Nr. 2/2021
2. Juli 2021    
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Willkommen zur Ausgabe Nr. 2 / 2021 der EBR-News  

Inhalt

  1. Ohne britische Delegierte oder ganz ohne Betriebsrat?
  2. Corona-Pandemie als Stresstest für Betriebsräte
  3. Tarifverhandlungen stärken oder schwächen?
  4. Deutscher Bundestag debattiert Mitbestimmung
  5. Aktuelle Gerichtsentscheidungen
  6. Neue Betriebsräte nehmen ihre Arbeit auf
  7. Aktuelle SE-Umwandlungen
  8. Europaweite Betriebsvereinbarungen
  9. Der Blick über Europa hinaus
10. Kampagnen und Dialogforen
11. Neue Publikationen
12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit
13. Aktuelle Seminartermine
14. Impressum

 

  1. Ohne britische Delegierte oder ganz ohne Betriebsrat?

Das Brexit-Chaos für Europäische Betriebsräte ist perfekt

 

Die britische Fluggesellschaft easyJet wollte im Zuge des Brexit ihren Europäischen Betriebsrat loswerden, wurde dann aber von diesem verklagt, und hat nun zwei Europäische Betriebsräte, je einen in Großbritannien und einen weiteren in Deutschland. Am 1. Juni 2021 entschied das Central Arbitration Committee (CAC) in London, dass es für EBR-Rechtsstreitigkeiten in britischen Unternehmen auch nach dem Brexit weiterhin zuständig ist. Der Grund: das britische EBR-Gesetz (TICER) ist nicht abgeschafft, der Begriff "Mitgliedstaat" wurde durch "relevanter Staat" ersetzt.

 

Neue Europäische Betriebsräte können seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr errichtet werden, aber alle bestehenden unterliegen weiterhin britischem Recht, sofern sich die weltweite Unternehmenszentrale auf britischem Boden befindet. Diese Auffassung wird von der Europäischen Kommission jedoch nicht geteilt, sie betrachtet das Vereinigte Königreich als Drittstaat. Unternehmen aus Drittstaaten müssen ihren EBR in einem Land im Geltungsbereich der EU-Richtlinie ansiedeln, können das Land aber frei wählen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2021). Auf diesen Widerspruch zwischen britischer und EU-Gesetzgebung hatten die Gewerkschaften schon im April 2020 hingewiesen. Sie warnten, dass es in britischen Unternehmen dann zwei Europäische Betriebsräte geben könnte.

 

Die Empfehlungen der Gewerkschaften vom April 2020 (siehe Seite 5)

Die Brexit-Änderungen am britischen EBR-Gesetz

 

Bei easyJet entschied die zentrale Leitung, dass der 2011 auf Basis der subsidiären Bestimmungen nach britischem Recht gegründete EBR (siehe Bericht in den EBR-News 3/2012) nicht mehr existiert. Die deutsche Niederlassung werde Verhandlungen zur Errichtung eines völlig neuen EBR aufnehmen, was bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen kann. Ohne EBR findet in dieser Zeit keine Unterrichtung und Anhörung statt. Die Arbeitnehmervertreter haben keine Klage in Deutschland eingereicht, weil sie ihren EBR nach britischem Recht ohne Unterbrechung behalten wollen. Die Entscheidung des CAC ist noch nicht rechtskräftig, der Fall liegt jetzt beim Arbeitsberufungsgericht für England und Wales.

 

Die CAC-Entscheidung im Wortlaut



EBR-Vereinbarung bietet keinen Schutz für britische Delegierte

 

Die Londoner Großbank HSBC hat nach dem Brexit ihre gesamte britische Belegschaft (40.000 Angestellte) aus dem Europäischen Betriebsrat ausgeschlossen und wendet jetzt irisches Recht an. Damit verliert der EBR acht seiner zwanzig Delegiertenmandate. Er klagte vor dem Central Arbitration Committee (CAC), das am 22. Juni 2021 eine Entscheidung traf. Es erklärte den Ausschluss der britischen Unternehmensteile aus der Zuständigkeit des EBR und die Beendigung der britischen EBR-Mandate für zulässig.

 

Die Entscheidung basiert auf einer genauen Analyse des Wortlauts der EBR-Vereinbarung, die nur die Mitgliedsländer des Europäischen Wirtschaftsraums umfaßt. Aus diesem Grund war die Schweiz mit 782 Beschäftigten bisher nicht im EBR vertreten. Die Änderung des britischen EBR-Gesetzes, wo der Begriff "Mitgliedstaat" durch "relevanter Staat" ersetzt wurde, hat keinerlei Auswirkung auf eine gültige EBR-Vereinbarung. Anders ist dies bei einem EBR "kraft Gesetz" (siehe das Beispiel easyJet weiter oben) oder bei unklaren Formulierungen im Text. Die EBR-Vereinbarung von HSBC wurde im Oktober 2015 unterzeichnet (siehe Bericht in den EBR-News 2/2016).

 

Das CAC hat die Frage des anwendbaren Rechts noch offengelassen. Die einseitige Entscheidung der zentralen Leitung, nach Irland zu wechseln, kann der EBR innerhalb von 21 Tagen anfechten. Denkbar wäre, dass der EBR weiter britischem Recht unterliegt, ohne einen einzigen britischen Delegierten zu haben - eine völlig groteske Situation.

 

Die Entscheidung im Wortlaut



Französischer IT-Konzern löst SE-Betriebsrat auf

 

Die Unternehmensleitung von Atos kann Umstrukturierungen derzeit ohne jede transnationale Unterrichtung und Anhörung durchführen. Den SE-Betriebsrat gibt es nicht mehr. Der IT-Dienstleister im Pariser Vorort Bezons am Ufer der Seine hat 110.000 Beschäftigte, als Resultat zahlreicher Akquisitionen wie der IT-Sparte von Siemens und des Computerherstellers Bull (siehe Bericht in den EBR-News 3/2016).

 

Die im Dezember 2012 geschlossene SE-Vereinbarung galt als eine der besten in Frankreich (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013). Sie war vom damaligen Atos-Vorstandsvorsitzenden Thierry Breton ausgehandelt worden, ehemaliger französischer Finanzminister und seit Dezember 2019 Mitglied der Europäischen Kommission. Seine Nachfolger bei Atos kündigten die SE-Vereinbarung am 16. Oktober 2020. Als die Verhandlungen über eine neue Vereinbarung scheiterten, löste die zentrale Leitung den SE-Betriebsrat am 16. April 2021 auf und leitete die Wahl eines Besonderen Verhandlungsgremiums ein. Der SE-Betriebsrat beantragte eine einstweilige Verfügung gegen seine Auflösung, zusammen mit dem niederländischen Betriebsrat, dem deutschen Konzernbetriebsrat und Gewerkschaften aus sechs Ländern, darunter die IG Metall aus Deutschland und die GPA aus Österreich. Am 23. Juni 2021 lehnte das Landgericht in Pontoise, dem Verwaltungssitz des Départements, diesen Antrag ab. Der SE-Betriebsrat existiert nach Auffassung des Gerichts nicht mehr und die übrigen Kläger müssen die Kosten des Verfahrens tragen.

  2. Corona-Pandemie als Stresstest für Betriebsräte

EBR-Videokonferenzen gelten als schlechte Alternative zu Präsenzsitzungen

 

Am 26. März 2021 legte das Europäische Gewerkschaftsinstitut in Brüssel die Ergebnisse einer Online-Umfrage vor. Anfang 2021 wurden innerhalb von zwei Monaten 476 Mitglieder Europäischer Betriebsräte aus fast allen europäischen Ländern interviewt, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die konkrete EBR-Arbeit zu untersuchen. Einerseits ist die Sitzungszahl für die Hälfte der Befragten gleich geblieben, je ein Viertel berichtet über mehr bzw. weniger Sitzungen. Andererseits hat die Qualität der Unterrichtung und Anhörung erheblich gelitten. Ein Drittel berichtet zudem von einer Verschlechterung der internen Funktionsweise des EBR. Die meisten sagen, das Verhältnis zum Management habe sich verschlechtert.

 

Nur die Hälfte der Befragten wurde über die Gesamtsituation des Unternehmens regelmäßig informiert, in normalen Zeiten sind es 78%. Nur 16% waren in der Lage, Managemententscheidungen während der Pandemie zu beeinflussen (in normalen Zeiten 23%). Bei Umstrukturierungen findet in normalen Zeiten in 52% aller Fälle eine Anhörung statt, in der Pandemie halbierte sich der Anteil auf 25%. Die rückläufige Einbindung der Europäischen Betriebsräte zeigt sich auch daran, dass es in 19% aller Fälle ernsthafte Konflikte zwischen EBR und zentraler Leitung gab, in normalen Zeiten wird dies nur in 7% aller Fälle berichtet. Die Vergleichszahlen zu normalen Zeiten stammen aus einer Studie, die im Januar 2020 veröffentlicht wurde (siehe Bericht in den EBR-News 1/2020).

 

Die Durchführung der Videokonferenzen war nicht immer optimal: 11% der EBR-Mitglieder bekamen keine angemessene technische Ausrüstung, 24% von ihnen mussten auf Dolmetscher verzichten und 28% wurden nicht richtig geschult, um an Online-Meetings teilzunehmen. Die Befragung zeigt eine klare Präferenz für Präsenzsitzungen: die Qualität des Meinungsaustauschs mit dem Management sei dort besser (82%), aber auch die interne Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertreter (76%). In Online-Sitzungen fehlt es an ausreichend Zeit, um alle Tagesordnungspunkte ordentlich zu diskutieren, sagen 75% der Befragten. Der einzige Punkt, der positiv erwähnt wird, ist die Möglichkeit, interne Sitzungen der Arbeitnehmervertreter häufiger durchzuführen. Videokonferenzen können persönliche Treffen jedoch nicht ersetzen, dies gilt für Europäische Betriebsräte viel stärker als für nationale Betriebsräte (siehe Bericht in den EBR-News 3/2020).

 

Zusammenfassung der Ergebnisse



Erfahrungen mit Online-Verhandlungen in Frankreich

 

Am 7. Mai 2021 legte die französische Denkfabrik Réalités du dialogue social (Praxis des sozialen Dialogs), der 300 Gewerkschaftsfunktionäre, Personalleiter und Regierungsvertreter angehören, eine Studie über die digitale Zusammenarbeit der Betriebsparteien in der Corona-Pandemie vor. 27 Personalleiter und betriebliche Arbeitnehmervertreter erläuterten in qualitativen Interviews ihre Erfahrungen mit Online-Verhandlungen über Themen der Personalplanung, die nicht verschoben werden konnten.

 

Die meisten Befragten äußerten, dass digitale Verhandlungen mit größerer Geschwindigkeit ablaufen, das Fehlen der Körpersprache aber ein gegenseitiges Verständnis beeinträchtigt und zu Verzerrungen führt. "Verhandeln ist wie ein großes Schauspiel, es gibt Reaktionen, Konfrontationen, die wir in einem Remote-Meeting nicht finden." Sitzt man sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, ist unmittelbar erkennbar, ob andere Teilnehmer eine Bemerkung unterstützen. In einer Videokonferenz entstand bei Betriebsratsmitgliedern manchmal der Eindruck, das Management nutze die Distanz aus, "um Dinge beiseite zu schieben oder Dinge durchzusetzen, die sonst nicht akzeptabel wären".

 

Online-Sitzungen geben mehr Struktur, ersetzen aber nicht den persönlichen Kontakt

 

Vor den Sitzungen waren die Vorbereitungen intensiver und erforderten viele E-Mails hin und her, damit die Teilnehmer vorab Fragen verschicken und Redebeiträge organisieren konnten. Telefongespräche wurden häufiger geführt, denn Flurgespräche fehlten. Online-Sitzungen "sind strukturierter, gelassener und in einem festen Rahmen. Wir halten uns an die Tagesordnung, es gibt weniger Ausschweifungen", sagte ein Personalleiter. Bei einigen Betriebsratsmitgliedern geschah das Gegenteil: "Wir erleben sehr angespannte Sitzungen, die im Laufe der Zeit bröckeln und zu einer allmählichen Erschöpfung führen."

 

Der informelle Austausch, der zum Aufbau von Vertrauen beiträgt, war gestört - ein wichtiges Element für einen reibungslosen Verhandlungsablauf. "Ein Teil unserer Beziehung ist eingeschlafen." Manche Arbeitnehmervertreter versuchten, das mit neuen Methoden wie WhatsApp-Gruppen zu kompensieren. "Wir nutzen Telefon und Video, aber wir haben das Gefühl, nichts ist besser als ein gemeinsames Mittagessen, um uns in die Augen zu schauen und auszutauschen." Sowohl das Management als auch die Betriebsratsmitglieder waren sich einig, dass der persönliche Kontakt unerlässlich ist, "denn enge menschliche Beziehungen sind das Herzstück des sozialen Dialogs". (In Deutschland wird der "soziale Dialog" oft als "Mitbestimmung" bezeichnet, obwohl es nicht die wörtliche Übersetzung ist.)

 

Die Studie im Wortlaut

 

Mehr Sitzungen, aber keine zusätzliche Freistellungszeit

 

Am 25. Mai 2021 legte die Nationale Agentur zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Anact) in Lyon ebenfalls eine Studie über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den sozialen Dialog vor. Befragt wurden 1.415 Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. 44% von ihnen meinten, dass Sitzungen häufiger als zuvor stattfanden. Die Vorbereitung von Online-Sitzungen sei zeitintensiver, vor allem für Diskussionen und Koordinierung zwischen Betriebsratsmitgliedern (40%) bzw. zwischen Betriebsräten und der Unternehmensleitung (39%). 66% der Befragten sahen eine Zunahme der Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit dem sozialen Dialog, bei Personalleitern waren es sogar 72%. Die Krise zeigte für 76% der Befragten einen starken Bedarf an neuen Werkzeugen für betriebliche Verhandlungen und die Notwendigkeit einer Kompetenzentwicklung für die Betriebsratsmitglieder (69%). Zu Beginn der Krise ging es vor allem um Themen der Arbeitsorganisation, Gesundheit, Risikoprävention, Kurzarbeit und Beschäftigung. Nach der Krise werden voraussichtlich die Arbeitsbedingungen (66%), Telearbeit (53%) oder die Anerkennung beruflicher Qualifikationen (38%) im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen.

 

Zusammenfassung der Ergebnisse

Studie über die französische Tariflandschaft in der Pandemie

  3. Tarifverhandlungen stärken oder schwächen?

Drohender Kollaps des Tarifsystems in Finnland

 

Die finnische Holz- und Papierindustrie liefert ein Fünftel aller Exporte und ist damit ein bedeutender Wirtschaftszweig des Landes. Am 1. Oktober 2020 erklärte der Arbeitgeberverband, künftig keine Flächentarifverträge mehr zu unterzeichnen. Mit Auslaufen der aktuellen Verträge 2022 sollen für die 42.000 Beschäftigten der Branche in 150 Fabriken Haustarifverträge gelten. Die Löhne in den Sägewerken seien 30% höher als z. B. in Deutschland und müssten gesenkt werden.

 

Noch einen Schritt weiter geht UPM, der größte Papierkonzern Europas mit 18.000 Beschäftigten in zwölf Ländern, darunter sieben Werke in Deutschland. Am 8. Februar 2021 gab die Geschäftsleitung bekannt, dass sie Haustarifverträge nur für gewerbliche Arbeiter akzeptieren werde. Alle Angestellten müssen künftig über ihr Gehalt sowie Kranken-, Eltern- und Urlaubsgeld individuell verhandeln. Im Dezember 2013 hatte UPM auch in Deutschland versucht, aus dem Flächentarifvertrag auszusteigen, wurde jedoch von der Gewerkschaft IG BCE daran gehindert. UPM beschäftigt 10% aller Arbeitnehmer der deutschen Papierindustrie. Die Branche ist in Finnland für ihre harte Haltung bekannt. 2005 fand einer der dramatischsten Arbeitskämpfe in der Geschichte des Landes statt: 24.000 Arbeiter waren 44 Tage lang ausgesperrt.

 

Am 25. März 2021 erklärte der Arbeitgeberverband der Technologiebranche, der 1.600 Unternehmen wie Nokia, Fujitsu oder Microsoft vertritt, das Ende von Flächentarifverträgen für 315.000 Beschäftige. Die Branche steht für 50% der finnischen Exporte. Die Gewerkschaften sehen dies als Versuch, die gesamte finnische Kultur des Tarifsystems zu zerstören und als einen Angriff auf den Sozialstaat. Die Entwicklung begann im Februar 2017, als der Arbeitgeberdachverband EK alle branchenübergreifenden Manteltarifverträge kündigte (siehe Bericht in den EBR-News 1/2017). Derzeit sind 89% aller abhängig Beschäftigten von einem Tarifvertrag erfaßt, daher gibt es auch keinen gesetzlichen Mindestlohn.

 

Umbau der betrieblichen Arbeitnehmervertretung

 

In Finnland sind 59% aller Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft, jedoch mit sinkender Tendenz (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013). Wie in allen skandinavischen Ländern wird die betriebliche Arbeitnehmervertretung durch die Gewerkschaften wahrgenommen und in Tarifverträgen geregelt. Die Gewerkschaftsvertreter haben ähnliche Rechte wie Betriebsräte in Deutschland oder Österreich. UPM will die betriebliche Gewerkschaftsvertretung auflösen und durch eine Art "Betriebsrat" ersetzen. Seit Juni 2019 hat Finnland eine rot-rot-grüne Regierung, die die Mitbestimmung per Gesetz ausbauen will (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020).

 

Bericht über UPM

Offener Brief der Gewerkschaftsvertreter von UPM

Pressebericht über die Technologiebranche

Die aktuelle Gewerkschaftslandschaft in Finnland



Europäische Union will Tarifverhandlungen stärken

 

Am 7. und 8. Mai 2021 fand in Porto zum dritten Mal seit Bestehen der EU ein Sozialgipfel statt, der die Umsetzung der "Europäischen Säule sozialer Rechte" (ESSR) diskutierte. Sie enthält Grundsätze für faire, gut funktionierende Arbeitsmärkte und Sozialsysteme und definiert Mindeststandards, auf die sich alle EU-Länder im November 2017 geeinigt hatten (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017). In der Abschlusserklärung des Sozialgipfels von Porto verpflichteten sich die teilnehmenden Institutionen zur Förderung des Sozialen Dialogs als Strukturelement des europäischen Sozialmodells und dessen Stärkung auf europäischer, nationaler, regionaler, Branchen- und Unternehmensebene mit besonderem Schwerpunkt auf der Gewährleistung eines Rahmens für Tarifverhandlungen.

 

Bereits im Januar 2020 wurde der Vorschlag eines angemessenen Mindestlohns offiziell zur Debatte gestellt (siehe Bericht in den EBR-News 3/2020). Nach Konsultationen mit den Sozialpartnern legte die Europäische Kommission am 28. Oktober 2020 den Entwurf einer Richtlinie über angemessene Mindestlöhne vor. Die Unterstützung des Gesetzgebers ist hier erforderlich, weil die Gewerkschaften in vielen Ländern zu schwach sind, um tarifliche Mindestlöhne durchzusetzen. Dieses Problem hat die Europäische Kommission erkannt und will nicht nur Mindestlöhne regeln, sondern Tarifverhandlungen gezielt fördern. In Artikel 4 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags steht:

 

Mitgliedstaaten, in denen die tarifvertragliche Abdeckung weniger als 70% umfasst, sehen zusätzlich einen Rahmen vor, der die Voraussetzungen für Tarifverhandlungen schafft, entweder durch Erlass eines Gesetzes nach Anhörung der Sozialpartner oder durch eine Vereinbarung mit diesen, und erstellen einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen. Der Aktionsplan wird veröffentlicht und der Europäischen Kommission mitgeteilt.

 

Aktionspläne in Mittel- und Osteuropa und in Deutschland zu erwarten

 

Die tarifvertragliche Abdeckung variiert in der EU sehr stark. Sie beträgt 100% in Italien und fast 100% in Österreich, Frankreich und Belgien. Dagegen liegen Estland und Litauen mit unter 10% am unteren Ende. 17 EU-Länder erreichen das Ziel von 70% nicht. Dazu gehören alle mittel- und osteuropäischen Länder mit Ausnahme von Slowenien, die Mittelmeerländer Griechenland, Malta und Südzypern sowie Irland, Luxemburg und Deutschland. In Deutschland ist die tarifvertragliche Abdeckung in den letzten Jahren immer weiter gesunken und liegt nur noch bei 52%. Sollte die neue EU-Richtlinie verabschiedet werden, müsste die deutsche Regierung einen Aktionsplan aufstellen, um die Tarifbindung zu stärken. Notfalls sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich, z. B. die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen.

 

Ein weiterer Punkt hätte massive Auswirkungen insbesondere in Mittel- und Osteuropa, wo nur wenige Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft sind - zwischen 6% in Estland und 24% in Slowenien. Dort haben die Gewerkschaften wegen fehlender Beiträge kaum Personal, um Tarifverhandlungen zu führen. Es gibt Länder, in denen das Tarifvertragssystem in kurzer Zeit fast vollständig zusammengebrochen ist, wie z. B. in Rumänien, wo die Tarifbindung seit 2010 von 98% auf nur noch 15% zurückging (siehe Bericht in den EBR-News 3/2019). Artikel 4 Absatz 1 der geplanten EU-Richtlinie fordert von den EU-Ländern, die Kapazitäten der Sozialpartner auf- und auszubauen, damit sie Tarifverhandlungen führen können, und zwar auf betriebsübergreifender Ebene. Schwache Gewerkschaften müssten folglich auch durch staatliche Unterstützung fit gemacht werden, um auf Branchenebene handlungsfähig zu sein.

 

Bericht über den Sozialgipfel in Porto

Die Verpflichtungserklärung im Wortlaut

Der Richtlinienvorschlag im Wortlaut

Präsentation zur Tarifbindung in Europa

Analyse der Tarifbindung in Deutschland

  4. Deutscher Bundestag debattiert Mitbestimmung

Gesetzesinitiative der Grünen vorläufig gescheitert

 

Am 23. März 2021 brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Unternehmensmitbestimmung stärken – Gesetzeslücken schließen" einen Antrag in den Deutschen Bundestag ein. Er wurde am 17. Mai 2021 im Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert und von den Gewerkschaften unterstützt. Er basiert auf Forderungen der Hans-Böckler-Stiftung (siehe Bericht in den EBR-News 2/2020). Die Grünen griffen auch eine Initiative der Gewerkschaft IG BCE für eine bessere Corporate Governance und nachhaltige Konfliktlösung in Aufsichtsräten auf (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020). Der Gesetzentwurf sah folgendes vor:

  • Stiftungen (wie Aldi, Lidl oder Würth) sowie Unternehmen mit ausländischer Rechtsform (wie C&A, Meyer Werft oder Tönnies) sollen künftig der Mitbestimmung im Aufsichtsrat unterliegen
  • Unternehmen zwischen 500 und 2.000 Beschäftigten sollen die Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat nicht mehr durch Zerlegung in kleinere Einheiten umgehen können
  • Eine Änderung des SE-Beteiligungsgesetzes soll Mitbestimmungsflucht durch SE-Umwandlung ausschließen
  • Bei Mitbestimmungsvermeidung sollen wirkungsvolle Sanktionen verhängt werden
  • Die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates soll ab 1.000 Beschäftigten gelten (statt 2.000)
  • Bei Kampfabstimmungen im Aufsichtsrat über Fragen wie Betriebsschließungen, Verlagerungen oder Massenentlassungen soll es ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren geben.

Die Arbeitgeberverbände lehnen diese Vorschläge der Grünen ab und fordern stattdessen eine Öffnung des Mitbestimmungsgesetzes für Vereinbarungslösungen. Die Hans-Böckler-Stiftung will den Markt für Beratung zur Mitbestimmungsvermeidung austrocknen. Bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag am 21. Mai 2021 stimmten nur die Grünen und die Linkspartei dafür, alle anderen Fraktionen lehnten ihn ab. Die SPD-Bundestagsfraktion musste sich der Koalitionsdisziplin beugen, hatte aber bereits am 27. Oktober 2020 ein Positionspapier zum Ausbau der Mitbestimmung vorgelegt.

 

Pressemitteilung der Grünen-Bundestagsfraktion

Der Antrag im Wortlaut

Stellungnahme der Hans-Böckler-Stiftung zum Gesetzentwurf (ab Seite 10)

Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion

Forschungsüberblick zu den Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung

 

Nach der Bundestagswahl kommt das Thema erneut auf die Tagesordnung

 

Am 26. September 2021 wird der Deutsche Bundestag neu gewählt. In Umfragen können die Grünen ihren Stimmenanteil mehr als Verdoppeln. Eine Koalitionsregierung ist voraussichtlich nicht mehr ohne Beteiligung der Grünen möglich und eine Reform der Unternehmensmitbestimmung findet sich in den Wahlprogrammen. Sozialdemokraten, Grüne und Linkspartei wollen die Schwellenwerte absenken und kleinere Unternehmen der Mitbestimmung unterwerfen, die SPD fordert explizit die Einbeziehung von Unternehmen in ausländischer Rechtsform und eine "echte Parität in den Aufsichtsräten". Von der Linkspartei wird die Montanmitbestimmung als Modell für die ganze Wirtschaft gelobt und sie will es Konzernen erschweren, Mitbestimmungsgesetze zu umgehen.

 

Die Christdemokraten wollen "Betriebsräte stärken" und deren Mitbestimmungsrechte sichern, so das Wahlprogramm. Die Unternehmensmitbestimmung wird aber mit keinem Wort erwähnt. Die neoliberale FDP hat das Thema in ihrem Wahlprogramm völlig ausgeblendet, zeigte sich aber auf einer Konferenz der Hans-Böckler-Stiftung am 16. Juni 2021 "gesprächsbereit", die Mitbestimmungsgesetze auf alle Unternehmen mit Verwaltungssitz in Deutschland zu erstrecken, unabhängig von der Rechtsform. Bei einer Regierungsbeteiligung der FDP wäre das Ende der Mitbestimmungsflucht durch SE-Umwandlung also durchaus denkbar.

 

Bericht von der Mitbestimmungskonferenz der Hans-Böckler-Stiftung



Gesetz zur Förderung der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt

 

Am 18. Juni 2021 ist eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft getreten. Im Deutschen Bundestag stimmten neben den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auch die Grünen dafür. Die rechtsextreme AfD und die neoliberale FDP lehnten das Gesetz ab, die Linkspartei enthielt sich. Der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil (Foto) konnte mit dem Gesetz festschreiben, dass die Gründung von Betriebsräten erleichtert und der Kündigungsschutz von Kandidaten gestärkt wird. Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei Einsatz Künstlicher Intelligenz, Ausgestaltung mobiler Arbeit und Weiterbildung der Belegschaft werden ausgebaut.

 

Bericht über die Inhalte des Gesetzes

 

Dauerhafte Regelung für virtuelle Sitzungen – aber nicht für den EBR

 

Normalerweise können Betriebsräte in Deutschland nur in einer Präsenzsitzung tagen und Beschlüsse fassen. In der Corona-Pandemie waren Videokonferenzen seit März 2020 ausnahmsweise zulässig (siehe Bericht in den EBR-News 2/2020). Diese Sonderregelung gilt jetzt auf Dauer. Künftig können alle Sitzungen deutscher Betriebsratsgremien per Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden, sofern nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats widerspricht und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Hybrid-Formate, bei der einzelne Personen zugeschaltet werden, sind ebenfalls zulässig. Präsenzsitzungen gelten jedoch als Regelfall. Die Entscheidung über Video- und Telefonkonferenzen trifft allein der Betriebsrat, der Arbeitgeber kann dies nicht verlangen. Anders als in Frankreich, wo Videokonferenzen seit 2015 aufgezeichnet werden dürfen (siehe Bericht in den EBR-News 3/2015), ist dies in Deutschland nicht zulässig. Die befristete Sonderregelung für Europäische Betriebsräte, SE-Betriebsräte und Besondere Verhandlungsgremien endete hingegen am 30. Juni 2021 und wurde nicht verlängert.

  5. Aktuelle Gerichtsentscheidungen

Schadensersatz wegen computergesteuerter Entlassung von Uber-Fahrern

 

Am 24. Februar 2021 verurteilte das Bezirksgericht Amsterdam die europäische Zentrale des US-Transportdienstleisters Uber, sechs Fahrer wieder einzustellen und eine Entschädigung zu zahlen. Sie wurden zu Unrecht entlassen, weil die Entscheidung automatisch vom Algorithmus des Unternehmens getroffen wurde. Jeder Fahrer erhält zwischen 8.200 und 20.200 € Schadensersatz, Uber muss die Kosten des Verfahrens tragen. Für jeden Tag, an dem Uber das Urteil nicht umsetzt, kommt ein Zwangsgeld von 5.000 € hinzu.

 

Es ist die erste Entscheidung in ganz Europa zum Artikel 22 der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Danach hat jede Person, von der Daten erhoben werden, "das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung - einschließlich Profiling - beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet". Die Uber-Konten der Kläger wurden von heute auf morgen deaktiviert, weil ihr Nutzername an zwei verschiedenen Orten zur gleichen Zeit eingegeben worden sein soll, was auf Betrug hindeutet. Die Entscheidung erfolgte ohne menschliches Eingreifen und die Betroffenen konnten weder ihren Standpunkt darlegen noch Einspruch erheben. In der Folge verloren sie ihre private Taxilizenz. Das Urteil zeigt, dass auch die fortschrittlichste Technologie unter menschlicher Kontrolle bleiben muss, vor allem bei Auswirkungen auf Menschen. Im Dezember 2020 war der Lieferdienst Deliveroo in Italien zu Schadensersatz für Fahrradkuriere verurteilt worden, da ein Algorithmus sie benachteiligte (siehe Bericht in den EBR-News 1/2021).

 

Pressebericht über das Urteil

Das Urteil im Wortlaut



Ordnungsgeld wegen Missachtung der Mitbestimmung des Betriebsrates

 

Am 18. Mai 2021 verhängte das Arbeitsgericht Darmstadt gegen Opel, die deutsche Tochtergesellschaft des Stellantis-Konzerns, ein Ordnungsgeld von 135.000 €. Der Betriebsrat in Rüsselsheim war bei 17 Versetzungen und zehn Änderungen der Arbeitszeit nicht angehört worden. Für jeden Fall setzte das Gericht 5.000 € fest, die Hälfte der gesetzlichen Höchstgrenze von 10.000 €. Das Arbeitsgericht Braunschweig hatte im April 2018 eine Summe von 135.000 € bereits gegen das Helios Klinikum Salzgitter verhängt.

 

Stellantis hat in Deutschland 15.000 Beschäftigte in den Fabriken Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach sowie im Warenverteilzentrum Bochum. Im August 2017 verkaufte der US-Konzern General Motors seine Tochtergesellschaften Opel und Vauxhall an den französischen Automobilhersteller PSA (siehe Bericht in den EBR-News 1/2017). Im Januar 2021 fusionierte PSA mit Fiat Chrysler zur neuen Automobilholding Stellantis mit Sitz in Amsterdam, dem viertgrößten Automobilhersteller der Welt.

 

Pressebericht über den Personalabbau bei Opel



Britische Supermärkte müssen Frauen besser bezahlen

 

Auch nach dem Brexit hat der Europäische Gerichtshof noch positiven Einfluss auf das britische Arbeitsrecht. Am 3. Juni 2021 entschied er zugunsten von 6.000 Klägerinnen, die von der Supermarktkette Tesco schlechter bezahlt wurden als in Auslieferungslagern beschäftigte Männer. Der Gerichtshof in Luxemburg sieht eine Diskriminierung nicht nur bei gleicher, sondern auch bei "gleichwertiger" Arbeit. Dieser Grundsatz ist für alle Tarifverträge sowie alle Verträge zwischen Privaten bindend. Obwohl die Angestellten in verschiedenen Geschäften arbeiten, gilt die Unternehmensleitung von Tesco als "einheitliche Quelle" der Diskriminierung.

 

Das Arbeitsgericht im Londoner Vorort Watford, das für den Firmensitz von Tesco zuständig ist, hatte die Frage im August 2019 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Er bearbeitet weiterhin alle Fälle aus dem Vereinigten Königreich, die in die Zeit vor dem 31. Dezember 2020 fallen. Tesco, die größte Handelskette des Vereinigten Königreichs, hat allein im Heimatmarkt 250.000 Beschäftigte in 3.200 Supermärkten. Am 26. März 2021 hatte der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs eine ähnliche Entscheidung im Fall der drittgrößten britischen Supermarktkette Asda getroffen, wo knapp 40.000 weibliche Beschäftigte jetzt eine Nachzahlung erwarten. In den Supermarktketten Sainsbury's, Morrisons und Co-op Food sowie in der Bekleidungskette Next laufen ebenfalls Gerichtsverfahren.

 

Das Urteil im Wortlaut

Bericht über das Urteil

Bericht über die Entscheidung im Fall Asda

Kampagne zur gleichen Bezahlung im Einzelhandel



Keine Flucht aus dem Sozialsystem durch Briefkastenfirmen

 

Am 3. Juni 2021 stoppte der Europäische Gerichtshof "forum shopping" in der Leiharbeit, eine Form von Sozialdumping, bei der Briefkastenfirmen in Ländern mit niedrigen Sozialkosten Arbeitnehmer in Länder mit höheren Arbeitskosten entsenden. Es ging um das Leiharbeitsunternehmen Team Power Europe mit Sitz in Warna am Schwarzen Meer, das eine Zulassung der Arbeitsagentur Düsseldorf zur Personalüberlassung in Deutschland hat und Leiharbeiter mit bulgarischen Arbeitsverträgen einstellt. Die Verträge mit den Entleihfirmen unterliegen deutschem Recht. Team Power Europe betreibt in Bulgarien keinerlei Geschäftstätigkeit und der gesamte Umsatz stammt aus Deutschland.

 

Aus diesem Grund verweigerten die bulgarischen Behörden die Ausstellung einer Bescheinigung A1, womit die betroffenen Arbeitnehmer der bulgarischen Sozialversicherung angehören würden. Hiergegen klagte das Unternehmen vor dem Verwaltungsgericht Warna, das die Frage im Oktober 2019 dem Europäischen Gerichtshof vorlegte. Nach Meinung der Richter "könnte ein solcher Gebrauch dieser Regelung die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten und letztlich möglicherweise auch das von diesen Systemen gebotene Schutzniveau unter einen Abwärtsdruck setzen". Weiterhin würde dies "eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Inanspruchnahme von Leiharbeit" hervorrufen.

 

Diese Meinung vertraten auch die Regierungen von Bulgarien, Belgien, Estland, Frankreich, Polen und Finnland in einer Erklärung an den Europäischen Gerichtshof. Ein Leiharbeitsunternehmen muss einen nennenswerten Teil seiner Tätigkeit im Heimatland erbringen, um eine Bescheinigung A1 beantragen zu können. Der Generalanwalt des Gerichtshofs hatte in seinen Schlussanträgen eine andere Position vertreten, wogegen die Gewerkschaften ausdrücklich protestierten. In zwei Grundsatzurteilen hatte der Europäische Gerichtshof im Dezember 2007 die Niederlassungsfreiheit noch höher eingestuft als den Schutz von Sozialstandards (siehe Bericht in den EBR-News 4/2007).

 

Das Urteil im Wortlaut

Pressemitteilung der Gewerkschaft IG BAU

Pressemitteilung der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter

  6. Neue Betriebsräte nehmen ihre Arbeit auf

US-Flugzeugzulieferer verlegt EBR nach Deutschland

 

Seit 1. Januar 2021 hat die TransDigm Group einen Europäischen Betriebsrat für 5.000 Beschäftigte in elf europäischen Ländern, davon die Hälfte im Vereinigten Königreich. Der Konzern entstand durch das Zusammenkaufen zahlreicher Hersteller von Flugzeugkomponenten und war zunächst im Besitz von Finanzinvestoren. Obwohl er unter die EBR-Richtlinie fiel, gab es noch keinen Europäischen Betriebsrat. Erst mit dem Aufkauf von Esterline Technologies im März 2019, wo es bereits einen EBR nach britischem Recht gab, wurde dies aktuell.

 

Die Betriebsparteien verzichteten auf die Bildung eines Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG). Sie überarbeiteten die EBR-Vereinbarung der neuen Tochtergesellschaft Esterline und dehnten sie auf den gesamten Konzern aus. Die Verhandlungen wurden am 9. Dezember 2020 abgeschlossen. Als zentrale Leitung fungiert Telair in Miesbach (Oberbayern), obwohl die Belegschaft in Frankreich mehr als doppelt so groß ist als in Deutschland. Offenbar war das Unternehmen nicht bereit, das sehr arbeitnehmerfreundliche französische Recht zu akzeptieren. Der EBR hat 16 Mitglieder, die einmal jährlich zusammenkommen. Das Vereinigte Königreich hat sechs, Frankreich vier, Deutschland und Belgien je zwei, Norwegen und Ungarn je einen Sitz. Länder mit weniger als 50 Beschäftigten sind nicht vertreten. Der engere Ausschuss hat sechs Mitglieder aus sechs Ländern und trifft zweimal pro Jahr die zentrale Leitung. Sitzungsorte werden vom Management vorgegeben. Die Personalabteilung organisiert die laufende Arbeit des EBR und ernennt einen Assistenten, der auch die Protokolle der Sitzungen führt. Die Arbeitnehmerseite wählt einen Sekretär und dessen Stellvertreter.

 

Enge Fristen und starke Kontrolle durch die Personalabteilung

 

Einen besonderen Wert legt die EBR-Vereinbarung auf die frühzeitige Unterrichtung und Anhörung bei Akquisitionen, Veräußerungen und Fusionen. In außergewöhnlichen Umständen bekommt der engere Ausschuss zunächst schriftliche Informationen und kann ein einziges Mal zusätzliche Unterlagen anfordern. Innerhalb von zehn Tagen muss die eingehende Prüfung abgeschlossen sein. Danach findet die außerordentliche Sitzung statt. Sieben Tage später muss er seine Stellungnahme einreichen und nach weiteren sieben Tagen erfolgt die begründete Antwort des Managements. Die EBR-Mitglieder unterliegen einer sehr umfassenden Vertraulichkeit und  müssen hierzu eine Schulung besuchen. Jede formale Mitteilung des EBR an die Belegschaft muss von der Personalabteilung genehmigt sein. Der EBR kann Sachverständige seiner Wahl hinzuziehen, die zentrale Leitung kann jedoch Alternativen vorschlagen. Bei Meinungsverschiedenheiten gibt es ein dreistufiges Mediationsverfahren, erst danach ist der Gang zum Arbeitsgericht möglich.



Französischer Elektronikentwickler gründet EBR

 

Am 26. Januar 2021 wurde am Hauptsitz von Lacroix Electronics in Montrevault-sur-Èvre (Loire-Region) eine Vereinbarung zur Gründung eines Europäischen Betriebsrates unterzeichnet. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Leiterplatten für die Automobilindustrie, für das Gesundheitswesen, die Luftfahrt und für Gebäudeautomation (Smart Home). An den Standorten in Frankreich und Deutschland wird das Design entworfen, in Polen und Tunesien produziert. Insgesamt hat Lacroix 3.200 Beschäftige.

 

Von den 2.100 Beschäftigten in der EU entfallen 1.500 auf Polen, das acht Sitze im EBR bekommt. Frankeich kann drei und Deutschland einen Delegierten entsenden. Der Vorsitz liegt beim Arbeitgeber, die Arbeitnehmerseite wählt einen Sekretär und vier weitere Mitglieder in das Koordinierungskomitee. Sie treffen sich mindestens zweimal pro Jahr. Auch Plenarsitzungen des EBR finden zweimal pro Jahr statt. In weiten Teilen entspricht die EBR-Vereinbarung genau den subsidiären Bestimmungen der EU-Richtlinie, enthält aber auch einige Besonderheiten. So kann z. B. die Anhörung nicht in der gleichen Sitzung stattfinden, in der die Unterrichtung erfolgt. Externe Sachverständige dürfen nur zu speziellen Themen an den Sitzungen teilnehmen, wenn sie ausdrücklich vom Vorsitzenden - dem Arbeitgeber - eingeladen wurden. Jedes EBR-Mitglied kann pro Amtszeit 70 Stunden Englisch- oder Französisch-Kurse in Anspruch nehmen. Alle Kosten werden von der zentralen Leitung getragen, der EBR hat aber kein eigenes Budget, was für Frankreich sehr ungewöhnlich ist.



Europäischer Spartenbetriebsrat für französischen Kunststoffhersteller

 

Am 6. Mai 2021 wurde am Sitz von Hutchinson in Paris eine freiwillige Vereinbarung zur Bildung einer "Gruppe zum europäischen Wirtschafts- und Sozialaustausch" unterzeichnet. Diese Art von EBR steht außerhalb jeder gesetzlichen Verpflichtung. Hutchinson produziert Dichtungs- und Antriebssysteme für Autos, Flugzeuge und andere Industrien und gehört zum Mineralölkonzern Total, dessen SE-Betriebsrat alle gesetzlichen Unterrichtungs- und Anhörungsrechte wahrnimmt. In ihm sind Delegierte von Hutchinson vertreten (siehe Bericht in den EBR-News 3/2020).

 

Der freiwillige EBR von Hutchinson tagt halbjährlich unter dem Vorsitz des Arbeitgebers, abwechselnd in Präsenzsitzung und als Videokonferenz. Er hat 15 Mitglieder, darunter vier aus Frankreich, drei aus Polen und zwei aus Deutschland, die 20.000 Arbeitnehmer in neun Ländern vertreten. Dem engeren Ausschuss gehören sieben Delegierte aus mindestens fünf Ländern an. Neben den Sitzungszeiten hat jeder Delegierte zwei bis sechs Tage Freistellungsanspruch pro Jahr. Die Zuständigkeiten des EBR beinhalten neben der Analyse von Geschäftszahlen auch Industriepolitik, Sozialpolitik, Arbeits- und Gesundheitsschutz, nachhaltige Entwicklung und Umweltverantwortung.

  7. Aktuelle SE-Umwandlungen

Abschaffung der Mitbestimmung in zwei Schritten

 

Seit dem 2. März 2021 ist das Logistikunternehmen Müller - Die lila Logistik eine Europäische Gesellschaft (SE). Der Sitz befindet sich in Besigheim (bei Stuttgart), insgesamt gibt es 1.500 Beschäftigte an 16 Standorten in Deutschland und drei in Polen. Müller entwickelt komplette Logistikkonzepte im Bereich Supply Chain Management und bietet klassische Logistikdienstleistungen. Die Kombination aus Unternehmensberatung und Kontraktlogistik wird durch die Farbe Lila symbolisiert.

 

Die SE-Beteiligungsvereinbarung wurde am 27. Mai 2020 unterzeichnet und sieht die Errichtung eines SE-Betriebsrats vor. Er hat die gleiche Zusammensetzung wie das Besondere Verhandlungsgremium: neun Mitglieder aus Deutschland und zwei aus Polen. Jedes Land ab zwölf Arbeitnehmern ist im SE-Betriebsrat vertreten. Der geschäftsführende Ausschuss hat zunächst drei Mitglieder und wird auf vier aufgestockt, wenn weitere Länder hinzukommen. Jedes Jahr finden zwei Plenarsitzungen statt. Der Begriff "Sitzung" bezeichnet eine Präsenzsitzung in Abgrenzung zum Begriff der Videokonferenz. Beschlüsse und Wahlen können auch in Videokonferenzen und im schriftlichen Umlaufverfahren per E-Mail durchgeführt werden.

 

Anhörungsverfahren mit engen Fristen

 

Der SE-Betriebsrat muss seine Stellungnahmen innerhalb von drei Wochen nach der Sitzung mit der zentralen Leitung abgeben, in außergewöhnlich dringenden Angelegenheiten sogar innerhalb von zehn Kalendertagen. Während normalerweise nur Verlagerungen, Stilllegungen und Massenentlassungen als außergewöhnlicher Umstand gelten, der ein Anhörungsverfahren auslöst, zählt die Vereinbarung bei Müller auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder oder Schaffung neuer Dienstleistungen dazu. Sofern die zentrale Leitung nicht entsprechend der Stellungnahme des SE-Betriebsrates handelt, ist ein zweites Anhörungsverfahren vorgesehen, um eine Einigung herbeizuführen. Auch hier sind genaue Fristen festgelegt. Der Aufsichtsrat hatte bis Mai 2019 sechs Sitze, davon zwei Arbeitnehmervertreter. Durch eine neue Gruppenstruktur verloren die Arbeitnehmervertreter ihre Mandate. Die Umwandlung in eine SE schreibt diese Flucht aus der Mitbestimmung nun auf Dauer fest.

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung



Französischer Automobilzulieferer gründet SE-Betriebsrat

 

Seit dem 9. März 2021 firmiert Valeo als Europäische Gesellschaft (SE). Das Unternehmen gehört mit 110.000 Beschäftigten zu den zehn größten Automobilzulieferern der Welt. Am 28. Januar 2021 wurde in Paris die SE-Beteiligungsvereinbarung unterzeichnet. Der bisherige Europäische Betriebsrat wird durch einen SE-Betriebsrat ersetzt, der elf Länder vertritt. Das Vereinigte Königreich wird nicht erfasst, kann aber zwei Jahre lang noch einen Beobachter zu den internen Vorbesprechungen der Arbeitnehmerseite entsenden.

 

Der Vorsitz im SE-Betriebsrat liegt beim Arbeitgeber, nur Länder ab 150 Beschäftigten sind vertreten. Sie wählen neun Mitglieder ins Präsidium, darunter den Sekretär und seinen Stellvertreter. Der SE-Betriebsrat kann weitere Kommissionen bilden. Er tagt zweimal jährlich, das Präsidium quartalsweise, immer im Großraum Paris. Die Tagesordnung wird vorher abgesprochen, das letzte Wort hat aber der Vorsitzende (der Arbeitgeber). Vor jeder Sitzung finden Vorbesprechungen der Arbeitnehmerseite statt. Einige Themen wie Einführung neuer Arbeitsmethoden, Produktionsverlagerungen oder Personalabbau werden nicht im SE-Betriebsrat, sondern im Präsidium behandelt. Eine Anhörung erfolgt immer dann, wenn mindestens 100 Arbeitsplätze oder 25% der Belegschaft eines Standortes von einer Maßnahme betroffen sind. Unterrichtungen auf lokaler Ebene beginnen, nachdem der SE-Betriebsrat unterrichtet wurde - niemals vorher.

 

Die Delegierten haben Anspruch auf 40 bis 200 Freistellungsstunden pro Jahr zusätzlich zu offiziellen Sitzungen und Reisezeiten sowie drei Schulungstage in der vierjährigen Amtszeit. Hinzu kommen 60 Stunden Englisch-Kurs pro Jahr. Anders als in Frankreich üblich, hat der SE-Betriebsrat kein eigenes Budget. Stattdessen werden alle Kosten übernommen, inklusive ein Büro mit einer Assistenzstelle. Sachverständige werden für die volle vierjährige Amtszeit bestellt, können aber in begründeten Fällen ausgewechselt werden. Die elektronische Kommunikation des SE-Betriebsrates mit der Belegschaft ist im kollektiven Kontext verboten.

 

Bildung von SE-Gesamtbetriebsräten

 

In Ländern, in denen es keine standortübergreifenden Betriebsräte gibt (z. B. Spanien oder Belgien), treffen sich die Mitglieder des SE-Betriebsrates dieses Landes zweimal jährlich mit je zwei Vertretern aller Betriebe. So wird in der SE-Beteiligungsvereinbarung eine Art Ersatz-Gesamtbetriebsrat etabliert. Dem Verwaltungsrat von Valeo, der aus 15 Mitgliedern besteht, gehören zwei Arbeitnehmervertreter an: der Sekretär des bisherigen Europäischen Betriebsrates aus Polen sowie ein ehemaliges Mitglied des französischen Gesamtbetriebsrates. In Frankreich müssen Arbeitnehmervertreter bei der Wahl in den Verwaltungsrat ihre Betriebsratsfunktionen aufgeben.

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung

Der Umwandlungsplan im Wortlaut

Bericht über Arbeitsplatzabbau in Deutschland



Anpassung der Mitbestimmung an das digitale Zeitalter

 

Unter dieser Überschrift präsentierte der Volkswagen-Konzern am 26. März 2021 seine neue Software-Tochtergesellschaft Cariad SE. 4.000 Ingenieure und Entwickler sollen den Software-Eigenanteil im Fahrzeug von derzeit zehn auf über 60% steigern. Dies beinhaltet Fahrerassistenzsysteme, digitale Sprachassistenten, cloudbasierte Navigation, Mehrwertdienste für Parken und Flottenmanagement. In Vorbereitung des Firmenstarts war bereits am 2. Juni 2020 eine SE-Beteiligungsvereinbarung in Wolfsburg unterzeichnet worden. Alle zehn Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums kamen aus Deutschland. Eine ausländische Belegschaft soll erst nach und nach aufgebaut werden.

 

Derzeit besteht der SE-Betriebsrat aus sechs Delegierten von Cariad plus je einem Markenvertreter für Volkswagen, Audi und Porsche, die vom Volkswagen-Konzernbetriebsrat gewählt werden. Jedes neu hinzukommende Land erhält einen Sitz und bei mehr als 10% der europäischen Belegschaft weitere Sitze. Der SE-Betriebsrat führt eine jährliche Plenarsitzung durch und der gewählte Vorsitzende kann jederzeit weitere Sitzungen einberufen. Auch die zentrale Leitung kann eine Sondersitzung verlangen. Das Präsidium besteht aus sechs Mitgliedern, die sich mindestens halbjährlich treffen. Daneben gibt es einen Deutschland- und einen Auslandsausschuss mit jeweils sechs Mitgliedern und mit eigenen Vorsitzenden. Telefon- und Videokonferenzen sind jederzeit möglich. Die Betriebsratsmitglieder haben Zutrittsrecht zu allen europäischen Niederlassungen, die Reisekosten werden übernommen.

 

SE-Vereinbarung sieht erzwingbaren Sozialplan vor

 

Bei Restrukturierungen wird der SE-Betriebsrat zunächst unterrichtet und angehört, er muss seine Stellungnahme innerhalb von vier Wochen vorlegen. Sofern die zentrale Leitung beschließt, nicht entsprechend dieser Stellungnahme zu handeln, findet ein zweites Anhörungsverfahren innerhalb von weiteren zwei Wochen statt, um eine Einigung herbeizuführen. Diese SE-typische Regelung wird bei Cariad noch erweitert. Bei Betriebsänderungen ab 100 Betroffenen in zwei Ländern gelten die gleichen Regeln wie im deutschen Betriebsverfassungsgesetz (erzwingbarer Sozialplan). Der SE-Betriebsrat kann eine Schlichtungsstelle anrufen, die einen neutralen Vorsitzenden und zwei Beisitzer von jeder Seite hat und eine bindende Entscheidung trifft. Es ist die erste SE-Vereinbarung in ganz Europa mit einem derart starken Beteiligungsrecht. Der Aufsichtsrat der SE hat zwölf Mitglieder und ist paritätisch besetzt. Zwei der sechs Arbeitnehmervertreter wählt der SE-Betriebsrat von Cariad, hinzu kommt je ein Betriebsratsmitglied von Volkswagen, Audi und Porsche sowie ein externer Gewerkschaftssekretär der IG Metall.

 

Pressemitteilung zum Start des neuen Unternehmens

  8. Europaweite Betriebsvereinbarungen

Schaffung eines dauerhaften Rahmens zur Anpassung an Krisensituationen

 

Am 10. Mai 2021 unterzeichnete die zentrale Leitung des italienischen Versicherungskonzerns Generali mit dem Europäischen Betriebsrat eine gemeinsame Erklärung zur Coronakrise. Sie weist bereits über die aktuelle Pandemie hinaus und soll als Vorlage für jede größere Krise in der Zukunft dienen. Die Erklärung enthält fünf Prinzipien als Grundlage für betriebliche Vereinbarungen in allen europäischen Ländern. Gesundheit und Sicherheit gilt auch bei Telearbeit als Priorität: die maximal zulässige Arbeitszeit soll überwacht werden, außerhalb der Arbeitszeit soll eine komplette Trennung von den Unternehmensnetzwerken erfolgen sowie Emails oder Anrufe nicht mehr beantwortet werden. Auch Fortbildung, Datenschutz, psychologische Auswirkungen von Isolation im Homeoffice und die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern mit Kindern sind in der Erklärung enthalten.

 

Der engere Ausschuss des EBR wird die Einhaltung der Prinzipien und die Entwicklung der Telearbeit im Konzern regelmäßig überwachen. Der EBR von Generali verhandelte bereits mehrfach europaweite Betriebsvereinbarungen, zuletzt im September 2019 zur Förderung von Vielfalt und Inklusion (siehe Bericht in den EBR-News 3/2019). In Italien wird diese Rolle von Europäischen Betriebsräten bei der Aushandlung von transnationalen Betriebsvereinbarungen von einigen Gewerkschaften allerdings stark kritisiert (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020).

 

Pressemitteilung zur Unterzeichnung

Die Erklärung im Wortlaut



Französischer Elektronikkonzern fördert Kompetenzentwicklung

 

Am 8. Juni 2021 wurde in Paris zwischen der zentralen Leitung von Safran, Hersteller von Flugzeug- und Rüstungselektronik, und dem Europäischen Industriegewerkschaftsbund (industriALL) ein vertieftes Rahmenabkommen über Kompetenzentwicklung und Sicherung der beruflichen Laufbahn geschlossen. Es baut auf einem Abkommen vom März 2015 auf (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015) und gilt für den Europäischen Binnenmarkt, die Schweiz und das Vereinigte Königreich. Der Konzern will die Belegschaft auf Veränderungen des Marktes rechtzeitig und transparent vorbereiten.

 

Für jeden Arbeitnehmer in Europa gibt es ein jährliches Karrieregespräch mit einem Vorgesetzten und die persönliche Weiterbildungszeit wird bis 2025 von 18 auf 26 Stunden angehoben. Koordiniert wird die innerbetriebliche Weiterbildung von der Safran University mit Standorten im Großraum Paris und in Toulouse. Sie soll künftig alle europäischen Länder betreuen, vor allem bei der Kompetenzentwicklung zur Digitalisierung. Safran will gezielt die berufliche Mobilität fördern, auch durch das Angebot von Auslandsaufenthalten. Eine Beobachtungsstelle für Berufe und Kompetenzen aus sieben Mitgliedern des EBR und des Managements legt jährlich einen Bericht vor. Im Fall von Umstrukturierungen oder Auftagseinbrüchen sind frühzeitige soziale Maßnahmen und Hilfen zur Umschulung vorgesehen. Eine ähnliche Regelung hatte auch der Europäische Betriebsrat des deutschen Chemiekonzerns Bayer im November 2019 getroffen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2020).

 

Pressemitteilung zur Unterzeichnung

 

Trotz intensiver Vertragspolitik blieb der Brexit lange umstritten

 

Bei Safran wurde bereits im März 2013 eine europaweite Vereinbarung zur beruflichen Eingliederung junger Menschen geschlossen (siehe Bericht in den EBR-News 2/2013). Und seit Oktober 2017 gibt es ein beispielhaftes weltweites Rahmenabkommen (siehe Bericht in den EBR-News 4/2017). Für den Europäischen Betriebsrat war es jedoch lange Zeit unmöglich, den Status der britischen Delegierten nach dem Brexit zufriedenstellend zu regeln. Die zentrale Leitung weigerte sich, das zweitwichtigste Land nach Frankreich im Geltungsbereich der EBR-Vereinbarung und der europäischen Abkommen zu belassen. Erst am 30. März 2021 kam es zu einer Einigung. In einem Nachtrag zur EBR-Vereinbarung wurde der engere Ausschuss von fünf auf sieben Mitglieder aufgestockt, von ihnen sollen vier nicht aus Frankreich kommen. Über die Wahlmodalitäten der britischen EBR-Mitglieder gab es im Juli 2013 eine Entscheidung des Central Arbitration Committee (siehe Bericht in den EBR-News 3/2013).

  9. Der Blick über Europa hinaus

Gesundheitsschutz bei französischem Catering- und Gebäudedienstleister

 

Am 15. März 2021 verständigte sich die Unternehmensleitung von Sodexo mit dem globalen Verband der Lebensmittelgewerkschaften auf eine Absichtserklärung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Gastronomie. Sodexo betreibt Gemeinschaftsverpflegung und Gebäudemanagement für Firmen, Behörden, Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser in 64 Ländern mit 420.000 Beschäftigten und gehört damit zu den zwanzig größten Arbeitgebern der Welt. Die Gesundheitsvereinbarung baut auf einem Rahmenabkommen über grundlegende soziale Rechte vom Dezember 2011 auf (siehe Bericht in den EBR-News 4/2011).

 

Weltweit soll in allen Betriebseinheiten eine Gefährdungsbeurteilung den Schutz vor Berufskrankheiten und Unfällen präventiv unterstützen, dies soll regelmäßig auf internationaler Ebene überwacht werden. Lokale Arbeitnehmervertretungen sollen Betriebsvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz mit dem lokalen Management aushandeln. Kein Arbeitnehmer soll Repressalien befürchten, wenn er berechtigte Sorgen hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes vorbringt. Ein gesondertes Kapitel fasst die Maßnahmen zur Corona-Pandemie zusammen. Seit Juni 2017 gibt es bei Sodexo auch ein Abkommen zur Verhinderung sexueller Belästigung (siehe Bericht in den EBR-News 3/2017).

 

Bericht über die Unterzeichnung der Absichtserklärung

Die Absichtserklärung im Wortlaut



Erste weltweite Betriebsvereinbarung zur Telearbeit

 

Am 26. April 2021 unterzeichnete die zentrale Leitung von Renault eine weltweit geltende Vereinbarung mit den Gewerkschaften über die Rahmenbedingungen von Telearbeit. Sie gilt für 180.000 Beschäftigte des französischen Automobilherstellers, der 40 Produktionsstätten in 16 Ländern hat, außerhalb Europas insbesondere in Lateinamerika, Nordafrika und Asien. Die Vereinbarung baut auf dem internationalen Rahmenabkommen zur Entwicklung der Arbeitswelt vom Juli 2019 auf (siehe Bericht in den EBR-News 2/2019).

 

Die Teilnahme an Telearbeit bei Renault ist freiwillig und umkehrbar. Der Arbeitgeber stellt den Schutz der Privatsphäre, die Einhaltung von Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregelungen sowie von bestehenden Tarifverträgen sicher. Es gibt ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Auf dieser Grundlage sollen vor Ort die jeweiligen Arbeitnehmervertretungen und Werksleitungen konkrete Abmachungen aushandeln. Einmal im Jahr wird ein Bericht über die Umsetzung dieser Grundsätze dem Weltbetriebsrat vorgelegt, den es seit März 2015 gibt (siehe Bericht in den EBR-News 2/2015).

 

Bericht von der Unterzeichnung

Die Vereinbarung im Wortlaut



Britischer Rohstoffkonzern konsultiert halbjährlich mit den Gewerkschaften

 

Am 10. Mai 2021 verständigte sich die zentrale Leitung von Anglo American, deren Sitz sich in London befindet, mit dem Internationalen Industriegewerkschaftsbund (industriALL) in Genf auf eine schriftliche Vereinbarung zur künftigen Zusammenarbeit. Der Konzern hat 95.000 Beschäftigte insbesondere im südlichen Afrika, in Lateinamerika und Australien, wo er Rohstoffe abbaut und verarbeitet. Er steht für 40% der weltweiten Diamanten- und Platinförderung, aber auch für Kohle und metallische Rohstoffe.

 

In der Vereinbarung erkennt Anglo American industriALL als Gesprächspartner auf globaler Ebene an und verpflichtet sich zur Einhaltung der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation. Das Unternehmen wird durch interne Mechanismen sicherstellen, dass die gesamte Belegschaft Zugang zu diesen Grundrechten erhält. Die Vereinbarung erstreckt sich zudem auf Gesundheit und Sicherheit, die Einführung neuer Technologien und einen gerechten Übergang für Arbeiter der Kohleindustrie. Seit Dezember 2019 nahmen bereits Vertreter des Managements von Anglo American an den Treffen des weltweiten Gewerkschaftsnetzwerks von industriALL teil, künftig ist halbjährlich ein Forum vorgesehen.

 

Bericht über den Abschluss der Vereinbarung

Bericht über das weltweite Gewerkschaftstreffen 2019

  10. Kampagnen und Dialogforen

Tarifflucht durch Drohung mit Massenentlassungen

 

Am 22. April 2021 startete die britische Gewerkschaft Unite eine gezielte Kampagne gegen die Methode des "Fire and Rehire". Sie besteht darin, Beschäftigte zu entlassen, wenn sie nicht zu schlechteren Bedingungen einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben. Im Februar 2021 stoppte das oberste schottische Gericht diese Methode, in England ist sie weiterhin legal. Der britische Gewerkschaftsbund TUC veröffentlichte im Januar 2021 eine Untersuchung, wonach in der Corona-Pandemie davon jeder zehnte Arbeitnehmer betroffen war (siehe Bericht in den EBR-News 1/2021).

 

Ein besonders spektakuläres Beispiel lieferte British Gas, größter britischer Energieversorger, der alle 20.000 Beschäftigten zu einem Sanierungsbeitrag von 15% der Lohnkosten aufforderte. Bei gleicher Bezahlung wird die wöchentliche Arbeitszeit um drei Stunden erhöht und Zuschläge an Wochenenden und Feiertagen entfallen. Im Januar 2021 begannen 7.000 Beschäftigte im Außendienst, die Kessel und Heizsysteme installieren und reparieren, mit tageweisen Streiks. Immer mehr akzeptierten jedoch die neuen Bedingungen und am Ende blieben noch 1.000 übrig, denen am 1. April 2021 mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt wurde. In dieser Zeit konnten sie ihre Meinung noch ändern und neue Verträge unterzeichnen - oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Etwa die Hälfte von ihnen war nicht bereit, auf diese Erpressung einzugehen - und ist jetzt arbeitslos.

 

Die Kampagne von Unite

Pressebericht über die Kampagne

Gesetzesinitiative "Stop Fire & Rehire"

Pressebericht über British Gas



"Operation Sunrise" provoziert europaweiten Aktionstag

 

Am 19. April 2021 organisierten Gewerkschaften aus 16 Ländern einen Aktionstag im US-Konzern IBM, um gegen den geplanten Abbau von 10.000 der momentan 90.000 Arbeitsplätze in Europa zu protestieren. IBM will sein altes IT-Geschäft in eine völlig neue Einheit namens Kyndryl ausgliedern. Die Massenentlassungen sind für die Belegschaft nicht nachvollziehbar, denn IBM konnte in der Corona-Pandemie Umsatz und Gewinnmargen steigern.

 

In einem offenen Brief an das europäische Management beklagten die Gewerkschaften am Aktionstag den verwirrenden Mangel an Transparenz. Es gebe keine objektiven Kriterien für diese Entscheidung. Nachdem über fünf Wochen hinweg keine Antwort kam, wandten sich die Gewerkschaften am 27. Mai 2021 an die Konzernzentrale in den USA und forderten eine Dringlichkeitssitzung, um Klarheit über die Pläne zu erhalten.

 

Bericht über den Aktionstag

Der offene Brief an das europäische Management von IBM

Die Aufforderung an das US-Management zu einer Dringlichkeitssitzung



Öffentliche Auftragsvergabe soll an Tarifverträge gekoppelt werden

 

Am 28. April 2021 startete der Europäische Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften (UNI) in Brüssel eine Kampagne, um die Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe von Kommunen, Regierungen und staatliche Einrichtungen zu ändern. Fast 14% des Bruttoinlandsproduktes der EU werden auf diesem Weg von privaten Auftragnehmern erbracht. Künftig sollen nur noch solche Unternehmen Aufträge erhalten, die sich an Tarifverträge halten.

 

Bisher zählt der Preis mehr als alle anderen Aspekte, wenn Dienstleistungen wie Reinigung, Pflege, Gebäudesicherheit oder Call Center vergeben werden. Dies befeuert einen Wettlauf um die niedrigsten Löhne und die niedrigsten sozialen Standards. Am 22. März 2021 hatten 106 Gewerkschaften aus 29 Ländern die Europäische Kommission aufgefordert, gesetzgeberisch tätig zu werden. Am Justice Day, dem Tag der Gerechtigkeit für Reinigungskräfte und Sicherheitspersonal am 15. Juni 2021, schlossen sich 23 Abgeordnete des Europäischen Parlaments aus mehreren Fraktionen dem Aufruf an.

 

Erläuterungen zum Start der Kampagne

Online-Formular zur Unterstützung der Kampagne

Der offene Brief an die Europäische Kommission

Die Unterstützer aus dem Europäischen Parlament



Bürgerdialog zur Weiterentwicklung der EU

 

Am 9. Mai 2021, dem Europatag, wurde in Straßburg die Konferenz zur Zukunft Europas feierlich eröffnet. Die Konferenz ist ein Dialogprozess über digitale Plattformen und Bürgerpanels in 24 Sprachen, der über ein ganzes Jahr läuft und den es zuvor noch nie gab. Jeder kann Anregungen geben, wie die EU auf zukünftige Herausforderungen reagieren sollte und wie eine demokratischere und handlungsfähigere EU erreicht werden kann. Dabei können alle Themen angesprochen werden, vom Klimawandel über soziale Ungleichheiten bis zur Digitalisierung. Auf einer Abschlussveranstaltung 2022 sollen unter französischer Ratspräsidentschaft Ergebnisse diskutiert und eine grundlegende Reform der EU angestoßen werden. Dadurch erhofft sich das Europäische Parlament zusätzliche Kompetenzen.

 

Die Webseite der Konferenz

Erläuterung über die Ziele und den Ablauf der Konferenz

Veranstaltungen zum Thema Wirtschaft und Beschäftigung

Forderungen der Gewerkschaften für ein soziales Europa

  11. Neue Publikationen

Nationale Traditionen von Tarifverhandlungen

 

Am 27. April 2021 legte der Verband der Dienstleistungsgewerkschaften UNI einen Bericht über die Systeme von Tarifverhandlungen in Europa vor. Sie sind von den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, von Traditionen, Sitten und Gebräuchen des jeweiligen Landes abhängig. Trotz einer großen Vielfalt lassen sich fünf geografische Cluster identifizieren. In Skandinavien und Ländern des germanisch geprägten Modells (Deutschland, Österreich, BeNeLux) wird meist auf der Branchenebene verhandelt und es kommt zu Flächentarifverträgen. In den Mittelmeerländern finden Tarifverhandlungen auf Branchen- und Unternehmensebene statt, die Tarifbindung ist trotz niedriger Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sehr hoch. Mit Ausnahme von Italien spielt der Staat eine wichtige Rolle in den Arbeitsbeziehungen. Dagegen gibt es in den angelsächsischen Ländern (inklusive Südzypern und Malta) sowie in Mittel- und Osteuropa fast keine Flächentarifverträge und wenig staatliche Eingriffe. Tarifbindung und gewerkschaftlicher Organisationsgrad sind geringer als in anderen Regionen Europas. Eine Ausnahme ist Slowenien, das mit Deutschland und Österreich verglichen werden kann. Der Bericht ist in drei Sprachen verfügbar.

 

Download des Berichts

Momentaufnahme über Tarifverhandlungen in der Dienstleistungsbranche

Erfahrungsbericht aus der Reinigungsbranche in Deutschland



Gewerkschaften und Digitaler Wandel in ausgewählten Ländern

 

Am 28. April 2021 publizierte die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Sammelband, der die Frage untersucht, wie sich Gewerkschaften der neuen Arbeitswelt im Digitalzeitalter stellen. In dem Projekt "Gewerkschaften im Wandel 4.0" wurde untersucht, wie Gewerkschaften und neue Organisationen von Beschäftigten Macht aufbauen, und zwar in zwölf mehrsprachigen Fallstudien von Arabisch über Englisch bis hin zu Portugiesisch. Diese neuen Ansätze und Strategien wurden dann in fünf Veranstaltungen innerhalb von drei Monaten in diversen Zeitzonen vorgestellt, diskutiert und simultan gedolmetscht. Daraus entstand dieser Sammelband, der in vier Sprachen vorliegt. Er enthält Fallstudien z. B. über Automobil-Gewerkschaften in Brasilien, die Arbeitswelt von Banken in Uruguay und Rumänien, den IT-Sektor in Israel, Transportarbeiter in Südkorea sowie Essenskuriere in Belgien, den Niederlanden und Argentinien oder die weltweite Basisbewegung der YouTuber.

 

Download des Sammelbandes

Weitere Informationen über das Projekt und Download der übrigen Sprachversionen



Juristische und empirische EBR-Studie aus Polen

 

Am 5. Mai 2021 ist dieser Abschlussbericht eines von der EU finanziell geförderten Projekts des polnischen Gewerkschaftsbundes Solidarność mit dem Titel "Verarbeitung betriebswirtschaftlicher Daten durch Europäische Betriebsräte als Schlüsselfaktor für eine effektive Kommunikation und Verhandlung" erschienen. Er untersucht und vergleicht die EBR-Gesetze in sechs Ländern hinsichtlich des Zugangs zu betriebswirtschaftlichen Daten und den Regeln für Geheimhaltung. Neben Italien und Spanien sind es die vier mittel- und osteuropäischen Länder Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Polen. Der zweite Teil des Berichts erläutert die Ergebnisse einer Befragung von Arbeitnehmervertretern aus 27 Unternehmen, die eines dieser sechs Länder als Delegierte im EBR vertreten. Da es in Mittel- und Osteuropa fast keine Konzernzentralen gibt, wurde in Bulgarien, Kroatien und Rumänien bisher noch kein einziger EBR gegründet, in Polen gibt es einen einzigen.

 

Download des Berichts

Weitere Dokumente des Projekts



Umgang mit vertraulichen Informationen im EBR

 

Am 14. Mai 2021 legte das Europäische Gewerkschaftsinstitut in Brüssel das vierte einer Reihe von Handbüchern für Europäische Betriebsräte vor. Es befaßt sich mit der Behinderung des Informationsflusses durch überzogene Regeln zur Vertraulichkeit. Eine im Mai 2020 veröffentlichte Untersuchung zeigte die Probleme auf (siehe Bericht in den EBR-News 2/2020). Es sind Vertraulichkeit und Geheimhaltung zu unterscheiden: Die zentrale Leitung kann Informationen als "vertraulich" bezeichnen und dem EBR verbieten, diese mit anderen zu teilen (z. B. mit lokalen Betriebsräten). Die zentrale Leitung kann sich aber auch weigern, dem EBR Informationen offenzulegen (geheim zu halten), weil Börsenregeln dies verbieten oder Schaden für das Unternehmen entstehen könnte. Das Handbuch hilft, zwischen berechtigten und unberechtigten Ansprüchen zu unterscheiden und zeigt, was ein EBR tun kann, wenn die Vertraulichkeit in unzulässiger Weise eingesetzt wird.

 

Download des Handbuchs

Download der empirischen Studie zur Vertraulichkeit

  12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit

Konstituierung des EBR gegen den Willen des Arbeitgebers

Am 29. Januar 2021 konstituierte sich der Europäische Betriebsrat des US-Telekommunikationsunternehmens Verizon nach irischem Recht. Die alte EBR-Vereinbarung endete im Oktober 2020, daher gelten jetzt die subsidiären Bestimmungen des EBR "kraft Gesetz" (siehe Bericht in den EBR-News 4/2020). Bis zuletzt versuchte die zentrale Leitung, die Videokonferenz zu verhindern, um weiter Zeit zu gewinnen. Die Konstituierung solle erst dann erfolgen, wenn alle Länder ihre Delegierten benannt haben. Der EBR wollte jedoch unverzüglich seine Arbeit aufnehmen und wählte fünf Mitglieder für ein halbes Jahr in den engeren Ausschuss. Die EWC Academy wurde als Sachverständigenbüro bestellt. Seit dem 28. April 2021 ist bekannt, dass Verizon sein digitales Mediengeschäft (Yahoo und AOL) verkauft, was ein Konsultationsverfahren mit dem EBR auslöst.

 

Bericht über den Verkauf der Mediensparte



Mobilfunkbetreiber auf der Suche nach neuer EBR-Grundlage

Seit dem 29. März 2021 unterstützt die EWC Academy den Europäischen Betriebsrat von Telefónica bei der Überarbeitung der zuletzt im November 2013 aktualisierten EBR-Vereinbarung (siehe Bericht in den EBR-News 4/2013). Gegründet wurde er 2004 nach britischem Recht für die Mobilfunkgesellschaft O2 und blieb nach der Übernahme durch den spanischen Telefónica-Konzern im Amt. Telefónica selbst hat bis heute keinen EBR. In den letzten Jahren wurden immer mehr Landesgesellschaften verkauft, zuletzt O2 UK in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Virgin Media ausgegliedert. Seit dem 1. Juni 2021 hat er nur noch Mitglieder aus Deutschland.



Schulung für ein (aufgelöstes) Besonderes Verhandlungsgremium

Am 8. Juni 2021 führte die EWC Academy eine Schulung für die Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums von Vesuvius durch. Das Unternehmen mit Sitz in London stellt Feuerfestmaterialien für die Stahlindustrie her und hat Produktionsstätten in zehn europäischen Ländern. In der Vorbereitung auf diese Schulung stellte sich heraus, dass bereits im Juni 2020 ein EBR "kraft Gesetz" hätte installiert werden müssen und die sechsmonatige Frist zur Aufnahme von Verhandlungen ergebnislos verstrichen war. Die zentrale Leitung spielt auf Zeit und will sich so lange wie möglich der Verpflichtung zur Unterrichtung und Anhörung entziehen, weil sie mit dem ehemaligen Europäischen Betriebsrat schlechte Erfahrungen gemacht hat. Zwei Verfahren vor dem Central Arbitration Committee in London hatte sie verloren (siehe Bericht in den EBR-News 1/2020).

  13. Aktuelle Seminartermine

Die EWC Academy und ihre Vorläuferorganisation führt seit Januar 2009 Tagungen und Seminare für Mitglieder von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien durch. Bisher haben daran 844 Arbeitnehmervertreter aus 292 Unternehmen teilgenommen, viele von ihnen auch mehrfach. Das entspricht 25% aller transnationalen Betriebsratsgremien in Europa. Hinzu kommen zahlreiche Inhouse-Veranstaltungen und Gastvorträge bei anderen Veranstaltern.

 

Überblick über die bevorstehenden Seminartermine



13. Hamburger Fachtagung für Europäische und SE-Betriebsräte (neuer Termin)


Wie jedes Jahr findet auch 2021 unsere Fachtagung statt, allerdings aufgrund der Corona-Pandemie nicht zum üblichen Termin im Januar, sondern am 13. und 14. September 2021. Zu Beginn werden neueste Entwicklungen in der EBR- und SE-Landschaft und rechtliche Folgen des Brexit diskutiert, danach folgen Fallbeispiele aus Unternehmen. Einer der Schwerpunkte wird der korrekte Umgang mit vertraulichen Informationen sein, die der EBR erhält - oder auch nicht erhält (siehe Bericht in den EBR-News 2/2020). Am zweiten Tag ist alternativ dazu ein Kurzseminar zu Werkverträgen vorgesehen.

 

Bericht von der letzten Hamburger Fachtagung



Inhouse-Veranstaltungen


Eine Übersicht über mögliche Themen für Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:

 

Beispiele für Inhouse-Seminare

  14. Impressum

Die EBR-News werden herausgegeben von:

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