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6.
Oktober 2012
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1.
Neuer EBR-Rechtsstreit mit erheblichem Sprengstoff
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Erstmals
Alt-Vereinbarung
offiziell gekündigt
Die aktuelle Entwicklung bei
Hewlett-Packard wirft ein Schlaglicht auf den Rechtsstatus von
über 400 Europäischen
Betriebsräten, die vor dem
22. September 1996 gegründet wurden. Am 24. Juli 2012
kündigte der EBR des US-Technologiekonzerns
seine im Mai 1996 nach belgischem Recht geschlossene
Alt-Vereinbarung. 95% der Delegierten
stimmten dafür. Gleichzeitig
beschloß er, die zentrale Leitung wegen eines nicht
durchgeführten Konsultationsverfahrens vor dem Arbeitsgericht
Brüssel zu
verklagen.
Nach
Artikel 14 der neuen (Artikel 13 der alten) EBR-Richtlinie sind
Vereinbarungen, die bis 1996 unterzeichnet oder zwischen Juni 2009 und
Juni 2011 geändert wurden, von der EBR-Gesetzgebung
ausgenommen. Dies war ein Zugeständnis
an die
Arbeitgeberseite im Gesetzgebungsverfahren und stärkt
sogenannte
"freiwillige" EBR-Vereinbarungen, die teilweise sogar unterhalb der
Standards der alten Rechtslage abgeschlossen wurden. Um die
Kündigung solcher Vereinbarungen zu erschweren, sieht die
neue EBR-Richtlinie als "Drohpotential" eine betriebsratslose Zeit
von bis zu drei Jahren vor. Davon hat der EBR von
Hewlett-Packard als erster in Europa sich nicht mehr abschrecken lassen.
Massiver
Personalabbau als auslösender Faktor
Am
23. Mai 2012 kündigte die Unternehmensleitung in den USA den
Abbau
von
27.000 der 325.000 Arbeitsplätze weltweit an. Allein in Europa
sollen 8.000 Arbeitsplätze wegfallen, obwohl hier die
Ertragslage
gut ist und kein Personalüberhang besteht. Daraufhin fand vom
12.
bis 14. Juni 2012 eine Sondersitzung des Europäischen
Betriebsrates in Amsterdam statt, wo die zentrale Leitung
jedoch keine genauen Zahlen
vorlegte. Ähnlich war die Situation seinerzeit auch im
Technologiekonzern Alcatel-Lucent (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007). Dessen EBR erstritt im April 2007
in Paris ein Gerichtsurteil, das bis heute als
Maßstab für das betriebswirtschaftliche Reporting
der
zentralen Leitung gegenüber dem EBR gilt (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2007).
Um ein fundiertes
Konsultationsverfahren beginnen zu können, wollte der EBR von
Hewlett-Packard Sachverständige
einschalten. Dies wurde von der zentralen Leitung jedoch abgelehnt, sie
betrachtet den EBR wie schon 2008 als eine Art "Kinoveranstaltung"
(siehe Bericht
in den EBR-News 4/2008). Als dann konkrete Zahlen in
Frankreich und
den Niederlanden bekannt wurden und in Spanien sogar mit Entlassungen
begonnen wurde, ohne die Stellungnahme des EBR abzuwarten,
reichte er Klage ein. Der Fall ist mit
dem US-Automobilzulieferer
Visteon vergleichbar, der 2011 in Spanien eine
Werksschließung ohne Konsultation
mit
dem EBR durchführen wollte und ebenfalls verklagt wurde (siehe
Bericht
in
den
EBR-News 3/2011). Die beiden Fälle
unterscheiden sich aber hinsichtlich der Anwendbarkeit der neuen
EBR-Richtlinie, die bei Visteon greift
und
bei HP nicht.
EBR-Vereinbarung wird jetzt neu
verhandelt
Genau
aus diesem Grund war eine formelle Kündigung der
EBR-Vereinbarung
bei Hewlett-Packard unumgänglich. Nun wird 18 Monate
lang über Änderungen an der Alt-Vereinbarung
verhandelt.
Sollte dies scheitern, wird der EBR Ende 2013 aufgelöst und
ein Besonderes
Verhandlungsgremium (BVG) gebildet, das innerhalb von drei Jahren eine
vollwertige EBR-Vereinbarung auf Grundlage der neuen Rechtslage
aushandelt. Es bleibt abzuwarten, ob die zentrale Leitung
weiter das belgische Recht akzeptiert oder lieber auf
das
weichere britische
Gesetz ausweicht. Diese Frage wird zur Zeit auch vor zwei deutschen
Arbeitsgerichten verhandelt (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2012).
Die Meinung des
EBR-Vorsitzenden Udo Verzagt
Ich
glaube, daß der Fehler im Denken vieler deutscher
Betriebsräte darin liegt, daß sie sich nicht
ausreichend mit
dem französischen Modell auseinandergesetzt haben. Basierend
auf
diesem ist der Europäische Betriebsrat nämlich
aufgebaut. Die
Informations- und Konsultationsrechte sind so stark, daß sie
den
Arbeitgeber auch tatsächlich an den Verhandlungstisch bringen.
Bei
uns kommt noch hinzu: Die amerikanische Börsenaufsicht
möchte
das offizielle Statement des EBR sehen, bevor sie Dinge umsetzen. Diese
Stellungnahme nur dann abzugeben, wenn wirklich alle Informationen, die
benötigt werden, auf dem Tisch liegen, stärkt unsere
Position.
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2.
Praxistipp: Wie informieren EBR-Mitglieder die Belegschaft?
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Kollektive
Verantwortung des Gesamtgremiums
Nach
alter Rechtslage waren die
Mitglieder eines Europäischen Betriebsrates nur ihrem
Herkunftsland, ihrem Wahlkreis oder der
entsendenden Gewerkschaft verpflichtet,
Rechenschaft über ihre Arbeit zu geben und bei Konsultationen
Rücksprache zu halten.
Seit
Juni 2011 haben
Europäische Betriebsräte, sofern sie
der
neuen Gesetzgebung unterliegen, die kollektive
Verpflichtung für alle Länder, für die der
EBR zuständig ist. Laut Artikel 10 der neuen EBR-Richtlinie
"verfügen die Mitglieder des Europäischen
Betriebsrats über die Mittel, ... um kollektiv die Interessen
der Arbeitnehmer ... zu vertreten" und haben diese "über
Inhalt und Ergebnisse der ... Unterrichtung und Anhörung" zu
informieren. Dies gilt auch für solche Länder oder
Standorte, die keinen Sitz im EBR haben oder in denen keine
Arbeitnehmervertretung existiert. In solchen Fällen hat der
EBR nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, die Belegschaft direkt zu
informieren.
Gesamt-
oder Konzernbetriebsräte gibt es nicht in jedem Land
Sind
die Betriebsräte
verschiedener Standorte innerhalb eines Landes vernetzt oder gibt es
nur einen einzigen Standort pro Land, läuft die
Kommunikation meist reibungslos. Was
aber ist zu tun,
- wenn
es in Spanien keine
standortübergreifenden Strukturen der Arbeitnehmervertretung
gibt?
- wenn
ein britischer Delegierter nur über
sein eigenes Werk berichten kann und keine Informationen über
die Situation der anderen britischen Arbeitnehmer hat?
- wenn
ein italienischer
Delegierter nur die Kollegen seiner eigenen Gewerkschaft informiert und
andere Gewerkschaften, die ebenfalls in der Belegschaft vertreten sind,
ausschließt?
- ein polnischer
Delegierter keine Arbeitnehmervertretung in seinem Land hat?
Vernetzung ist entscheidend
Die
neue EBR-Richtlinie ist
eindeutig: in all diesen Fällen gibt es eine kollektive
Verantwortung des Europäischen Betriebsrates, ausnahmslos alle
Teile der europäischen
Belegschaft umfassend zu informieren. In der Praxis stellen sich jedoch
zahlreiche Fragen, die mit erheblichen Kosten für den
Arbeitgeber verbunden sein
können.
- Darf
ein Delegierter aus
Tschechien ein Treffen aller Arbeitnehmervertreter in seinem
Land auf Kosten des Arbeitgebers organisieren, um sich mit ihnen
abzusprechen?
- Darf
ein Delegierter aus Belgien während
der Arbeitszeit auf Kosten des Arbeitgebers reisen, um die Arbeitnehmer
an anderen Standorten in seinem Land zu besuchen?
- Darf
das Präsidium
eines seiner Mitglieder beauftragen, sich um Länder
ohne
Sitz im EBR oder ohne Arbeitnehmervertretung direkt
zu kümmern und Betriebe persönlich aufzusuchen?
- Darf
der EBR eine
Belegschaftsversammlung in Ungarn durchführen, um die
Arbeitnehmer vor Ort über die Ergebnisse der Unterrichtung und
Anhörung zu informieren? Besonders brisant ist diese Frage
natürlich, wenn die Niederlassung in Ungarn gerade geschlossen
werden soll.
Die
neue Richtlinie bietet zahlreiche Ansatzpunkte für erweiterte
Initiativen
Die
Beantwortung dieser Fragen hat für die Stärkung der
transnationalen
Zusammenarbeit erhebliche Bedeutung. Bei konsequenter
Nutzung der neuen Rechtslage kann es auch für den Arbeitgeber
Sinn machen, Betriebsräte oder
Gesamtbetriebsräte zu gründen, wo es sie noch nicht
gibt. Warum soll der EBR zu einem "Mega-Betriebsrat"
aufgebläht
werden, wenn viel angemessenere Strukturen vor Ort geschaffen
werden können?
Einige praktische Beispiele
Im
französischen Mischkonzern Veolia Environnement wurde bereits
2005
in der EBR-Vereinbarung festgelegt, nationale Gremien des sozialen
Dialogs in allen Ländern zu gründen, die
über
keinen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat
verfügen (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2011).
Und für die deutsche
Unternehmensgruppe Freudenberg wurde im März 2012 in der
SE-Vereinbarung nicht nur ein Zutrittsrecht zu allen
Standorten
festgelegt; zusätzlich sind zwischen verschiedenen Standorten
bzw. Sparten
innerhalb eines Landes Vorbesprechungen möglich, um eine
angemessene Anbindung an den SE-Betriebsrat sicherzustellen
(siehe Bericht
in
den
EBR-News 2/2012).
Achtung:
die kollektive Verantwortung gilt nicht automatisch!
Alt-Vereinbarungen,
die bis September 1996 erstmals geschlossen wurden,
oder zwischen
Juni 2009 und Juni 2011 verändert wurden, sind von
der neuen
Rechtslage ausgenommen. Enthalten sie keine ausreichende
Regelung
hierzu, ist die Nachverhandlung der EBR-Vereinbarung zwingend
erforderlich.
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3. Beispielhafte Betriebsvereinbarungen
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Lebensqualität
am Arbeitsplatz soll verbessert werden
Am
31. Mai 2012 unterzeichnete
der Kernkraftwerksbetreiber Areva mit den französischen
Gewerkschaften eine Vereinbarung über Maßnahmen zur
Verbesserung der Lebensqualität. Dabei geht es nicht nur um
den Abbau von Stress, sondern auch um Work-Life-Balance, Telearbeit und
Teilzeitmodelle inklusive Elternzeit. In jeder Betriebsstätte
mit mehr als 50 Arbeitnehmern soll ein Aktionsplan erstellt werden.
Auch die Rolle der Arbeitssicherheitsausschüsse wird
gestärkt. Eine Monitoringstelle wird das Abkommen
überwachen und jährlich einen Bericht vorlegen.
Die
Vereinbarung gilt
zunächst nur für Frankreich. In einigen
Fällen werden solche Abkommen nach einer
Erprobungsphase später auf die europäische Ebene
ausgedehnt. Bei Areva gibt es bereits seit November 2006 ein
Antidiskriminierungsabkommen (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2006) und seit April 2011 ein Abkommen
zur Personalplanung (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2011), beides auf europäischer Ebene.
Mitbestimmung "in
stile tedesco"
Am
4. Juli 2012 wurde in Sant’Agata Bolognese (Region
Emilia-Romagna) für die 980 Arbeitnehmer von Lamborghini ein
Abkommen zur Erweitung betrieblicher Mitbestimmung unterzeichnet. Der
italienische Sportwagenhersteller gehört zum
Volkswagen-Konzern und setzt ein Rahmenabkommen um, das im Oktober 2009
zwischen der zentralen Leitung und dem Weltkonzernbetriebsrat
geschlossen wurde (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2009).
Bereits
im Vorfeld wurden alle italienischen Arbeitnehmervertreter 2011 mit
Unterstützung deutscher Betriebsräte auf ihre
erweiterte Rolle vorbereitet und geschult. Das Abkommen sieht die
Bildung bilateraler Arbeitsgruppen zu Themen wie Arbeitsorganisation,
Eingruppierung, Arbeitssicherheit und Gewinnbeteiligung vor. Die
Mitglieder dieser Arbeitsgruppen haben das Recht auf
Schulungen und auf Sachverständige. Für die
traditionell konfliktorientierten Arbeitsbeziehungen in Italien gilt
der Vertrag als Meilenstein, denn die Arbeitnehmervertreter
der Lamborghini-Fabrik werden in ihrer Rolle erheblich
gestärkt. Das Management von Volkswagen ist der Meinung,
erfolgreiche Veränderungsprozesse und dauerhafte
Wettbewerbsfähigkeit seien nur mit gut geschulten
Arbeitnehmervertretern möglich. Damit steht Lamborghini in
Italien als Gegenmodell zu Fiat, wo im Konflikt mit den Gewerkschaften
derzeit der Flächentarifvertrag ausgehebelt wird.
Verantwortliche
Personalplanung in französischer Bank
Am
11. Juli 2012 wurde in Paris eine Sozialcharta für
BNP Paribas unterzeichnet, die erheblich über die sonst
üblichen Inhalte eines derartigen Abkommens hinausgeht. 18
Monate war mit Beteiligung des Europäischen Betriebsrats
verhandelt worden. Die Sozialcharta definiert einen Rahmen für
die Gestaltung von Betriebsänderungen und die Einbeziehung
lokaler Betriebsräte in allen Ländern, die zum
Geltungsbereich des EBR gehören. Personalgespräche
sollen einem europaweiten Mindeststandard unterworfen werden und die
Beschäftigungsplanung transparent werden. In einer Sitzung des
engeren Ausschusses wird die Einhaltung des Abkommens einmal
jährlich vom EBR überprüft, insbesondere die
Fortschritte in einzelnen Ländern. Folgende Texte sind nur in
englischer Sprache verfügbar:
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4. Aktuelle Lohn- und
Branchenstudien
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Reallöhne
in Europa sinken weiter
Einmal
pro Jahr legt die
Hans-Böckler-Stiftung einen Europäischen Tarifbericht
vor, zuletzt im Juni 2012. Danach sind die Arbeitseinkommen in der EU
preisbereinigt 2011 um 0,9% gesunken. 2012 wird mit einem Minus von
0,5% gerechnet, wobei die Krisenländer Griechenland
mit -7,5% und Portugal mit -6,1% besonders stark betroffen sind.
Besonders positiv ist die Entwicklung prozentual in Bulgarien, wo
allerdings das Lohnniveau noch sehr niedrig ist. In Westeuropa sind die
Zuwächse in Schweden und Österreich am
größten, Deutschland kann nur einen minimalen
Zuwachs von 0,3% verbuchen (zum Vergrößern auf die
Grafik klicken).
Banken bauen
weiter Arbeitsplätze ab
Am 3. September 2012 legte UNI
Global, der
internationale Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften, eine
Auswertung von Befragungen zur Beschäftigungssituation in der
Finanzbranche vor. Obwohl fast alle Großbanken wieder Gewinne
machen, setzen sie den Personalabbau munter fort. Belgien ist derzeit
besonders stark von Verlagerungen nach Nordafrika und den Mittleren
Osten betroffen. In Skandinavien zeigt die Finanzmarktkrise weniger
heftige Auswirkungen auf Bankbeschäftigte,
weil starke Gewerkschaften und Tarifpolitik dies offenbar
abfedern konnten. Die Studie zeigt auch, wo sich Arbeitsbedingungen
besonders stark verschlechtert haben: in Frankreich,
Deutschland, Spanien und im Vereinigten Königreich. Folgende Texte sind nur
in englischer Sprache verfügbar:
Beschäftigungsaussichten
in der Energiewirtschaft
Welche Auswirkungen wird die
Reduzierung von Treibhausgasen auf die Situation der Arbeitnehmer bei
Energieunternehmen haben? Wie wirken sich Kreditratings oder der
Einstieg von Finanzinvestoren, darunter z. B. auch aus China, auf die
Entwicklung der Branche aus? Kann die Abspaltung von Verteilernetzen
aus dem Kerngeschäft der Stromerzeuger und die Entstehung von
international tätigen Netzwerkbetreibern eine Gefahr
für Arbeitnehmerrechte bedeuten? Diese Fragen beleuchtet eine
Studie der Universität Greenwich im Auftrag des
Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den
Öffentlichen Dienst (EGÖD). Sie wurde am 7. September
2012 veröffentlicht und zielt auf Unternehmen, die einen
Europäischen Betriebsrat haben. Folgende Texte sind nur in
englischer Sprache verfügbar:
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5. Initiativen der
Europäischen Kommission
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Transnationale
Betriebsvereinbarungen sollen gesetzlich abgesichert werden
Am
10. September 2012 veröffentlichte die Europäische
Kommission in Brüssel ein Arbeitspapier, um die Meinung der
Sozialpartner und der interessierten Öffentlichkeit
über eine geplante Gesetzesinitiative zur Regelung
grenzüberschreitender Betriebsvereinbarungen zu erfahren. Bis
Ende 2012 können Antworten auf neun Fragen eingereicht werden.
Das Papier wurde von einer 2009 gegründeten Expertengruppe
vorbereitet.
Transnationale
Betriebsvereinbarungen gibt es seit dem Jahr 2000 in immer mehr
Unternehmen. Sie gehen über den engen Rahmen von Unterrichtung
und Anhörung der EBR-Richtlinie hinaus,
indem sie z. B. soziale Mindeststandards oder die vorausschauende
Gestaltung von Betriebsänderungen verbindlich regeln.
Anfang 2012 waren 224 derartige Vereinbarungen in 144 Unternehmen
registriert, die mehr als 10 Mio. Arbeitnehmer betreffen.
Häufig ist der Europäische Betriebsrat Initiator oder
wenigstens an der Aushandlung und dem späteren Monitoring
beteiligt. Bisher gibt es jedoch keine Rechtssicherheit für
diese neue Vertragsform. Sollen die Vereinbarungen in allen
EU-Ländern, also auch im Vereinigten Königreich,
einklagbar sein? Wer soll Vertragspartner sein: der
Europäische Betriebsrat (= deutsches Modell) oder die
Gewerkschaften (= französisches Modell) oder gar beide? (siehe
Bericht
in
den EBR-News 3/2010). Die
Arbeitgeberverbände lehnen jede gesetzliche Regelung zu diesem
Thema bisher strikt ab.
Bereits
2006 hatte eine
Expertengruppe im Auftrag der Europäischen Kommission eine
Studie hierzu erarbeitet
(siehe Bericht
in den EBR-News 2/2006) und 2008 legte die
Europäische Kommission ihr erstes Arbeitspapier zu
diesem Thema verbunden mit einer Auswertung von Vereinbarungstexten
vor. Seit Oktober 2011 gibt es eine Online-Datenbank
über transnationale Betriebsvereinbarungen.
Sozialdemokraten im
Europa-Parlament drängen auf umfassendere
Gesetzesinitiative
Einen
zusätzlichen Schub könnte diese Anhörung
bekommen, wenn das Europäische Parlament einer
Resolution zustimmt, die am 8. Juni 2012 von der
sozialdemokratischen Fraktion in den Ausschuß für
Beschäftigung
und soziale Angelegenheiten eingebracht wurde. Sie geht erheblich
weiter
als das Arbeitsdokument der Europäischen Kommission und
enthält 16 konkrete Empfehlungen
über die Rechte der Arbeitnehmer bei Umstrukturierungen. Es
würde ein Mindeststandard für vorausschauende
Personalplanung, Sozialplan und Interessenausgleich für ganz
Europa damit geschaffen.
Sollte der Antrag eine
Mehrheit im Parlament finden, wäre die Europäische
Kommission gezwungen, innerhalb von drei Monaten einen
Richtlinienentwurf vorzulegen oder aber ihre Untätigkeit
konkret zu begründen. Die Mehrheit bei der für Januar
2013 geplanten Abstimmung in einer Plenarsitzung des
Europäischen Parlaments ist
jedoch noch keineswegs sicher.
Streikrecht bleibt vorerst
unangetastet
Am
11. September 2012 zog die Europäische Kommission ihren
Gesetzentwurf zur Überwachung von Arbeitskämpfen
zurück,
den sie erst im März 2012 vorgelegt hatte. Er
war auf massive Kritik der Gewerkschaften gestoßen. Auch
zahlreiche Parlamente einzelner EU-Mitgliedsländer hatten
Brüssel
eine
offizielle Rüge erteilt, weil mit diesem Gesetzentwurf
unzulässig in nationale Angelegenheiten eingegriffen
würde
(siehe Bericht
in den EBR-News 2/2012).
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6.
Nachzügler verabschieden neue EBR-Gesetze
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Griechenland
überzieht neun Monate
Nachdem die
Europäische Kommission im November 2011 drei Länder
angemahnt hatte, in denen eine Umsetzung der neuen EBR-Richtlinie bis
zu diesem Termin immer noch nicht erfolgt war (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2011), liegen nun endlich Resultate vor. Am
1. März 2012 wurde die Aktualisierung des griechischen
EBR-Gesetzes im Staatsanzeiger veröffentlicht.
Vorausgegangen
waren mehrere Konsultationsrunden zwischen der Regierung und den
Tarifparteien. Die vierte Fassung des Gesetzentwurfs beinhaltete nach
Meinung der griechischen Gewerkschaften erhebliche Verbesserungen und
wurde schließlich als Gesetz verabschiedet. In Griechenland
sind zwar viele Firmen mit Niederlassungen vertreten, aber nur ein
einziges Unternehmen hat einen EBR nach griechischem Recht
gebildet: die Coca-Cola Hellenic Bottling Company. Diese
börsennotierte Gesellschaft füllt Getränke
für den Coca-Cola-Konzern und andere Firmen ab und vertreibt
sie in Italien, Österreich und Osteuropa. Folgende Texte sind
nur in englischer Sprache verfügbar:
Italien überzieht 14
Monate
Während
der italienische Gesetzgeber für die Umsetzung der
EBR-Richtlinie aus dem Jahr 1994 noch acht Jahre (bis 2002) brauchte
und damit einen europaweiten Rekord aufstellte (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2006), schaffte er es auf Druck der
Europäischen Kommission jetzt mit 14 Monaten
Verspätung. Was die Regierung Berlusconi mehr als zwei Jahre
nur lustlos vor sich hergeschoben hatte, erledigte die neue Regierung
Monti in einem überschaubaren Zeitfenster. Am 11. August 2012
trat das überarbeitete EBR-Gesetz in Kraft. Es
basiert auf einer gemeinsamen Stellungnahme zwischen Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbänden vom April 2011.
Luxemburg
auf der Zielgeraden
Als
einziges Land der EU hat bisher nur das
Großherzogtum die neue EBR-Richtlinie noch nicht umgesetzt.
Der Gesetzentwurf liegt zwar seit November 2011 dem Parlament zur
Beratung vor, gestritten wurde dort aber über einige Details
wie
den Schulungsanspruch für EBR-Mitglieder. In der letzten
Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Beschäftigung
vor der Sommerpause am 6. Juli 2012 wurden Änderungen am
Gesetzestext vorgenommen. Die endgültige Verabschiedung des
Gesetzes steht jetzt unmittelbar bevor.
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7.
Update von EBR-Vereinbarungen
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Italienische
Versicherung handelt schneller als die italienische Regierung
Am
4. Mai 2012 wurde am Konzernsitz in Triest die EBR-Vereinbarung von
Generali an die Standards der neuen EBR-Richtlinie angepaßt.
Die
Versicherungsgruppe, zu der die Volksfürsorge gehört,
hat
seit 1997 einen EBR nach italienischem Recht. Da es sich hier nicht um
eine "freiwillige" EBR-Vereinbarung aus der Zeit bis 1996 handelt,
waren die Standards der neuen Richtlinie Geschäftsgrundlage.
Die Unterschrift erfolgte noch bevor das neue
italienische EBR-Gesetz am 11. August 2012 verspätet in Kraft
trat.
Der
EBR wird von 37 auf 43 Mitglieder aufgestockt, davon entfallen sieben
Sitze auf Italien und sechs auf Deutschland. Er tagt zweimal pro Jahr,
wobei die zweite Sitzung als Schulungsmaßnahme ohne die
zentrale
Leitung durchgeführt wird. Die laufenden
Geschäfte
führt ein engerer Ausschuß aus acht Personen. Der
EBR
kann auch eigene Arbeitsgruppen bilden. Ist mehr als die
Hälfte der Belegschaft eines Landes von
außergewöhnlichen Umständen betroffen, kann
der engere
Ausschuß eine Sitzung verlangen. Diese Zuständigkeit
bei
einem einzigen Land geht über die Mindestvorschriften der
neuen
Richtlinie hinaus und baut auf Regeln zum Sozialen Dialog auf, die
bereits im November 2006 als Teil einer europaweiten
Sozialcharta
vereinbart wurde (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2007). Folgende Texte sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
Deutsche Post mit erweitertem
Konsultationsverfahren
Am 24. Mai 2012
wurde die
EBR-Vereinbarung der Deutschen Post DHL bei einer Sitzung in Berlin
(Foto) aktualisiert. Der 2003 gegründete EBR ist eines der
wenigen "gemischten" Gremien in Deutschland. Neben 50
Arbeitnehmervertretern aus 30 Ländern des
Europäischen Binnenmarkts gehören ihm auch 25
Vertreter des Managements an. Das Plenum tagt zweimal pro Jahr. Der
Lenkungsausschuß ist ebenso paritätisch besetzt und
hat zwei Vorsitzende: einen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter.
Die Vereinbarung
integriert nicht nur die
neuen Standards zur Unterrichtung und Anhörung, sondern
beschreibt detailliert den Ablauf des Konsultationsverfahrens. Dieses
endet erst, wenn die zentrale Leitung eine begründete
Antwort auf die Stellungnahmen abgegeben hat. Auch Quantität
und Qualität des betriebswirtschaftlichen Reportings wurde im
Detail festgeschrieben. Hinzu kommt die für einen EBR nach
deutscher Rechtslage typische Erweiterung der Schulungsrechte. Die
EBR-Vereinbarung gibt allen Beschäftigten in Europa das Recht,
Arbeitnehmervertretungen zu wählen und den EBR-Mitgliedern ein
Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen.
Neue
EBR-Standards jetzt auch für Indien
Am
14. Juni 2012 wurde in München eine aktualisierte
EBR-Vereinbarung
für das Telekommunikationsunternehmen Colt
unterzeichnet. Der 2004
gegründete EBR ist einer von fünf, die
luxemburgischen Recht
unterliegen (neben RTL, ArcelorMittal, Transcom und Monier). Colt
betreibt sowohl Glasfasernetze als auch Rechenzentren für
Geschäftskunden
und wurde 1992 vom US-Finanzinvestor Fidelity in London
gegründet.
Daher kann es nicht verwundern, daß die EBR-Vereinbarung eine
deutliche
angelsächsische Handschrift trägt.
Typisch
sind umfassend definierte Geheimhaltungsregeln. Die Vereinbarung sieht
sogar ausdrücklich ein Verbot
von Pressekonferenzen für EBR-Mitglieder vor. Wer dagegen
verstößt, kann sein
Mandat verlieren. Auch der Verzicht auf Neuverhandlung der
EBR-Vereinbarung bei strukturellen Änderungen des Konzerns
nach
Artikel 13 der neuen EU-Richtlinie ist in
kontinentaleuropäischen
Texten selten zu finden (siehe Bericht in den
EBR-News 4/2011).
Positiv
ist dagegen der Geltungsbereich zu werten. In der Region
Europa/Mittlerer Osten hat Colt die meisten Arbeitnehmer in Indien,
gefolgt vom Vereinigten Königreich, Spanien und Deutschland.
Indien hat daher ein stimmberechtigtes Mitglied im EBR. In der
Vergangenheit fand auch schon einmal eine reguläre
Plenarsitzung
des EBR
auf dem Subkontinent statt. In Europa sind 13 EU-Länder und
die
Schweiz vertreten. Die drei Mitglieder des Lenkungsausschusses
treffen sich quartalsweise, derzeit unter deutschem Vorsitz.
Plenarsitzungen
finden zweimal jährlich statt und dauern drei Tage. Bei
Konflikten
ist ein internes Schlichtungsverfahren mit aufschiebender Wirkung
vorgesehen. Der Text übernimmt weitgehend die Definition von
Unterrichtung und Anhörung aus der neuen EU-Richtlinie, auch
haben
die EBR-Mitglieder künftig für ihr Mandat bessere
Rahmenbedingungen.
Eine Auswahl
von EBR-Vereinbarungstexten haben wir
auf einer Downloadseite
zusammengestellt.
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8. Neue Europäische Betriebsräte
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Spin-off von TUI
gründet eigenen EBR
Am
9. Mai 2012 konstituierte sich am Unternehmenssitz in Hamburg der neue
EBR der Containerreederei Hapag-Lloyd. Die EBR-Gründung war
notwendig geworden, nachdem der Mutterkonzern TUI 2008 die Mehrheit an
seiner Containersparte verkauft hatte. Weltweit hat
Hapag-Lloyd 6.900 Arbeitnehmer.
Die
EBR-Vereinbarung wurde im Oktober 2011 unterzeichnet. Sie sieht eine
jährliche Plenarsitzung und vier Sitzungen des
Präsidiums
vor, dem zwei deutsche Betriebsratsmitglieder und je ein Vertreter aus
Italien, Dänemark und den Niederlanden angehören.
Basierend
auf dem neuen deutschen EBR-Gesetz wurde ein Schulungsanspruch von
sechs Tagen pro Amtszeit festgeschrieben, den die EBR-Mitglieder auch
nutzen können, um individuell an externen
Veranstaltungen
teilzunehmen.
Spanisches
Infrastrukturunternehmen mit klaren Konsultationsregeln
Am
23. Juli 2012 wurde nach drei Jahren Verhandlung in Barcelona eine
EBR-Vereinbarung für Abertis unterzeichnet. Das Unternehmen
betreibt neben Autobahnen, Parkhäusern, Flughäfen
(darunter
Luton in England) auch Anlagen der Telekommunikation sowie Logistik.
Die Vereinbarung ist für spanische Verhältnisse
richtungsweisend. Sie definiert nicht nur die transnationale
Zuständigkeit weit, sie beschreibt auch detailliert den Ablauf
des
Konsultationsverfahrens inklusive Beteiligung der Belegschaft.
Zu
den Schwachpunkten zählen dagegen die begrenzten
Möglichkeiten des engeren Ausschusses, eigene Sitzungen
durchzuführen. Die fünf Mitglieder
können sich nur
einmal pro Jahr unmittelbar vor der Plenarsitzung treffen, ansonsten
sind sie auf Videokonferenzen verwiesen. Der EBR kann eigene
Arbeitsgruppen zu Themen wie Arbeitsschutz bilden.
Diese dürfen jedoch keine Kosten verursachen und
können nur
auf elektronischem Weg zusammenarbeiten. Der EBR hat ein
Zutrittsrecht zu
allen Niederlassungen in Europa und einen
Schulungsanspruch. Spanien entsendet elf Delegierte in den
EBR,
Frankreich vier, Schweden
und das Vereinigte Königreich je einen.
Nagelprobe für
EBR-Rechte im Vereinigten Königreich
Die
britische Fluggesellschaft easyJet mit Sitz in Luton
verfügt
seit Ende 2011 über einen Europäischen Betriebsrat
auf
Grundlage der subsidiären Bestimmungen des neuen britischen
EBR-Gesetzes. Eine EBR-Vereinbarung für die 6.000 Arbeitnehmer
in
sieben EU-Ländern war in den Verhandlungen, die im Sommer 2008
begonnen hatten, nicht zustandegekommen. Nach alter Rechtslage war das
Scheitern derartiger Verhandlungen für die Arbeitnehmerseite
eher
ungünstig, nach neuer Rechtslage ist es genau umgekehrt. Das
Beispiel der zweitgrößten Billigfluglinie Europas
nach
Ryanair zeigt die Bedeutung der neuen EBR-Richtlinie zur
Stärkung
der Arbeitnehmerposition. Von angelsächsisch
geprägten
Managementberatern wird inzwischen eindringlich vor einer
EBR-Gründung ohne Abschluß einer vollwertigen
EBR-Vereinbarung à la easyJet gewarnt.
Bereits
im Juni 2008 hatte die Gewerkschaft Unite bei der Wahl von
BVG-Mitgliedern im Vereinigten Königreich
Unregelmäßigkeiten bemängelt, die zu einer
ersten
Entscheidung des Central Arbitration Committee (CAC) führten.
Am
12. Januar 2012 strengte Unite einen Rechtsstreit mit der zentralen
Leitung von easyJet über Schulungsansprüche von
EBR-Mitgliedern und deren Finanzierung an. Die
Klage wurde
inzwischen zurückgezogen, weshalb es bisher keine gerichtlich
definierten Standards gibt, die auch
für andere
Unternehmen im Vereinigten Königreich anwendbar
wären. Es
bleibt eine Rechtsunsicherheit, ob EBR-Mitglieder sich
ihren Schulungsanbieter auch gegen die Meinung des
Arbeitgebers
frei aussuchen können und die Kosten dennoch vom Arbeitgeber
zu
tragen sind (siehe Bericht
in den EBR-News 2/2012).
Inzwischen
hat sich die zentrale Leitung von easyJet dem Druck des EBR gebeugt und
führte bei der geplanten Schließung seiner
Basis in
Madrid ein Konsultationsverfahren im französischen Stil durch.
Die
EBR-Mitglieder konnten sich durch betriebswirtschaftliche
Sachverständige umfänglich beraten lassen. Die
zentrale
Leitung akzeptierte sogar, Verhandlungen mit den spanischen
Gewerkschaften erst nach Vorlage der Stellungnahme des EBR zu
beginnen.
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9. Der
Blick
über
Europa hinaus
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Saab vereinbart weltweite
Mindeststandards
Am
13. Juni 2012 unterzeichnete das schwedische Flugzeug- und
Rüstungsunternehmen Saab in Stockholm mit den Gewerkschaften
ein internationales Rahmenabkommen, das neben der Respektierung von
Kernarbeitsnormen für die weltweit 13.000
Beschäftigten auch die Anerkennung von
Arbeitnehmervertretungen garantiert. Es erstreckt sich auch auf die
Zulieferer und schließt in einem Zusatzprotokoll die
Förderung von "gelben" Gewerkschaften durch den Arbeitgeber
aus. Ähnliches hatte im Dezember 2010 der schwedische
Elektrokonzern Electrolux garantiert (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2011). Folgende Texte sind nur in englischer
Sprache verfügbar:
Siemens
unterzeichnet nur halbherzig
Nach
langen Diskussionen wurde am 25. Juli 2012 in Frankfurt am Main ein
internationales Rahmenabkommen für Siemens unterzeichnet. Es
enthält einen Verweis auf die Prinzipien der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) und betont die konstruktive Zusammenarbeit
mit Arbeitnehmervertretungen überall auf der Welt. Dazu
gehört natürlich auch die Freiheit, eine
Arbeitnehmervertretung zu gründen. Einmal im Jahr wird die
Einhaltung des Abkommens von einer Delegation aus IG Metall und dem
deutschen Gesamtbetriebsrat überprüft. Hierzu finden
nach einem rollierenden System Sitzungen mit örtlichen
Arbeitnehmervertretern in verschiedenen Teilen der Welt statt.
Ungewöhnlich bei diesem Abkommen ist die Tatsache,
daß der Europäische Betriebsrat von Siemens nicht
beteiligt wurde.
Bereits
Anfang September 2012 stand das Abkommen in seiner
ersten praktischen Erprobung: an einem Siemens-Standort in den
USA hatte das örtliche Management spezielle Berater
beauftragt, die Bildung einer Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Die Dienstleistung dieser
"Gewerkschaftsjäger" wird auch als "Union Busting" bezeichnet. Die IG Metall protestierte
bei der zentralen Leitung in München gegen den
Verstoß gegen das internationale Rahmenabkommen.
Ähnliche Vorfälle werden auch immer wieder aus
anderen Unternehmen
gemeldet (siehe Bericht
in den EBR-News 3/2010).
Spanischer
Baukonzern
verpflichtet sich zu Sozialstandards
Am 19. September 2012
wurde in Madrid ein internationales Rahmenabkommen
zwischen Obrascon Huarte Lain (OHL) und der Bau- und
Holzarbeiter-Internationale (BHI) unterzeichnet. Das Abkommen
garantiert den weltweit 23.000 Arbeitnehmern Sozialpartnerschaft und
Tarifverhandlungen. Einmal pro Jahr wird
die
zentrale Leitung mit den spanischen Gewerkschaften über die
Einhaltung des Abkommens beraten. Bei Verstößen
sieht die Vereinbarung Schlichtungsregeln vor: zunächst werden
die Probleme mit dem lokalen Management vor Ort besprochen, danach in
der Monitoring-Gruppe am Sitz der Konzernzentrale in Madrid (Foto).
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10.
Interessante Webseiten
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Meta-Übersetzungsdienst – von der EU finanziert
Für
die europäische Integration ist die Vielfalt der Sprachen eine
große Herausforderung. Allein 23 Amtssprachen gibt
es in der EU, hinzu kommen zahlreiche Minderheitensprachen wie z. B.
Katalanisch. Die europäischen Institutionen in
Brüssel sind
wichtige Arbeitgeber für Übersetzer und Dolmetscher.
Mit
finanzieller Unterstützung der EU wurde in den letzten Jahren
ein
Online-Übersetzungsdienst entwickelt, der nicht nur kostenlos
nutzbar ist, sondern sich von anderen Diensten wie Google oder Babylon
qualitativ unterscheidet: er fragt nämlich mehrere Programme
gleichzeitig ab und präsentiert die unterschiedlichen
Ergebnisse
direkt untereinander. Es lassen sich sogar ganze Webseiten
übersetzen. Koordiniert wird der Übersetzungsdienst
von einem
Forschungsinstitut aus Budapest.
Netzwerk
zum europäischen Arbeitsrecht
Seit
2008 fungiert das European Labour Law Network als ein offizieller
Beratungsausschuß der Europäischen Kommission zu
arbeitsrechtlichen Fragen. Das Netzwerk, dem Wissenschaftler aus allen
EU-Ländern angehören, betreibt eine eigene Webseite
in
englischer Sprache. Dort finden sich aktuelle Meldungen über
die
Entwicklungen im europäischen und nationalen Arbeitsrecht. Das
Netzwerk wird von den Universitäten Frankfurt am Main und
Leiden
in den Niederlanden koordiniert.
Lobbyismus in Brüssel
Der
Verein LobbyControl aus Köln hat das
Ziel, über
Machtstrukturen und die verdeckte Einflußnahme der Wirtschaft
auf
die Politik sowohl in Deutschland als auch in der EU
aufzuklären.
Er betreibt das Online-Lexikon Lobbypedia, wo kritisch über
Lobbyismus berichtet und einzelne Fälle dokumentiert werden.
Im
September 2012 ist eine Neuauflage des LobbyPlanet
Brüssel erschienen, ein Stadtplan des EU-Viertels mit den
Lobby-Brennpunkten.
Internationale
Solidarität in der textilen Zuliefererkette
Die
Arbeitsbedingungen der Produktionsarbeiterinnen in der Textilindustrie
der Länder Südostasiens macht das von der
Gewerkschaft
ver.di unterstützte Projekt exCHAINS seit Jahren immer wieder
transparent.
Auf
der Webseite sind auch Hintergrundinformationen über einzelne
Länder abrufbar.
Zahlreiche
weitere interessante Links haben wir in einer Linksammlung
zusammengestellt.
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Interkultureller
Knigge – nicht nur für Manager
Im
Frühjahr 2012 ist eine Neuauflage dieses Business Knigge
erschienen, der die wichtigsten Länder der EU einzeln
darstellt.
Betriebsräte erfahren in diesem Buch, warum in Frankreich mehr
Zeit
einzuplanen ist, Smalltalk am Rande einer Sitzung in England fast
alles ist, Sympathie die wichtigste Gesprächsgrundlage mit
Italienern darstellt, in Spanien die entscheidenden Dinge beim Essen
geregelt werden und der Gesprächspartner in Finnland besser
nicht
unterbrochen werden sollte. Körpersprache und
Fettnäpfchen
sind ausführlich dargestellt. Neu ist ein Kapitel
über gute
Umgangsformen in der elektronischen Kommunikation.
Arbeitsbeziehungen
in Südosteuropa
Im
Frühjahr 2012 legte das Regionalprojekt
"Arbeitsbeziehungen und
Sozialdialog in Südosteuropa" der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Belgrad
für elf Länder zwischen Adria und Schwarzem Meer
einen nationalen
Jahresrückblick vor. Darunter finden sich die
EU-Länder Slowenien,
Rumänien und Bulgarien wie auch
das Beitrittsland Kroatien, das ab 1.
Juli 2013 zur EU gehört (siehe Bericht in den
EBR-News 2/2010). Die
jährlichen Updates für jedes Land gibt
es schon länger, allerdings nur in englischer
Sprache. Ergänzt wird die Länderreihe durch
einige thematische Publikationen mit dem
Schwerpunkt Südosteuropa.
Ländervergleich
über Arbeitsinspektoren / Gewerbeaufsicht
Im
Juni 2012 veröffentlichte der Europäische
Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst
(EGÖD)
in Brüssel eine Studie über die Rolle und Aufgaben
der
Arbeitsinspektion in 15 Ländern. Die geringsten Befugnisse
haben
derartige staatliche Stellen in Deutschland, Dänemark und dem
Vereinigten Königreich, wo sie nur für Gesundheits-
und
Sicherheitsfragen am Arbeitsplatz zuständig sind. In den
meisten
EU-Ländern gehen die Kompetenzen der Gewerbeaufsicht jedoch
erheblich weiter: sie überwacht die Beschäftigung,
die Arbeitszeiten, die Löhne und die Gleichbehandlung von
Mann und Frau. So verfügen die staatlichen Arbeitsinspektoren
dieser Länder
über Rechte, die in Deutschland der Betriebsrat wahrnimmt.
Aktuelle
Lage der polnischen Gewerkschaften
Im Juni 2012 legte das
Europäische
Gewerkschaftsinstitut in Brüssel die zweite
Länderstudie über Gewerkschaften in Mittel- und
Osteuropa vor (die erste Studie dieser Reihe erschien im Dezember 2010
über Tschechien, siehe Bericht in den
EBR-News 4/2010). Das 98 Seiten umfassende Werk taucht weit
in die Geschichte der polnischen Gewerkschaftsbewegung ein, beschreibt
die heutigen Organisationen und deren Fragmentierung sowie
die Entwicklung der Mitgliederzahlen. So waren 2010 nur noch 10% der
polnischen Arbeitsbevölkerung gewerkschaftlich organisiert.
Der Anhang der Studie enthält eine Zeittafel
der wichtigsten Ereignisse im Bereich der Arbeitsbeziehungen
und ein umfangreiches Gewerkschaftsglossar. Einer der Autoren, Dr. Jan
Czarzasty, war Referent der Hamburger Fachtagung der EWC Academy im
Januar
2012.
Weitere Fachliteratur haben wir
auf einer Literaturseite
zusammengestellt.
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12. Die EWC Academy:
Beispiele aus unserer Arbeit
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Berichtssystem
für die Arbeitnehmervertretung
Am
26. und 27. Juni 2012 entwickelten die Mitglieder des
SE-Betriebsrates der Donata Holding SE bei einer Projekttagung in
Budapest (Foto) ein internetbasiertes Berichtssystem für
betriebswirtschaftliche Daten und Personalkennzahlen. Ziel dieses mit
Unterstützung der EWC Academy gestalteten Werkzeugs ist die
bessere Nutzung der Unterrichtungs- und Anhörungsrechte des
SE-Betriebsrates insbesondere im Vorfeld von transnationalen
Umstrukturierungen.
Der
SE-Betriebsrat des Parfümkonzerns ist derzeit mit
Personalverschiebungen konfrontiert. Vor dem Arbeitsgericht
Ludwigshafen
läuft daher seit Februar 2012 ein Verfahren, weil seine
Unterrichtungs- und Anhörungsrechte nicht respektiert wurden
(siehe Bericht
in den EBR-News 1/2012). Beraten wird der SE-Betriebsrat von
der EWC Academy.
Raumfahrtsparte
von EADS vor Upgrade der
EBR-Vereinbarung
Auf
einer Plenarsitzung in Bremen wurde der EBR von Astrium am 5. Juli 2012
durch die EWC Academy über die Möglichkeiten einer
Anpassung
seiner EBR-Vereinbarung an die neuen EU-Standards unterrichtet. Das
Europäische Raumfahrtkomitee Astrium - so der offizielle Name
des
EBR - vertritt 15.000 Arbeitnehmer des EADS-Geschäftsbereichs
Raumfahrt in Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien
und
den
Niederlanden. Unter dem Dach der EADS-Holding gibt es drei weitere
Europäische
Spartenbetriebsräte, z. B. für Airbus (siehe Bericht in den
EBR-News 1/2012).
Dritte
deutsch-französische Betriebsrätetagung in Paris
Am
18. September 2012 diskutierten ca. 25 Seminarteilnehmer im
historischen Gebäude "Maison Internationale" am Stadtrand von
Paris (Foto) über Instrumente der
Beschäftigungssicherung in
Zeiten der Krise. Die Veranstaltung fand bereits zum dritten Mal statt.
Erstmals waren Vertreter aus Finnland, der Schweiz und dem Vereinigten
Königreich dabei. Praktische Beispiele aus dem
Touristikkonzern
TUI und dem Automobilzulieferer Bosch standen auf dem Programm. Am
Vortag konnten sich die nicht-französischen Teilnehmer in
kleiner
Runde mit den Feinheiten der französischen Betriebsverfassung
vertraut machen. Und am Tag nach dem Seminar stand der Besuch einer
Fachmesse für französische Betriebsräte auf
dem Programm.
Deutsch-italienisches
EBR-Seminar
in Bozen
Arbeitnehmervertreter
aus Deutschland, Italien und Südtirol trafen sich am 27. und
28.
September 2012 in Bozen (Foto), um das System der Arbeitsbeziehungen
des jeweils anderen Landes besser zu verstehen. Ein deutsches
EBR-Mitglied berichtete über Aktivitäten auf
europäischer Ebene in der italienischen Bank
UniCredit und
ein italienischer Delegierter aus dem EBR des deutschen
Volkswagen-Konzerns. Südtirol als Brücke zwischen den
Sprachräumen konnte die gegenseitige Verständigung
hierbei
erleichtern.
Schulung für den EBR von
British American Tobacco
Am
1. und 2. Oktober 2012 fand in Madrid die jährliche
Plenarsitzung
des Europäischen Betriebsrates von BAT statt. Die rund 25
Delegierten aus nahezu allen EU-Ländern wurden dabei von der
EWC
Academy über die Systeme der Arbeitsbeziehungen geschult. Der
zweitgrößte Tabakkonzern der Welt hat seinen
Hauptsitz in
London und gründete 1996 seinen EBR.
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13.
Aktuelle Seminartermine
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Faltblatt
zum Seminarprogramm 2013
Die
EWC Academy und ihre
Vorläuferorganisation führt seit
Januar 2009 Tagungen und Seminare für die Mitglieder von
Europäischen
Betriebräten, SE-Betriebsräten und Besonderen
Verhandlungsgremien durch. 406
Arbeitnehmervertreter aus 173 Unternehmen haben bisher daran
teilgenommen, viele davon auch mehrfach. Das entspricht
etwa 17% aller Unternehmen in Europa, die einen EBR gebildet haben.
Für das Jahr 2013 ist ein neues Faltblatt mit den aktuellen
Terminen verfügbar.
Weitere Termine und Seminarthemen sind in Vorbereitung.
Deutsch-britische
Betriebsrätetagung in London
Am
25. und 26. Oktober 2012 findet bereits zum zweiten Mal
eine Tagung nach § 37 Abs. 6 des
Betriebsverfassungsgesetzes
in London statt. Die Veranstaltung wird simultan gedolmetscht. Sie
richtet sich an alle Mitglieder Europäischer
Betriebsräte,
die britischem Recht unterliegen, sowie an Arbeitnehmervertreter, die
sich mit dem britischen System vertraut machen wollen.
Fachtagung für Frauen zum Gender
Mainstreaming
Neben
der Beteiligung von Frauen im Aufsichtsrat werden auf dieser
Fachtagung in Hamburg Handlungsmöglichkeiten von
Betriebsräten zur Verhinderung von Diskriminierung und
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben diskutiert. Vorträge
von
Wissenschaftlerinnen sowie praktische Beispiele aus EBR- und KBR-Praxis
zur Gleichstellung stehen am 15. und 16. November 2012 auf der
Tagesordnung.
Arbeitnehmervertretung
im internationalen
Unternehmen
Vom
21. bis 23. November 2012 findet in Hamburg ein Seminar statt, das
nicht nur für EBR-Mitglieder, sondern auch für
Konzernbetriebsräte, Arbeitnehmervertreter in
Aufsichtsräten
und Assistenten der Betriebsräte in internationalen
Unternehmen
interessant ist. Dort wird der langjährige
EBR-Vorsitzende von Opel, Klaus Franz (Foto), als
Referent erwartet.
5. Hamburger Fachtagung
für Europäische und SE-Betriebsräte
Wie jedes Jahr findet im Januar
wieder eine zweitägige Fachtagung in Hamburg statt. Die Themen:
Montag, 28.
Januar 2013:
Aktuelle Trends in der EBR-Landschaft - neue Gerichtsurteile und
Beispiele von EBR-Aktivitäten
Dienstag, 29.
Januar 2013:
Besuch des Airbus-Werkes in Hamburg und Präsentation durch
Betriebsratsmitglieder von Airbus
Inhouse-Veranstaltungen
Eine
Übersicht über mögliche Themen für
Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:
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Die
EBR-News werden herausgegeben von:
Mitarbeiter
dieser Ausgabe:
Werner Altmeyer, Manfred Bobke,
Rita da Luz
Verteiler
der deutschsprachigen
Ausgabe: 18.381 Empfänger
Verteiler
der
englischsprachigen Ausgabe: 2.758 Empfänger
Verteiler
der
französischsprachigen Ausgabe: 2.799 Empfänger
Newsletter-Archiv: www.ebr-news.de
Wir freuen uns über
Anregungen zu diesem Newsletter und über Berichte aus Ihrem
EBR.
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