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21.
Juni 2012
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1.
Debatte um Streikrecht in der EU
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Brüssel will
Arbeitskämpfe europaweit überwachen
Am
21. März 2012 verabschiedete die Europäische
Kommission in
Brüssel einen Gesetzentwurf mit erheblicher Sprengkraft: eine
Verordnung über die Ausübung des Rechts auf
Durchführung
kollektiver Maßnahmen im Kontext der Niederlassungs- und
Dienstleistungsfreiheit (sog. Monti-II-Verordnung). Damit
würde
zum ersten Mal in der Geschichte der Industriegesellschaft ein
transnationaler Mechanismus zur Überwachung von Streiks
eingeführt. Alle EU-Länder sollen künftig
ein
Frühwarnsystem für Arbeitskämpfe etablieren
und Streiks
nach Brüssel melden, wenn diese die unternehmerische Freiheit
oder
das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.
Vorgesehen
ist auch ein obligatorisches Schlichtungsverfahren.
Sollten
die Pläne umgesetzt werden, dürfte beispielsweise
nicht mehr
gegen Lohndumping gestreikt werden, wenn billigere
Arbeitskräfte
aus anderen EU-Ländern nur die Lohnhöhe ihres
Herkunftslandes erhalten. Zwar soll die
Verordnung nur für Streiks mit grenzüberschreitenden
Auswirkungen gelten, aber welcher Arbeitskampf kann im
Europäischen Binnenmarkt ausschließlich auf das
lokale
Umfeld begrenzt werden? Die Gewerkschaften sind daher in
höchste
Alarmbereitschaft versetzt.
Nationale Parlamente zeigen
Brüssel die "Gelbe Karte"
Genauso
einmalig wie der Gesetzentwurf ist die Reaktion darauf. Mehr als das
erforderliche Drittel aller Parlamente der EU-Mitgliedsländer
beschlossen inzwischen eine "Subsidiaritätsrüge", mit
der sie
kritisieren, daß der EU-Gesetzgeber hier unzulässig
in
nationale Angelegenheiten eingreifen will. Es ist das erste Mal in der
Geschichte der EU, daß eine solche Rüge erfolgt. Die
Ereignisse zeigen, welche Brisanz und welche historische Bedeutung die
Angelegenheit hat.
Finnland,
Schweden und Lettland waren bereits direkt von transnationalen
Arbeitskämpfen betroffen und lehnen die Verordnung ab.
Weiterhin
unterstützen Dänemark, Frankreich, Portugal,
die drei BeNeLux-Länder, Polen, Malta und
Großbritannien den
Einspruch. Der Deutsche Bundestag konnte sich bisher noch nicht
dazu durchringen. Die Mehrheit im britischen Unterhaus ist
zwar
weniger an sozialen Rechten interessiert, befürchtet aber mehr
politischen Einfluß bei Streiks.
Die Vorgeschichte zum
Gesetzentwurf
Ausgangspunkt
der aktuellen Diskussion sind zwei Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (Foto) vom
Dezember
2007 (siehe Bericht
in den EBR-News 4/2007).
Die Richter stellten das Recht auf Streik im Fall der
finnischen Fährgesellschaft Viking Line unter den
Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Im Fall des
lettischen
Unternehmens Laval untersagten sie der schwedischen Baugewerkschaft
sogar Arbeitskämpfe. Eine Gewerkschaft dürfe
ausländische Firmen nicht durch Streiks zwingen,
ausländische
Arbeitskräfte auf schwedischem Boden nach schwedischem
Flächentarifvertrag zu entlohnen. Dem steht ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom
April 2009
entgegen. In dem Verfahren gegen die Türkei hatte er das
Streikrecht als integralen Teil der Europäischen
Menschenrechtskonvention definiert (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2009). Sollen nun für die Türkei
härtere Kriterien gelten als für die EU?
Die Urteile
des Europäischen Gerichtshofs wurden massiv kritisiert.
Für
den Londoner Arbeitsrechtler Prof. Keith Ewing werfen sie das
EU-Streikrecht dorthin zurück, wo es im Vereinigten
Königreich vor über 100 Jahren stand. Der
Gesetzentwurf
würde diese Situation zementieren. In Deutschland
wäre
es ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit und damit ins
Grundgesetz. In den lateinischen Ländern, z. B. in Frankreich,
wird das Streikrecht als individuelles Menschenrecht durch die
Verfassung garantiert. Folgende Texte sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
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2.
Praxistipp: Schulungsanspruch für EBR-Mitglieder
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Klare
Regelung in der neuen EBR-Richtlinie
Seit
Juni 2011 haben Europäische Betriebsräte, sofern sie
der
neuen Gesetzgebung unterliegen, sowie alle Besonderen
Verhandlungsgremien einen Rechtsanspruch
auf Weiterbildung. Vorher galt dies nur für rund 60% aller
Europäischen Betriebsräte, die dies in ihrer
Vereinbarung so
geregelt hatten. Doch in der Praxis wurde für 79% aller
EBR-Gremien innerhalb des letzten Jahres eine Inhouse-Schulung
durchgeführt bzw. einzelne EBR-Mitglieder wurden zu externen
Schulungen entsandt - so das Ergebnis einer empirischen Studie aus dem
Jahr 2008 (siehe Bericht
in den EBR-News 3/2008). Die
durchschnittliche Schulungsdauer betrug 1,6 Tage pro Jahr. Die
jährlichen Kosten variierten von 1.300 bis 150.000 €,
im
Durchschnitt investierten Unternehmen damals 43.800 € pro Jahr
in
die Schulung ihrer EBR-Mitglieder (Foto: eine unserer
Inhouse-Schulungen im September 2011 in Rom).
Einige praktische und juristische
Fragen
Für
den EBR stellen
sich jetzt eine Reihe
von Fragen, wie der Rechtsanspruch in der Praxis genutzt
werden
kann. Laut Artikel 10 Absatz 4 der neuen EBR-Richtlinie haben
Arbeitnehmervertreter einen Anspruch auf Schulungen "in dem
Maße,
wie dies zur Wahrnehmung ihrer Vertretungsaufgaben in einem
internationalen Umfeld erforderlich ist,... ohne dabei Lohn-
bzw.
Gehaltseinbußen zu erleiden".
Frage
1: Welche Schulungen sind in einem internationalen Umfeld erforderlich?
- Dazu
gehören in erster Linie alle Schulungen, um die
internationale Struktur und die Strategie des Unternehmens sowie die
juristischen Grundlagen der EBR-Arbeit zu verstehen.
- Betriebswirtschaftliche
Grundkenntnisse sind erforderlich, um dem Arbeitgeber im
Rahmen
des Konsultationsverfahrens fundierte Vorschläge machen zu
können.
- Damit
EBR-Mitglieder die praktischen Herausforderungen ihres Mandates
bewältigen können, müssen sie die
unterschiedlichen
Systeme der Arbeitsbeziehungen kennen, die interkulturelle
Kommunikation einüben und
Fremdsprachenkenntnisse vertiefen.
Frage
2: Wer trägt die Kosten für die Schulung?
Die
zentrale Leitung hat aufgrund ihrer übergeordneten
Verantwortung
für die Errichtung und für die laufenden
Aktivitäten des
EBR sämtliche Kosten zu tragen, kann dies aber auf nationale
Ebenen delegieren. In keinem Fall müssen EBR-Mitglieder,
die Gewerkschaften oder die EU derartige Kosten übernehmen.
Die
Schulung findet ohne Lohnverlust während der
Arbeitszeit
statt.
Frage
3: Gilt der Rechtsanspruch nur für Inhouse-Schulungen?
Nein.
Der Rechtsanspruch gilt sowohl für den Europäischen
Betriebsrat als Gesamtgremium, für den
Lenkungsausschuß
wie auch für einzelne EBR-Mitglieder. Häufig finden
Schulungen vor oder nach einer normalen EBR-Sitzung statt, um
Reisekosten zu sparen. Es gibt aber auch Schulungstermine, die getrennt
von Sitzungsterminen geplant werden. Weiterhin hat jedes EBR-Mitglied
einen Anspruch, als Einzelperson an externen Seminaren oder
Fachtagungen teilzunehmen, wie sie auch die EWC Academy anbietet (Foto
vom Seminar in Montabaur im April 2012).
Frage
4: Kann die zentrale Leitung Schulungsanfragen verweigern?
Wenn
die Schulung notwendig ist, gibt es einen gerichtlich einklagbaren
Rechtsanspruch. Hierzu vertritt der europäische
Arbeitgeberverband BusinessEurope die Ansicht, "daß es keinen
Grund gibt, warum ein Unternehmen Probleme für eine
Weiterbildung
schaffen sollte, die für die Arbeitnehmer wichtig ist. Wenn
Parteien sich über die Ausbildung nicht einigen
können, gebe
es auch wenig Chancen für einen guten Dialog über die
Zukunft
des Unternehmens. Infolgedessen sollte es eine Bereitschaft geben,
für Ausbildung zu zahlen, wenn es für EBR-Mitglieder
erforderlich ist, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß
auszuüben."
Frage
5: Wer entscheidet über die Auswahl des Seminaranbieters?
Es
gibt keine Regelung im Gesetz, wonach der Arbeitgeber das Training
selbst durchführen soll oder den Anbieter vorgibt. Die
EBR-Mitglieder können sich ihren Seminaranbieter selbst
auswählen.
Die
Quelle für diese Hinweise
Im
Januar 2011 hatte die Europäische Kommission einen
Expertenbericht
zu den einzelnen Kapiteln der neuen EBR-Richtlinie vorgelegt. Er war
von einer Expertengruppe u. a. aus gewerkschaftsnahen und
arbeitgebernahen Vertretern erarbeitet worden. Daher kommt ihm als eine
Referenz für juristische Zweifelsfälle eine
große
Bedeutung zu. Der Bericht enthält ein eigenes Kapitel zum
Rechtsanspruch auf Schulungen.
Achtung:
der Schulungsanspruch gilt nicht automatisch!
Alt-Vereinbarungen,
die bis September 1996 erstmals geschlossen wurden,
oder zwischen
Juni 2009 und Juni 2011 verändert wurden, sind von
der neuen
Rechtslage ausgenommen. Enthalten sie keinen Anspruch auf
Schulungen, ist eine Nachverhandlung der EBR-Vereinbarung
zwingend
erforderlich.
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3. Laxes Arbeitsrecht
lädt zu
Werksschließungen ein
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Österreichisches
Verpackungsunternehmen verletzt britisches und EU-Recht
Am
18. Februar 2012 wurde die
Faltschachtelproduktion von Mayr-Melnhof in der Nähe von
Liverpool mit 161 Arbeitnehmern geschlossen. Während sich das
Management im Heimatland Österreich an Recht und Gesetz
hält, gilt dies im Vereinigten Königreich nicht. Nach
Auffassung der Gewerkschaft Unite wurde das Werk illegal geschlossen.
Begonnen
hatte der Konflikt bei Verhandlungen über den Abbau von 37 der
161 Arbeitsplätze. Als kein tragfähiges Ergebnis
erzielt wurde, führte die Gewerkschaft Unite eine Urabstimmung
durch. Seit den Thatcher-Jahren ist dies zwingend erforderlich,
andernfalls wäre ein Streik illegal. Ab 10. Februar 2012
fanden mehrere Streiktage statt. Daraufhin sperrte der Arbeitgeber die
gesamte Belegschaft am 18. Februar 2012 dauerhaft aus und
verschickte am 29. März 2012 Entlassungsschreiben an alle.
Weder die nach EU-Recht vorgeschriebene Konsultationsphase bei
Massenentlassungen noch die Beteiligung des Europäischen
Betriebsrates fanden statt.
Erste Aussperrung in der
britischen Papier- und Druckindustrie seit über 50 Jahren
Gegen
das harte Vorgehen des
Managements wurde eine international koordinierte Medienkampagne
gestartet und eine Beschwerde bei der OECD eingereicht.
Die Gewerkschaft ver.di bemühte sich,
Streikbrucharbeiten in deutschen Werken des Konzerns zu verhindern. Vor
der Hauptversammlung des Unternehmens am 25. April 2012 im Grand Hotel
von Wien protestierten Gewerkschafter aus mehreren Ländern.
Danach kam es zu konstruktiven Gesprächen, die am 29. Mai 2012
mit einem Sozialplan endeten. Für die nicht eingehaltene
90tägige Konsultationsphase werden nun alle Löhne
nachgezahlt und die Abfindungen gegenüber dem
ursprünglichen Angebot erheblich aufgestockt. Als
nächstes könnte das Werk in Budaörs
in Ungarn von einer Schließung bedroht sein.
Waschmittelproduktion
in Spanien vor dem Aus
Der
britisch-niederländische
Konsumgüterkonzern Unilever gab am 22. März
2012 die Schließung seiner Waschpulverfabrik in Aranjuez
bekannt. Alle 166 Arbeitnehmer sollen entlassen, die
Produktion ins Vereinigte Königreich verlagert werden. Bereits
am 25. März 2012 protestierten 5.000 Menschen in der vom
Tourismus geprägten Kleinstadt südlich von Madrid
(Foto). Am 2. April 2012 wurde der Europäische Betriebsrat von
Unilever in
Rotterdam über die Pläne informiert. Er
forderte weitere Zahlen, um die Wettbewerbsfähigkeit der
Fabrik
beurteilen zu können, und will Alternativen zur
Schließung prüfen.
Am 12. April 2012 besuchte eine Abordnung des EBR das
Werk.
Obwohl
der Betriebsrat von Aranjuez am 26. April 2012 auf einer EBR-Sitzung in
Hamburg einen detaillierten Plan zur Fortführung des Werkes
vorlegte, hält die zentrale Leitung an ihren Plänen
fest. Am
6. Juni 2012 leitete sie das in Spanien vorgeschriebene Prozedere
für Massenentlassungen ein. Das Beispiel erinnert an die
Ereignisse beim
US-Automobilzulieferer Visteon im Herbst 2011 (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2011), allerdings konnte sich der EBR von Unilever
nicht zu gerichtlichen Schritten durchringen.
Kündigungsschutz durch
Notverordnung ausgehebelt
Die
Schließungspläne von Unilever waren auch Thema einer
Diskussion im spanischen Parlament. Die
jüngste Reform des Arbeitsrechts sei eine Einladung an
ausländische Investoren, Arbeitsplätze in Spanien
stärker als in anderen Ländern abzubauen, so die
Opposition. Mit über 24% hat Spanien die höchste
Arbeitslosenquote aller EU-Länder (4,7 Mio. Menschen). Die
seit
Dezember 2011
regierende konservative Mehrheit will die Finanzmarktkrise mit
den stärksten Einschränkungen im Arbeitsrecht seit
dem Ende
der Franco-Diktatur bekämpfen. Gegen eine am 12. Februar 2012
in
Kraft getretene Notverordnung reagierten die Gewerkschaften mit
wochenlangen Protesten und einem Generalstreik am 29. März
2012.
Am 16. April 2012 forderten sie die Internationale Arbeitsorganisation
(ILO) zur Intervention auf, weil
die Regierung sowohl die spanische Verfassung als auch ILO-Normen
verletze.
Deutsches
Familienunternehmen zieht sich aus der Schweiz zurück
Am
24. April 2012 gab der deutsche Chemie- und Pharmakonzern
Merck
bekannt, den Standort Genf mit 1.250 Arbeitnehmern zu
schließen
und weitgehend nach Darmstadt zu verlagern. Es ist der
größte Stellenabbau, den die Region am
Genfer See
jemals erlebt hat. Weitere 2.500 Arbeitnehmer sollen in
Deutschland und 450 in Frankreich abgebaut werden. Merck hatte das
schweizerische Biotechnologieunternehmen Serono erst 2007
übernommen, jetzt wird dessen Hauptsitz geschlossen. Am 30. Mai 2012
wurde daher eine internationale Protestkundgebung in Darmstadt
durchgeführt.
Ermutigt
fühlen sich die Serono-Arbeitnehmer durch den Erfolg ihrer
Kollegen bei Novartis. Am 17. Januar 2012 hatte der schweizerische
Pharmakonzern die geplante Schließung eines Standortes im
nahegelegenen Nyon nach Protesten wieder zurückgenommen.
Klage eingereicht
Die
Angestelltengewerkschaft der Schweiz reichte am
8. Mai 2012
eine Klage beim Arbeitsgericht im Kanton Waadt ein. Serono hat in Genf
keine Arbeitnehmervertretung. Vor Gericht ist jetzt zu prüfen,
ob
die Pflichten aus dem Mitwirkungsgesetz verletzt wurden und ob das
Konsultationsverfahren den rechtlichen Standards entspricht. Die Klage
soll zu einer Verlängerung der Konsultationsfrist
führen.
Zwar wurde in einer Belegschaftsversammlung am 4. Mai 2012
spontan
ein Sprecherkomitee aus 15 Personen gewählt, den rechtlichen
Anforderungen genügt dies jedoch nicht.
Schweizerisches
Parlament gegen Ausbau
der Arbeitnehmerrechte
Bereits im Jahr
2010 hatten die Ereignisse um den Personalabbau im
Maschinenbaukonzern Alstom die Debatte um die Arbeitnehmerrechte in der
Schweiz ins Blickfeld der
Öffentlichkeit
gerückt (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2010). Dennoch lehnte der Nationalrat am 11. Juni 2012 mit
129 gegen 56 Stimmen einen
Antrag mehrerer sozial- und christdemokratischer Abgeordneten ab, der
einen Rechtsanspruch
auf Gründung von Betriebsräten in Unternehmen ab 100
Arbeitnehmer vorsah. Auch die freiwillige Übernahme der
EBR-Richtlinie
in das Arbeitsrecht der Schweiz wurde abgelehnt.
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4. Betriebliche
Arbeitnehmervertreter in einzelnen Ländern
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Rechtssteitigkeiten um
britische "Betriebsräte"
Seit
2005 gibt es im Vereinigten Königreich eine Verordnung
über
Informations- und Konsultationskomitees auf Betriebsebene - eine Art
"Betriebsrat light". Solche Gremien sind der britischen Tradition
jedoch eher fremd: die Gewerkschaften beanspruchen das Monopol
auf
die kollektive Vertretung der Arbeitnehmer und die Arbeitgeber sind an
einer Mitsprache der Belegschaft nicht wirklich interessiert. Die
Komitees wurden daher nur eingeführt, weil eine EU-Richtlinie
es
verbindlich vorschrieb (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006). Obwohl
sich die Einstellung der Gewerkschaften und der Arbeitgeber zu diesen
Komitees allmählich wandelt, ist die Verbreitung in
der
britischen Wirtschaft noch relativ gering.
Am
21.
März 2012 wurde eine Übersicht über
Gerichtsverfahren zu
diesem Thema publiziert. Von den insgesamt
40 Fällen
hatten sieben Firmen die Wahl eines Informations- und
Konsultationskomitees aktiv behindert, in drei Fällen wurden
Strafgelder verhängt. Bekanntestes Beispiel ist die deutsche
Verlagsgruppe Holtzbrinck, die u. a. das "Handelsblatt" und "Die Zeit"
herausgibt. Deren britische Tochter Macmillan hatte der Belegschaft in
Swansea jahrelang ein solches Komitee verweigert (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007).
Betriebsratswahlen in Belgien
Vom
7. bis 20. Mai 2012 fanden in Belgien die Wahlen zum Betriebsrat und zu
den Arbeitssicherheitsausschüssen statt. Wie in Deutschland
ist
dies alle vier Jahre während eines einheitlichen Zeitraums
vorgesehen, an den alle Betriebe gebunden sind. Die
vorläufigen
Ergebnisse belegen einen Trend, der für Belgien typisch ist:
die
Einzelgewerkschaften des christlichen Dachverbandes CSC haben mehr
als 50% der Stimmen und die Mehrheit der 45.000
Betriebsratsmandate errungen.
An zweiter
Stelle folgt der
sozialistische Gewerkschaftsbund FGTB mit rund 35% der Stimmen, an
dritter Stelle die linksliberalen Gewerkschaften des CGSLB (Foto), die
sich von 9% auf über 11% steigern konnten und damit ein
historisches Rekordergebnis erzielten. Christliche und sozialistische
Gewerkschaften verbuchten gegenüber 2008 leichte Verluste. Der
Gewerkschaftsbund der leitenden Angestellten CNC liegt
unverändert
bei etwa 1% und unabhängige Listen bei 0,5%. Folgende Texte
sind nur
in französischer Sprache verfügbar:
Frankreich: Rechtsanspruch auf
kritische Kommentare im Intranet
Ein
französischer Arbeitgeber hat alle Gewerkschaften gleich zu
behandeln, auch wenn sie kritische Stellungnahmen im Intranet
verbreiten. Die Sperrung einer Intranetseite der Gewerkschaft SUD durch
den Automobilhersteller Renault war illegal. Das Unternehmen wurde am
23. Mai 2012 vom obersten
Berufungsgericht (Cour de cassation) in Paris verurteilt, eine
Entschädigung in Höhe von 20.000 € an die
betriebliche
Gewerkschaftsgruppe von SUD zu zahlen.
In
vielen französischen Betrieben hatten sich
Arbeitnehmervertreter
1999 vom zweitgrößten französischen
Gewerkschaftsbund CFDT abgespalten, weil sie dessen
Politik der
Arbeitszeitflexibilisierung nicht mehr mittragen wollten. Seither
firmieren sie unter dem Namen SUD und gründeten 2004 den
Gewerkschaftsbund "Solidaires", der eine besonders
kämpferische
Linie verfolgt und heute etwa ein Zehntel der Mitgliederzahlen der CFDT
erreicht. Folgende Texte sind nur in
französischer Sprache verfügbar:
Während
in Frankreich
lokale Betriebsräte und Gewerkschaftsgruppen jeder Couleur die
Politik ihres Arbeitgebers im Intranet oder im Internet offen
kritisieren, gilt dies in angelsächsischen Ländern
oft als Tabubruch. Die Regeln der "confidentiality" gehen in keinem
anderen europäischen Land weiter als im Vereinigten
Königreich, auch hinsichtlich der Vorschriften für
Europäische Betriebsräte.
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5. Gewerkschaften
fusionieren
international
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Metall, Chemie und Textil in
Europa unter einem Dach
Am
16. Mai 2012 fand in Brüssel der
Gründungskongreß
des Europäischen Industriegewerkschaftsbundes (industriAll)
statt.
Er tritt die Nachfolge von drei Verbänden an, die bereits in
den
letzten Jahren politisch eng miteinander kooperiert hatten: der
Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB), die
Europäische
Föderation der Bergbau-, Chemie- und Energiegewerkschaften
(EMCEF)
und der Europäische Gewerkschaftsverband Textil, Bekleidung,
Leder
(EGV:TBL). industriAll vertritt mehr als 7 Mio. Arbeitnehmer und hat
197
Mitgliedsgewerkschaften nicht nur in EU-Ländern, sondern auch
darüber hinaus. 550 Delegierte waren zum
Kongreß
gekommen.
Metall,
Chemie und Textil auch weltweit unter einem Dach
Nach
Gründung des Europäischen
Industriegewerkschaftsbundes wurde am 19. Juni 2012 in Kopenhagen der
gleiche Schritt auch auf globaler Ebene vollzogen. In dem fusionierten
neuen Verband sind der Internationale
Metallgewerkschaftsbund (IMB), die Internationale Föderation
der
Chemie-, Energie-, Bergbau- und Fabrikarbeiter-Gewerkschaften (ICEM)
und
die Internationale Textil-, Bekleidungs- und
Lederarbeiter-Vereinigung (ITBLAV) aufgegangen. Er vertritt 50
Mio. Arbeitnehmer in 140
Ländern. Zum Gründungskongreß waren
über
1.000
Delegierte gekommen. Die weltweiten Gewerkschaftsverbände
fördern die Einhaltung sozialer Mindeststandards in
multinationalen Konzernen durch internationale
Rahmenabkommen. Die folgenden Informationen sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
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6.
Transnationale Betriebsvereinbarungen
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Keine
Verhandlung über IT-Outsourcing bei Alstom
Am
14. Mai 2012 teilte der Europäische Metallgewerkschaftsbund
(EMB)
mit, daß er kein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen mit
der
zentralen Leitung der französischen Maschinenbaugruppe Alstom
über die sozialen Folgen der geplanten Auslagerung der
IT-Bereiche
bekam. Gescheitert ist die Initiative nicht am
Arbeitgeber, sondern an den italienischen Gewerkschaften. Sie lehnen
die Pläne komplett ab und wollten den EMB nicht
als Verhandlungsführer ermächtigen.
Nun müssen in jedem einzelnen Land Verhandlungen
geführt werden.
Alstom
gilt als positives Beispiel für transnationale Vereinbarungen.
Erst im Januar 2012 war ein Abkommen über
Beschäftigungssicherung eines
Joint
Venture länderübergreifend geschlossen worden
(siehe Bericht
in den EBR-News 1/2012).
Problem: wer soll verhandeln?
Ohne
ein Mandat ihrer Mitgliedsgewerkschaften sind die europäischen
Verbände nicht in der Lage, derartige Verhandlungen
aufzunehmen.
Es bleibt daher nur die Option, solche Entscheidungen durch
Mehrheitsbeschluß im Europäischen Betriebsrat zu
fällen
und die Verhandlungen durch den EBR selbst zu führen (faktisch
eine
Erweiterung des EBR in Richtung Mitbestimmung). Bei dieser Frage
handelt es sich jedoch um ein Grundsatzproblem der
europäischen
Arbeitsbeziehungen. Während sich Betriebsräte aus
Deutschland
gerne einen stärkeren EBR wünschen,
befürchten
Delegierte aus den Mittelmeerländern dadurch eher eine
Schwächung der Gewerkschaften. Im Fall von Alstom hat diese
Frage
jetzt zu einer Blockade geführt, ähnlich wie zuvor
beim
französischen Pharmakonzern Sanofi-Aventis (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2010).
Gleichbehandlung
europaweit
geregelt
Am
5. Juni 2012 wurde in Paris zwischen der zentralen Leitung des
französischen Energiekonzerns GdFSuez und den drei
zuständigen europäischen
Gewerkschaftsverbänden ein
Abkommen
über die Gleichbehandlung von Mann und Frau bei Entgelten wie
auch
über eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
unterzeichnet. Zentrales Element der Vereinbarung ist die
Verpflichtung, in jeder Niederlassung im Europäischen
Binnenmarkt
mit mehr als 150 Arbeitnehmern einen jährlichen
Gleichbehandlungsplan zu erstellen. Auch Indikatoren zur Messung der
Gleichbehandlung sind benannt. Die Gewerkschaften verpflichten sich,
bei der Neuwahl des Europäischen Betriebsrates 2013
Frauen
entsprechend ihres Anteils an der Belegschaft zu
berücksichtigen.
Verbesserungsvorschläge
zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
Vor
wenigen Tagen wurden bei ThyssenKrupp Elevator Verhandlungen
über eine europaweite Vereinbarung zum Ideenmanagement im
Arbeits- und Gesundheitsschutz abgeschlossen. Die Sparte
Aufzüge
und
Rolltreppen des deutschen Stahl- und Technologiekonzerns ThyssenKrupp
beschäftigt mehr als 46.000 Arbeitnehmer weltweit. Als Termin
für die offizielle Unterzeichnung des Abkommens ist
der
November 2012 vorgesehen.
Die
Vereinbarung sieht die Errichtung von Bewertungsausschüssen in
allen europäischen Standorten vor. Sie werden
paritätisch aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern
gebildet
und berichten an übergeordnete, zentrale Ausschüsse
in ihrem
jeweiligen Land. Auf internationaler Ebene wird ein
Steuerungsausschuß gebildet, der einmal pro Jahr mit dem
Europäischen Betriebsrat tagt. Die Vereinbarung regelt das
Berichtswesen zwischen diesen Ausschüssen und dem Arbeitgeber
und
legt Verantwortlichkeiten auf den unterschiedlichen Ebenen des
Unternehmens fest. Die Mitglieder der Ausschüsse erhalten
Freistellungszeit und Anspruch auf Schulungen.
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7.
Update von EBR-Vereinbarungen
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Deutsche Bahn erstmals mit
EBR-Vereinbarung
Seit
dem 21. März 2012 ist die Phase des EBR kraft Gesetz beendet.
An
diesem Tag wurde in Berlin für einen der
größten
europäischen Transportkonzerne eine EBR-Vereinbarung
unterzeichnet.
Der
Europäische Betriebsrat der Deutschen Bahn war 2005 auf Basis
der
subsidiären Bestimmungen des deutschen EBR-Gesetzes
gegründet
worden. Auf das übliche Prozedere mit
einem Besonderen
Verhandlungsgremium (BVG) hatte man damals verzichtet. Nachdem im
August 2010 der britische Transportkonzern Arriva übernommen
wurde
(siehe Bericht
in den EBR-News 1/2011),
fanden jetzt erstmals Verhandlungen über eine vollwertige
EBR-Vereinbarung statt. Die 40.000 Arbeitnehmer von
Arriva werden künftig vom EBR der Deutschen Bahn vertreten,
der EBR von Arriva wurde aufgelöst.
Besondere
Merkmale der Vereinbarung sind die drei
Fachausschüsse
(Arriva/Nahverkehr, Schenker Rail, Schenker Logistics) und die
weitreichende Definition grenzüberschreitender Fragen. So ist
der
EBR bereits zu beteiligen, wenn nur ein Land von Entscheidungen der
zentralen Leitung betroffen ist. Ihm gehören bisher 31
Mitglieder aus
zwanzig Ländern an, künftig hat er 60 Mitglieder.
Belgischer
Rohrleitungsbauer integriert neue Richtlinie
Die
EBR-Vereinbarung von Aliaxis, dem weltgrößten
Hersteller von
Kunststoff-Rohrleitungssystemen mit Sitz in Brüssel, wurde am
24.
April
2012 aktualisiert. Den Europäische Betriebsrat
gibt es seit 2003, als das Unternehmen aus der Baustoffgruppe
Etex
ausgegliedert wurde. Aliaxis ist durch Übernahmen
gewachsen und hat die meisten Arbeitnehmer heute in Deutschland,
Frankreich und im Vereinigten Königreich.
Den
Vorsitz übt der Arbeitgeber aus, was für
einen
belgischen EBR eher ungewöhnlich und von der Rechtslage des
Königreiches her nicht vorgesehen ist (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2011).
Die Arbeitnehmerseite wählt einen Sekretär und drei
weitere
Mitglieder in den Lenkungsausschuß. Er tagt mindestens
dreimal
jährlich, während Plenarsitzungen nur einmal
pro Jahr
stattfinden. Alle EBR-Mitglieder haben einen Anspruch auf zwei
Schulungstage pro Jahr.
Neue
EBR-Standards für deutsche Hausgerätegruppe
Am
15. Mai 2012 wurde in Wuppertal eine aktualisierte EBR-Vereinbarung
für
Vorwerk unterzeichnet.
Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit 22.000 Menschen
im
Direktvertrieb von Elektro- und Haushaltsprodukten. Obwohl
Plenarsitzungen auch künftig nur einmal pro Jahr
stattfinden, ist gegenüber der ursprünglich im Juli
1996
geschlossenen Vereinbarung ein erheblicher Fortschritt festzustellen.
So wurden die wichtigsten Regeln der neuen Richtlinie integriert. Der
EBR ist auch für die Schweiz und Rußland
zuständig,
wählt einen geschäftsführenden
Ausschuß aus sechs
Personen und ist von nun an ein reines Arbeitnehmergremium. Beraten
wurden die Betriebsräte von der EWC Academy. Für die
im
September 2011 aus dem Vorwerk-Konzern ausgegliederte Firma Hectas
Gebäudedienste soll nun ein eigenständiger EBR
gegründet
werden.
Eine Auswahl
von EBR-Vereinbarungstexten haben wir
auf einer Downloadseite
zusammengestellt.
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8. Neue Europäische und SE-Betriebsräte
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Erstmals
über
1.000 Europäische Betriebsräte
Im
April 2012 wurde die magische Schwelle erstmals erreicht, inzwischen
sind schon 1.007 Europäische Betriebsräte in
der
Datenbank des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI)
registriert. Sie verteilen sich auf 937 Unternehmen, denn einige
Konzerne verfügen über mehrere EBR-Gremien. In 56
Unternehmen
laufen derzeit Verhandlungen zur Bildung eines EBR. Auch die Zahl der
SE-Betriebsräte steigt, im April 2012 waren es 80. In 40
dieser
Fälle gehören Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat
der SE
an, in den übrigen 40 Unternehmen gibt es einen
SE-Betriebsrat ohne Beteiligung im Aufsichtsrat.
Spin-off
von Rio Tinto gründet eigenen EBR
Seit
Januar 2012 verfügt der Aluminiumproduzent Constellium mit
Sitz in
Paris über einen eigenen EBR. Das Unternehmen wurde ein Jahr
zuvor
im Januar 2011 gegründet, nachdem der britisch-australische
Rohstoffkonzern Rio Tinto diese Sparte an zwei Finanzinvestoren
verkaufte. Die wichtigsten Produktionsstätten befinden sich in
Frankreich (Neubreisach am Rhein), Deutschland (Singen) und in der
Schweiz (Siders). Ein im Mai 2011 verkündeter Personalabbau
brachte die Finanzinvestoren in die Kritik (Foto).
Die
EBR-Vereinbarung bewegt sich auf einer Linie mit den alten Regelungen
für Rio Tinto, allerdings wurden die
Arbeitsmöglichkeiten des
EBR reduziert. So findet nur noch eine Plenarsitzung pro Jahr statt.
Vorher waren alle zwei Jahre vier Schulungstage vorgesehen, jetzt sind
es nur noch zwei. Auch die Freistellungsstunden wurden halbiert: dem
Sekretär des EBR stehen nur noch 200 Stunden pro Jahr zu
(vorher
400). Die rund 9.000 Arbeitnehmer werden von 13
EBR-Mitgliedern
vertreten (sechs aus Frankreich, drei aus Deutschland und zwei aus der
Schweiz). Der Verkauf der Sparte war bereits seit 2008 in der
Diskussion (siehe Bericht
in den EBR-News 1/2008).
Familienunternehmen
aus der Rhein-Neckar-Region setzt Maßstäbe
Am
12. März 2012 wurde in Weinheim eine SE-Vereinbarung
für die
Unternehmensgruppe Freudenberg unterzeichnet. Sie gilt für die
Länder des Europäischen Binnenmarktes und
für die
Schweiz. Ziel der SE-Umwandlung ist die Bündelung der
internationalen Beteiligungen des Mischkonzerns, nicht das Einfrieren
der Arbeitnehmerbeteiligung. Die bestehenden Aufsichtsräte
bleiben unverändert. Der 1996
gegründete Europäische Betriebsrat soll nach einer
Übergangszeit von etwa
einem Jahr durch ein Gremium abgelöst werden, das die
Aufgaben eines EBR und eines SE-Betriebsrates kombiniert.
Dieses
Gremium tagt einmal jährlich und wählt einen
Lenkungsausschuß aus vier Mitgliedern, die aus verschiedenen
Ländern und Sparten kommen sollen. Die bereits seit einigen
Jahren bestehenden EBR-Aktivitäten im Gesundheitsschutz (siehe
Interview
mit dem EBR-Vorsitzenden)
werden in der SE weitergeführt. Ausdrücklich wurde
ein
Zutrittsrecht zu den europäischen Standorten vereinbart. In
Ländern, die mit nur einem Delegiertenmandat nicht angemessen
an
den SE-Betriebsrat angebunden sind, gibt es zwei besondere
Erleichterungen: einerseits kann der
Lenkungsausschuß in jedem Werk "Betriebsbeauftragte"
benennen,
die den direkten Kontakt ermöglichen, andererseits sind
zwischen
verschiedenen Standorten bzw. Sparten innerhalb eines Landes
Vorbesprechungen möglich.
Deutliches
Bekenntnis
zum Konsultationsverfahren
An
einem Punkt geht die SE-Vereinbarung weit über die
bisher
bekannten Formulierungen in anderen Unternehmen hinaus. Die zentrale Leitung setzt keine
Maßnahmen um, bevor nicht die Anhörung auf
europäischer und
auf nationaler
Ebene komplett abgeschlossen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt ein
Vollzugsstopp, auch teilweise. Obwohl dies nach geltender Rechtslage
eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wird sie von
deutschen
Arbeitsgerichten im Fall des Automobilzulieferers Visteon verneint
(siehe Bericht
in den EBR-News 3/2011).
Bemerkenswert ist auch die Einigungsstelle,
die
sich am deutschen Betriebsverfassungsgesetz orientiert und andere
SE-Vereinbarungen deutlich übertrifft.
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9. Der
Blick
über
Europa hinaus
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MAN-Gruppe vereinbart weltweite
Mindeststandards
Am
6. März 2012 unterzeichnete die zentrale Leitung von
MAN in
München mit dem SE-Betriebsrat und mit dem Internationalen
Metallgewerkschaftsbund (IMB) eine "Gemeinsame Erklärung zur
sozialen und unternehmerischen Verantwortung" für die
über
50.000 Arbeitnehmer des Maschinenbaukonzerns auf der ganzen Welt. Darin
wird die Anerkennung von
Arbeitnehmervertretungen garantiert - auch in Staaten, in
denen
dies nicht geschützt ist. MAN hatte im Februar 2009 eine
der
besten SE-Vereinbarungen geschlossen, die bisher vorliegen und
verfügt über den größten
paritätisch
besetzten SE-Aufsichtsrat in ganz Europa (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2009).
Arbeitnehmervertreter
bei IKEA vernetzen sich weltweit
Noch
nicht ganz so weit sind die Gewerkschaften bei IKEA. Vom
6. bis 8. März 2012 trafen sich erstmals
Arbeitnehmervertreter aus 14 Ländern - darunter auch
Mitglieder
des Europäischen Betriebsrats - in Istanbul, um eine weltweite
Allianz zu schmieden. Die zentrale Leitung des schwedischen
Möbelhauses stellte sich dort zwar der Diskussion, konnte sich
aber noch nicht zu einem Abkommen über soziale
Mindeststandards
durchringen. Erst im Sommer 2011 war die Anerkennung einer
Arbeitnehmervertretung in den USA gegen den Widerstand des Managements
durchgesetzt worden (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2011).
Ford
gründet
Weltbetriebsrat
Am
25. April 2012 wurde in Detroit ein internationales Rahmenabkommen
zwischen Ford und dem Internationalen Metallgewerkschaftsbund (IMB)
unterzeichnet, das die US-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW)
ausgehandelt hatte. Es ist das erste Abkommen dieser Art mit einem
nicht-europäischen Automobilhersteller. Einmal pro Jahr wird
die
zentrale Leitung die Arbeitnehmervertreter aus der ganzen Welt
über Planungen und Strategien des Konzerns informieren.
Folgende Texte sind
nur in
englischer
Sprache verfügbar:
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10.
Interessante Webseiten
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Gewerkschaft 2.0 in Italien
Die
Dienstleistungsgewerkschaft der UIL, des
kleinsten der drei italienischen Gewerkschaftsbünde,
verfügt
seit November 2011 über eine eigene Internetseite für
Fachkräfte aus der IT-Branche. Angeboten wird eine
individuelle
Beratung in Fragen des Arbeits- und Sozialrechts sowie
berufsspezifische Online-Schulungen. Auch eine Stellenbörse
ist in
Echtzeit verfügbar. Die Webseite ist nur in italienischer
Sprache
verfügbar.
Italien
war im September 2007 Ausgangspunkt
des ersten virtuellen Streiks der Internet-Geschichte. Auf der
Plattform "Second Life" protestierten damals die italienischen
Arbeitnehmer
von IBM gegen Lohnkürzungen
(siehe Bericht
in den EBR-News 3/2007).
Olympische
Kampagne gegen Rio Tinto
Die
Metalle zur Herstellung der Medaillen für die Olympischen
Spiele
werden von Rio Tinto geliefert. Die Gewerkschaften rufen dazu auf, den
britisch-australischen Rohstoffkonzern wegen brutaler Behandlung der
eigenen Arbeitnehmer "vom Siegerpodest" zu stoßen. Er erfülle nicht die
olympischen Prinzipien von Fair Play und Nachhaltigkeit. Seit
Januar 2012 sind in einem kanadischen Werk 780 Arbeitnehmer
ausgesperrt, was bereits den Europäischen Betriebsrat
auf den
Plan gerufen hatte (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2012). Die folgenden Seiten sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
Europäische
Betriebsräte in der Elektrizitätswirtschaft
Im
Verlauf des Jahres 2011 fand auf Initiative der ungarischen
Energiegewerkschaft EVDSZ ein EU-finanziertes Projekt statt, um die
EBR-Praxis in den wichtigsten europäischen Energiekonzernen zu
untersuchen und zu stärken. Beteiligt waren die deutschen
Unternehmen RWE und E.ON sowie Électricité de
France
(EdF). Sämtliche Dokumente sind jetzt auf einer eigenen
Webseite
zugänglich.
Gesunde Arbeitsplätze
durch Arbeitnehmerbeteiligung
Die
Europäische Agentur für Sicherheit und
Gesundheitsschutz am
Arbeitsplatz (EU-OSHA) hat für ihre im April
2012 gestartete
Kampagne "Partnerschaft für Prävention" eine Webseite
erstellt. Dort sind Rechtsvorschriften und Werkzeuge in 24 Sprachen zu
finden. Arbeitnehmervertreter können sich einen Leitfaden und
Checklisten herunterladen.
Zahlreiche
weitere interessante Links haben wir in einer Linksammlung
zusammengestellt.
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Praktischer
Leitfaden für EBR-Mitglieder
Im
Februar 2012 publizierte das Europäische Gewerkschaftsinstitut
(ETUI) in Brüssel diesen Leitfaden. Er richtet sich
insbesondere an Mitglieder von Europäischen
Betriebsräten und will Anregungen geben, um Nutzen und
Effizienz der europäischen Sitzungen zu steigern und bessere
Ergebnisse zu erzielen. Die 12seitige Broschüre liegt in acht
Sprachen vor und ist die erste einer neuen Reihe von kleinen,
illustrierten und praktischen Leitfäden für
Arbeitnehmervertreter mit transnationalen Aufgaben.
Betriebsrat und
Gewerkschaft: Partner oder Wettbewerber?
Unter diesem
etwas provokanten Titel legte die Friedrich-Ebert-Stiftung im
März 2012 eine Broschüre vor, die eine aktuelle
Bestandsaufnahme der Strukturen der Arbeitnehmervertretung in 32
europäischen Ländern liefert. Neben den
EU-Ländern sind auch alle Länder des ehemaligen
Jugoslawien enthalten. Die Gewerkschaften in Mittel- und Osteuropa
kannten vor 1989 keine Betriebsräte und betrachteten sie daher
als Konkurrenz, ähnlich wie die Gewerkschaften in
angelsächsisch geprägten Ländern. Daher war
die Einführung von lokalen Betriebsräten,
die eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 vorschreibt (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006), umstritten und wird in manchen
Ländern weiterhin
kontrovers diskutiert.
Weitere
Länderstudien der Friedrich-Ebert-Stiftung
In den
letzten Monaten ist eine Reihe von
aktuellen Länderanalysen über die Situation der
Gewerkschaften und der Arbeitsbeziehungen erschienen, darunter auch
eine Studie über Deutschland. Sie sind hier abrufbar:
Rückbau des
Arbeitsrechts unter dem Vorwand der Krise
Im April 2012 legte das Europäische
Gewerkschaftsinstitut (ETUI) eine Bestandsaufnahme über die
Einschränkung von Arbeitnehmerrechten und der Tarifautonomie
in
den einzelnen EU-Ländern vor. Unter dem Vorwand der
Finanzmarkt-
und Euro-Krise werden Maßnahmen vielfach umgesetzt, ohne auf
demokratische Traditionen und Grundsätze des Sozialen Dialogs
zu
achten. Verschlechterungen des Arbeitsrechts sind
für Arbeitnehmer in den
Euro-Mitgliedsländern Griechenland,
Portugal, Spanien und Slowakei besonders stark spürbar, aber
auch in
Rumänien und Ungarn.
Die
deutsche Kurzfassung der Studie
Die
Analyse für jedes einzelne EU-Land (in englischer
Sprache)
Weitere Fachliteratur haben wir
auf einer Literaturseite
zusammengestellt.
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12. Die EWC Academy:
Beispiele aus unserer Arbeit
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Update
für das Präsidium
Am
21. und 22. März 2012 tagten die acht Mitglieder des
EBR-Präsidiums der französischen Gruppe Veolia
Environnement in Paris. Mit Unterstützung der EWC Academy
wurden die
Betriebsverfassung ausgewählter Länder und die
Merkmale eines korrekten Konsultationsverfahrens analysiert. Veolia
besteht aus vier Sparten (Wasser, Entsorgung,
Energie und Transport), die sich auch in der EBR-Struktur wiederfinden.
Der
im Jahr 2005 gegründete EBR hatte seine Vereinbarung im
Oktober 2010 umfassend
an die neue EU-Richtlinie angepasst (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2011).
"Kinoveranstaltung"
oder vollwertiger
Europäischer Betriebsrat?
Unter
diesem Motto fand vom 10. bis 13. April 2012 bereits zum dritten Mal
auf Schloß Montabaur (Foto) ein Seminar statt, das die neue
Rechtslage zur Unterrichtung und Anhörung unter dem Aspekt von
Restrukturierungen beleuchtet. Wie soll ein EBR oder ein SE-Betriebsrat
das Anhörungsverfahren konkret ausgestalten und eine
rechtssichere Stellungnahme ausarbeiten? Parallel fanden die
EBR-Schnuppertage für Neulinge statt.
Vorbereitung zur SE-Umwandlung
In
einer Sondersitzung am 23. und 24. Mai 2012 wurde der
Europäische Betriebsrat des
französischen IT-Unternehmens Atos über die geplante
Umwandlung in eine Europäische
Gesellschaft (SE) informiert. Die EWC Academy lieferte dabei die
notwendige
Sachverständigenunterstützung. Atos hatte im Juli
2011 den IT-Servicebereich von Siemens mit
31.000 Arbeitnehmern übernommen und wuchs dadurch
zum zweitgrößten IT-Dienstleister in Europa
nach IBM mit 74.000 Arbeitnehmern weltweit. Die SE-Umwandlung wurde am
30. Mai 2012 von der
Hauptversammlung beschlossen, in Kürze soll das Besondere
Verhandlungsgremium (BVG) gebildet werden. Der EBR von Atos
war erst 2007 nach schwierigen Verhandlungen und kurz vor Ablauf
der gesetzlichen Frist von drei Jahren gegründet worden (siehe
Bericht
in den
EBR-News 2/2007).
SE-Betriebsrat will
Konsultationsrechte besser nutzen
Am
30. und 31. Mai 2012 tagte der SE-Betriebsrat von Lenze am Stammsitz im
niedersächsischen Aerzen (Foto).
In einer von der EWC Academy gestalteten Schulungseinheit
wurden die Unterschiede zwischen den Rechten eines SE-Betriebsrates und
eines normalen Europäischen Betriebsrates
untersucht. Die Durchsetzung dieser Rechte und die
Handlungsmöglichkeiten über Unterrichtung und
Anhörung hinaus waren ebenfalls Thema der Diskussion. Die EWC
Academy wird ab sofort die Beratung des SE-Betriebsrates in
wirtschaftlichen Fragen übernehmen. Das
Maschinenbauunternehmen hatte
die Umwandlung in eine SE im Sommer 2009
durchgeführt, um eine
paritätische Besetzung des Aufsichtsrates zu vermeiden (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009).
Deutsch-französische
Kooperation der EWC Academy
Die
neue Agentur IR Share hat eine Online-Datenbank mit Dokumenten aus der
EU-Sozialpolitik, der nationalen und europäischen
Arbeitsbeziehungen und der Betriebsratsarbeit in mehreren Sprachen ins
Internet gestellt. Gemeinsam mit der EWC Academy werden auch
Veranstaltungen wie die deutsch-französische Konferenz im
September 2012 in Paris organisiert (siehe unten).
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13.
Aktuelle Seminartermine
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Faltblatt
zum Seminarprogramm Herbst 2012
Die
EWC Academy und ihre
Vorläuferorganisation führt seit
Januar 2009 Tagungen und Seminare für die Mitglieder von
Europäischen
Betriebräten, SE-Betriebsräten und Besonderen
Verhandlungsgremien durch. 372
Arbeitnehmervertreter aus 165 Unternehmen haben bisher daran
teilgenommen (das entspricht
etwa 17% aller Unternehmen in Europa, die einen EBR gebildet haben).
Für den Herbst 2012 gibt ein neues Faltblatt einen
Überblick über die geplanten Veranstaltungen.
Weitere Termine und Seminarthemen sind in Vorbereitung.
Deutsch-französische
EBR-Fachtagung in Paris
Vom
17. bis 19. September 2012 findet in Paris bereits zum dritten Mal eine
deutsch-französische Fachtagung statt. Das besondere Highlight
in diesem Jahr ist der Besuch einer Fachmesse für
französische Betriebsräte.
Warum
eine Fachtagung in Paris?
Die
Philosophie von Unterrichtung und Anhörung in der
EU-Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat wie auch zur
Arbeitnehmerbeteiligung in der Europäischen Gesellschaft (SE)
ist stark von der französischen Betriebsverfassung
geprägt. Eine genaue Kenntnis der Feinheiten des
französischen Modells ist daher unabdingbar. Die Tagung kann
nach § 37 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes besucht
werden und wird simultan gedolmetscht.
Deutsch-italienische
EBR-Fachtagung in Bozen
Am 27. und 28.
September 2012 findet in der Hauptstadt von Südtirol eine
Fachtagung für EBR-Mitglieder aus Deutschland,
Österreich und Italien statt. Im Mittelpunkt steht dabei der
Vergleich der Systeme der Arbeitnehmervertretung und ein Austausch
über die praktische Arbeit im Europäischen
Betriebsrat. Die Tagung wird simultan gedolmetscht.
Seminar
zur Neuverhandlung
von EBR-Vereinbarungen / Workshop Osteuropa
Vom
8. bis 10. Oktober 2012 findet auf Burg Rheinfels (Foto) ein Seminar
statt, das die neue Gesetzgebung als Basis für die
Neuverhandlung
von EBR-Vereinbarungen untersucht. Auch das gesetzlich definierte
Verfahren bei Fusionen, Spaltungen oder Verlegung des
Firmensitzes ("strukturelle Änderungen") wird Thema sein.
Parallel findet ein Workshop Osteuropa statt.
Deutsch-britische
Betriebsrätetagung in London
Am
25. und 26. Oktober 2012 findet bereits zum zweiten Mal
eine Tagung nach § 37 Abs. 6 des
Betriebsverfassungsgesetzes
in London statt. Die Veranstaltung wird simultan gedolmetscht. Sie
richtet sich an alle Mitglieder Europäischer
Betriebsräte,
die britischem Recht unterliegen, sowie an Arbeitnehmervertreter, die
sich mit dem britischen System vertraut machen wollen.
Fachtagung für Frauen zum Gender
Mainstreaming
Neben
der Beteiligung von Frauen im Aufsichtsrat werden auf dieser
Fachtagung in Hamburg Handlungsmöglichkeiten von
Betriebsräten zur Verhinderung von Diskriminierung und
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben diskutiert. Vorträge
von
Wissenschaftlerinnen sowie praktische Beispiele aus EBR- und KBR-Praxis
zur Gleichstellung stehen am 15. und 16. November 2012 auf der
Tagesordnung.
Arbeitnehmervertretung im internationalen
Unternehmen
Vom
19. bis 23. November 2012 findet in Hamburg ein Seminar statt, das
nicht nur für EBR-Mitglieder, sondern auch für
Konzernbetriebsräte, Arbeitnehmervertreter in
Aufsichtsräten
und Assistenten der Betriebsräte in internationalen
Unternehmen
interessant ist. Neben der Journalistin Michaela Böhm wird der
langjährige EBR-Vorsitzende von Opel, Klaus Franz (Foto), als
Referent erwartet.
Inhouse-Veranstaltungen
Eine
Übersicht über mögliche Themen für
Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:
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Die
EBR-News werden herausgegeben von:
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dieser Ausgabe:
Werner Altmeyer, Rita da Luz,
Bernhard Stelzl, Reingard Zimmer
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Wir freuen uns über
Anregungen zu diesem Newsletter und über Berichte aus Ihrem
EBR.
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