mit dem Versorgungskonzern Suez (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2008) verpflichtete sich am 2. Juli 2008 die
zentrale Leitung des halbstaatlichen französischen
Gasversorgers Gaz de France, weltweit soziale Grundrechte anzuerkennen.
Vorgesehen ist auch die Bildung eine Monitoring-Gruppe unter
Beteiligung der Europäischen Föderation der Chemie-
und Energiegewerkschaften EMCEF.
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8. EU-Gelder
für Europäische Betriebsräte
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Ausbildungsmaßnahmen
und
Restrukturierungsprojekte
Arbeitnehmervertreter
in europaweit tätigen Unternehmen können Gelder der
Europäischen Union in Anspruch nehmen, um ihre Zusammenarbeit
zu vertiefen und auszubauen. Eine entsprechende Haushaltslinie wurde
bereits Mitte der 90er Jahre auf Initiative des Europäischen
Parlaments eingerichtet, um die Gründung Europäischer
Betriebsräte in solchen Unternehmen zu unterstützen,
in denen die Arbeitgeber blockieren. Inzwischen nutzen auch
Firmenleitungen diese Gelder, beispielsweise um Programme zur sozialen
Unternehmensverantwortung (CSR = Corporate Social Responsibility)
extern finanzieren zu lassen (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2006).
Je
nach Programmschwerpunkt fördert die Europäische
Kommission 80 bis 90% der Gesamtkosten des Projekts, was bei einer
Laufzeit von einem Jahr etwa 140.000 € ausmacht. Projekte mit
einem größeren Volumen werden tendenziell eher
gefördert. Wichtig: es müssen Partner aus mindestens
zwei EU-Mitgliedsländern beteiligt sein und Projekte unter
Einbeziehung der Beitrittsländer in Mittel- und Osteuropa
genießen Vorrang. Die wichtigsten Bereiche für eine
solche Förderung sind:
-
Förderung
des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene
-
Verbesserung
des Kenntnisstands im Bereich der Arbeitsbeziehungen
-
Gründung
neuer Europäischer Betriebsräte
-
Verbesserung
grenzübergreifender Unterrichtungs- und
Anhörungsverfahren
-
Bildungs-
und Informationsmaßnahmen für Europäische
Betriebsräte
-
Förderung
des Kenntnisstands über transnationale
Betriebsvereinbarungen
Praktisch
alle Themen, mit denen sich Europäische Betriebsräte
beschäftigten, sind förderfähig. Die
Anträge können im Frühjahr und Herbst eines
jeden Jahres gestellt werden. Das Haushaltsvolumen wird jedes Jahr neu
festgelegt, für das Jahr 2008 sind 8,1 Mio. €
vorgesehen.
Beispiele
für EU-geförderte Projekte:
Das
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" ist gerne bei der
Beantragung dieser Gelder behilflich und unterstützt
Gewerkschaften und Betriebsräte auch mit inhaltlichen
Anregungen.
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Studie
aus Dublin gibt aktuellen Überblick
Am
21. März 2008 legte die Europäische Stiftung zur
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Sitz in Dublin eine
Studie vor, die einen knappen Überblick über den
aktuellen Stand der EBR-Forschung gibt. Auf 24 Seiten finden sich nicht
nur aktuelle Zahlen über die Verbreitung Europäischer
Betriebsräte, sondern auch Darstellungen zu einzelnen Themen:
-
Europäische
Betriebsräte in der Praxis
-
Europäische
Betriebsräte in den neuen EU-Mitgliedsstaaten
-
Herangehensweise
bei transnationalen Restrukturierungen
-
Rolle
Europäischer Betriebsräte beim Abschluß
internationaler Rahmenabkommen.
Neues
Papier zu transnationalen Betriebsvereinbarungen
Im
Mai 2006 hatte eine Expertengruppe im Auftrag der Europäischen
Kommission eine Studie über transnationale
Kollektivvereinbarungen erarbeitet (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006). Zu diesem Thema legte die Generaldirektion
Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit
am 2. Juli 2008 zwei neue Papiere vor. Das Arbeitsdokument mit dem
Titel "Die Rolle der transnationalen Betriebsvereinbarungen im Rahmen
der zunehmenden internationalen Integration" wird ergänzt
durch eine umfassende Auswertung vorliegender Vereinbarungen. Die
Dokumente liegen nur in englischer Sprache vor:
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10.
Interessante Webseiten
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Europäischer
Betriebsrat der
Deutschen Bahn
Die wichtigsten Informationen
zur Arbeit des EBR der Deutschen Bahn sind jetzt auf einer Webseite des
Unternehmens abrufbar. Dort können Berichte über
Sitzungen, ein Überblick über Ausschüsse und
Struktur des EBR sowie Gesetze und Dokumente abgerufen werden.
Soziale
Verantwortung der
Zuckerindustrie
Diese Webseite ist ein
Gemeinschaftsprojekt der Gewerkschaften und der
Arbeitgeberverbände auf europäischer Ebene der
Zuckerindustrie. Sie enthält Informationen über die
soziale Verantwortung der Unternehmen in dieser Branche, über
EU-Hilfen bei Umstrukturierungen, gemeinsame Erklärungen der
Sozialpartner und branchenspezifische Wirtschaftsstatistiken in drei
Sprachen.
Gewerkschaftliche Webseite
für Mærsk
Für
die Gewerkschaften bei A.P.
Møller-Mærsk, dem weltweit
größten Transportunternehmen mit Sitz in Kopenhagen
und Schwerpunkten in der Container-Verschiffung wie auch in der
Hafenlogistik, hat die Internationale
Transportarbeiter-Föderation (ITF) eine eigene Webseite
eingerichtet. Dort finden sich Informationen über die
weltweiten Arbeitsbedingungen, aktuelle Meldungen, Berichte und
Dokumente zum Download.
EU-Projekt zur Zukunft
der Arbeitsbeziehungen
Mit
dem EU-geförderten Projekt ZAUBER
("Zukunft von Arbeitsbeziehungen und Arbeit in Europa") versucht die
Bildungsvereinigung Arbeit und Leben in Osnabrück die Debatte
mittels Workshops und Veranstaltungen anzuregen. Schwerpunkte sind die
Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in multinationalen
Unternehmen, die europäische Tarifpolitik und Perspektiven der
Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa.
Zahlreiche
weitere interessante Links haben wir in einer Linksammlung
zusammengestellt.
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Englisch-Wörterbuch
für Betriebsräte
Der
DGB-Saar hat nach einem Glossar Deutsch - Französisch (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007) jetzt auch ein Wörterbuch Deutsch -
Englisch vorgelegt. Es enthält ein Spezialvokabular, das
insbesondere für Betriebsräte und Gewerkschaften von
hohem Nutzwert ist und sich in dieser komprimierten Form in allgemeinen
Wörterbüchern nur selten findet.
Jacques
Bister/Marcel Mansfeld/Christine Parkin
Wortschatz für die
Gewerkschaftsarbeit
Deutsch
- Englisch, Englisch - Deutsch
Saarbrücken
2008, 84 Seiten, € 10,70
Ländervergleich
zur Betriebsverfassung
Welche
Rechte haben meine Kollegen im
Euro-Betriebsrat in ihrem Heimatland, wenn sie die Arbeitsbedingungen
im Betrieb regeln wollen oder mit Umstrukturierungen konfrontiert sind?
Solche Fragen stellen sich viele EBR-Mitglieder. Antworten finden sie
in dieser Broschüre der Hans-Böckler-Stiftung vom
April 2008. Vorgestellt werden darin fünf EU-Länder
nicht nur hinsichtlich der aktuell geltenden Regeln zur
Betriebsverfassung, sondern auch mit einem ausführlichen
historisch-sozialen Rückblick.
Claudia Schippmann
Betriebliche
Mitbestimmungskulturen in Großbritannien, Spanien, Schweden,
Frankreich und Ungarn
Düsseldorf 2008, 166
Seiten, ISBN 978-3-86593-086-6, € 18,-
Wer
es etwas ausführlicher mag, kann auch auf die Dissertation
von Werner Altmeyer zurückgreifen.
Nokia und die Folgen
Im
Juli 2008 veröffentlichte die Hans-Böckler-Stiftung
ein Gutachten, das sie nach der Entscheidung von Nokia zur
Schließung seines Werks für Mobiltelefone in Bochum
(siehe Bericht
in den EBR-News 1/2008) in Auftrag gegeben hatte. Prof. Dr.
Ulrich Zachert untersucht darin, wie zeit- und kostenintensiv eine
solche Stillegung in sieben anderen EU-Ländern wäre
und vergleicht dies mit der rechtlichen und praktischen Situation in
Deutschland. Die Broschüre enthält auch zwei
Länder-Fallstudien über Massenentlassungen in
Schweden und in den Niederlanden. Als Fazit schlägt der Autor
vor, die Informations- und Anhörungsrechte der
Europäischen Betriebsräte zu Vetorechten auszubauen.
Ulrich Zachert
Verfahren und Kosten von
Betriebsverlagerungen in ausgewählten europäischen
Ländern
Düsseldorf 2008, 70
Seiten, ISBN 978-3-86593-098-9, € 10,-
Gewerkschaftliche Antworten auf
die Globalisierung
Dieses
im November 2007 von Verena Schmidt vom Arbeitnehmerbüro der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) herausgegebene Buch
bündelt die Arbeit gewerkschaftlicher Aktivisten und
Wissenschaftler des globalen gewerkschaftlichen Netzwerkes GURN (Global
Union Research Network). Das Buch gibt einen wertvollen
Überblick über gewerkschaftliche Strategien
angesichts der Globalisierung. Die Autoren informieren umfassend
über die Sozialpartnerschaft auf globaler Ebene, globale
Wertschöpfungsketten, Sweatshops und Erfahrungen aus
verschiedenen Ländern (z. B. Brasilien, Bulgarien, Karibik,
Kolumbien, Indien, Polen, Großbritannien, Türkei und
Südafrika). Das Buch liegt nur in englischer Sprache vor.
Verena Schmidt (Hrsg.)
Trade Union Responses to
Globalization
A review by the Global Union
Research Network
Genf 2007, 218 Seiten, ISBN
978-92-2-119860-4, € 20,-
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12. Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de":
Beispiele aus unserer
Arbeit
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Zusammenarbeit
der
Airbus-Betriebsräte
Interkulturelle Kommunikation
bei grenzüberschreitenden Kontakten von Betriebsräten
birgt eine Reihe von Stolpersteinen, die eine gemeinsame Strategie
insbesondere bei Restrukturierungen erheblich erschweren
können. An der Universität Hamburg läuft
derzeit unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Zachert ein Studienprojekt
zu Airbus, in dessen Rahmen das Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" Unterstützung liefert.
Bombardier:
deutsche Beteiligungsrechte im internationalen Konzern
Die
deutsche Bahnindustrie ist national und international erfolgreich,
nimmt eine technologische Spitzenposition ein und hat die
Umbrüche der letzten Jahre gut bewältigt. Nach
zahlreichen Einschnitten sind gegenwärtig keine
Standortschließungen oder Massenentlassungen mehr geplant.
Auch im Heimatmarkt stehen jetzt Investitionen an und Struktureffekte
im Güterverkehr wirken sich positiv aus,
Auslandsmärkte sind und bleiben jedoch
überlebenswichtig.
Vor
diesem Hintergrund wollte sich der Gesamtbetriebsrat des
Schienenfahrzeugbauers Bombardier am 28. Mai 2008 bei einer
Betriebsräteversammlung in Bautzen vorausschauend mit der
Gestaltung und Durchsetzung von deutschen Beteiligungsrechten im
internationalen Konzern beschäftigen. Dr. Werner Altmeyer vom
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" gab einen
Überblick über aktuelle EBR-Gerichtsurteile mit
Auswirkungen auf die Arbeit deutscher (Gesamt)Betriebsräte.
tesa
klebt Europa-Mitbestimmung
Für
den Konzernbetriebsrat kam die Ankündigung aus heiterem
Himmel: der Hamburger Klebstoffhersteller tesa wandelt sich in eine
Europäische Gesellschaft (SE) um. Am 24. April 2008
beschloß dies der Aufsichtsrat gegen die Stimmen der beiden
Arbeitnehmervertreter. In Deutschland hat tesa etwa 1.950
Beschäftigte und würde aufgrund guter Auftragslage
vermutlich bald in die paritätische Mitbestimmung
hineinwachsen. Vor diesem Hintergrund haben Prof. Dr. Ulrich Zachert
und Dr. Werner Altmeyer die Beratung der Arbeitnehmerseite
übernommen. In einer Klausurtagung am 9. und 10. Juni 2008
wurden von den deutschen Betriebsräten gemeinsam mit der IG
BCE vorläufige Eckpunkte für die bevorstehenden
Verhandlungen ausgearbeitet.
Deutsch-niederländische
Konferenz zur Mitbestimmung
Im
Tagungszentrum Remonstrantse Kerk der
Rijksuniversiteit Groningen (Foto) kamen am 19. Juni 2008
Wissenschaftler, Rechtsanwälte und Betriebsräte
zusammen, um über aktuelle Trends der Mitbestimmung in Europa
zu diskutieren. Im Zentrum der gemeinsam mit der Universität
Oldenburg durchgeführten Tagung standen sowohl die
Europäischen Betriebsräte wie auch die
Europäische Aktiengesellschaft (SE). Für das
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" resümierte
in der traditionsreichen niederländischen
Universitätsstadt Dr. Werner Altmeyer die aktuelle Debatte um
die Fortentwicklung der EBR-Arbeit.
ver.di/GPA-Newsletter:
Ausgabe 1/2008
Am
25. April 2008 ist eine
weitere Ausgabe des deutsch-österreichischen EBR-Newsletters
von ver.di und GPA erschienen, der sich vor allem mit der Revision der
EBR-Richtlinie beschäftigt. Weitere Themen sind RWE,
Fresenius, Thomas Cook, die Vienna Insurance Group,
Europäische Betriebsräte im Einzelhandel, Proteste
bei Novartis, ein Länderschwerpunkt zu Italien, Web- und
Literaturtipps und Veranstaltungshinweise. Der Newsletter wird vom
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" mitgestaltet.
Anforderungen
an eine zeitgemäße Betriebspolitik
Angesichts von grenzenloser
Standortkonkurrenz, Outsourcing, Offshoring, verschwommenen
Betriebsgrenzen und dezentraler Tarifpolitik stellen sich neue
Anforderungen an den Betriebsrat. Der Arbeitskreis Arbeit - Betrieb -
Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung will auf einer Konferenz in Berlin
am 25. November 2008 mit Arbeitnehmervertretern, Wissenschaftlern und
Politikern über eine Reformagenda zur Mitbestimmung
diskutieren.
Dabei
soll auch der Blick auf
die
europäische Ebene eine Rolle spielen. Aus diesem Grund wird
Dr. Werner Altmeyer vom Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" als Keynote-Speaker über vernetzte,
internationale Betriebsratsarbeit referieren. Weitere Beiträge
werden von Ralf-Peter Hayen, Referatsleiter betriebliche Mitbestimmung
beim DGB-Bundesvorstand, Prof. Dr. Thomas Blanke von der
Universität Oldenburg und Andrea Nahles, stellvertretende
Parteivorsitzende der SPD, erwartet.
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