Nr. 2/2019 |
1. August 2019 |
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1. Aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene
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EU-Ombudsperson für Europäische Betriebsräte gefordert
Vom 21. bis 24. Mai 2019 tagte der 14. Kongress des 1973 gegründeten Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) in Wien. Dem Spitzenverband gehören heute 90 nationale Dachverbände in 38 Ländern mit rund 45 Mio. Mitgliedern an. Der Kongress verabschiedete ein Aktionsprogramm für die Jahre bis 2023, das sich an 13 Leitlinien orientiert. Wichtige Bestandteile sind die Stärkung des europäischen Sozialmodells durch Tarifverträge, ein verbindlicher Sozialer Dialog und eine Reform des EU-Rechts hinsichtlich Demokratie am Arbeitsplatz. Der EGB fordert in seinem Aktionsprogramm erstmals die Einsetzung einer Ombudsperson für grenzüberschreitende Arbeitnehmerbeteiligung, also für Europäische Betriebsräte, Beteiligung in der Europäischen Gesellschaft (SE) und Mitbestimmung in Aufsichtsräten. Die Ombudsperson soll als freiwilliger Vermittler tätig werden und den Gerichtsweg nicht ersetzen. In der Vergangenheit wurden viele Europäische Betriebsräte durch mangelnde Rechtssicherheit und fehlende finanzielle Mittel davon abgehalten, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen. Weiterhin fordert der EGB, die Sanktionen bei Verstößen gegen das EBR-Recht zu verschärfen. Ein detailliertes Positionspapier zur EBR-Richtlinie hatte er bereits im März 2017 vorgelegt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2017).
Die 13 Leitlinien des Kongresses
Das Aktionsprogramm 2019 - 2023 (siehe Seite 16 bis 19)
Forderungskatalog der Hans-Böckler-Stiftung
Die Europäische Kommission hatte in einer im Mai 2018 vorgelegten Studie zentrale Probleme bei der Anwendung der EBR-Richtlinie identifiziert, Veränderungen am Richtlinientext jedoch abgelehnt (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018). Stattdessen will sie eine bessere Praxis fördern und bildete eine Expertengruppe aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, die am 1. April 2019 erstmals tagte. In dieser Sitzung war jedoch keine Einigung möglich und die Europäische Kommission teilte daher am 2. Juli 2019 mit, die Arbeit der Gruppe zu suspendieren. Weiterhin hatte sie im Mai 2018 angekündigt, die Frage von Sanktionen gegen Arbeitgeber, die die EBR-Rechte verletzen, zum Thema zu machen. Im Oktober 2019 soll dazu ein Treffen mit Vertretern der 28 nationalen Arbeitsministerien stattfinden.
Sozialausschuss konstituiert sich erst im dritten Anlauf
Seit dem 18. Juli 2019 ist die slowakische Journalistin Lucia Ďuriš Nicholsonová Vorsitzende des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten im Europäischen Parlament. Die liberale Politikerin und frühere Staatssekretärin im Arbeitsministerium folgt auf den deutschen Linkspolitiker Thomas Händel, ein ehemaliger Gewerkschaftssekretär der IG Metall, der das Parlament verlassen hat. Der Ausschuss gilt als Wegbereiter zahlreicher Initiativen im EU-Arbeitsrecht (siehe Bericht in den EBR-News 3/2013).
Die Wahl einer Vorsitzenden war zuvor zweimal gescheitert. Die Christdemokraten unterstützten die ehemalige polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło von der nationalkonservativen PiS-Partei. Deren 25 Abgeordnete sicherten zuvor die hauchdünne Mehrheit für Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission. Bei der ersten Abstimmung im Sozialausschuss am 10. Juli 2019 erhielt Beata Szydło 21 Stimmen, 27 Abgeordnete stimmten gegen sie, zwei enthielten sich. Bei der zweiten Abstimmung am 15. Juli 2019 stimmten nur noch 19 für und 34 gegen sie, bei zwei Enthaltungen. Die Mehrheit der Abgeordneten möchte keine populistischen Politiker in wichtige Funktionen wählen. Die neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments seit der Wahl im Mai 2019, bei der die "Große Koalition" aus Christ- und Sozialdemokraten ihre Mehrheit verlor, läßt Abstimmungen nur noch schwer prognostizieren. Im Herbst 2019 steht dann die Wahl des Kommissars für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten an, der auch für Europäische Betriebsräte zuständig ist.
Europäische Richter verlangen systematische Erfassung der Arbeitszeit
Am 14. Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über eine Klage der Dienstleistungsgewerkschaft des spanischen Gewerkschaftsbundes CC.OO., die von der Deutschen Bank in Madrid die Einführung eines Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit ihrer Angestellten fordert. Wie in Deutschland sind auch Arbeitgeber in Spanien bisher nur verpflichtet gewesen, die Überstunden zu erfassen.
Der Nationale Gerichtshof Spaniens leitete diese Frage nach Luxemburg weiter, wo sie zugunsten der Gewerkschaft entschieden wurde. Alle EU-Länder müssen nun Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, um die geleistete tägliche Arbeitszeit individuell zu erfassen. Ohne eine systematische Erfassung kann nach Meinung der Richter weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die der Überstunden verlässlich ermittelt werden. Nur so könne auch kontrolliert und durchgesetzt werden, dass Arbeitszeitregeln eingehalten und der Gesundheitsschutz gewährleistet ist. Es wäre sonst für Arbeitnehmer sehr schwierig oder gar unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen. In der deutschen Bundesregierung wird kontrovers diskutiert, ob und welche gesetzlichen Änderungen jetzt notwendig sind.
Pressemitteilung des Gerichtshofes
Das Urteil im Wortlaut
Kommentar zum Urteil |
2. Richtige Mitbestimmung oder Mogelpackung?
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Die "Hidden Champions" ziehen in den Aufsichtsrat ein
Am 14. Februar 2019 fand die erste Sitzung des neugewählten und paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrates der Indus Holding mit Sitz in Bergisch-Gladbach (bei Köln) statt. Zuvor hatten Delegierte für die 8.000 Beschäftigten aus allen deutschen Standorten am 30. Januar 2019 erstmals ihre sechs Arbeitnehmervertreter wählen können. Die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft hält langfristig Anteile an 45 mittelständischen Produktionsunternehmen der Metallindustrie in Deutschland und der Schweiz, die sich durch eine starke Stellung in Nischenmärkten auszeichnen ("Hidden Champions"), so die Selbstdarstellung der Indus Holding. In Deutschland ist die Simongroup im Schwarzwald mit 800 Beschäftigten als größte Tochtergesellschaft für die Durchführung der Wahl zuständig. Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ist jetzt Aufsichtsratsmitglied geworden.
Die Indus Holding hat lediglich 31 Angestellte und keine eigene Personalabteilung. Nach Auffassung der Geschäftsleitung ist es eine reine Finanzholding, die nicht dem Mitbestimmungsgesetz unterliegt. Daher gibt es auch keinen Konzernbetriebsrat. Ein Kleinaktionär war anderer Meinung und startete im Oktober 2016 ein "Statusverfahren", da die Indus Holding Leitungsmacht über die von ihr gehaltenen Beteiligungen ausübe. Das Landgericht Köln verlangte im April 2017 die Errichtung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrates und das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil am 4. Juni 2018. Somit handelt es sich bei der Indus Holding nicht um eine vermögensverwaltende Holding, sondern um eine Konzernobergesellschaft. Nur die frühzeitige Umwandlung in eine Europäische Gesellschaft (SE) hätte Arbeitnehmervertreter dauerhaft aus dem Aufsichtsrat ausschließen können. Den Schritt haben andere Beteiligungsgesellschaften wie MBB längst getan, mussten dafür aber im Gegenzug einen SE-Betriebsrat gründen.
Das Urteil im Wortlaut
Bericht über Hintergründe und Vorbereitung der Wahl
Bericht über die Wahl der Arbeitnehmervertreter
Merkblatt: Was ist ein Statusverfahren?
Assessment-Center statt Mitbestimmung
Am 14. Mai 2019 ernannte Capita erstmals zwei Arbeitnehmer in den Verwaltungsrat. Das Unternehmen mit weltweit 63.000 Angestellten ist der größte britische Outsourcing-Dienstleister für Kundenmanagement, Geschäftsprozesse und Software mit vielen Kunden im Öffentlichen Dienst. Entstanden aus einer Non-Profit-Organisation ging Capita 1991 an die Börse. Infolge Akquisition mehrerer Call-Center-Betreiber wurde Deutschland mit jetzt 5.000 Beschäftigten zweitgrößtes Land im Konzern. Hinzu kommen Niederlassungen in Irland, Polen, Österreich, der Schweiz und außerhalb Europas. Einen Europäischen Betriebsrat hat Capita noch nicht.
Die beiden Verwaltungsratsmitglieder wurden weder gewählt noch waren die Gewerkschaften beteiligt. Bewerben konnte sich jeder, der seit mindestens zwei Jahren im Unternehmen arbeitet. Eine externe Beratungsfirma bewertete die 380 Bewerber anhand bestimmter Kriterien und reduzierte die Liste auf 40. Diese wurden von Mitgliedern des Verwaltungsrates interviewt und zwei ausgewählt. Beide erhalten eine Verwaltungsratsvergütung von 64.500 £ im Jahr zusätzlich zum Gehalt. Die Amtszeit beträgt drei Jahre.
Der Schritt, der ein großes Presseecho fand, kam nach einem personellen Wechsel an der Spitze des Unternehmens. Der neue Vorstandsvorsitzende kritisierte die "britische Arroganz", wenn Firmen keine Arbeitnehmer in Verwaltungsräte berufen wollen und meint, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis andere dem Beispiel folgen würden. Er beruft sich ausdrücklich auf positive Erfahrungen in Deutschland und Schweden. Am 1. Januar 2019 ist im Vereinigten Königreich ein neuer Corporate Governance Code in Kraft getreten, der die Aufnahme von Arbeitnehmervertretern in die Verwaltungsräte vorschlägt (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017). Es fehlt aber jeglicher Hinweis auf demokratische Wahlverfahren, weshalb hier nicht von Mitbestimmung gesprochen werden kann.
Pressemitteilung des Unternehmens
Die Mitglieder des Verwaltungsrates
Pressebericht über die Entscheidung von Capita
Umfrage zur Anwendung des neuen Corporate Governance Code |
3. Neue SE-Beteiligungsvereinbarungen
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Niederländischer Aluminiumhersteller wird Europäische Gesellschaft (SE)
Bereits am 11. April 2018 war in Paris eine SE-Vereinbarung für Constellium unterzeichnet worden, die allerdings erst am 28. Juni 2019 mit der Eintragung der SE im Handelsregister von Amsterdam in Kraft trat. Obwohl Constellium seinen Sitz in den Niederlanden hat, gilt französisches Recht für die SE-Vereinbarung. Das Unternehmen liefert Aluminiumprodukte an die Flugzeug-, Automobil- und Verpackungsindustrie und hat 13.000 Beschäftigte in 25 Produktionsstätten, davon 8.200 in Europa. Die größten Länder sind Frankreich mit 4.200 und Deutschland mit 2.500 Arbeitnehmern. In den Niederlanden gibt es keine Belegschaft, die Wahl des Holding-Sitzlandes hatte vermutlich andere Gründe (siehe Bericht in den EBR-News 4/2013). Eine Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist wie bei Airbus damit ausgeschlossen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015).
Der im Januar 2012 gegründete Europäische Betriebsrat (siehe Bericht in den EBR-News 2/2012), der ebenfalls französischem Recht unterlag, wird jetzt durch einen SE-Betriebsrat ersetzt. Wie bisher ist die Schweiz als drittgrößtes Land in den Geltungsbereich einbezogen. Die gesamte SE-Vereinbarung ist im Detail völlig an der französischen Philosophie orientiert. So liegt der Vorsitz im SE-Betriebsrat beim Vorstandsvorsitzenden, dem zwei weitere Manager zur Seite stehen. Die Arbeitnehmerseite hat zwölf Sitze, davon entfällt die Hälfte auf Frankreich. Der SE-Betriebsrat tagt einmal pro Jahr und wählt fünf Delegierte ins Präsidium. Er kann mehrere Sachverständige hinzuziehen, darunter den Frankreich-typischen Wirtschaftsprüfer und weitere Experten zu Spezialthemen, z. B. Arbeitssicherheit. Je nach Funktion beträgt der Freistellungsumfang zwischen 30 und 200 Stunden zusätzlich zu den Sitzungen. Der Schulungsanspruch erlaubt auch eine individuelle Teilnahme an externen Veranstaltungen, und der SE-Betriebsrat hat Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen in Europa.
Der Umwandlungsplan im Wortlaut
Paritätische Mitbestimmung bei Münchner Nutzfahrzeughersteller
Am 16. Januar 2019 wurde in München eine SE-Vereinbarung für MAN Truck & Bus unterzeichnet, mit 36.000 Beschäftigten größte Tochtergesellschaft des MAN-Konzerns innerhalb der Volkswagen AG. Die direkte Muttergesellschaft der am 19. März 2019 als SE eingetragenen MAN Truck & Bus ist die MAN SE und darüber die Traton Group SE (siehe Bericht in den EBR-News 1/2019), jeweils mit eigenen SE-Betriebsräten. Diese Vielfalt von SE-Betriebsräten innerhalb des Konzerns erinnert an Airbus, wo es allerdings keine Mitbestimmung gibt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015).
Das Besondere Verhandlungsgremium tagte nur einen einzigen Tag. Die Vertragsparteien hatten wohl lange vorher einen gemeinsamen Text ausgearbeitet, wie beim Pharmakonzern B. Braun in Melsungen im August 2018 (siehe Bericht in den EBR-News 4/2018). Der SE-Betriebsrat hat 16 Mitglieder, davon fünf aus Deutschland, die sich zweimal pro Jahr treffen und ein dreiköpfiges Präsidium wählen. Anders als bei Traton gibt es keine festen Fristen für das Konsultationsverfahren. Die Delegierten haben je nach Größe der Belegschaft ihres Landes unterschiedliche Stimmengewichte. Videokonferenzen sind möglich, können aber nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Bei Streitigkeiten wird eine Schlichtungsstelle gebildet, zu der jede Seite einen Beisitzer benennt. Hinzu kommt ein Vorsitzender, auf den sich beide Seiten einigen müssen oder der vom Gericht bestellt wird.
Keine Verringerung der Aufsichtsratsgröße in der SE
Der SE-Aufsichtsrat hat die gleiche Struktur wie nach dem deutschen Mitbestimmungsgesetz. Zehn der zwanzig Sitze entfallen auf die Arbeitnehmerseite. Darunter sind drei Gewerkschaftsvertreter, ein Betriebsratsmitglied aus der Muttergesellschaft Traton sowie fünf vom deutschen Gesamtbetriebsrat und zwei vom SE-Betriebsrat benannte Vertreter.
Pressemitteilung zur SE-Umwandlung
Biotechnologieunternehmen vermeidet Mitbestimmung im Aufsichtsrat
Am 11. März 2019 wurde in Hamburg eine SE-Vereinbarung für Evotec unterzeichnet. Das Unternehmen erforscht Wirkstoffe für die Pharmaindustrie und kann durch die SE-Umwandlung seinen Aufsichtsrat frei von Arbeitnehmervertretern halten. Viele der 2.600 Beschäftigten sind Wissenschaftler. Evotec wächst kontinuierlich durch die Übernahme kleinerer Forschungslabors. Das Besondere Verhandlungsgremium bestand aus zwölf Mitgliedern, je drei aus Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich.
Der neue SE-Betriebsrat hat anfangs die gleiche Mandatsverteilung. Kommen weitere Länder hinzu, erhalten diese erst ab 70 Arbeitnehmern einen Sitz. Der geschäftsführende Ausschuss besteht aus vier Mitgliedern aus vier Ländern. Jedes Jahr finden zwei Plenarsitzungen "face-to-face" statt. Dagegen tagt der geschäftsführende Ausschuss nur per Videokonferenz, regelmäßig zweimal pro Jahr mit der zentralen Leitung und in außerordentlichen Umständen. Präsenzsitzungen bedürfen ausdrücklich der Genehmigung des Arbeitgebers, der auch den Vorsitz im SE-Betriebsrat hat, Sitzungen einberuft und jedes Jahr ein Budget festlegt.
Neben dem üblichen Themenkatalog ist der SE-Betriebsrat ausdrücklich auch bei Einführung neuer Computersysteme, Datenschutz, Weiterbildung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz zu beteiligen. Bei Umstrukturierungen müssen mindestens 30 Arbeitnehmer in einem Land betroffen sein, damit es in die Zuständigkeit des SE-Betriebsrates fällt. Stellungnahmen müssen immer in englischer Sprache eingereicht werden, es gibt dafür aber keine feste Frist. Dokumente mit mehr als zwei Seiten werden nur auszugsweise in andere Sprachen übersetzt. Beschlüsse sind im E-Mail-Umlaufverfahren möglich. Gibt es in einem Land keinen Gesamtbetriebsrat, werden die lokalen Betriebsräte per Videokonferenz mit dem SE-Betriebsrat vernetzt. Er hat Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen innerhalb der EU und kann Sachverständige seiner Wahl hinzuziehen. Eine Brexit-Klausel sichert die britische Teilnahme am SE-Betriebsrat dauerhaft ab.
Pressemitteilung zur SE-Umwandlung |
4. Aktuelle Gerichtsentscheidungen in EBR-Fragen
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Erstes Berufungsurteil der englischen EBR-Rechtsgeschichte
Am 11. März 2019 lehnte das Arbeitsgericht London die Berufung des Vorsitzenden der britischen Arbeitnehmervertretung von Manpower ab. Er klagte gegen eine Entscheidung des Central Arbitration Committee (CAC) vom März 2017, das eine fehlerhafte Bildung des Europäischen Betriebsrates für den US-Personaldienstleister akzeptiert hatte. Dabei ist die Frage strittig, ob ein Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) nach dem Ablauf der gesetzlichen Verhandlungsfrist von maximal drei Jahren im Amt bleiben und weiterverhandeln kann oder ob dann die subsidiären Bestimmungen (EBR "kraft Gesetz") automatisch greifen.
Das Berufungsgericht führte am 11. und 15. Oktober 2018 hierzu eine mündliche Verhandlung durch und bestätigte am Ende die Auffassung der zentralen Leitung. Danach war das BVG von Manpower neun Monate nach Ablauf seiner gesetzlichen Amtszeit immer noch in der Lage, eine rechtsgültige EBR-Vereinbarung zu unterzeichnen, die teilweise unterhalb der subsidiären Bestimmungen der EU-Richtlinie liegt (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017). Die Entscheidung des Arbeitsgerichts London ist die erste, die jemals in zweiter Instanz zu einer EBR-Frage im Vereinigten Königreich ergangen ist. Sie steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom Juli 2016 in einem ähnlichen Fall (siehe Bericht in den EBR-News 4/2016).
Die Berufungsentscheidung im Wortlaut
Französischer Kassationshof bestätigt Mandatszeit im EBR
Am 17. April 2019 urteilte die Sozialkammer des Kassationshofes in Paris (Foto), die mit dem Bundesarbeitsgericht in Deutschland vergleichbar ist, über die Mandatszeit von EBR-Mitgliedern. Die Richter bestätigten ein Urteil des Berufungsgerichts Versailles, das im März 2017 eine Abberufung zweier französischer Delegierter im Europäischen Betriebsrat von Axa abgelehnt hatte (siehe Bericht in den EBR-News 2/2017). Die EBR-Vereinbarung des französischen Versicherungskonzerns sieht eine Amtszeit von vier Jahren für alle EBR-Mitglieder vor. Während der laufenden Amtszeit endet ein Mandat, wenn ein Delegierter aus der Arbeitnehmervertretung seines Herkunftslandes komplett ausscheidet (Anmerkung: diese Regelung gilt nur für Axa, nicht für andere Unternehmen). Die Richter entschieden nun, dass der Übertritt eines Delegierten zu einer anderen Gewerkschaft nicht zum Mandatsverlust führt, weil ein Betriebsrat kein Gewerkschaftsorgan ist.
Das Urteil im Wortlaut
Die EBR-Vereinbarung von Axa
London schiebt Verantwortung nach Dublin
Am 18. Juni 2019 traf das Central Arbitration Committee (CAC) die Entscheidung, dass es für den Schulungsanspruch des Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) von Hewlett Packard Enterprise (HPE) nicht zuständig ist. Das CAC als erste Instanz im EBR-Recht hat seinen Sitz im gleichen Gebäude der Londoner Innenstadt (Foto) wie das oben genannte Arbeitsgericht zweiter Instanz. Die Konzernleitung des US-Unternehmens HPE hatte nach dem Brexit-Referendum dem BVG mitgeteilt, dass die Verhandlungen vom englischen zum irischen Recht verlagert werden. Das CAC sollte klären, ob die Konzernleitung dies einseitig entscheiden kann und welches nationale Recht für den künftigen EBR anwendbar ist. Die Frage von Schulungen war lediglich ein Hilfsmittel, um überhaupt ein Gerichtsverfahren in Gang setzen zu können.
Hewlett-Packard hatte von 1996 bis 2014 einen Europäischen Betriebsrat, der nicht der EU-Richtlinie unterlag. Als es zu einem Rechtsstreit und der Kündigung dieser "freiwilligen" EBR-Vereinbarung kam, wurde der EBR nach Artikel 14 der aktuellen EBR-Richtlinie aufgelöst und ein BVG gebildet. Durch die Ausgliederung von Geschäftsteilen in das neue Unternehmen HPE im November 2015 wurde dort ein vollständig neues Verhandlungsverfahren von Null begonnen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2017). Die dreijährige Verhandlungszeit endete am 31. Oktober 2018 ohne ein Ergebnis. Somit wird jetzt ein Europäischer Betriebsrat auf Basis der subsidiären Bestimmungen des irischen Gesetzes gebildet.
Das Verfahren vor dem CAC dauerte neun Monate, was sicher durch den Umfang der eingereichten Dokumente mit verursacht war: 589 Seiten von Arbeitgeber- und 115 Seiten von der Arbeitnehmerseite. Dabei wurde auf die Entscheidung des Europäischen Gereichtshofs vom Oktober 2017 im Fall Polbud Bezug genommen (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018). Ähnliche Urteile, wonach die zentrale Leitung eines außereuropäischen Unternehmens das anwendbare nationale Recht einseitig festlegen oder ändern kann, gab es bereits in Deutschland und in Frankreich. Im Oktober 2012 entschied das Arbeitsgericht Ludwigshafen im Fall Donata Holding SE (siehe Bericht in den EBR-News 4/2012), im Juli 2014 das Landgericht Paris im Fall Manpower (siehe Bericht in den EBR-News 2/2014), im Juni 2018 das Arbeitsgericht Wiesbaden im Fall DXC Technology (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018).
Die CAC-Entscheidung im Wortlaut
Der Jahresbericht des CAC |
5. Arbeitnehmervertreter reichen neue Klagen ein
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US-Telekommunikationskonzern wird in England verklagt
Am 20. Juni 2019 reichte der Europäische Betriebsrat von Verizon Klage beim Central Arbitration Committee (CAC) in London ein, da er schon seit längerer Zeit immer wieder seine Unterrichtungs- und Anhörungsrechte verletzt sieht. Der im März 2009 nach britischem Recht gegründet EBR (siehe Bericht in den EBR-News 2/2009) hat z. Zt. einen Vorsitzenden aus Frankreich, einem Land, in dem das Konsultationsrecht der Betriebsräte sehr ernst genommen wird. Die Klage weist gewisse Parallelen mit dem Fall Emerson Electric auf und wird auch von dem gleichen Rechtsanwalt begleitet (siehe Bericht in den EBR-News 1/2016). Einzelheiten der Klage sind noch nicht bekannt, weil die zentrale Leitung von der Arbeitnehmerseite eine schriftliche Verschwiegenheitserklärung verlangt hat. In den USA steht Verizon wegen gewerkschaftsfeindlichem Verhalten in der Kritik. Angesichts der geringen Zahl von EBR-Gerichtsverfahren quer durch Europa fällt auf, dass US-Firmen überdurchschnittlich oft in Konflikt mit der EBR-Gesetzgebung geraten.
Pressebericht über Verizon in den USA
Gerichtsverfahren gegen US-Mischkonzern in Frankreich
Am 2. Juli 2019 lehnte das Landgericht Belfort, erste Instanz im kollektiven Arbeitsrecht, eine einstweilige Verfügung gegen einen Plan zur Arbeitsplatzsicherung ("Plan de sauvegarde de l'emploi" - PSE) für das örtliche Gasturbinenwerk des US-Konzerns General Electric ab. Der Plan sieht vor, dass 800 von 1.760 Beschäftigten in der Industriestadt nahe der Schweizer Grenze und dem Elsass abgebaut werden. Am 22. Juni 2019 protestierten Tausende in der Innenstadt von Belfort gegen die Massenentlassungen (Foto).
Die Richter verwiesen die Gewerkschaften an das Verwaltungsgericht, das für Klagen über die korrekte Durchführung eines Sozialplans zuständig ist. Die Kläger wollen jedoch arbeitsrechtlich in die nächste Instanz gehen, weil der Sozialplan nicht in Kraft treten soll. Während des Konsultationsverfahrens mit den Betriebsräten war das Management nicht bereit, Alternativen zu Massenentlassungen zu prüfen. Zwei Sitzungen zur Unterrichtung und Anhörung hatten die Gewerkschaften Ende Juni 2019 verhindert. Seit Januar 2014 gelten in Frankreich gesetzliche Fristen für Konsultationsverfahren, da Entlassungen erst nach der Vorlage einer Stellungnahme des Betriebsrats rechtssicher durchgeführt werden können (siehe Bericht in den EBR-News 1/2014). Vorher konnten französische Betriebsräte die Schließung von Standorten jahrelang hinauszögern, indem sie keine Stellungnahme abgaben, so z. B. in einem Reifenwerk von Goodyear (siehe Bericht in den EBR-News 4/2009).
Das Gasturbinenwerk Belfort wurde im November 2015 vom französischen Alstom-Konzern an General Electric verkauft. Die Regierung zahlte damals 50 Mio. € an den US-Konzern, da er die Schaffung von 1.000 neuen Arbeitsplätzen in Frankreich zusagte. Am 19. Juli 2019 wandten sich die Gewerkschaften an den französischen Wirtschaftsminister. Er soll das Unternehmen auffordern, die Unterrichtung und Anhörung über die Restrukturierung und den Sozialplan solange zu stoppen, bis die Zusage aus dem damaligen Vertrag eingehalten wird. Der Verkauf der Alstom-Energiesparte war höchst umstritten und hätte fast zu einem Gerichtsverfahren mit dem Europäischen Betriebsrat geführt. In letzter Minute gab das US-Unternehmen damals gegenüber dem EBR eine Verpflichtungserklärung ab, die jetzt ebenfalls eingefordert wird (siehe Bericht in den EBR-News 4/2014).
Pressebericht über den Stellenabbau in Belfort
Pressebericht über das Gerichtsurteil
Bericht über die Einschaltung des Wirtschaftsministers
Zwei deutsche Arbeitsgerichte entscheiden über Auslands-Reisekosten
Am 18. Juli 2019 wurde beim Arbeitsgericht Trier (Foto) eine Klage gegen MM Graphia Trier eingereicht, ein Hersteller von Zigarettenschachteln. Der Trierer Betriebsratsvorsitzende ist Mitglied im engeren Ausschuss des Europäischen Betriebsrates im österreichischen Konzern Mayr-Melnhof Packaging. Für die Teilnahme an der Sitzung des engeren Ausschusses am 15. und 16. Mai 2019 in Wien wurden von der zentralen Leitung keine Reisekosten erstattet. Im deutschen EBR-Gesetz ist in § 16 Abs. 2 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 vorgesehen, dass neben der zentralen Leitung im Ausland auch ein deutscher Arbeitgeber als Gesamtschuldner in Haftung genommen werden kann. Hierauf bezieht sich die Klage. Ein anderer Teilnehmer an der Sitzung, dem ebenfalls keine Reisekosten erstattet wurden, reichte bereits am 21. Juni 2019 Klage beim Arbeitsgericht Oldenburg ein. Bisher hatte es in Deutschland noch nie einen vergleichbaren Fall gegeben. Der EBR von Mayr-Melnhof Packaging arbeitet seit 1. Januar 2018 auf Basis der subsidiären Bestimmungen "kraft Gesetz", nachdem die frühere EBR-Vereinbarung nicht verlängert wurde, weil Verhandlungen kein Ergebnis brachten (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018). Die zentrale Leitung erklärte im April 2019, dass sie künftig nur noch Plenarsitzungen finanzieren wird, keine Sitzungen des engeren Ausschusses mehr. |
6. Überarbeitung bestehender EBR-Vereinbarungen
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US-Reisedienstleister verbessert seine Standards
Am 20. März 2019 wurde in Amsterdam eine überarbeitete EBR-Vereinbarung für American Express Global Business Travel ("GBT") unterzeichnet. Das Joint Venture mit 16.000 Beschäftigten in 140 Ländern der Welt entstand 2014, als der US-Finanzdienstleister American Express 50% der Anteile an seiner Reisesparte an eine Investorengruppe verkaufte. American Express hat seit 1998 ein Europäisches Forum nach irischem Recht. Nach dem Verkauf erhielt GBT im März 2015 seinen eigenen Europäischen Betriebsrat nach englischem Recht.
Die Vereinbarung unterliegt vollständig der neuen EU-Richtlinie. Der EBR ist ein gemischtes Gremium aus mehreren Arbeitgeber- und 15 Arbeitnehmervertretern. Sie sind für 16 Länder zuständig. Größtes Land ist das Vereinigte Königreich mit 2.200 Beschäftigten und zwei Sitzen, gefolgt von Deutschland mit 1.300 und Spanien mit 1.000 Beschäftigten und je einem Sitz. Ein Koordinierungskomitee aus fünf Delegierten aus verschiedenen Ländern steuert die regelmäßige Arbeit, alle müssen fließend Englisch kommunizieren können. Der Freistellungsumfang wurde genau beziffert und liegt zwischen 20 und 80 Stunden pro Jahr. Kein EBR-Mitglied darf mehr als 10% seiner Arbeitszeit für lokale und europäische Betriebsratsarbeit aufwenden. Diese Grenzen gelten jedoch nicht in außergewöhnlichen Umständen (Konsultation bei Restrukturierungen) und sind in manchen Ländern praktisch bedeutungslos, z. B. in Deutschland, wo manche Betriebsratsmitglieder nach nationalen Gesetzen zu 100% von ihrer Arbeit freigestellt sind.
Jedes Jahr findet eine Plenarsitzung über drei Tage und eine Sitzung des Koordinierungsausschusses statt. Der EBR hat ein Budget von 10.000 € für Schulungen und 15.000 € für Sachverständige im Jahr. Bei Streitigkeiten wird ad hoc eine Schlichtungsstelle aus einem Beisitzer von jeder Seite gebildet, die sich auf einen dritten Beisitzer einigen müssen. Erst danach sind gerichtliche Schritte möglich. Alle Kosten der Schlichtungsstelle und von Gerichtsverfahren trägt das Unternehmen. Die zentrale Leitung kann jederzeit einseitig das anwendbare nationale Recht ändern (z. B. nach dem Brexit), der Text der EBR-Vereinbarung bleibt davon unberührt.
Konsultationsverfahren wie in der SE-Gesetzgebung
Im Falle von Restrukturierungen werden alternative Lösungen und Stellungnahmen des EBR von der Geschäftsleitung im internen Entscheidungsprozess angemessen berücksichtigt, und zwar bevor sie eine endgültige Entscheidung trifft. Die Dauer eines Konsultationsverfahrens, das aus vier Schritten besteht, wird von Fall zu Fall gemeinsam vereinbart. Die EBR-Vereinbarung definiert als Hauptziel des Konsultationsverfahrens, eine sozialverträgliche Lösung zu finden. Es entspricht dem hohen Standard, der sonst nur für einen SE-Betriebsrat gelten würde.
Englischer EBR zieht von Luxemburg nach Dublin
Am 28. Mai 2019 wurde die EBR-Vereinbarung für Colt Technology Services in London aktualisiert. Sie gilt für 2.700 Beschäftigte in 13 EU-Ländern und der Schweiz. Der IT-Dienstleister (Colt steht für "City of London Telecommunications") hatte den EBR 2004 gegründet und die EBR-Vereinbarung im Juni 2012 nach luxemburgischem Recht in eine neue Form gebracht (siehe Bericht in den EBR-News 3/2012). Ab jetzt gilt irisches Recht, obwohl es dort nur 24 Arbeitnehmer gibt. Die größten Länder sind neben dem Vereinigten Königreich mit knapp 800 Beschäftigten Spanien und Deutschland mit jeweils rund 500.
Bisher war Indien im EBR vertreten, künftig nicht mehr. Die britischen Delegierten werden am Tag des Brexit ihre Mandate verlieren, während die Schweiz weiter dabei bleibt. Bisher konnte der EBR keine externen Sachverständigen hinzuziehen. Um dieses Recht zu bekommen, musste er eine Frist von 15 Arbeitstagen zur Beendigung von Konsultationsverfahren akzeptieren, die es vorher nicht gab. Die Zahl der jährlichen Plenarsitzungen wurde von zwei auf eine reduziert, aber der Lenkungsausschuss von drei auf fünf Mitglieder aufgestockt. Da es in der IT-Branche viele Umstrukturierungen gibt und bei Colt Technology Services eine Reihe von Ländern nur sehr kleine Belegschaften haben, kann dadurch eine bessere Arbeitsfähigkeit des EBR sichergestellt werden. Bei den schwierigen Verhandlungen war die EWC Academy beratend tätig.
Fusion in der Luft- und Raumfahrtbranche
Am 4. Juni 2019 wurde in Danzig eine EBR-Vereinbarung für Collins Aerospace unterzeichnet. Die beiden früheren Europäischen Betriebsräte von UTC Aerospace Systems und Rockwell Collins werden damit zusammengelegt. Der US-Mischkonzern United Technologies Corporation (UTC) hatte im November 2018 den Flugzeugzulieferer Rockwell Collins in den USA übernommen. Das neue Unternehmen hat in Europa 15.000 Beschäftigte, davon ein Drittel im Vereinigten Königreich. Zweitgrößtes Land ist Frankreich, gefolgt von Deutschland.
Die Gespräche zwischen den beiden EBR-Gremien hatten im Oktober 2018 in Birmingham begonnen (siehe Bericht in den EBR-News 4/2018). Am 20. und 21. Februar 2019 wurden bei einer Sitzung am Flughafen Toulouse die Einzelheiten für die Verhandlungen mit der zentralen Leitung festgelegt, die am 12. März 2019 in Brüssel begannen. Unterstützung erhielten die EBR-Mitglieder dabei von der EWC Academy. Das Ergebnis stellt einen Kompromiss zwischen den beiden alten EBR-Vereinbarungen dar.
Neue EBR-Richtlinie nach belgischem Recht
UTC Aerospace Systems hatte bislang eine "freiwillige" Alt-Vereinbarung nach deutschem Recht, die nicht der EU-Richtlinie unterlag, während für Rockwell Collins die neue EU-Richtlinie auf der Basis des luxemburgischen Rechts galt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2014). Zu Beginn der Verhandlungen war die zentrale Leitung nicht bereit, die neue EU-Richtlinie zur Geschäftsgrundlage zu machen. Dies hätte einen Antrag zur Einsetzung eines Besonderen Verhandlungsgremiums bei den EBR-Mitgliedern ausgelöst. Am Ende einigten sich beide Parteien auf die neue EBR-Richtlinie und belgisches Recht.
Der neue EBR hat 18 Mitglieder und vertritt zwölf EU-Länder und die Schweiz, er tagt einmal jährlich. Eine Brexit-Klausel sichert dauerhaft die Einbeziehung der britischen Belegschaft. Der EBR-Vorsitz liegt beim Arbeitgeber, die Arbeitnehmerseite wählt einen Lenkungsausschuss aus sechs Mitgliedern. Die länderübergreifende Zuständigkeit wurde umfassender formuliert als in der EU-Richtlinie, die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei auf drei Wochen verlängert. Streitigkeiten unterliegen einem Schlichtungsverfahren, erst danach ist der Gang zum Gericht möglich. |
7. Gründung von Europäischen Betriebsräten
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Belgischer Tiefkühlkosthersteller beendet dreijährige Verhandlungen
Am 3. April 2019 unterzeichnete das Familienunternehmen Ardo an seinem Hauptsitz in Ardooie (Westflandern) eine EBR-Vereinbarung mit dem Besonderen Verhandlungsgremium. Ardo hat 21 Standorte in neun Ländern und 3.800 Beschäftigte. Die Vereinbarung orientiert sich weitgehend an den subsidiären Bestimmungen der Richtlinie, weist aber auch einige Besonderheiten auf. So fällt der Transfer von Produktionsvolumina zwischen einzelnen Standorten nicht in die Zuständigkeit des EBR, da dies häufig vorkommt.
Jedes Land hat für je angefangene 10% der europäischen Belegschaft einen Sitz, zusätzlich kann der EBR drei weitere EBR-Mitglieder ernennen. Der EBR tagt mindestens einmal jährlich mit der zentralen Leitung. Der engerer Ausschuss besteht aus dem gewählten Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und fünf weiteren Mitgliedern. Außerordentliche Sitzungen können beantragt werden, wenn mindestens je 25 Beschäftigte in zwei Ländern von einer Umstrukturierung betroffen sind. Der europäische Verband der Nahrungsmittelgewerkschaften EFFAT hat ein Gastmandat, weiterhin kann der EBR sich durch einen bezahlten Sachverständigen seiner Wahl unterstützen lassen. Im Fall von Streitigkeiten wird eine Schlichtungsstelle aus drei Beisitzern gebildet.
Bericht von der Unterzeichnung
Erste EBR-Gründung in der Pflegebranche
Am 29. April 2019 wurde in Paris eine EBR-Vereinbarung für Korian geschlossen, Marktführer bei Pflegedienstleistungen in Europa. Der börsennotierte französische Konzern betreibt über 850 Einrichtungen in sechs EU-Ländern mit 300.000 Patienten und Bewohnern. In Frankreich und Deutschland hat Korian je 20.000 Arbeitnehmer, in Belgien 9.000, in Italien 2.300 sowie mehrere Hundert in den Niederlanden und Spanien. Sie werden von 18 Delegierten im EBR vertreten, der zweimal jährlich tagt.
Die Vereinbarung ist die erste in dieser Wachstumsbranche und sie setzt Zeichen, weil sie über die normalen Standards der EU-Richtlinie hinausgeht. So wurde die länderübergreifende Zuständigkeit des EBR sehr weit gefaßt, damit die nicht-französischen Delegierten bei wichtigen Umstrukturierungen in ihrem Land zusätzlich auch über den EBR tätig werden können. Der Vorsitz liegt beim Arbeitgeber, die Arbeitnehmervertreter wählen einen Sekretär und vier weitere Mitglieder aus verschiedenen Ländern in den engeren Ausschuss. Sie treffen zweimal im Jahr mit der zentralen Leitung zusammen. Der EBR kann sich durch einen Vertreter des europäischen Gewerkschaftsverbandes EGÖD sowie bezahlte Sachverständige unterstützen lassen und hat Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen in Europa.
Es gibt zwei dauerhafte Arbeitsgruppen, die mindestens einmal jährlich eine Sitzung durchführen und sich durch Sachverständige unterstützen lassen können: eine zur Sozialpolitik des Konzerns und eine weitere zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung. Weitere Arbeitsgruppen können bei Bedarf ad hoc gebildet werden. Zusätzlich zu den offiziellen Sitzungen werden EBR-Mitglieder je nach Funktion zwischen 60 und 160 Stunden im Jahr von der Arbeit freigestellt. Jedes Jahr findet mindestens eine Schulung statt. Streitigkeiten werden einer paritätischen Schiedsstelle aus vier Mitgliedern vorgelegt. Scheitert diese Schlichtung, wird ein externer Mediator eingeschaltet. Erst danach ist der Gang zum Gericht möglich. Sämtliche Kosten eines Gerichtsverfahrens trägt die zentrale Leitung.
Pressemitteilung zur Unterzeichnung
Die EBR-Vereinbarung im Wortlaut
Französisches Familienunternehmen gründet EBR
Am 20. Juni 2019 wurde für den französischen Käsehersteller Bel in dessen Firmenzentrale im Pariser Vorort Suresnes eine EBR-Vereinbarung unterzeichnet. Bel hat 12.600 Beschäftigte weltweit, davon die Hälfte in Europa und 3.900 in Frankreich. Im EBR sind neben elf EU-Ländern auch die Schweiz und die Ukraine vertreten. Wenn ein Land aus der EU austritt, bleibt es weiterhin im Geltungsbereich der EBR-Vereinbarung.
Der EBR hat 24 Mitglieder, darunter sieben aus Frankreich, die einmal jährlich unter dem Vorsitz des Arbeitsdirektors tagen. Er führt auch den Vorsitz im Präsidium, das aus sechs Arbeitnehmervertretern besteht. An allen Sitzungen nimmt ein Berater des europäischen Gewerkschaftsverbandes EFFAT teil. Die Abstimmung zwischen EBR und den nationalen Betriebsräten ist sehr präzise geregelt. So muss die Konsultation mit dem EBR spätestens sieben Tage vor Ende der Konsultationsfrist der betroffenen lokalen Betriebsräte beendet sein. Die EBR-Mitglieder haben Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen und treffen in ihrem Heimatland mindestens einmal im Jahr die jeweilige Personalleitung.
Wie in Frankreich üblich, ist die Hinzuziehung von Sachverständigen sehr umfassend geregelt. Der EBR kann jedes Jahr einen Wirtschaftsprüfer für 20 Beratungstage beauftragen und hat darüberhinaus ein Budget von 10.000 € für weitere Berater. Alle laufenden Kosten des EBR werden von der zentralen Leitung getragen, zusätzlich erhält er jährlich 3.000 € in seine eigene Kasse. Je nach Funktion haben EBR-Mitglieder 15 bis 35 Stunden Freistellung jährlich, zusätzlich zu Sitzungen. Videokonferenzen sind nur möglich, wenn alle EBR-Mitglieder dies akzeptieren. |
8. Gerichtliche Durchsetzung der EBR-Gründung
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Einreichung einer Klage kurz vor Börsengang
Am 27. März 2019 wurde für den englischen Automobilzulieferer TI Fluid Systems in Oxford eine EBR-Vereinbarung geschlossen. Da die zentrale Leitung den Antrag zur EBR-Gründung ignoriert hatte, bedurfte es einer Klage beim Central Arbitration Committee (CAC) in London. Sie wurde kurz vor dem Börsengang im Oktober 2017 eingereicht und im Februar 2018 wieder zurückgezogen, nachdem das Besondere Verhandlungsgremium seine Arbeit aufnahm. Vor dem Börsengang war das Unternehmen mit 28.700 Beschäftigten, davon ein Drittel in Europa, im Besitz eines US-Finanzinvestors.
Die EBR-Vereinbarung ist relativ kurz und deckt sich weitgehend mit den subsidiären Bestimmungen der EU-Richtlinie. Der EBR tagt einmal jährlich und vertritt zwölf EU-Länder inklusive des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit. Der Vorsitz liegt bei einem gewählten Arbeitnehmervertreter, die zentrale Leitung stellt einen Koordinator zur Sitzungsorganisation. Der Lenkungsausschuss hat fünf Mitglieder aus fünf Ländern. Stellungnahmen im Rahmen von Konsultationsverfahren müssen spätestens 30 Tage nach einer Sitzung vorliegen. Schulungen sind sowohl individuell als auch als Gruppe möglich. An den Verhandlungen waren einige osteuropäische Länder nicht beteiligt, weil es dort noch keine Delegierten gab.
Umstrittene EBR-Vereinbarung im Widerspruch zur Rechtslage
Am 23. Mai 2019 wurde für den französischen Molkereikonzern Lactalis an dessen Sitz in Laval (Loire-Region) eine Vereinbarung zur Gründung eines Europäischen Betriebsrates unterzeichnet. Die Aufnahme von Verhandlungen hatten die Gewerkschaften per Gericht erzwungen (siehe Bericht in den EBR-News 3/2018). Das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) akzeptierte letztlich die Vereinbarung nur knapp mit elf von 19 Stimmen. Da das BVG nicht korrekt zusammengesetzt war, könnte die Abstimmung und damit die gesamte EBR-Vereinbarung für die 30.000 Beschäftigten ungültig sein.
Die zentrale Leitung hatte sich geweigert, kleinen Ländern mit weniger als 100 Arbeitnehmern sowie dem Vereinigten Königreich (wegen des bevorstehenden Brexit) Delegiertenmandate zuzugestehen. Die EU-Richtlinie schreibt dagegen vor, dass jedes Land im derzeitigen Europäischen Wirtschaftsraum an den Verhandlungen zu beteiligen ist, wenn es dort mindestens einen Arbeitnehmer gibt. Ob eine fehlerhafte Zusammensetzung des BVG rechtliche Konsequenzen hat, war bereits beim deutschen Modeversender Zalando umstritten (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015). Weiter übte die zentrale Leitung von Lactalis Druck auf die Delegierten aus, damit sie auf jegliche Unterstützung durch externe Sachverständige verzichten. Auch hierzu fand eine umstrittene Kampfabstimmung statt.
Das Familienunternehmen konnte damit sicherstellen, dass die EBR-Vereinbarung erheblich unterhalb der EU-Standards bleibt und an einigen Punkten gegen EU-Recht verstößt. Der Arbeitgeber stellt den Vorsitz und ist mit vier Direktoren im EBR vertreten. Die Arbeitnehmervertreter wählen einen Sekretär und dessen Stellvertreter, einen engeren Ausschuss gibt es nicht. Der EBR tagt einmal jährlich und in außerordentlichen Umständen finden Sitzungen nur als Videokonferenz statt. Neben der Sitzungszeit erhält jedes EBR-Mitglied einen Tag Freistellung pro Jahr. Sprachkurse werden bezuschusst, finden aber außerhalb der Arbeitszeit statt. Externe Sachverständige dürfen nicht hinzugezogen werden. Alle im EBR behandelten Dokumente gelten als vertraulich und dürfen nicht den lokalen Betriebsräten der einzelnen Länder zugänglich gemacht werden. Die Vereinbarung ist frühestens 2027 kündbar. Das Vereinigte Königreich wird nur in den EBR aufgenommen, wenn der Brexit endgültig abgesagt ist. Der Text gilt als die schlechteste jemals in Frankreich abgeschlossene EBR-Vereinbarung. |
9. Der Blick über Europa hinaus
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Britisch-niederländischer Konsumgüterhersteller begrenzt Zeitarbeit
Am 10. Mai 2019 unterzeichnete die Konzernleitung von Unilever in ihrer Londoner Zentrale am Themseufer (Foto) eine weltweit gültige Verpflichtungserklärung zur nachhaltigen Beschäftigung mit zwei internationalen Gewerkschaftsverbänden. Für Leiharbeiter gilt so in allen 300 Fabriken in 69 Ländern das Prinzip des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit wie auch der Nicht-Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen, unabhängig davon, ob sie direkt von Unilever oder über eine Agentur beschäftigt werden. Bereits seit 2010 gibt es halbjährliche Treffen der Vertragsparteien, die künftig auch zur Überwachung dieser Verpflichtungserklärung genutzt werden. Im März 2019 hatte der Europäische Betriebsrat ein Rahmenabkommen mit der zentralen Leitung über strategische Personalentwicklung geschlossen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2019).
Bericht von der Unterzeichnung
Die Verpflichtungserklärung im Wortlaut
Erstes weltweites Gewerkschaftsnetzwerk im Gesundheitswesen
Am 16. und 17. Mai 2019 trafen sich 50 Arbeitnehmervertreter von Fresenius aus allen Teilen der Welt in Frankfurt am Main zeitgleich mit der Hauptversammlung des Gesundheitskonzerns. Berichte der Teilnehmer offenbarten, dass Fresenius in einigen Ländern gegen seinen eigenen Verhaltenskodex verstößt, so beispielsweise in den USA. Das Gewerkschaftsnetzwerk strebt daher ein internationales Rahmenabkommen für die 280.000 Beschäftigten in 100 Ländern an, um den deutschen Medizintechnikhersteller und Klinikbetreiber weltweit auf Sozial- und Gewerkschaftsstandards zu verpflichten.
Pressemitteilung über die Tagung
Ausführlicher Bericht von der Tagung
Resonanz in der Wirtschaftspresse
Interview über die Situation in den USA
Bericht über einen Besuch von US-Gewerkschaftern in Berlin
Französischer Automobilhersteller sichert Kompetenzentwicklung
Am 9. Juli 2019 unterzeichnete die Konzernleitung von Renault in Paris ein internationales Rahmenabkommen zur Entwicklung der Arbeitswelt mit mehreren Gewerkschaftsverbänden und dem Weltbetriebsrat. Neue Antriebssysteme und Digitalisierung sind die Herausforderungen in der Automobilbranche. Die notwendige Kompetenzentwicklung für weltweit 120.000 Beschäftigte von Renault soll über Verhandlung mit den Arbeitnehmervertretungen erfolgen. Bereits seit 2004 bekennt sich der Konzern weltweit zu Sozialstandards in einem Rahmenabkommen mit den Gewerkschaften. Im März 2015 wurde dann ein Weltbetriebsrat gegründet (siehe Bericht in den EBR-News 2/2015).
Bericht von der Unterzeichnung
Das Rahmenabkommen zur Kompetenzentwicklung im Wortlaut
Das Rahmenabkommen über Sozialstandards im Wortlaut |
10. Interessante Webseiten
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Europäischer Betriebsrat der Deutschen Telekom
Im Rahmen des Projekts DigiT.eu erarbeitet der EBR der Deutschen Telekom mit Gewerkschaften aus zehn Ländern Handlungsansätze für die Mitbestimmung bei Digitalisierung und Arbeit 4.0 im Bereich der Informations- und Kommunikationsbranche. Auf einer Webseite sind alle Projektaktivitäten zusammengestellt. Der erste Workshop des zweijährigen Projektes, das von der Europäischen Kommission finanziell gefördert wird, fand im Oktober 2018 in Wien statt.
Die Webseite des Projekts
Bericht vom Workshop in Wien
Der erste Newsletter des Projekts
Der zweite Newsletter des Projekts
Europäischer Austausch zur betrieblichen Weiterbildung
Das Projekt SACADOS ermöglichte Arbeitnehmervertretern aus sechs Ländern einen Erfahrungsaustausch über vorausschauende Förderung der Qualifizierung im Rahmen von Studienbesuchen in Italien (Foto) und Deutschland. Zusätzlich wurde in elf nationalen Seminaren Informations- und Schulungsmaterial für Betriebsräte zu betrieblicher Weiterbildung entwickelt und erprobt, darunter ein Toolkit und als Methode ein "Problemlösezirkel". Die Materialien sind auf einer eigenen Webseite in mehreren Sprachen abrufbar.
Die Webseite des Projekts
Präsentation zum Problemlösezirkel
Die Handreichung für Betriebsräte
Digitaler Wandel in der chemischen Industrie
Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission führen die Sozialpartner in der chemischen Industrie derzeit ein Projekt durch, um branchenspezifische Herausforderungen der Digitalisierung zu analysieren und den Rahmen für einen gemeinsamen Aktionsplan zu erarbeiten. Auf einer eigenen Webseite sind die Dokumente in mehreren Sprachen abrufbar.
Die Webseite des Projekts
Europäischer Digitalisierungsindex
Der aus verschiedenen Indikatoren zusammengesetzte Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) wird jedes Jahr von der Europäischen Kommission ermittelt, um den Digitalisierungsgrad in den einzelnen EU-Ländern beurteilen zu können. Skandinavien und Estland schneiden besonders gut ab. Auf der Webseite zum Index sind eine Vielzahl von weiterführenden Informationen zu finden.
Die Webseite des Index
Pressemitteilung über die Zahlen von 2019 |
11. Neue Publikationen
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Wie arbeiten lokale Betriebsräte und EBR zusammen?
Anfang 2019 ist dieser Sammelband erschienen, der das Zusammenspiel unterschiedlicher Ebenen der betrieblichen Arbeitsbeziehungen untersucht. Von der Kaskade in Deutschland (lokale Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte, Konzernbetriebsräte und mitbestimmte Aufsichtsräte) geht es dann bis zu den Europäischen und Weltbetriebsräten. Verschiedene Autoren beleuchten die Kooperation zwischen Betriebsrat, Belegschaft, Gewerkschaft, Beratern und Vertrauensleuten. Ein eigenes Kapitel stellt die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Europäischen Betriebsrat und den Arbeitnehmervertretungen der einzelnen Länder in den Mittelpunkt. Internationale Rahmenabkommen und grenzüberschreitende Wertschöpfungsnetzwerke werden in dem Buch ebenfalls unter die Lupe genommen. Eine englischsprachige Publikation der gleichen Herausgeber mit ähnlichem Inhalt ist zusätzlich verfügbar.
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Die englischsprachige Publikation der gleichen Herausgeber
Kompakte Bestandsaufnahme der Arbeitsbeziehungen in Deutschland
Im April 2019 ist diese Studie als Teil einer Länderreihe der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen. Sie zeigt die aktuelle politische Lage, Entwicklungen im Tarifsystem und die Gewerkschaftslandschaft. Die Wirtschaft in Deutschland hat sich seit der Finanzmarktkrise besser erholt als in anderen EU-Ländern, die Arbeitslosenquote ist stark zurückgegangen. Doch die Tarifbindung sinkt und die Verbreitung von Betriebsräten ist rückläufig. Die Studie benennt die Herausforderungen für das "deutsche Modell" der industriellen Beziehungen, wo sich immer größere Spaltungen zwischen den stabilen Bereichen in der Industrie und Randzonen im Dienstleistungssektor auftun. Eines der Kapitel untersucht die sozialen Folgen der Digitalisierung und Rationalisierung in der deutschen Arbeitswelt. Die Studie umfaßt 48 Seiten und ist in vier Sprachen verfügbar (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch).
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Studie zur Mitgliederpolitik der IG Metall
Wie steht es um die Arbeitnehmerrechte weltweit?
Am 19. Juni 2019 ist der aktuelle "Global Rights Index" des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) erschienen. Er analysiert die Respektierung von Arbeitnehmerrechten in der ganzen Welt. Verschlechtert hat sich die Lage in einigen europäischen Ländern. 40% von ihnen erkennen z. B. das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, nicht ausdrücklich an und die Hälfte hat das Recht auf Tarifverhandlungen beschränkt. Weißrussland, Griechenland und die Türkei werden als Länder ohne Rechtsgarantie eingestuft. Rumänien ist für "systematische Rechtsverletzungen" in der Kritik. Aus Bulgarien, Ungarn, Polen, Spanien und aus dem Vereinigten Königreich wird von "regelmäßigen Rechtsverletzungen" berichtet. In Ländern wie Belgien, Portugal, Kroatien, Tschechien und der Schweiz sind "wiederholte Rechtsverletzungen" in dem Bericht dokumentiert.
Die wichtigsten Resultate des Berichts
Der Bericht im Wortlaut
Juristischer Kommentar zum deutschen EBR-Recht
Ende Juni 2019 ist die lange erwartete 3. Ausgabe des Standardkommentars zum deutschen Europäische Betriebsräte-Gesetz erschienen. Auf 630 Seiten werden aus arbeitnehmerorientierter Perspektive auch die Beteiligungsrechte in der Europäischen Gesellschaft (SE) kommentiert. Die Autoren beleuchten sämtliche Neuerungen der EBR-Richtlinie von 2009 und nehmen immer wieder Bezug auf Gerichtsentscheidungen der letzten Jahre quer durch Europa. Die ungenügenden Sanktionen bei Verletzung der EBR-Rechte (15.000 € ist die Höchststrafe in Deutschland) stehen ihrer Meinung nach im Widerspruch zur EU-Richtlinie, wonach Sanktionen "wirksam, abschreckend und im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessen" sein müssen. Im Anhang des Buches sind eine Reihe von Mustertexten abgedruckt, beispielsweise eine EBR-Vereinbarung und Eckpunkte für eine Geschäftsordnung.
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12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit
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Jubiläumsseminar auf Schloss Montabaur
Seit zehn Jahren findet jedes Jahr ein EBR- und SE-Grundseminar statt, zuletzt vom 23. bis 26. April 2019. Die Teilnehmer kamen dieses Mal aus neun verschiedenen Unternehmen, darunter vier mit Sitz in Frankreich. Als Mutterland des EBR-Konsultationsmodells waren die französischen Erfahrungen ein Seminarschwerpunkt. Aber auch die Arbeitsbeziehungen anderer EU-Länder wurden behandelt, ebenso wie die praktische Arbeit im Europäischen und im SE-Betriebsrat. Das nächste Grundseminar auf Schloss Montabaur findet vom 14. bis 17. April 2020 statt.
Das Programm des EBR-Grundlagenseminars
Rechtssichere EBR-Vereinbarung angestrebt
Vom 5. bis 7. Juni 2019 kamen die Mitglieder des Europa-Betriebrates von Vorwerk zu ihrer jährlichen Sitzung ins Schulungshaus des Unternehmens, einer Jugendstilvilla in Wuppertal (Foto). Die Delegierten arbeiten auf Basis einer "freiwilligen" EBR-Vereinbarung von 1996, die im Mai 2012 aktualisiert wurde (siehe Bericht in den EBR-News 2/2012). Mit Unterstützung der EWC Academy haben Verhandlungen mit der zentralen Leitung begonnen, um eine vollwertige EBR-Vereinbarung auf Grundlage der EU-Richtlinie zu erreichen. Das deutsche Familienunternehmen hat 12.000 Beschäftigte in den Bereichen Haushaltsgeräte, Teppichböden und Kosmetika. Der Europa-Betriebsrat vertritt neun EU-Länder sowie die Schweiz und Russland.
US-Unternehmen führt EBR-Plenarsitzung in Polen durch
Vom 17. bis 20. Juni 2019 tagte der Europäische Betriebsrat von Johnson & Johnson in Warschau. In den letzten Monaten hatte der US-Konsumgüterkonzern einige Geschäftsbereiche verkauft und den EBR frühzeitig beteiligt. Allerdings wurden die Vorschläge, die der EBR im Rahmen der Anhörung formulierte, von der zentralen Leitung kaum aufgegriffen. Mit Unterstützung der EWC Academy diskutierten die Delegierten Schritte, um ihre Einflussnahme bei solchen Umstrukturierungen künftig zu stärken. Die EBR-Vereinbarung unterliegt der EU-Richtlinie nach belgischem Recht und wurde zuletzt im Dezember 2017 aktualisiert (siehe Bericht in den EBR-News 1/2018).
Schulung bei südkoreanischem Automobilzulieferer
Am 26. und 27. Juni 2019 führte die EWC Academy für Mitglieder des Europäischen Betriebrates von Hanon Systems in Kerpen (bei Köln) eine Schulung durch. Der Hersteller von Klimatechnik war bis Juni 2015 eine Tochtergesellschaft des US-Konzerns Visteon und ist bis heute unter gleicher Adresse ansässig (Foto). Im März 2019 übernahm Hanon einige Geschäftsbereiche des kanadisch-österreichischen Automobilzulieferers Magna International, die im EBR von Hanon jetzt ebenfalls vertreten sind. Die Schulung diente dazu, mit diesen neuen Delegierten ein gemeinsames Verständnis der EBR-Arbeit zu entwickeln. Die EBR-Vereinbarung von Hanon basiert auf deutschem Recht (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015). |
13. Aktuelle Seminartermine
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Die EWC Academy und ihre Vorläuferorganisation führt seit Januar 2009 Tagungen und Seminare für Mitglieder von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien durch. Bisher haben daran 816 Arbeitnehmervertreter aus 285 Unternehmen teilgenommen, viele von ihnen auch mehrfach. Das entspricht 25% aller transnationalen Betriebsratsgremien in Europa. Hinzu kommen zahlreiche Inhouse-Veranstaltungen und Gastvorträge bei anderen Veranstaltern.
Überblick über die bevorstehenden Seminartermine
Juristischer EBR-Workshop
Vom 15. bis 18. Oktober 2019 findet das nächste juristische Seminar zum EBR-Recht statt, diesmal in Berlin. Behandelt werden juristische Feinheiten einer EBR-Vereinbarung, Rechtsprechung zum EBR und die Anwendung der neuen EU-Richtlinie in juristischen Zweifelsfällen. Einer der Referenten ist wieder Ralf-Peter Hayen, ein profunder Kenner dieser Materie und Referatsleiter Recht beim DGB-Bundesvorstand in Berlin.
Programm und Anmeldeformular
12. Hamburger Fachtagung für Europäische und SE-Betriebsräte
Wie jedes Jahr findet am 27. und 28. Januar 2020 unsere jährliche Fachtagung statt. Zu Beginn werden die neuesten Entwicklungen in der EBR- und SE-Landschaft sowie aktuelle Gerichtsentscheidungen vorgestellt. Zum Programm gehören Fallbeispiele ("best practice") aus einzelnen Unternehmen. Dieses Mal wird der EBR-Vorsitzende von Unilever über das europaweite Rahmenabkommen zur Zukunft der Arbeit berichten, das sein Gremium im März 2019 mit der zentralen Leitung abgeschlossen hat (siehe Bericht in den EBR-News 1/2019). Das vollständige Programm wird nach der Sommerpause vorliegen.
Rückblick: Bericht von der letzten Hamburger Fachtagung
EBR- und SE-Seminar auf Schloss Montabaur
Vom 14. bis 17. April 2020 findet unser jährliches Grundseminar für die Mitglieder (auch für künftige Mitglieder) von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien in Montabaur statt. Das Schloss liegt beim ICE-Bahnhof auf halbem Weg zwischen Frankfurt am Main und Köln. Dort werden mehrere Seminarbausteine in zwei Niveaus parallel voneinander behandelt:
- EBR- und SE-Schnuppertage (für Einsteiger)
- Von einer Kinoveranstaltung zum vollwertigen Konsultationsorgan (für Fortgeschrittene)
Das Programm der beiden Seminarbausteine
Bericht von einem früheren Grundseminar in Montabaur
Inhouse-Veranstaltungen
Eine Übersicht über mögliche Themen für Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:
Beispiele für Inhouse-Seminare |
14. Impressum
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Die EBR-News werden herausgegeben von:
EWC Academy GmbH Rödingsmarkt 52, D-20459 Hamburg www.ewc-academy.eu
Verteiler der deutschsprachigen Ausgabe: 22.156 Empfänger Verteiler der englischsprachigen Ausgabe: 3.920 Empfänger Verteiler der französischsprachigen Ausgabe: 3.896 Empfänger
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