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31.
Oktober 2010
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1.
Europäische Konzerne verletzen Arbeitsrecht in den USA
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Heuchelei
europäischer Konzerne kritisiert
Am 2. September 2010 legte die Menschenrechtsorganisation Human
Rights Watch in New York eine Studie über Verletzung
internationaler Arbeitsstandards durch europäische Konzerne in
den USA vor. Darin sind namentlich genannt: der Mobilfunkbetreiber
T-Mobile (Tochter der Deutschen Telekom), der Paketdienstleister DHL
(Tochter der Deutschen Post), die niederländische Gamma
Holding, die französischen Konzerne Saint Gobain, Sodexo und
andere. Ihnen wird vorgeworfen, in Europa ihre soziale Verantwortung
herauszustellen und gleichzeitig jede Möglichkeit zu nutzen,
die sich aus dem schwachen US-Arbeitsrecht ergibt.
Insbesonders werden
Einschüchterungen
und Kündigungen als Mittel genutzt, um die Bildung von
Arbeitnehmervertretungen zu verhindern. Auch die
Ikea-Tochtergesellschaft Swedwood war erst im Juli 2010 durch
ähnlich rüde Methoden in den USA aufgefallen,
während sie mit den europäischen
Arbeitnehmervertretungen gerade die Bildung eines Europa- und
Weltbetriebsrates vereinbart hatte (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010). Bei
der Deutschen Telekom unterstützt die Gewerkschaft ver.di die
US-Arbeitnehmer bei der Anerkennung von Gewerkschaftsvertretungen:
Auch bei DHL wird
weltweit Respekt eingefordert:
Arbeitsrechtliche
Reform auf dem Prüfstand
Seit dem 10. März 2009
liegt der neueste Entwurf zum "Employee Free Choice Act" (EFCA) dem
Kongreß der Vereinigten Staaten vor. Mit dem Gesetz soll die
Anerkennung ("recognition") von Gewerkschaften als Tarifpartei
für Haustarifverträge erleichtert werden, wenn eine
Mehrheit der Belegschaft dies durch Unterschrift fordert. Das Gesetz
beendet einen tariflosen Zustand nach 120 Tagen durch verbindliche
Schlichtung und erhöht die Strafen für Firmen, die
Arbeitnehmer für gewerkschaftliche Tätigkeit
diskriminieren. Ob der Gesetzentwurf eine Mehrheit findet, ist derzeit
ungewiss. Sollte das von Präsident Barack Obama
unterstützte Gesetz verabschiedet werden, hätten die
USA eine bessere Regelung als das Vereinigte Königreich. Alle
folgenden Texte sind nur in englischer Sprache verfügbar:
Transatlantische
Gewerkschaftsfusion
Die größte
Einzelgewerkschaft der britischen Inseln, Unite, hat mit der
größten nordamerikanischen Gewerkschaft der
Privatwirtschaft, USW, fusioniert. Gewerkschaften aus weiteren
Ländern sind eingeladen, sich der neuen Organisation "Workers
Uniting" anzuschließen. Derzeit hat sie drei Millionen
Mitglieder im Vereinigten Königreich, in der Republik Irland,
in den USA, in Kanada und in der Karibik. Die britische Gewerkschaft
Unite war im Mai 2007 durch Verschmelzung von zwei
Multi-Industriegewerkschaften entstanden (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007).
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2.
Union-Busting in Europa
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Großbritannien: Tummelplatz von
Gewerkschaftsjägern
Da es im
Vereinigten Königreich weder
Mitbestimmung noch Betriebsräte gibt, ist die Anerkennung
einer Gewerkschaft als Tarifpartei für
Haustarifverträge ("recognition") die einzige
Möglichkeit zur Gründung einer vollwertigen
Arbeitnehmervertretung. Ähnlich wie in den USA werden daher
auch im Vereinigten Königreich spezielle Berater (sogenannte
Labour Relations Consultants, besser bekannt als
"Gewerkschaftsjäger") eingesetzt, um die Belegschaft
einzuschüchtern und so die Bildung einer
Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Im Fall des
Nahrungsmittelherstellers Kettle Chips führte dies 2007 zu
landesweiten, heftigen Protesten in den Medien (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2007).
Auch die Unternehmensleitung des
Geflügelproduzenten Cranberry Foods in Hollybank in
Mittelengland (Foto), ein mittelständisches Unternehmen mit
650 Beschäftigten, engagierte solche Berater aus den USA, um
die Anerkennung der Gewerkschaft Unite als Tarifpartei zu vermeiden. Am
17. September 2010 stimmte eine sehr knappe Mehrheit der
eingeschüchterten Belegschaft gegen die Gründung
einer Arbeitnehmervertretung. Die folgenden Texte sind nur in
englischer Sprache verfügbar:
Auch
deutsche Konzerne nutzen
schwaches britisches Arbeitsrecht
Nicht ein
einheimischer Konzern, sondern das
deutsche Verlagshaus Holtzbrinck lieferte im Juli 2007 den ersten
Präzedenzfall der britischen Rechtsgeschichte: erstmals wurde
ein Unternehmen zu einer Geldstrafe wegen Verstoß gegen
Minimalstandards zur Respektierung einer Arbeitnehmervertretung
verurteilt (siehe Bericht
in den EBR-News 2/2007).
Nach Untersuchungen
des Europäischen
Gewerkschaftsinstituts in Brüssel verzeichnet kein anderes
Land in Westeuropa ein niedrigeres Niveau von Mitbestimmung als das
Vereinigte Königreich. Innerhalb der EU ist die Beteiligung
der Arbeitnehmer nur in Bulgarien und in den drei baltischen Staaten
noch geringer ausgeprägt (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2009). Betriebsräte gelten nach wie vor
als Fremdkörper in der angelsächsischen
Gewerkschafts- und Unternehmenskultur.
Rumänien:
Nokia wollte Gewerkschaften fernhalten
Im
Februar 2008 startete im neu errichteten Werk Jucu bei Klausenburg die
Produktion von Mobiltelefonen. Das Nokia-Werk in Bochum wurde aus
diesem Grund geschlossen, was in Deutschland zu einem heftigen
Medienecho führte (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2008). In Rumänien versuchte der
finnische Elektronikkonzern zunächst, die Gründung
einer Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Erst mit einem Rechtsstreit
über zwei Instanzen konnte sich der Gewerkschaftsbund
Cartel-ALFA, der schon ein Drittel der Stammbelegschaft organisiert, im
Februar 2009 seine Anerkennung als Tarifpartei erkämpfen.
Als Reaktion auf die
Aktivitäten von Cartel-ALFA unterstützte das
Nokia-Management die Gründung einer arbeitgeberfreundlichen
Betriebsgewerkschaft. Um als Tarifpartei anerkannt zu werden,
müssen rumänische Gewerkschaften ihre
Repräsentativiät nachweisen. Am leichtesten ist dies
durch Beitritt zu einem großen Dachverband möglich.
Bei Nokia trat die arbeitgebernahe Gewerkschaft daher dem
Ex-kommunistischen Gewerkschaftsbund CNSLR-Frăţia bei. Derzeit sind in
Jucu 1.500 Arbeitnehmer fest angestellt und weitere 2.300 als
Leiharbeiter beschäftigt. Inzwischen gehört je ein
Delegierter der beiden Gewerkschaften dem Nokia-Euroforum (so der Name
des 1993 gegründeten EBR) an. In der Belegschaft gibt es
Befürchtungen, Verlagerungen könnten in Zukunft zu
Lasten von Jucu gehen.
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3. Weitere
Notizen aus einzelnen Ländern
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Konzernweiter
Tarifvertrag in Großbritannien
Am 22. September 2010 unterzeichnete die
britische Gewerkschaft Unite einen Haustarifvertrag mit Sun Chemical,
der alle 16 britischen Standorte und alle Arbeitnehmerkategorien
umfaßt. Das US-Unternehmen ist der
weltgrößte Hersteller von Druckertinte. Für
die extrem dezentralisierte Tariflandschaft im Vereinigten
Königreich gilt dieses Abkommen als Meilenstein. Normalerweise
werden Tarifverträge für einzelne
Arbeitnehmerkategorien innerhalb eines Unternehmens oder für
einzelne Standorte geschlossen. Der landesweite Haustarifvertrag
ersetzt alle früheren Abkommen auf lokaler Ebene. Einen
Europäischen Betriebsrat gibt es bei Sun Chemical noch nicht.
Schweizerische
Mitwirkungsrechte in
der Diskussion
Nach einem Rechtsgutachten der Universität St. Gallen
verletzt der Turbinenbauer Alstom die Mitbestimmungsrechte in der
Schweiz. Der französische Konzern möchte die
Rahmenbedingungen einer europaweiten Restrukturierung zunächst
nur mit dem Europäischen Betriebsrat beraten. Dort ist die
Schweiz mit zwei Sitzen vertreten. Dennoch befürchten die
schweizerischen Arbeitnehmervertreter, vor vollendete Tatsachen
gestellt zu werden. Alstom ist in der Schweiz einer der
größten industriellen Arbeitgeber und will hier
prozentual überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze
abbauen. Der Angestelltenverband der Schweiz fordert nun eine
Gesetzesinitiative, um das Mitwirkungsrecht der Schweiz an die
EU-Standards anzugleichen.
Die
Gewerkschaft Unia hatte im
Jahr 2007 die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer in der Schweiz mit den
EU-Standards verglichen. Die Dokumente stehen hier zum Download zur
Verfügung:
Belgisches Opel-Werk schließt zum
Jahresende
Nach dem
gescheiterten Verkauf von Opel an den
Automobilzulieferer Magna (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2009) gab die zentrale Leitung von General Motors
im Januar 2010 die Schließung des Opel-Werkes in Antwerpen
bekannt. Am 27. April 2010 wurde mit Unterstützung des
Europäischen Betriebsrates ein Sozialplan geschlossen. Von den
2.600 Beschäftigten ist inzwischen die Hälfte
über Frühpensionierungen oder Abfindungen
ausgeschieden. Die Abfindungen belaufen sich auf bis zu 144.000
€ pro Arbeitnehmer.
Bestandteil des
Sozialplans waren auch
Produktionszusagen an einen möglichen Investor, um das Werk
fortführen zu können. Obwohl sich der
Europäische Betriebsrat bis zuletzt bemüht hatte, ist
am 18. Oktober 2010 der letzte potentielle Investor abgesprungen. Die
Produktion wird daher zum 31. Dezember 2010 definitiv eingestellt.
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4. Veranstaltungen zur neuen EBR-Richtlinie
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Hochrangige
EBR-Konferenz in Laibach
Am
1. September 2010 fand in der slowenischen Hauptstadt eine
EBR-Konferenz im Rahmen des von der EU finanziell geförderten
Projekts "EWC Networking" mit Teilnehmern aus Österreich,
Italien, Slowenien und Kroatien statt. Hauptredner waren der
Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes
in Brüssel, John Monks (Foto), der ehemalige Abgeordnete des
Europäischen Parlaments Jan Cremers aus den Niederlanden und
Dr. Werner Altmeyer vom Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" in Hamburg. Die folgenden Texte sind nur in
englischer Sprache verfügbar:
In einer Podiumsdiskussion stellten Mitglieder
aus den Europäischen Betriebsräten des deutschen
Paketdienstes DHL, des österreichischen Papierkonzerns Delfort
und des britischen Automobilzulieferers GKN Driveline ihre Arbeit vor.
Weiter wurde ausführlich die Gründung des EBR beim
österreichischen Hersteller von Feuerfestprodukten RHI
erläutert.
Rumänisches EBR-Seminar in Hermannstadt
Im Rahmen des REDITER-Projektes
kamen am 7. und
8. Oktober 2010 etwa 30 Mitglieder von Europäischen
Betriebsräten aus allen Teilen des Landes, besonders aus der
Metallindustrie und dem Einzelhandel, in die siebenbürgische
Metropole Hermannstadt (Foto). In der Konferenz ging es vorrangig um
die neue EBR-Richtlinie. Zu den Referenten gehörten Dr.
Stephan Tregel, EBR-Vorsitzender des Marktforschungsunternehmens TNS
Infratest in München, und Dr. Werner Altmeyer vom Trainings-
und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" in Hamburg. Eine vergleichbare
Konferenz hatte im Mai 2010 in Madrid stattgefunden (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010).
Erfahrungsaustausch in der Versicherungswirtschaft
Am
28. und 29. Oktober 2010 trafen sich Arbeitnehmervertreter der
Unternehmen Allianz, Axa, Ergo, Generali und Zurich aus neun
Ländern im Gebäude der ver.di-Bundesverwaltung in
Berlin (Foto), um sich über ihre Arbeit auszutauschen und
notwendige Anpassungen ihrer Vereinbarungen an die Standards der neuen
EBR-Richtlinie zu identifizieren.
Evelyne
Pichot von der Europäischen Kommission in Brüssel
erläuterte die Einzelheiten der neuen Rechtslage, Dr.
Sebastian Hopfner vom europäischen Arbeitgeberverband der
Versicherungsbranche diskutierte mögliche gemeinsame
Initiativen im Rahmen des Sozialen Dialogs. Die Veranstaltung war vom
Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" mit organisiert
worden und soll regelmäßig stattfinden. In der
Versicherungswirtschaft hatte es ein derartiges Treffen zuvor noch nie
gegeben.
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5. Die neuen
EBR-Gesetze
nehmen Gestalt an
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Deutschland: Chemiebranche
greift EBR-Gesetz vor
Während
der deutsche Gesetzgeber bisher noch keinen Entwurf für ein
revidiertes EBR-Gesetz vorgelegt hat, einigten sich die Tarifpartner in
der chemischen Industrie bereits auf gemeinsame Hinweise. Auf einer
EBR-Konferenz am 20. Oktober 2010 in Hannover unterzeichneten sie eine
Sozialpartner-Vereinbarung über Betriebsratskontakte auf
europäischer Ebene (Foto), die eine Vereinbarung aus dem Jahr
1990 aktualisiert. Die Vertragspartner wollen effiziente und
hochwertige Informations- und Anhörungsprozesse der
Europäischen Betriebsräte unterstützen, die
Qualifizierung von EBR- und BVG-Mitgliedern verbessern und die
Beteiligung bei Umstrukturierungen rechtssicher fortentwickeln.
Britisches
EBR-Gesetz wird nicht mehr geändert
Nach
dem Regierungswechsel in London war zunächst unklar, ob das
von der Labour-Regierung ausgearbeitete und am 6. April 2010 ins
Parlament eingebrachte EBR-Gesetz weiterhin Bestand hat (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2010). Inzwischen steht jedoch fest, daß
es am 5. Juni 2011 unverändert in Kraft treten wird. Das
Gesetz übernimmt wichtige Passagen der neuen EBR-Richtlinie im
Wortlaut. Das zuständige Ministerium wird vom
Liberaldemokraten und ehemaligen Labour-Politiker Vince Cable geleitet
(siehe Bericht
in den EBR-News 2/2010).
Ebenfalls
bestehen bleiben die neuen Regelungen zur Freistellung von EBR- und
BVG-Mitgliedern, die bereits Anfang 2010 in Kraft getreten sind (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2009).
Umsetzung
in vielen weiteren Ländern auf der Zielgeraden
Nachdem
Portugal bereits im November 2009 als erstes Land die neue
EBR-Richtlinie umgesetzt hat (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009), sind die Vorbereitungen inzwischen auch in
den meisten anderen Ländern weit fortgeschritten. In Schweden
gab es eine öffentliche Anhörung dazu, in Belgien ist
der Text des entsprechenden Tarifabkommens fast fertig und in der
Slowakei wurde kürzlich vom Arbeitsministerium ein
Gesetzentwurf veröffentlicht. In Ungarn steht zum Jahresende
ohnehin eine größere Reform des Arbeitsgesetzbuches
an. Verzögerungen werden in Italien erwartet, wo die alte
EBR-Richtlinie von 1994 erst im Jahr 2002 umgesetzt wurde, nachdem die
Europäische Kommission der italienischen Regierung mit einer
Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht hatte (siehe Länderbericht
Italien in den EBR-News 2/2006).
Koordinierende
Rolle der Europäischen Kommission
In
den vergangen Monaten haben sich die Referatsleiter aus den Ministerien
der EU-Länder fünf Mal in Brüssel getroffen,
um die Feinheiten der Umsetzungsgesetze mit der Europäischen
Kommission abzustimmen. Weitere Treffen sind geplant. Derzeit arbeitet
die Europäische Kommission an einem Dokument, das Fragen der
nationalen Umsetzung genauer untersucht. Es soll zum Jahreswechsel
2010/11 in Brüssel veröffentlicht werden.
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6.
Neugründung von Europäischen Betriebsräten
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Nokia Siemens Networks (NSN) startet EBR-Arbeit
Das im April 2007 gegründete
Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und Nokia für Produkte
der Mobilfunk- und Festnetz-Infrastruktur (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006) verfügt seit Ende Juni 2010
über einen Europäischen Betriebsrat nach finnischem
Recht. Da es bereits nach der Gründung von NSN zu
umfangreichen Restrukturierungen kam, hatte der Europäische
Metallgewerkschaftsbund (EMB) im Mai 2007 ein Koordinierungskomitee
gebildet, das als Ersatz für den noch nicht
gegründeten EBR fungierte (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007).
Dem neuen EBR
gehören 27 Mitglieder
aus 25 Ländern aus, Deutschland und Finnland sind mit je zwei
Delegierten vertreten. Das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) hatte
sich nach Ablauf der dreijährigen Verhandlungszeit
entschieden, den EBR auf der Grundlage der subsidiären
Vorschriften ohne Abschluß einer EBR-Vereinbarung zu
gründen. Damit gelten ab 5. Juni 2011 automatisch die
Standards der neuen EBR-Richtlinie für Nokia Siemens Networks.
Die europäischen
Gewerkschaftsföderationen hatten im Dezember 2009 in einer
gemeinsamen Empfehlung davor gewarnt, zwischen Juni 2009 und Juni 2011
eine EBR-Vereinbarung unterhalb der Standards der neuen Richtlinie
abzuschließen. Vereinbarungen, die während dieser
Übergangszeit unterzeichnet werden, sind vom Geltungsbereich
der neuen Richtlinie generell ausgeklammert.
Britische Supermarktkette gründet EBR
nach alter Richtlinie
Erstmals
wurde im britischen Einzelhandel ein Europäischer Betriebsrat
errichtet. Die EBR-Mitglieder bei Tesco hatten ein erstes internes
Treffen und eine Schulung am 6. und 7. Oktober 2010, werden sich aber
offiziell erst im Frühjahr 2011 konstituieren. Der EBR besteht
aus 23 Mitgliedern: zwölf aus dem Vereinigten
Königreich, je zwei aus Irland, Polen, Ungarn, Tschechien und
der Slowakei sowie ein Vertreter aus Frankreich. Länder mit
weniger als 500 Beschäftigten sind nicht vertreten.
Vier EBR-Mitglieder aus vier verschiedenen
Ländern und ein hauptamtlicher Vertreter der britischen
Einzelhandelsgewerkschaft USDAW bilden eine "Working Group", die
zweimal jährlich tagt. Für das Plenum des EBR ist
eine jährliche Sitzung vorgesehen. Die Inhalte der
Vereinbarung orientieren sich weitgehend noch an der alten Richtlinie.
Das im Juni 2008 gegründete weltumspannende Netzwerk der bei
Tesco vertretenen Gewerkschaften (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2010) fordert bereits die Erweiterung des sozialen
Dialogs über Europa hinaus. Weltweit hat Tesco 450.000
Beschäftigte.
EBR
für den größten russischen
Mineralölkonzern
Lukoil will einen Europäischen
Betriebsrat gründen, der über EU-Standards von
Unterrichtung und Anhörung hinausgeht. Dies bekundete der
Vorstandsvorsitzende am 13. Oktober 2010 gegenüber dem
Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) in Brüssel.
Lukoil betreibt Raffinerien in Bulgarien und Rumänien und
hält Minderheitsbeteiligungen in Italien und den Niederlanden.
Im Mai 2004 hatte Lukoil bereits ein internationales Rahmenabkommen mit
den Gewerkschaften zu sozialen Mindeststandards geschlossen.
Seither findet einmal jährlich ein Monitoring-Treffen
statt.
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7.
Transnationale Kollektivverträge
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Europaweite
Charta will berufsbedingten Stress
reduzieren
Am
27. Juli 2010 unterzeichneten der Europäische Betriebsrat und
die zentrale Leitung der französischen Holding PPR eine Charta
über die Qualität des Berufslebens und die Vermeidung
von berufsbedingtem Stress. PPR ist das erste französische
Unternehmen aus dem Aktienindex CAC 40, das eine solche transnationale
Vereinbarung getroffen hat. Bereits 2008 sind in der Handels- und
Luxusgütergruppe, zu der u. a. Gucci, Puma und Fnac
gehören, zwei europaweite Abkommen geschlossen worden (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2008).
Das Abkommen bei
PPR war vom
engeren
Ausschuß des Europäischen Betriebsrates acht Monate
lang mit dem Management diskutiert worden. Besonders schwer war eine
gemeinsame Definition von Stress. Alle zwei Jahre ist
zukünftig ein Monitoring in der Plenarsitzung des EBR
vorgesehen.
Rahmenabkomen bei EADS
Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS
schloß am 28. September 2010 ein Rahmenabkommen für
transnationale Verhandlungen. Hierzu soll parallel zum
Europäischen Betriebsrat ein eigenes Gremium gebildet werden.
Auf je 10.000 Beschäftigte entfällt ein Sitz,
höchstens jedoch fünf pro Land. Während
diese Mandate in Frankreich, Spanien und Großbritannien von
den Gewerkschaften besetzt werden, ist in Deutschland der
Konzernbetriebsrat zuständig. Dieser kann auch externe
Gewerkschaftssekretäre entsenden, wenn diese zuvor vom EBR als
permanente Sachverständige benannt worden sind.
Die beiden Vorsitzenden des EBR
gehören dem Verhandlungsgremium automatisch an, koordiniert
wird es vom Europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB). Vor
Unterzeichnung eines Abkommens mit der zentralen Leitung
müssen zwei Drittel der Delegierten zustimmen.
Ähnliche Regeln gelten für Verhandlungen auf der
Ebene einzelner Sparten (z. B. bei Airbus).
Wer soll verhandeln: Betriebsrat oder Gewerkschaft?
An diesen aktuellen Beispielen werden die
unterschiedlichen Strategien deutlich, die bei der Fortentwicklung
Europäischer Betriebsräte zu beobachten sind. Ein
Verhandlungs- oder gar Mitbestimmungsrecht von Europäischen
Betriebsräten wird z. B. vom Europäischen
Metallgewerkschaftsbund (EMB) abgelehnt. Er strebt vielmehr eine
Zweiteilung wie in der französischen Betriebsverfassung an:
der Betriebsrat ist für Unterrichtung und Anhörung
zuständig, während Verhandlungen ein Vorrecht der
Gewerkschaften sind. Der EMB hatte insbesondere aus den Erfahrungen bei
General Motors gelernt (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2005) und legte im Juni 2005
entsprechende Grundsätze für den Umgang mit
Unternehmensrestrukturierungen fest (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2005).
Fehlende
gesetzliche Grundlage,
fehlende personelle Ressourcen
Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren in
großen Unternehmen der Metallindustrie parallel zum EBR
gewerkschaftliche Koodinierungsgremien aufgebaut worden, die in
Restrukturierungsfragen eine stärkere Rolle spielen
können als der Europäische Betriebsrat. Für
diese Gremien gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006), ihre Aufgaben werden - wie jetzt bei EADS -
durch betriebliche Abkommen definiert. Ein prominentes Beispiel
lieferte auch der Stahlkonzern ArcelorMittal im November 2009 (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009).
Eine starke
Koordinierungsrolle eines
europäischen Gewerkschaftsverbandes setzt jedoch starke
personelle Kapazitäten im hauptamtlichen Apparat voraus. Wo
dies nicht anzutreffen ist, verhandeln die Europäischen
Betriebsräte selber (siehe Beispiele in den
EBR-News 2/2009). Oder es geschieht nichts, wie im
französischen Pharmakonzern Sanofi-Aventis: dort
erklärte sich die zentrale Leitung im April 2007 bereit, mit
dem EBR transnationale Abkommen über betriebliche
Weiterbildung, soziale Auswirkungen von Restrukturierungen und
Eingliederung von Schwerbehinderten zu schließen (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007). Die Verhandlungen haben jedoch nie
begonnen, denn es ist bis heute ungeklärt, ob sie vom EBR oder
von der Europäischen Föderation der
Chemiegewerkschaften (EMCEF) geführt werden. Am Rande der
Plenartagung des EBR von Sanofi-Aventis im Juni 2010 in Berlin war
diese Kritik deutlich zu vernehmen (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010).
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8. SE-Richtlinie
versus Fusionsrichtlinie
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Schiffs- und
Energieanlagen-TÜV
schließt beispielhafte SE-Vereinbarung
Seit dem 8. Oktober 2010 firmiert die 1867 in
Hamburg gegründete Prüfgesellschaft Germanischer
Lloyd (GL-Gruppe) als Europäische Gesellschaft (SE). Zuvor war
am 13. August 2010 in der Hamburger Hafencity eine
SE-Beteiligungsvereinbarung unterzeichnet worden (Foto). Dem Besonderen
Verhandlungsgremium (BVG) gehörten 32 Delegierte aus 25
Ländern an. Es hatte sich erst im Februar 2010 konstituiert
(siehe Bericht
in den EBR-News 1/2010) und war durch
Sachverständige des Trainings- und Beratungsnetzes
"euro-betriebsrat.de" beraten worden.
SE-Betriebsrat mit dreistufiger Struktur
Wie
in vielen anderen SE-Vereinbarungen wurde die Anzahl der
Betriebsratsmitglieder begrenzt. Der SE-Betriebsrat besteht aus neun
Mitgliedern, davon vier aus Deutschland, zwei aus dem Vereinigten
Königreich und drei Regionalvertreter für die
übrigen Länder. Eine Besonderheit sind die
jährlichen Regionaltreffen. Daran nehmen nationale
Arbeitnehmervertreter aus allen Ländern teil, die nicht direkt
im SE-Betriebsrat vertreten sind. Der SE-Betriebsrat selbst tagt
zweimal jährlich und wählt einen
dreiköpfigen geschäftsführenden
Ausschuß. Für Länder mit kleiner
Belegschaft wurde ein besonderer Schutz in die Vereinbarung
aufgenommen. Einen Europäischen Betriebsrat hatte es zuvor in
der GL-Gruppe noch nicht gegeben.
Anders
als die Prüfgesellschaft Dekra in Stuttgart, die im Juni 2010
eine SE-Vereinbarung über einen paritätisch besetzten
Aufsichtsrat unterzeichnet hatte (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010), wird die GL-Gruppe die Drittelbeteiligung
im Aufsichtsrat einfrieren. In Deutschland beschäftigt die
Gruppe etwas weniger als 2.000 Arbeitnehmer, weltweit sind es etwa
7.000. Damit steht die GL-Gruppe in einer Reihe mit zahlreichen
Familienunternehmen, die durch SE-Umwandlung ein Hineinwachsen in die
pariätische Mitbestimmung verhindert haben (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2008).
Verkleinerter Aufsichtsrat und neuer Chef bei
Bilfinger Berger
Am
8. Oktober 2010 wurde der Mannheimer Baukonzern Bilfinger Berger als SE
eingetragen. Der Aufsichtsrat bleibt weiterhin paritätisch
besetzt, wurde aber nach Vorbild von Allianz und BASF von 20 auf 12
Mitglieder verkleinert. Unter den sechs Arbeitnehmervertretern finden
sich dort zwei hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre aus
Deutschand und ein betrieblicher Vertreter aus Polen. Der neue
Aufsichtsrat konstituierte sich am 8. September 2010.
Die
Verhandlungen über die SE-Beteiligungsvereinbarung
führte ein BVG aus 28 Mitgliedern, darunter sechs aus
Deutschland und zwei aus Polen. Sie vertraten 48.000 Arbeitnehmer in 22
europäischen Ländern. Der seit 1996 bestehende
Europäische Betriebsrat wird durch einen SE-Betriebsrat
ersetzt. Vorstandsvorsitzender der SE wird der ehemalige hessische
Ministerpräsident Roland Koch (CDU).
Nahrungsmittelhersteller: Verschmelzung statt SE
Am
18. Februar 2010 fusionierte der deutsche
Fertigmenü-Hersteller Apetito mit seiner
niederländischen Tochtergesellschaft. Das Familienunternehmen
mit Sitz in Rheine
beschäftigt in Deutschland 1.978
Arbeitnehmer und hätte ohne die Verschmelzung bald einen
paritätischen Aufsichtsrat bilden müssen. Weltweit
hat die Gruppe 8.400 Arbeitnehmer.
Am
27. Januar 2010 konstituierte sich in Rheine das Besondere
Verhandlungsgremium (BVG), dem fünf Delegierte aus
Deutschland, vier aus dem Vereinigten Königreich und je zwei
aus Frankreich und den Niederlanden angehörten. Noch am
gleichen Tag unterzeichneten die Mitglieder des BVG eine vom
Arbeitgeber vorbereitete Vereinbarung, wonach die beiden
Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat weiterhin aus Deutschland kommen
und von den deutschen Betriebsräten gewählt werden.
Der neue Aufsichtsrat kam am 29. April 2010 erstmalig zusammen.
Apetito
ist das zweite Unternehmen in Europa, das eine Beteiligungsvereinbarung
auf der Grundlage der EU-Fusionsrichtlinie abschloß (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2009). Anders als bei einer SE-Umwandlung
verhandelt das BVG nur den Aufsichtsrat, die Bildung eines
grenzüberschreitenden Betriebsrates ist nicht Gegenstand der
Verhandlungen. Um diese Lücke zu schließen,
informierte sich der Apetito-Betriebsrat vom 15. bis 17. September 2010
auf einem Seminar des Trainings- und Beratungsnetzes
"euro-betriebsrat.de" in Bonn über die Möglichkeiten
der EBR-Richtlinie.
Aktuelle
Zahlen zur Rechtsform der SE
Am
1. September 2010 legte die Hans-Böckler-Stiftung aktuelle
Zahlen über die SE vor. Danach ist die Hälfte aller
operativ tätigen Europäischen
Gesellschaften in Deutschland beheimatet
(78 von 157). Ein Grund: die SE ermöglicht eine Begrenzung der
Mitbestimmung auf höchster
Unternehmensebene durch das Einfrieren der Drittelbeteiligung im
Aufsichtsrat oder die Verkleinerung eines paritätischen
Aufsichtsrates.
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9. Der Blick über
die
EU hinaus
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Indonesisches Unternehmen
bekennt sich zur sozialen Verantwortung
Am
21. September 2010 wurde am Rande eines asiatischen Kongresses
über Arbeitsbeziehungen auf Bali ein internationales
Rahmenabkommen für Telkom Indonesia geschlossen. In
Anwesenheit des indonesischen Arbeitsministers unterzeichnete der
weltweite Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften UNI mit der
zentralen Leitung das Abkommen über soziale Mindeststandards.
EBR-Mitglieder von Ford zu
Besuch in Rußland
Vom
4. bis 7. Oktober 2010 besuchte eine Delegation
des Europäischen Betriebsrates von Ford eine Fabrik in der
Nähe von St. Petersburg. Thema war unter anderem die Bildung
einer örtlichen Arbeitnehmervertretung. Derzeit nimmt ein
Delegierter aus Rußland als Beobachter an den Sitzungen des
Europäischen Betriebsrates teil, der viermal jährlich
zusammenkommt. Bei Volkswagen hatten Initiativen des EBR im September
2009 zur Bildung eines Betriebsrates in einer neuen russischen Fabrik
geführt (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009).
US-Papierkonzern
institutionalisiert Arbeitnehmervertretungen rund um den Globus
Kimberly
Clark, Hersteller von Hakle-Toilettenpapier und
Kleenex-Tüchern, unterzeichnete am 26. Oktober 2010 in Atlanta
(USA) ein Protokoll zum sozialen Dialog. Gewerkschaften aus den USA,
dem Vereinigten Königreich, Spanien, Frankreich,
Südafrika, Thailand und vier weiteren Ländern hatten
im Mai 2007 ein Netzwerk für den texanischen Papierkonzern
gegründet ("KC Network"). Dieses traf ab Juli 2008 mehrfach
mit der Konzernleitung zusammen.
Das
jetzt unterzeichnete Abkommen sieht ein
jährliches Treffen zwischen dem KC Network und der
Konzernleitung vor. In allen 116 Fabriken rund um den Globus sollen
"Kontaktpunkte" zwischen dem jeweiligen Management und
Arbeitnehmervertretern entstehen. Faktisch bedeutet dies nicht nur die
Bildung einer Art Weltbetriebsrat, sondern auch die Anerkennung lokaler
Arbeitnehmervertretungen für die 58.000 Beschäftigten
in 35 Ländern. Das Abkommen ähnelt der bei Volkswagen
im Oktober 2009 unterzeichneten Charta der Arbeitsbeziehungen (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009). Die folgenden Texte sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
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10.
Interessante Webseiten
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Mitteleuropäische
Gewerkschaftsakademie (MEGAk)
Im
Januar 2010 wurden von der MEGAk erstmals Diplome im Rahmen der
internationalen Multiplikatorausbildung zwischen Österreich
und der Slowakei überreicht. Nähere Informationen
über die Aktivitäten der MEGAk sind auf der folgenden
Webseite verfügbar:
Forum
für Arbeitnehmer des Metro-Konzerns
Die
deutschen Beschäftigten des Handelskonzerns Metro sind durch
das Projekt CORA mit der drohenden Verlagerung des Rechnungswesens nach
Osteuropa und Indien konfrontiert. Zur Diskussion und zum
Informationsaustausch haben sie eine eigene Webseite ins Leben gerufen.
Bestandsaufnahme der Arbeitnehmerbeteiligung in
fünf Ländern
Das von der EU finanziell geförderte
Projekt Informia beschäftigt sich mit dem Sozialen Dialog auf
Betriebsebene und Europäischen Betriebsräten in
fünf Ländern: Italien, Frankreich, Irland, Bulgarien
und Kroatien. Teil des Projekts ist eine empirische Untersuchung
über die aktuelle Praxis von Unterrichtung und
Anhörung der Arbeitnehmer in diesen fünf
Ländern. Die Webseite ist nur in englischer Sprache
verfügbar.
Gewerkschaftsnetzwerk
in der Kakao- und Schokoladenindustrie
Auf einer Tagung vom 14. bis
17. September 2010 im NGG-Bildungszentrum Oberjosbach
gründeten 100 Arbeitnehmervertreter aus 14 Ländern
das Netzwerk COCOANET mit dem Ziel, eine faire und nachhaltige
Kakaoindustrie zu fördern. Auf einer eigenen Webseite sind die
Projektaktivitäten zusammengestellt.
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EBR-Forschung
im Fokus
Am
29. Juli 2010 ist ein Buch des EBR-Forschers Jeremy Waddington von der
Universität Manchester erschienen. Als Projektkoordinator des
Europäischen Gewerkschaftsinstituts in Brüssel war er
2005 für die größte jemals
durchgeführte empirische Untersuchung über
Europäische Betriebsräte verantwortlich (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2005). Das Buch basiert auf diesem umfangreichen
Zahlenmaterial. Danach war die Qualität der Unterrichtung und
Anhörung bei Restrukturierungen unter der alten EBR-Richtlinie
sehr gering. Der Autor beleuchtet die Infrastruktur der
Europäischen Betriebsräte (Arbeitsmittel, Schulungen
usw.) und die Rolle der Gewerkschaften. Ein eigenes Kapitel widmet sich
der Fortentwicklung von der Unterrichtung und Anhörung zu
transnationalen Verhandlungen. Kritisch merkt der Autor an,
daß eine solche Stärkung des EBR nicht nur von
Arbeitgeberseite, sondern auch den Gewerkschaften abgelehnt wird (siehe
Bericht
weiter oben). Das Buch liegt nur in englischer Sprache vor.
Juristische Aufarbeitung der
neuen EBR-Richtlinie
Nachdem im Mai 2010 bereits der
erste juristische Kommentar zur neuen EBR-Richtlinie erschienen ist
(siehe Bericht
in den EBR-News 2/2010), liegt jetzt ein Sammelband zu
wichtigen juristischen Aspekten der EBR-Gesetzgebung vor. Im ersten
Teil des Buches werden alte und neue EBR-Richtlinie im Kontext von
Gerichtsentscheidungen als auch anderer Rechtsakte der EU untersucht.
Länderberichte aus Österreich, Belgien, Frankreich,
Deutschland, den Niederlanden, der Slowakei, Schweden und dem
Vereinigten Königreich runden den ersten Teil ab. Im zweiten
Teil des Buches beschäftigten sich mehrere Autoren mit
speziellen Aspekten der neuen Rechtslage. Das Buch liegt nur in
englischer Sprache vor.
Rahmenabkommen
über betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz
Im
Juli 2010 sind die Ergebnisse eines Forschungsprojekts erschienen, das
sich mit Aspekten nachhaltiger Entwicklung als Teil internationaler
Rahmenabkommen beschäftigt. Sowohl Europäische
Betriebsräte als auch Gewerkschaften verhandeln zunehmend
solche Abkommen auf der Ebene multinationaler Konzerne, um weltweit
soziale Mindeststandards sicherzustellen. Die Studie untersucht 72
derartige Rahmenabkommen, von denen 49 bereits spezielle Klauseln zum
betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz enthalten. Ein prominentes
Beispiel darunter ist der Stahlkonzern ArcelorMittal (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2010). Vier Fallstudien aus Unternehmen
verschiedener Branchen runden die Studie ab, die in englischer,
französischer und spanischer Sprache vorliegt. Eine
Kurzfassung gibt es auch in deutscher Sprache.
Aktuelle
Lage der französischen Gewerkschaften
Am 19. Oktober 2010 legte das
Büro Paris der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Analyse der
französischen Gewerkschaftsbewegung vor. Obwohl nur acht
Prozent aller Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft sind, haben sich
neben den fünf repräsentativen Dachverbänden
in den letzten Jahren drei weitere Dachverbände durch
Abspaltung neu gegründet. Das am 1. Januar 2009 in Kraft
getretene, reformierte Tarifvertragsgesetz zwingt die konkurrierenden
Verbände jedoch zur Zusammenarbeit. Vor allem kleine
Organisationen können nur noch in Tarifgemeinschaften
überleben, was einen Bruch mit der französischen
Nachkriegsentwicklung darstellt (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2010). Die neue Rechtslage war umstritten, wurde
aber bereits im April 2010 vom höchsten französischen
Gerichtshof in einem Grundsatzurteil bestätigt (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010).
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12. Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de":
Weitere Beispiele aus
unserer Arbeit
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Erster Workshop für
SE-Betriebsräte
Vom 13. bis 16. September 2010
trafen sich Mitglieder der SE-Betriebsräte von Q-Cells, BP,
der Donata Holding und der DVB Bank in der Bonner Redoute (Foto), um
ihre Erfahrungen in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)
auszutauschen. Über die praktischen und rechtlichen Aspekte
der SE informierten die Wissenschaftler Dr. Hermann Biehler vom
IMU-Institut München und Prof. Dr. Bernhard Nagel von der
Universität Kassel.
Der
SE-Workshop war vom Trainings- und Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de"
erstmals organisiert worden und soll 2011 erneut angeboten werden. Da
die Anzahl der SE-Betriebsräte noch relativ klein ist, wird
der nächste Termin mit interessierten Teilnehmern telefonisch
abgestimmt. Aus diesem Grund steht ein Fragebogen zum Download zur
Verfügung.
Workshop zur
Überarbeitung von EBR-Vereinbarungen
Zum
wiederholten Mal führte das Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" vom 11. bis 13. Oktober 2010 ein Seminar
für Mitglieder Europäischer Betriebsräte
durch, die ihre EBR-Vereinbarung an die Standards der neuen Richtlinie
anpassen wollen. Teilnehmer aus der Spezialchemie, der Pharmabranche,
der Nahrungsmittelindustrie, des Maschinenbaus und aus dem
Telekomsektor waren ins Schloß Auel bei Köln
gekommen (Foto). Die Veranstaltung wird einmal pro Jahr angeboten und
hatte im Vorjahr ihre Premiere (siehe Bericht in den
EBR-News 3/2009).
Fünftägiges
Inhouse-Seminar bei Converteam
Der
Europäische Betriebsrat der französischen
Elektrotechnikgruppe Converteam ließ sich in der Woche vom
18. bis 22. Oktober 2010 in Berlin vom Trainings- und Beratungsnetz
"euro-betriebsrat.de" schulen. Im Mittelpunkt standen Fragen der
Globalisierung, der betriebswirtschaftlichen Bewertung sowie ein
Abgleich der EBR-Vereinbarung mit der neuen EBR-Richtlinie. Das
Unternehmen war 2005 vom Alstom-Konzern an einen britischen
Finanzinvestor verkauft worden und hatte 2007 einen eigenen EBR
gegründet (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007).
Neuer Europa-Betriebsrat bei
Warema jetzt startklar
Seit
September 2009 ist das nordbayerische Metallunternehmen Warema eine
Europäische Gesellschaft (SE). Nach der Urwahl des
Aufsichtsrates und der erstmaligen Wahl des Europa-Betriebsrates im
Juni 2010 (siehe Bericht
in den EBR-News 2/2010) führte das Trainings- und
Beratungsnetz "euro-betriebsrat.de" am 20. und 21. Oktober 2010 am
Hauptsitz des Unternehmens in Marktheidenfeld eine Auftakt-Schulung
durch (Foto). Im Mittelpunkt standen Rolle und Befugnisse des neuen
Gremiums und die Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern im
europaweiten Aufsichtsrat der SE.
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