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27.
September 2005
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1.
EBR und EU-Osterweiterung -
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Am 1. Mai 2004 sind
zehn Länder der Europäischen Union beigetreten. Diese
Erweiterung der EU bedeutete auch eine Erweiterung der
Europäischen Betriebsräte. In der
Hälfte aller Unternehmen, die unter die EBR-Richtlinie fallen,
gibt es Standorte in den Ländern Mittel- und Osteuropas
(MOE-Länder). Mehrere Forschungsprojekte haben sich in den
letzten Monaten diesem Thema gewidmet. Wie sieht die Bilanz aus? Einige
Ergebnisse stellen wir heute vor.
Doch zunächst
interessiert uns die gewerkschaftliche Perspektive. Aline
Hoffmann leitet in der Vorstandsverwaltung der IG Metall das
EBR-Team. Unsere Newsletter-Redakteurin Kathleen Kollewe hat bei ihr
nachgefragt, welche Erfahrungen im Bereich der Metall-, Elektro- und
Textilindustrie nach fast anderthalb Jahren mit der Erweiterung der
Europäischen Betriebsräte gemacht wurden. Weitere
Themen des Interviews waren die EBR-Gründung in kleineren und
mittleren Unternehmen, die Erfahrungen bei Restrukturierungen und die
Wünsche der IG Metall hinsichtlich der Revision der
EBR-Richtlinie.
Mit der Nominierung und Integration der
mittel- und osteuropäischen Delegierten in den EBR
beschäftigt sich eine Studie der Technischen
Universität Darmstadt. In 14 Konzernen untersuchte Prof. Dr.
Hermann Kotthoff, wie die ersten Kontakte zwischen West und Ost
abgelaufen sind: von der Kontaktaufnahme über die erste
EBR-Sitzung über den Umgang mit der Frage der Lohnunterschiede
bis hin zum Mehrwert des EBR für die Delegierten aus den
EU-Beitrittsländern. Kotthoff - bekannt für seine sehr
lebensnahen und eingängigen Formulierungen - beschreibt
konkret, wie die Erweiterung des EBR in einzelnen Fällen gut
oder auch weniger gut bis überhaupt nicht funktioniert hat und woran es lag. Ein Beispiel
aus der Startphase eines erweiterten EBR zeigen, wie wichtig der Aufbau
von Transparenz und Vertrauen zwischen West und Ost ist:
Die westeuropäischen
EBR-Mitglieder unterstellen ihren mittel-osteuropäischen
Kollegen, daß sie mit ihren Werksleitern unter einer Decke
stecken und einen Niedriglohn-Pakt praktizieren, um Aufträge
an Land zu ziehen ... Umgekehrt verdächtigen die
osteuropäischen Vertreter die westeuropäischen
EBR-Mitglieder im Konzern-Stammhaus, ihren großen
Einfluß auf die Konzernleitung zu einer
anti-östlichen Politik auszunutzen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Studie
beschäftigt sich mit den Merkmalen der Betriebsverfassung in
der Tschechischen und der Slowakischen Republik.
Die
Broschüre befindet sich noch in Druck, kann aber schon
vorbestellt werden:
Hermann Kotthoff
EU-Osterweiterung: die aktuelle
Herausforderung für den Europäischen Betriebsrat
Erste Basiskontakte zwischen West und Ost
Eine Kurzrecherche im Auftrag der
Hans-Böckler-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung
Düsseldorf 2005, 63 Seiten, € 10,-
→ Vorbestellung
der Broschüre
Mit aktuellen Entwicklungen
des Arbeitsrechts - insbesondere der Umsetzung von
EU-Richtlinien in Mittelosteuropa (Europäische
Betriebsräte, Europäische Aktiengesellschaft sowie
Information und Konsultation) - beschäftigte sich das
ViVe-Projekt, auf das wir im letzten Newsletter im Länderschwerpunkt
Polen bereits hingewiesen hatten. Das EU-geförderte
Projekt wurde durch Wilke, Maack und Partner (wmp-consult) in Hamburg
gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut in
Brüssel im Mandat des Europäischen
Metallgewerkschaftsbundes (EMB) und der Europäischen
Föderation der Chemiegewerkschaften (EMCEF)
durchgeführt.
Neben Polen standen auch die
Tschechische Republik und Ungarn im Mittelpunkt der Projektes, das rund
30 Fallstudien in Unternehmen der Metall- und Chemiebranche sowie
nationale Hearings mit Spitzenvertretern von Ministerien,
Verbänden und Unternehmen beinhaltete. Gegenüber den
EBR-News zog Projektleiter Eckhard Voss folgendes Resümee:
Die Beteiligung der
Arbeitnehmer an betrieblichen Restrukturierungsprozessen stellt einen
Kerngedanken des "Europäischen Sozialmodells“ dar.
Unsere empirischen Untersuchungen zeigen die Bedeutung der
EU-Richtlinien zur Arbeitnehmerbeteiligung bei der Sicherstellung
entsprechender Minimalstandards. Noch wichtiger jedoch: Sie
stärken die Idee des Sozialen Dialogs auf betrieblicher Ebene.
Es gilt noch keineswegs als ausgemacht, ob sich kooperative
Unternehmenskulturen in Mittelosteuropa tatsächlich
durchsetzen werden oder die Beteiligung auf bloße
Informations- und Konsultationsrechte beschränkt bleibt.
Ein
weiteres Forschungsprojekt unter dem Titel "Die Auswirkungen
von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen auf die
Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa" ist ebenfalls
gerade zu Ende gegangen. Ein Forschungsteam des Instituts Arbeit und
Wirtschaft der Universität Bremen suchte an den Standorten von
Bosch, Continental, Henkel, Nestlé, Oetker, RWE,
Sanofi-Aventis, Siemens und Volkswagen in Polen, Tschechien und der
Slowakei Antworten auf Fragen wie:
Die
Ergebnisse des Projekts wurden auf einer Abschlußkonferenz am
9./10. Juni 2005 in Warschau vorgestellt. Projektleiter Dr. Jochen
Tholen erläuterte gegenüber den EBR-News die
wesentlichen Ergebnisse der Studie hinsichtlich der Arbeit
Europäischer Betriebsräte:
Für
die MOE-Vertreter bedeutet die EBR-Zugehörigkeit einen
wesentlich verbesserten Zugang zu Informationen für ihre
Arbeit in ihrem nationalen Kontext. Der EBR selbst
ist noch weit davon entfernt, Mittler zwischen Ost und West zu sein,
denn er kann nur so gut sein, wie die Europäischen
Betriebsräte vor der EU-Erweiterung bereits gewesen sind.
Zusammenfassende
Betrachtung
In
der September-Ausgabe der Fachzeitschrift Personalführung
ist ein von Dr. Werner Altmeyer, Mitglied im Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de", verfaßter Artikel
erschienen, der die wichtigsten Forschungsergebnisse zu den Konzepten
des Managements und zur Betriebsverfassung in den mittel- und
osteuropäischen Beitrittsländern
zusammenfaßt. Wer sich in knapper Form informieren will, kann
den Beitrag downloaden oder sich auf unserer Sonderseite eingehender
zum Thema informieren.
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2.
Was tut sich bei neuen
EU-Richtlinien?
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Die Richtlinie über Europäische
Betriebsräte
Seit
April 2004 läuft das Verfahren zur Revision der
EBR-Richtlinie. Im März 2005 begann die zweite Phase
der Konsultationen mit den Sozialpartnern, indem die
Europäische Kommission in einem Papier zum Thema
"Umstrukturierung und Beschäftigung" Stellung nahm und
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ersuchte, in eigener
Regie den Text einer veränderten EBR-Richtlinie auszuhandeln.
Inzwischen liegen die Antworten hierauf vor.
Der
Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) möchte
schnellstmöglich zur Verabschiedung einer verbesserten
EBR-Richtlinie kommen und bemängelt in seiner Antwort vom
14./15. Juli 2005 daher, daß es an einer konkreten
Zeitvorgabe seitens der Europäischen Kommission fehlt und von
ihr keine Vorschläge für die Inhalte einer neuen
EBR-Richtlinie gemacht wurden. Weiterhin kritisiert er die
Zusammenfassung mehrerer Gesetzgebungsverfahren bezüglich
"Europäische Betriebsräte" und "Umstrukturierungen".
Ein EBR beschäftigt sich nicht ausschließlich mit
Restrukturierungsfragen, und Restrukturierung ist kein exklusives
EBR-Thema - so die Kernaussage des EGB.
Der
europäische Dachverband der Arbeitgeberverbände UNICE
vertritt in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2005 nach wie vor die
Auffassung, das Gesetzgebungsverfahren zur Revision der EBR-Richtlinie
sei weder wünschenswert noch notwendig. Derzeit sammelt UNICE
europaweit Informationen bei seinen Mitgliedsverbänden
über die Art und Weise, wie einzelne Arbeitgeber und
Arbeitnehmervertretungen mit Restrukturierungsfragen umgehen. Die
folgenden Dokumente sind nur in englischer und französischer
Sprache verfügbar:
Sollte
es bis zum Sozialgipfel im Frühjahr 2006 keine Fortschritte
geben, wäre es wohl Aufgabe der Europäischen
Kommission, einen Gesetzesvorschlag zu formulieren. Nähere
Informationen sowie zahlreiche Dokumente zum Download haben wir auf
einer Sonderseite
zusammengestellt, die regelmäßig aktualisiert wird.
Umsetzung der
EU-Antidiskriminierungsrichtlinien
Mehrere EU-Richtlinien zum
Schutz vor Benachteiligung wegen Geschlecht, Religion, Weltanschauung,
Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder ethnischer Herkunft
hätten bereits bis 2003 in nationales Recht umgesetzt werden
müssen (wir berichteten in den EBR-News 4/2004).
In Frankreich, Spanien, Italien und Schweden wurden entsprechende
Gesetze rechtzeitig erlassen, Österreich hatte die Richtlinien
nur zum Teil umgesetzt. Folgerichtig leitete die Europäische
Kommission gegen die übrigen EU-Mitgliedsstaaten ein
Vertragsverletzungsverfahren ein und erhob schließlich gegen
Deutschland, Luxemburg, Griechenland, Österreich und Finnland
Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Am 28. April 2005 wurde Deutschland vom EuGH wegen Nichtumsetzung der
Richtlinien verurteilt – und das ist teuer, mit jedem
weiteren Tag der Nichtumsetzung summiert sich die zu leistende
Strafzahlung. Nun verhinderte die vorgezogene Bundestagswahl das
Inkrafttreten des bereits vom Deutschen Bundestag verabschiedeten
Antidiskriminierungsgesetzes (ADG). Dieses war zwar im Bundesrat nicht
zustimmungspflichtig, aber durch den vom Bundesrat erhobenen Einspruch
konnte das Verfahren vor der Wahl nicht mehr zum Abschluß
gebracht werden.
Das ADG hätte
für die Arbeit von Betriebsräten durchaus
nützlich sein können, z. B. bot es die
Möglichkeit einer Unterlassungsklage gegen den Arbeitgeber bei
diskriminierendem Verhalten. Jetzt bleibt Betriebsräten
vorerst nur, das Betriebsverfassungsgesetz zu nutzen, insbesondere
durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen.
Antidiskriminierung ist auch ein Thema für den EBR. Dort
sollte es allerdings nicht nur besprochen werden, sinnvoll ist
vielmehr der Abschluß einer EBR-Vereinbarung, die
beispielsweise auch einschlägige Fortbildungen auf die Agenda
setzen kann.
Fusionsrichtlinie
verabschiedet
Über
sie wurde viel spekuliert und vor allem viel gestritten: die
Fusionsrichtlinie (10. Richtlinie) regelt u. a. die Corporate
Governance bei grenzüberschreitenden Fusionen. Im schlimmsten
Fall - so die Befürchtungen - hätte sie die deutsche
Aufsichtsratsmitbestimmung weitgehend aushebeln können.
Nachdem der Ministerrat am 20. September 2005 dem vom
Europäischen Parlament zuvor bereits beschlossenen Text
zugestimmt hat, könnte sie noch dieses Jahr in Kraft treten.
Die Inhalte:
-
Gilt
in den beteiligten
Ländern ein unterschiedlich hohes Niveau der Mitbestimmung,
sollen Konzernleitung und Arbeitnehmervertreter eine Regelung
aushandeln.
-
Kommt
keine Einigung zustande,
gilt ein Mitbestimmungsniveau, wie es vor der Fusion für
mindestens ein Drittel der Belegschaft galt. Gegenüber der
Europäischen Aktiengesellschaft ist dies eine
Verschlechterung, denn dort greift die Auffangregelung bereits bei 25%.
-
Bei
späteren Fusionen
haben die einmal getroffenen Regelungen drei Jahre Bestandsschutz.
-
Länder,
in denen
Aufsichtsrat und Vorstand in einem einzigen Gremium (= Verwaltungsrat)
zusammengefaßt sind, können die Arbeitnehmermandate
auf ein Drittel begrenzen.
Die
Fusionsrichtlinie ist jedoch nur das Vorspiel für ein weiteres
europäisches Gesetzesvorhaben: die sogenannte 14. Richtlinie
soll grenzüberschreitende Sitzverlegungen von Unternehmen
erleichtern. Damit wäre die Flucht aus starken
Mitbestimmungssystemen erneut ein Thema.
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3.
Europäische Betriebsräte in der Praxis
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Wir berichteten in den EBR-News 1/2005
über eine Studie von Prof. Dr. Hermann Kotthoff, der die
Arbeit Europäischer Betriebsräte in zwölf
Konzernen untersucht hatte. "Wie stark prägt das deutsche
Mitbestimmungsmodell die EBR-Arbeit?" war eine seiner Fragen, die er in
dem Buch "Lehrjahre des Europäischen Betriebsrats.
Zehn Jahre transnationale Arbeitnehmervertretung" bald
beantworten wird. Der Autor hat uns exklusiv das Recht
eingeräumt, schon jetzt seine Typologie unterschiedlicher
Formen von EBR-Arbeit vorzustellen. In jeder Ausgabe der EBR-News lesen
Sie ab jetzt von einem anderen EBR-Typ.
Typ
1: Der EBR als "mitgestaltendes Arbeitsgremium"
Im
Typ 1 ist der EBR - genauer gesagt: der Lenkungsausschuß des
EBR - ein kontinuierlich arbeitendes Gremium, das sich nicht auf ein
oder zwei Plenumssitzungen im Jahr beschränkt. Die
Ausschußmitglieder stehen untereinander in engem Kontakt. Der
EBR mischt sich in die „heißen“ Themen
auf Konzernebene ein: Betriebsschließungen,
Produktionsverlagerungen und konzernweite Restrukturierungsprogramme.
Er ist in der Lage, hierzu eine einheitliche Position zu formulieren
und in einen intensiven Dialog mit dem Konzernmanagement einzubringen.
Er hat zu einigen Fragen bereits Vereinbarungen mit der Europaleitung
ausgehandelt (z. B. über das Prozedere bei
Betriebsschließungen), die zwar rechtlich nicht bindend sind,
aber gleichwohl eingehalten werden.
Zwischen dem
Spitzenmanager des Konzerns und dem EBR-Vorsitzenden ist eine
informelle Dialogebene entstanden, die offen und belastbar ist. Es hat
sich eine Vertrauensbasis entwickelt. Erstaunlich: unter den
Konzernen dieses EBR-Typus findet sich kein deutscher, alle
haben ihren Hauptsitz in angelsächsischen Ländern
(USA, Großbritannien). Es gibt zwei wichtige Merkmale
für diesen Typ: eine bestimmte Managementstruktur des Konzerns
und eine bestimmte Struktur der Interessenvertretung.
1.
Die Standorte sind über ganz Europa verteilt, es gibt kein
beherrschendes Stammwerk. Für den Konzern ist Europa bereits ein
Land ("Eurocompany"). Alles, was das "alte Europa" ausmacht,
Länderunterschiede und Eigenheiten, wird vom Management
glattgeschliffen.
2. Die Entscheidungsstruktur
ist hochgradig zentralisiert bei operativer Dezentralisierung.
Für die Hauptproduktgruppen gibt es mindestens zwei Standorte
in Europa. Diese Standorte sind austauschbar. Wir haben es hier mit
einer Konzernstruktur zu tun, die in der Managementliteratur als
"global" bezeichnet wird. Die großen
Nahrungsmittelkonzerne sind Musterbeispiele dafür,
deren Europazentrale - in drei Fällen der Studie in London
angesiedelt - quasi alles entscheidet: über einheitliche
Programme, detailliertes Benchmarking und scharfes Controlling.
Fazit: Keine Betriebsstätte, kein Stammhaus, kein
Land dominiert die Arbeitnehmervertretung. Die deutsche Mitbestimmung
ist lediglich eine Facette im Gesamtbild der
Vertretungsstruktur. Gerade weil sie nicht bis London reicht, und
ebenfalls auch keine andere nationale Vertretungskultur "von Natur aus"
dominant ist, kann Neues leichter entstehen.
Dieses
Muster beschreibt lediglich einen von fünf EBR-Typen. Einen
Überblick über die vier weiteren Typen finden Sie hier.
EBR
von Suez
kritisiert unvollständige Informationen
Das
Management des
französischen Suez-Konzerns möchte die bisher
selbständigen europäischen Energietöchter
zusammenfassen und mit "Suez Energy Services" Europas
größte Energiegruppe bilden. Der EBR
befürchtet erhebliche Arbeitsplatzverluste in dieser Sparte.
Im Verlauf einer EBR-Sitzung in Paris am 17. Juni 2005 stellten die
Delegierten fest, daß der Lenkungsausschuß des EBR,
der EBR-Ausschuß für die Energiesparte und einzelne
nationale Betriebsräte unterschiedliche Informationen vom
Arbeitgeber erhalten hatten. Aus diesem Grund soll nun eine
Arbeitsgruppe innerhalb des EBR gebildet werden, um die kommenden
Entwicklungen in der Energiesparte genauer zu analysieren und ein
Gegeneinander-Ausspielen zu verhindern. Am 8. September 2005 traf sich
der Lenkungsausschuß des EBR in Paris, um die
Übernahme des belgischen Unternehmens Electrabel und die
mögliche Umwandlung von Suez in eine Europäische
Aktiengesellschaft zu diskutieren. Suez ist in der Strom-, Gas und
Wasserversorgung sowie in der Abfallentsorgung tätig, in
Deutschland mit dem Unternehmen SITA. Folgende Texte liegen nur in
englischer Sprache vor:
Betriebsräte
der Bank Austria warnen vor "feindlicher Übernahme"
Wir berichteten im letzten
Newsletter über die Fusion von UniCredit und
HypoVereinsbank (HVB Group). Am 30. Juni 2005 nahm auch der
europäische Gewerkschaftsdachverband UNI Finance hierzu
Stellung. Die Betriebsräte der Bank Austria Creditanstalt,
Tochter der HypoVereinsbank, warnten am 7. September 2005 in Wien vor
einer Zerschlagung ihrer Bank, was einer "feindlichen
Übernahme" gleichkäme.
EBR
wird trotz Fusion nur unzureichend informiert
Im
Juli 2005 wurde das britische
Getränkeunternehmen Allied Domecq von der
französischen Pernod-Ricard-Gruppe übernommen, die
damit weltweit zur Nummer 2 im Markt für alkoholische
Getränke und Wein aufgestiegen ist. Im Vorfeld hatte der EBR
von Allied Domecq (bekannte Marken sind Ballantines oder
Kümmerling) vergeblich versucht, über die
Konsequenzen der Fusion informiert zu werden. Befürchtet
werden Arbeitsplatzverluste insbesondere in Spanien. Die
Europäische Föderation der
Nahrungsmittelgewerkschaften (EFFATT) forderte daher am 8. Juli 2005 in
einer Presseerklärung die Respektierung der Informations- und
Konsultationsrechte des Europäischen Betriebsrates von Allied
Domecq.
Veranstaltungshinweis
Am
4. November 2005
führt der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) in
Brüssel eine Tagung durch, um erste Ergebnisse einer
großangelegten EBR-Untersuchung zu präsentieren. Im
Auftrag mehrerer europäischer
Gewerkschaftsföderationen befragte der britische
Wissenschaftler Prof. Jeremy Waddington Tausende von EBR-Mitgliedern
aus allen Industriezweigen nach den Problemen, die sich in ihrer
täglichen Arbeit stellen. Prof. Waddington hatte im letzten
Jahr bereits eine EBR-Studie im Auftrag der ver.di-Bundesverwaltung
durchgeführt (wir berichteten in den EBR-News 4/2004).
Nach
Meinung des EGB wird diese Tagung einen sehr wichtigen Beitrag im
Rahmen der laufenden Debatte über die Revision der
EBR-Richtlinie leisten. Sie soll aufzeigen, wo Europäische
Betriebsräte auf verbesserte Rahmenbedingungen und
Unterstützung angewiesen sind.Die Veranstaltung wird simultan
in Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch gedolmtscht.
Anmelden können sich sowohl EBR-Mitglieder als auch
interessierte Wissenschaftler und Gewerkschaftssekretäre. Die
Reisekosten werden vom EGB übernommen.
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4. Abkommen mit globaler Reichweite
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Am
28. Juni 2005 wurde in Paris zwischen dem Europäischen
Betriebsrat und der Konzernleitung des Flugzeug- und
Rüstungsherstellers EADS ein weltweit
gültiges Rahmenabkommen über soziale Mindeststandards
unterzeichnet. Aktive Förderung des Umwelt- wie auch des
Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Gleichberechtigung der Geschlechter
und lebenslanges Lernen sind einige der Prinzipien, die
zukünftig auch in den Standorten außerhalb Europas
gelten sollen.
Am
15. August 2005 wurde für die 8.000 Beschäftigten der
Röchling-Gruppe, die in der Herstellung von technischen
Kunststoffen, Automobiltechnik und Elektronik tätig ist, ein
internationales Rahmenabkommen unterzeichnet. Vertragspartner ist neben
den Gewerkschaften auch der Europäische Betriebsrat das
Familienunternehmens mit Sitz in Mannheim. Röchling
will nicht nur die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation
(ILO) einhalten, sondern auch seine Geschäftspartner
ermuntern, sich den Prinzipien gesellschaftlicher Verantwortung zu
verpflichten.
Am
7. September 2005 wurde beim deutschen Schreibgerätehersteller
Schwan-Stabilo am Sitz des Unternehmens
in
Heroldsberg (Bayern) ein weltweit gültiges Rahmenabkommen
über soziale Mindeststandards unterzeichnet. Es sieht einen
Überwachungsausschuß vor, dem u. a. Vertreter des
Betriebsrates und der IG Metall angehören.
Am
12. September 2005 unterzeichneten in Paris mehrere Gewerkschaften mit
der Konzernleitung der französischen Baugruppe Lafarge
ein internationales Rahmenabkommen, das weltweit in 75 Ländern
gelten wird. Mindestens einmal jährlich soll eine
Arbeitsgruppe die Einhaltung der Normen überprüfen.
Diese Regelung kann faktisch schon als erster Schritt zur
Gründung einer weltweiten Arbeitnehmervertretung betrachtet
werden. Die folgenden Seiten sind nur auf Englisch verfügbar:
Auch Arcelor möchte
seine soziale Verantwortung
weltweit wahrnehmen und schloß als erster Stahlkonzern am 13.
September 2005 in Luxemburg ein Rahmenabkommen über
Mindeststandards mit den Gewerkschaften. Die Vereinbarung regelt Fragen
des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Umwelt, des sozialen Dialogs
und der vorausschauenden Gestaltung des industriellen Wandels. Ein von
Gewerkschaften und Management gemeinsam gebildeter Ausschuß
wird die Umsetzung des Abkommens überwachen.
Eine
englischsprachige Übersicht aller bisher abgeschlossenen
Rahmenabkommen finden Sie hier.
Offshoring-Abkommen
bei CSC
Am 4. August 2005 wurde
zwischen dem US-amerikanischen IT-Dienstleistungskonzern Computer
Sciences Corporation (CSC) und Amicus, der
größten britischen Gewerkschaft der
Privatwirtschaft, ein Haustarifvertrag besonderer
Art geschlossen (Betriebsvereinbarungen gibt es im britischen
Arbeitsrecht nicht). Das Abkommen gilt als richtungsweisend, da zuvor
noch nie eine so weitreichende Vereinbarung mit einem US-Unternehmen
zustandegekommen war. CSC sichert darin den Erhalt von mindestens
10.000 Arbeitsplätzen im Vereinigten Königreich und
ein verläßliches Konsultationsverfahren im Vorfeld
von Produktionsverlagerungen ins Ausland (insbesondere Offshoring und
Outsourcing) zu. Die folgenden Seiten sind nur in englischer Sprache
verfügbar.
Dem
Thema "Offshoring" widmet sich auch eine Broschüre der IG
Metall unter dem Titel "Offshore - Total global?",
die hier abrufbar ist:
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5. Aktuelle Restrukturierungen in der
Elektronikindustrie
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EBR
von Hewlett-Packard gegen betriebsbedingte Kündigungen
Seit Juni 2005 gab es
immer wieder Meldungen über Massenentlassungen beim
amerikanischen Hersteller von Computer- und Kommunikationstechnik
Hewlett-Packard (HP). Rund 6.000 der 45.000 Stellen in Europa sollen im
Zuge eines Restrukturierungsprogramms wegfallen, die meisten davon in
Frankreich, Deutschland und Großbritannien in der Verwaltung.
Vor allem der Preisdruck und die Spätfolgen von
Übernahmen werden für die Kürzungen
verantwortlich gemacht. Der EBR forderte bei einer
außerordentlichen Sitzung am 8./9. September 2005 in
Brüssel, auf jegliche betriebsbedingte Kündigungen zu
verzichten. Genaue Zahlen sowie Entscheidungen hinsichtlich einzelner
Standorte wurden dem EBR noch nicht mitgeteilt.
In Frankreich, wo
laut Presseberichten 26% aller Arbeitsplätze auf der
Streichliste stehen, riefen die Gewerkschaften am 16. September 2005
zum Streik auf. Der französische Premierminister drohte
inzwischen die Rückforderung von Fördermitteln an,
falls HP Arbeitsplätze abbaue, und forderte die
Europäische Kommission auf, Maßnahmen gegen den
Stellenabbau zu ergreifen. Diese teilte jedoch mit, daß es
nicht in ihrer Kompetenz liege, einen Stellenbau bei HP zu verhindern.
Siemens-Sanierungspläne
vorerst ohne Kündigungen
Fusionen und Restrukturierungen
als zentrales Thema für den EBR war
bereits ein Schwerpunkt in den EBR-News 2/2005.
Dort finden sich Tagungsberichte sowie Dokumente zum Download. Zum
Thema "Produktionsverlagerungen" hat die IG Metall kürzlich
eine wirtschaftspolitische Analyse veröffentlicht, die auf
zwei Seiten kompakt alle wesentlichen Aspekte zusammenfaßt:
Neues
EU-Restrukturierungsforum
Am
23. Juni 2005 fand in
Brüssel in Anwesenheit von Kommissionspräsident
José Manuel Barroso, der in seiner Rede die Bedeutung der
Europäischen Betriebsräte hervorhob, die erste
Sitzung des neuen EU-Restrukturierungsforums statt. Ihm
gehören Spitzenvertreter aus EU-Institutionen, Regierungen,
Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften an. Die Diskussionen
drehten sich darum, wie die Politik helfen könne, negative
Folgen von Unternehmensrestrukturierungen zu mildern. Das Forum
erinnert ein wenig an das zwischen 1998 und 2002 in Deutschland
existierende "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und
Wettbewerbsfähigkeit". Eine Arbeitsgruppe soll jeweils die
halbjährlichen Forumstreffen vorbereiten. Angekündigt
hatte die Europäische Kommission die Gründung in
ihrer Mitteilung vom 31. März 2005, die sich auch mit der
Revision der EBR-Richtlinie befaßt.
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6. Europäische Betriebsräte und
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Das
Vereinigte Königreich gehört nach Deutschland und
Frankreich, aber noch knapp vor Italien zu den vier großen
Mitgliedsländern der EU. Stärker als die
Volkswirtschaften auf dem Kontinent ist die britische Wirtschaft von
multinationalen Konzernen beherrscht, die Anzahl EBR-fähiger
Unternehmen daher vergleichsweise hoch: rund 12% davon haben hier ihren
Hauptsitz. Rechnet man Unternehmen aus den USA, Japan oder anderen
Ländern hinzu, die ihre Europazentrale auf britischem Boden
angesiedelt haben, dürfte wohl mehr als jede vierte
EBR-Vereinbarung potentiell britischem Recht unterliegen.
Weil
die bis 1997 amtierenden konservativen Regierungen sich geweigert
hatten, die EU-Sozialgesetzgebung umzusetzen, konnte die Richtlinie
über Europäische Betriebsräte erst im Januar
2000 in Großbritannien in Kraft treten. Bis April 2005 waren
von den 258 potentiell möglichen britischen EBR-Gremien 97
gegründet (= 38 %, laut Zahlen des Europäischen
Gewerkschaftsinstituts). Diese Quote ist höher als in vielen
anderen Ländern. Bedeutet dies aber auch eine bessere
Qualität der EBR-Arbeit?
Europäische
Betriebsräte werden häufig von den Rahmenbedingungen
im Stammland geprägt. In Großbritannien
stoßen Arbeitnehmervertreter auf eine
angelsächsische Managermentalität, die sich von den
Gepflogenheiten auf dem Kontinent deutlich unterscheidet, und es gibt
keine Betriebsräte. Die Anerkennung einer
Arbeitnehmervertretung erfolgt nach wie vor durch den einzelnen
Arbeitgeber per Haustarifvertrag. Erst im Juni 2000 schuf der
Gesetzgeber einen Rechtsanspruch hierauf, was es seit der Industriellen
Revolution vorher noch nie gab. Dennoch fehlen Ressourcen, wie sie
für Betriebsräte in Deutschland oder Frankreich
üblich sind: kaum Arbeitsmittel, kein Budget, kaum Schulungs-
und Freistellungsmöglichkeiten. Im April 2005 wurde auf der
Grundlage der EU-Richtlinie über Information und Konsultation
erstmals der Zugang britischer Arbeitnehmervertreter zu
betriebswirtschaftlichen Informationen geregelt. Es verwundert daher
nicht, daß viele Impulse für eine strategische
EBR-Arbeit in der Vergangenheit eher vom Kontinent ausgegangen sind.
Neuer Ansprechpartner der britischen
Gewerkschaften
Am
1. Oktober 2005 übernimmt Sean Bamford
die Koordinierung aller EBR-Aktivitäten des britischen
Gewerkschaftsdachverbandes TUC. Der Eisenbahner war lange Jahre in der
TUC-Bildungsarbeit tätig und hat während dieser Zeit
zahlreiche EBR-Seminare veranstaltet. Werner Altmeyer, Herausgeber der
EBR-News, traf den neuen "Mister EBR" des Vereinigten
Königreichs in London und fragte ihn, wie die britischen
Gewerkschaften die Betreuung Europäischer
Betriebsräte organisieren und welche Auswirkungen die neue
EU-Richtlinie über Information und Konsultation für
betriebliche Arbeitnehmervertretungen auf der Insel haben wird.
"Wilder"
Streik bei British Airways
Die
Meldung ging durch alle Medien: infolge eines mehrtägigen
Streiks auf dem wichtigsten Londoner Flughafen Heathrow
mußten in der Hauptreisezeit mehr als 700 Flüge von
British Airways gestrichen werden, rund 100.000 Passagiere waren
betroffen. Wie kam es dazu?
Im Jahre 1997 wurde der
Catering-Service von
British Airways (BA) als eigenständiges Unternehmen
abgespalten, Eigentümerin von Gate Gourmet ist seit 2002 die
US-Investmentfirma Texas Pacific (eine sogenannte "Heuschrecke"). Die
beiden Belegschaften blieben jedoch organisatorisch eng verbunden und
werden von der gleichen Gewerkschaft (T&G) vertreten. Anfang
August 2005 kam es bei Gate Gourmet zu einem Konflikt über
einen Restrukturierungsplan. Ursache
hierfür war u. a. der Margendruck, den BA - eine der
profitabelsten Fluggesellschaften der Welt - auf ihre frühere
Tochtergesellschaft ausübt. Die neuen Eigentümer von
Gate Gourmet waren daher mit ständigen Verlusten konfrontiert,
seit Monaten wurde über einen verschlechterten
Haustarifvertrag verhandelt.
Zwei Tage vor Beginn
eines Schlichtungsverfahrens stellte die Geschäftsleitung 130
Saisonarbeiter zu untertariflichen Bedingungen ein, während
sie gleichzeitig im Rahmen eines "betrieblichen
Bündnisses" die Entlassung von Teilen der
Stammbelegschaft forderte. Da es in Großbritannien keine
Mitbestimmung hierüber gibt, blieb der Belegschaft von Gate
Gourmet keine andere Wahl, als am 10. August 2005 die Arbeit
niederzulegen. Nach der Thatcher-Gesetzgebung wäre
hierfür jedoch eine postalische Urabstimmung erforderlich
gewesen, die mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Die
Geschäftsleitung sprach daher von einem wilden Streik und
entließ 667 Beschäftigte mit sofortiger Wirkung.
Verkündet wurden die Entlassungen per Megaphon im Parkhaus des
Flughafens.
Dies
löste am 12. August 2005 einen Sympathiestreik
von rund 1.000 Gepäckarbeitern von British Airways aus, was
seit der Thatcher-Gesetzgebung ebenfalls verboten ist. Die
Fluggesellschaft mußte durch den Ausstand Verluste in
Höhe von 40 Mio. £ (58 Mio. €) hinnehmen
und erklärte sich schließlich bereit, die Zahlungen
an Gate Gourmet aufzubessern, um einen vernünftigen Sozialplan
zu ermöglichen. Über die Rücknahme von rund
200 der 667 Entlassungen wird z. Zt. verhandelt. Am 21. September 2005
wurde bekannt, daß BA gegen drei führende
Arbeitnehmervertreter am Flughafen Heathrow offiziell
Disziplinarmaßnahmen eingeleitet hat. Die Angelegenheit soll
nun zu einem Thema auf dem Parteitag der regierenden Labour Party Ende
September 2005 in Brighton werden. Die Gewerkschaften wollen dort
erneut die Rücknahme der Antistreik-Gesetzgebung der
Thatcher-Zeit fordern. Die folgenden Seiten sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
Fazit:
Einer der bittersten Arbeitskonflikte der jüngeren britischen
Geschichte zeigt die Probleme einer ungeregelten Betriebsverfassung.
Einerseits fehlen einklagbare Mitwirkungsrechte der
Arbeitnehmervertretung, andererseits sind viele Restriktionen der
Thatcher-Zeit nach wie vor in Kraft. Ein solcher Konflikt wäre
in Deutschland vor der Einigungsstelle entschieden worden, notfalls
hätten einstweilige Verfügungen der Arbeitsgerichte
den Arbeitgeber an der Umsetzung einseitig getroffener
Maßnahmen hindern können. Und schließlich
hätte der Betriebsrat eine Betriebsversammlung
während der Arbeitszeit einberufen können, die
notfalls auch mehrere Tage dauern kann, wie kürzlich bei
Alstom Power in Mannheim praktiziert. Obwohl dies kein Streik ist, kann
es natürlich zum Produktionsstillstand führen und
damit zu einer schnellen und unbürokratischen Lösung
beitragen.
Exkurs:
Die fünftägige Betriebsversammlung bei Alstom Power
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7. Allianz will Europäische Aktiengesellschaft werden
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Der
Versicherungskonzern Allianz plant, nach der Fusion mit der
italienischen Riunione Adriatica di Sicurtà (RAS), an der
er bereits seit Mitte der 80er Jahre die Mehrheit
hält, eine Europäische Aktiengesellschaft
(SE) zu gründen. RAS ist auf dem italienischen Markt die
Nummer zwei nach Generali. Die Allianz wird damit als erstes
mitbestimmtes Unternehmen in Deutschland diesen Weg
einschlagen. Bisher gibt es erst eine einzige deutsche SE, die
Go-East-Invest SE in Berlin.
Sitz
der neuen Allianz SE soll Deutschland sein, eine duale Struktur mit
Vorstand und Aufsichtsrat beibehalten werden. Die Arbeitgeberseite
möchte allerdings den Aufsichtsrat von derzeit 20 auf 12
Mitglieder verkleinern, davon sechs von der Arbeitnehmerseite. In
Italien gibt es dagegen weder eine Arbeitnehmerbeteiligung noch die
Trennung in Vorstand und Aufsichtsrat.
Wie
Jörg Reinbrecht, im Fachbereich Finanzdienstleistungen der
ver.di-Bundesverwaltung in Berlin für internationale Fragen
zuständig, gegenüber den EBR-News
erläuterte, ist ein Antrag auf Gründung eines
Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) bisher allerdings noch nicht
eingegangen. Ohne eine Mitbestimmungsvereinbarung zwischen einem BVG
und der Konzernleitung kann die SE nicht ins Handelsregister
eingetragen werden.
Die
gesellschaftsrechtliche Neuordnung ist allerdings nicht das
Hauptproblem, das die Beschäftigten z. Zt. umtreibt. Im Zuge
der SE-Gründung sollen Synergien zwischen den Sparten besser
genutzt und das Deutschlandgeschäft gebündelt werden.
Mit Ausnahme der Dresdner Bank blieben bisher alle anderen Konzernteile
von größeren Einschnitten oder gar betriebsbedingten
Kündigungen weitgehend verschont. Am 22. September 2005 legten
mehr als 1.000 Allianz-Beschäftigte die Hamburger Innenstadt
lahm (siehe Foto).
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8. Tools für die
EBR-Arbeit:
Übersetzungssoftware
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Viele
EBR-Mitglieder kennen die
Situation: während in den normalen EBR-Sitzungen noch simultan
gedolmetscht wird, entstehen beim Abendessen die ersten Probleme. Was
aber, wenn zwischen den Sitzungen ein schriftlicher Kontakt per Fax
oder e-Mail erforderlich wird und man die Sprache des Kollegen im
Ausland nicht beherrscht? Manchmal sind es nur kleine Dinge, die
geklärt werden müssen, vielleicht ist es nur die
Einladung zu einer Sitzung oder die Nachfrage nach bestimmten
Unterlagen. Hierfür gibt es eine Software-Lösung, die
für Europäische Betriebsräte wie geschaffen
ist:
Für
die alltägliche Korrespondenz ist das Programm One World
Letter eine erhebliche Entlastung. Es liefert fertige Textbausteine,
die Betriebsräte im Kontakt mit Arbeitnehmervertretungen im
Ausland ständig benötigen. Das Programm kann als
kostenlose Testversion 30 Tage lang auf Herz und Nieren
geprüft werden, danach kostet es 79 €.
Lernfähige
Softwarepakete für das
Betriebsratsbüro
Aus der Vielzahl der Angebote
haben wir die Übersetzungssysteme der Firma digital
publishing in München einmal genauer
geprüft. Kann dieses Software-Tool die Büroarbeit von
grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmervertretern
wirklich erleichtern? Welche Version wäre bei sehr geringen
Fremdsprachenkenntnissen empfehlenswert? Braucht man eine solche
Software auch dann, wenn z. B. die eigenen Englisch-Kenntnisse auf
einem verhältnismäßig guten Niveau sind?
All diese Fragen beantwortet eine Rezension, die im Oktober-Heft von
Computer-Fachwissen, der Fachzeitschrift für Betriebs- und
Personalräte zu EDV-Einsatz, Mitbestimmung und Datenschutz,
erscheinen wird.
Kleine
kostenlose Tools im Internet
Es
gibt aber auch kleine Helfer, die sofort einsatzbereit und
überdies noch kostenlos sind.
-
Kleinere Texte mit bis zu 500
Zeichen können bei Webtranslate
vom Deutschen ins Englische oder Französische und umgekehrt
übersetzt werden.
-
Mit der Online-Datenbank EMIRE
können Fachbegriffe
aus der Arbeitswelt vom Deutschen ins Englische
übersetzt werden.
-
Die Übersetzung
einzelner Wörter vom Deutschen ins Englische und umgekehrt ist
über QuickDic
online möglich.
Weitere
Informationen zu Wörterbüchern und Sprachen-Software,
die für die EBR-Arbeit nützlich sind, haben wir auf
einer Sonderseite
zusammengestellt.
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Europäisches
Gewerkschaftsinstitut für Forschung, Bildung, Arbeits- und
Gesundheitsschutz
Am 1. April 2005 wurden die in
Brüssel ansässigen Einrichtungen
-
Europäisches
Gewerkschaftsinstitut (EGI) - gegründet 1978
-
Europäisches
Technikbüro der Gewerkschaften (TGB) -
gegründet 1989
-
Europäische
Gewerkschaftsakademie (EGA) - gegründet 1990
organisatorisch
zusammengefaßt. Sie bilden jetzt Abteilungen innerhalb des
neuen, vergrößerten Instituts. Die englische
Bezeichung lautet: ETUI-REHS). Aus Anlaß des
Zusammenschlusses wurde eine neue Webseite geschaltet, die sich zwar
noch im Aufbau befindet, aber bereits Zugang zu allen Abteilungen
bietet.
Der Direktor des ETUI-REHS,
Marc Sapir, erläuterte in einem Interview die
Hintergründe der Fusion. Eines der Ziele liegt in der
Bündelung von Ressourcen, z. B. auch bei Seminaren
für Europäische Betriebsräte. Das Interview
unter dem Titel “An institute in the
bridge-building business” ist allerdings nur in
englischer und französischer Sprache verfügbar.
Newsletter aus Brüssel
Die
Abteilung Arbeits- und Gesundheitsschutz des ETUI-REHS verschickt
mehrmals pro Jahr einen kostenlosen elektronischen Rundbrief, den
HESA-Newsletter. Er befaßt sich mit allen Fragen des
betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und ist in englischer
und französischer Sprache verfügbar.
Neu
ist dagegen ein Newsletter
des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Alle zwei Monate
soll zukünftig über wichtige sozialpolitische
Ereignisse auf EU-Ebene und über die Arbeit des EGB berichtet
werden. Die Ausgabe Nr. 1 wurde Ende Juli 2005 verschickt, der
Rundbrief liegt aber nur in englischer und französischer
Sprache vor.
Neues
Portal zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
Am
14. September 2005 wurde von der Europäischen Agentur
für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Bilbao
ein neues Informationsportal für alle Fragen rund um den
betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz vorgestellt. In 20
Sprachen sind dort Informationen über Gefährdungen
abrufbar - getrennt nach Industriezweigen und verschiedenen
Arbeitnehmergruppen. Die Webseite kann an die persönlichen
Bedürfnisse angepaßt werden. In einer
Online-Bibliothek stehen Veröffentlichungen der Agentur zum
Download zur Verfügung.
Zukunft
der Dienstleistungsbranche in den Grenzregionen
In
einem Pilotprojekt haben Gewerkschaften aus Deutschland, Polen,
Tschechien und Österreich die Auswirkungen der EU-Erweiterung
auf die Grenzregionen untersucht. Schwerpunkt des vom Landesbezirk
Sachsen der Gewerkschaft ver.di koordinierten Vorhabens waren der
Bereich der persönlichen Dienstleistungen (Gesundheit,
Wellness, Tourismus) und das Verkehrsgewerbe (öffentlicher
Personenverkehr, private Transporte). Untersucht wurden insbesondere
auch die Möglichkeiten, die sich für eine
grenzüberschreitende gewerkschaftliche Gestaltung bieten.
- Die
Webseite
des Projekts ist nicht mehr online
|
Die Diskussion über
gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ("Corporate Social
Responsibility") findet zunehmend mehr Resonanz. Betriebsräte
im Inland, aber auch Europäische Betriebsräte
befassen sich mit diesem Thema. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)
hat jetzt eine Broschüre herausgegeben, die die Ergebnisse
einer gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung
durchgeführten Fachtagung dokumentiert. Darin beschreiben
beispielsweise EBR-Mitglieder des Sportartikelherstellers
adidas-Salomon und des Automobilzulieferers Bosch ihre internationalen
Aktivitäten in Sachen CSR. Die Broschüre ist
kostenlos erhältlich.
Deutscher
Gewerkschaftsbund:
Corporate
Social Responsibility (CSR)
Neue
Handlungsfelder
für Arbeitnehmervertretungen
Berlin
2005, 36
Seiten
→ Download
der Broschüre
Am
3. Oktober 2005 beginnen die Beitrittsverhandlungen zwischen der
Europäischen Union und der Türkei. In welchem Jahr
der Beitritt tatsächlich erfolgen wird, steht noch nicht fest.
Aber bereits heute ist die türkische Volkswirtschaft in
erheblichem Umfang mit der EU verflochten: in 256 Europäischen
Betriebsräten wären Delegierte aus der
Türkei vertreten, würde die EBR-Richtlinie dort heute
schon gelten (Zahlen des Europäischen Gewerkschaftsinsituts
vom Dezember 2004). Grund genug also, sich mit dem Wirtschafts-,
Sozial- und Gewerkschaftssystem des Landes näher zu
beschäftigen. Das DGB-Bildungswerk hat hierzu gemeinsam mit
der IG Metall ein Länderprofil Türkei erstellt.
DGB-Bildungswerk/IG
Metall:
Länderprofil:
Türkei
Tradition
und Wandel
Düsseldorf/Frankfurt
am Main 2005, 52 Seiten, € 3,50
→ Download
der Broschüre
Eine
wertvolle Hilfe für Europäische Betriebsräte
bietet das 2005 neu aufgelegte "Europäische
Arbeitsrecht“ von Dagmar Schiek. Das 329-seitige Werk setzt
weder Kenntnisse deutschen (oder österreichischen) noch
europäischen Rechts voraus und ist durch seine systematische
Gliederung ein gutes Nachschlagewerk. Sämtliche elf seit 1997
verabschiedeten EU-Richtlinien wie auch der im Oktober 2004
unterzeichnete (aber noch nicht in Kraft getretene) Verfassungsvertrag
der EU werden berücksichtigt. Auch Antworten zu "Was ist eine
Quelle des Gemeinschaftsrechts?“, "Was ist Primär-
und Sekundärrecht der EU?“, "Wodurch unterscheiden
sich Verordnung und Richtlinie?" etc. sind leicht aufzufinden und
werden kurz und kompetet beantwortet. Die 37 Seiten zum kollektiven
Arbeitsrecht der EU fassen in Kürze die wesentlichen
Rechtsprobleme zum Thema EBR und zur Europäischen
Aktiengesellschaft zusammen.
Dagmar Schiek:
Europäisches
Arbeitsrecht
2. Auflage, Baden-Baden 2005,
329 Seiten, ISBN 3-8329-1253-3, € 39,-
→ Nähere
Informationen
→ Online-Bestellung
Die wirtschaftliche Verflechtung der beiden
wichtigsten Mitgliedsländer der EU, Deutschland und
Frankreich, schreitet voran. Eine strategische Arbeit im
Europäischen Betriebsrat setzt voraus, die Prozesse zu
verstehen, wie in beiden Ländern eine Aushandlung von
Arbeitszeitregelungen oder von Sozialplänen konkret
abläuft. Die Autorin hat im Rahmen ihrer durch die
Hans-Böckler-Stiftung geförderten Dissertation hierzu
Unternehmen in den Bereichen Flugzeugbau, Elektroindustrie und
Möbeleinzelhandel besucht, die über Standorte in
beiden Ländern verfügen, und dort Interviews
geführt. Wie wird mit Überstunden, Wochenendarbeit
oder Arbeitszeitkonten in beiden Ländern umgegangen und welche
Akteure im Betrieb übernehmen bei den Verhandlungen welche
Rolle?
Akima
Hamandia:
Arbeitszeitgestaltung
in Deutschland und Frankreich
Ein
Vergleich der
Aushandlungsprozesse am Beispiel multinationaler Unternehmen
München/Mering
2005, 333 Seiten, ISBN 3-87988-920-1, € 32,80
→ Nähere
Informationen
→ Online-Bestellung
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11. Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de":
Beispiele aus unserer
Arbeit
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Die Arbeitnehmerseite im EBR
des japanischen Konzerns Epson hatte auf einer Sitzung im April 2005 in
Barcelona beschlossen, die aus dem Jahre 1997 stammende
EBR-Vereinbarung zu kündigen. Teile dieser nach
niederländischem Recht geschlossenen Vereinbarung liegen
unterhalb der Mindestvorschriften der EU-Richtlinie über
Europäische Betriebsräte. Dr. Werner Altmeyer vom
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" hatte zuvor Punkte
benannt, die in anderen Unternehmen üblich und für
eine Anpassung an den heutigen Standard bedeutsam sind. In der letzten
EBR-Sitzung Ende Juni 2005 in Amsterdam wurde nun mit der
Konzernleitung ein Verfahren vereinbart, um einen konkreten
Textvorschlag für eine neue EBR-Vereinbarung zu entwerfen.
Anfang
Juli 2005 konstituierte sich der Europäische Betriebsrat des
LKW-Anhänger-Produzenten Schmitz Cargobull am Konzernsitz in
Horstmar im Münsterland. Die Delegierten benannten Dr. Werner
Altmeyer, der auf Vorschlag der IG Metall bereits im Vorfeld der
Unterzeichnung der EBR-Vereinbarung für die
Betriebsräte beratend tätig war, als
Sachverständigen für den neugegründeten EBR
(siehe auch EBR-News
2/2004).
Ebenfalls
Anfang Juli 2005 konstituierte sich der Europäische
Betriebsrat der Deutschen Bahn in Potsdam. Mit Unterstützung
von Werner Altmeyer als Sachverständigen (siehe Bericht
in den EBR-News 1/2004) konnten der Konzernleitung bereits im
Vorfeld wichtige Zugeständnisse abgerungen werden: zwei
jährliche EBR-Sitzungen, ein achtköpfiger
Lenkungsausschuß und die Einrichtung eines eigenen
Sekretariats mit zwei Planstellen. Um die Interessenvertretungskulturen
der beteiligten Länder sowie der Eisenbahn- und der LKW-Sparte
(Spedition Schenker) besser zusammenzuführen, sind als
Ergänzung zu den EBR-Sitzungen auch Regionalveranstaltungen in
Nord-, Süd- und Mittelosteuropa in der Planung. Die
Durchführung dieses ambitionierten Projekts wird derzeit von
der Europäischen Akademie für umweltorientierten
Verkehr (EVA) in Berlin vorbereitet.
Gespräche
in Newcastle
Am
15. September 2005 fand an der nordenglischen Universität
Northumbria ein Gespräch über internationale
Kooperationen bei Beratung und Information von Europäischen
Betriebsräten statt. Der Leiter des Fachbereichs Soziologie
und des Work and Employment Research Centre (WERC)
in Newcastle upon Tyne, Prof. Dr. John Stirling, ist mit seinem Team
seit Jahren in der
Forschung, Ausbildung und Beratung von Europäischen
Betriebsräten tätig. Das WERC möchte sich an
einem Verbund mit dem INFO-Institut in Saarbrücken (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2005), der Groupe Alpha in Paris (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2005), dem Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" und anderen beteiligen.
EBR-News
à la française
Die letzte Ausgabe der
EBR-News liegt als Kurzfassung auch in französischer
Sprache vor. Sonia Mesters von der Groupe ALPHA in Paris hatte sowohl
Teile des Newsletters wie auch die Interviews mit den neuen
Generalsekretären des Europäischen
Metallgewerkschaftsbundes, Peter
Scherrer, und der Europäischen
Transportarbeiterföderation, Eduardo
Chagas, übersetzt und über Verteiler der
Groupe Alpha innerhalb von Frankreich verschickt.
Unsere
Publikationstätigkeiten
Das
Lexikon "Wirtschaftswissen für den Betriebsrat"
hat neue Herausgeber. Die Professoren Thomas Blanke und Thomas Breisig
von der Universität Oldenburg haben diese Aufgabe
kürzlich übernommen und ein optisch wie auch
inhaltlich überarbeitetes Konzept präsentiert. Beide
haben das Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de"
beauftragt, die Themenbereiche "Europäischer Betriebsrat"
(Autor: Werner Altmeyer) sowie "Corporate Social Responsibility und
soziale Mindeststandards" (Autorin: Reingard Zimmer) beizusteuern. Da
es sich bei diesem Lexikon um eine Loseblattsammlung handelt, werden
alle Beiträge in regelmäßigen
Zeitabständen immer wieder aktualisiert.
In
der letzten
Ausgabe
der EBR-News hatten wir über eine Tagung in
Brüssel berichtet. Dort wurde die Rolle Europäischer
Betriebsräte in Umstrukturierungsprozessen diskutiert, nachdem
die EBR-Arbeit in den Unternehmen Miroglio, Reckitt Benckiser und
Schneider Electric untersucht worden war. Kathleen Kollewe hat diese
Tagung ausführlich in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Arbeitsrecht im
Betrieb beschrieben, der im Oktober-Heft
veröffentlicht wird.
Weitere
Veröffentlichungen finden Sie
auf unserer Publikationsseite.
Empfehlungen
in der Presse
Die
Gewerkschaft ver.di betreibt mit ver.di-innotec
eine Einrichtung, die Informationen zu Fragen der Innovations- und
Technologiepolitik liefert. In ihrem Newsletter vom 1. Juli
2005 wurden die EBR-News und unsere Webseite besonders
hervorgehoben. Die neue
Fachzeitschrift der betriebsrat, die wir bereits im
letzten
Newsletter vorgestellt hatten, brachte im August-Heft auf
Seite 4 in der Rubrik "infos & news" einen besonderen Hinweis
auf unsere Webseite.
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