Nr. 3/2017
12. Oktober 2017    
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Willkommen zur Ausgabe Nr. 3 / 2017 der EBR-News  

Inhalt

  1. Deutsch-französische Fusion: Airbus der Schiene?
  2. Rechtsstreit über Konsultationsfristen
  3. Konkurrierende Tarifverträge - kein klares Bild in Europa
  4. Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs
  5. Londoner Richter stärken Arbeitnehmerinteressen
  6. Gründung von Europäischen Betriebsräten
  7. Neue SE-Beteiligungsvereinbarungen
  8. Europäische Betriebsräte stärken ihren Einfluss
  9. Der Blick über Europa hinaus
10. Interessante Webseiten
11. Neue Publikationen
12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit
13. Aktuelle Seminartermine
14. Impressum

 

  1. Deutsch-französische Fusion: Airbus der Schiene?

Französischer TGV-Hersteller wird deutsch – "dank" China

 

Der deutsche ICE und der französische TGV repräsentieren heute die beiden weltweit führenden Hochgeschwindigkeitstechnologien. Sie stehen jedoch aus China unter Wettbewerbsdruck, wo 2015 durch eine Fusion der größte Schienenfahrzeughersteller der Welt entstanden ist. Am 26. September 2017 wurde bekannt, dass der ICE-Hersteller Siemens Mobility und der TGV-Produzent Alstom bis Ende 2018 fusionieren werden. Beide sind etwa gleich groß und haben zusammen 60.000 Beschäftigte. Bei Siemens ist nur die Sparte Mobility an der Fusion beteiligt, während es bei Alstom der komplette Konzern ist.

 

Die Zentrale des neuen Unternehmens Siemens-Alstom wird im Großraum Paris angesiedelt, während die Sparte Mobility Solutions und Signaltechnik in Berlin bleibt. Offiziell ist die Rede von einer "Fusion unter Gleichen", faktisch wird Siemens an dem Gemeinschaftsunternehmen eine knappe Mehrheit halten und im Verwaltungsrat sechs von elf Mandaten bekommen. Für linke französische Politiker und die Gewerkschaft CGT ist dies "skandalös", weil nationales industrielles Eigentum mit dem Kronjuwel TGV "an die Deutschen" verscherbelt würde. Sie verlangten noch im letzten Jahr die Nationalisierung des Alstom-Konzerns, bei dem der französische Staat bis 2006 wichtigster Aktionär war.

 

Welche Rolle für Politik, Gewerkschaften und Betriebsräte?

 

Die französische Regierung stimmte der de-facto-Übernahme von Alstom zu, weil Siemens die Anteile mindestens vier Jahre hält und soziale Auflagen akzeptiert. Dazu gehören eine Standortgarantie, der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und Investitionen in Forschung und Entwicklung bis Ende 2022. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wird persönlich eine Arbeitsgruppe leiten ("comité national de suivi"), wo er gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern die Verpflichtungen von Siemens gegenüber Alstom überwacht. Für Le Maire ist es Aufgabe des Staates, "die strategischen Interessen der Industrie der französischen Nation zu garantieren". Im Oktober 2016 hatte der damalige Präsident François Hollande zusätzliche TGV-Züge im Wert von einer halben Milliarde € bestellt, um den bedrohten Standort Belfort zu retten (siehe Bericht in den EBR-News 3/2016).

 

Anders ist die Situation in Deutschland, wo Gewerkschaften und Betriebsräte, nicht aber die Politik für die Überwachung der Verpflichtungen zuständig sind. Die IG Metall weist darauf hin, dass der Erhalt von Tarifbindung und Mitbestimmung und die Absicherung der Arbeitsbedingungen vom Management garantiert wurde. "Die Arbeitnehmerseite hat im Aufsichtsrat Bedingungen für die Zusammenlegung im Sinne der Beschäftigten durchgesetzt." Die sozialen Garantien gelten jedoch nur in Deutschland und Frankreich. Andere Länder wie Italien und Polen, wo Alstom Produktionsstätten hat, sind davon nicht erfaßt. Vielleicht gelingt es den beiden Europäischen Betriebsräten, diese Lücke noch zu füllen.

 

Pressebericht über die Fusion

Bericht der IG Metall

 

Zwei völlig unterschiedliche Kulturen im Europäischen Betriebsrat

 

Bei Alstom existiert seit 1996 ein "European Works Forum" (EWF). Nach Verkauf der Energiesparte vertritt es seit November 2015 nur noch ein Drittel der früheren Belegschaft und die EBR-Vereinbarung wurde aktualisiert (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015). Da sie französischem Recht unterliegt, hat der Arbeitgeber den Vorsitz. Das Konsultationsverfahren ist detailliert beschrieben und wird in der Praxis intensiv genutzt, auch durch Hinzuziehung externer Sachverständigenbüros. Dies ist typisch für französische EBR-Gremien, denn die EU-Richtlinie ist stark von den französischen Vorgaben inspiriert (siehe Bericht in den EBR-News 3/2011). Das European Works Forum von Alstom wird im Zuge der Fusion aufgelöst, es sei denn, es findet sich eine andere Verhandlungslösung.

 

Bei Siemens gibt es seit 1995 einen Europäischen Betriebsrat nach deutschem Recht, das "Siemens Europe Committee" (SEC). Obwohl der Konzern aus einer Vielzahl von Sparten und Produktgruppen besteht, entwickelten sich keine Europäischen Spartenbetriebsräte. Stattdessen gibt es sogenannte "Cluster-Meetings" für geographische Zonen in Europa (siehe Bericht in den EBR-News 2/2008). In großen Industriekonzernen mit Hauptsitz in Deutschland ist meist der deutsche Konzernbetriebsrat die wichtigste Instanz, der Europäische Betriebsrat kommt erst an zweiter Stelle. Bei Siemens war er z. B. 2012 bei der Unterzeichnung eines internationalen Rahmenabkommens überhaupt nicht beteiligt (siehe Bericht in den EBR-News 3/2012). Deutsche EBR-Gremien haben meist ein Nachholpotential, wenn es um die intensive Nutzung von Konsulationsrechten à la française geht.

 

Broschüre über die EBR-Arbeit bei Siemens

 

General Electric als "Blaupause" für eine neue EBR-Struktur?

 

2014 wollte Siemens seine Bahntechnik an Alstom verkaufen, um im Gegenzug dessen Energiesparte zu übernehmen. Das Rennen um die Energiesparte gewann aber der US-Mischkonzern General Electric. Zuvor hatte der Europäische Betriebsrat von Alstom dem Management eine Verpflichtungserklärung zum sozialverträglichen Personalabbau abgerungen - ein Novum für ein US-Unternehmen, das nur durch Drohung mit einem Gerichtsverfahren möglich war (siehe Bericht in den EBR-News 4/2014).

 

Für General Electric wurde nach Artikel 13 der EBR-Richtlinie ein Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) gebildet, das bis März 2018 eine völlig neue EBR-Vereinbarung für die 95.000 Beschäftigten in Europa aushandeln soll. Bis dahin arbeiten die bestehenden fünf Europäischen Betriebsräte (darunter ein vorläufiges Komitee der ehemaligen Alstom-Standorte) unabhängig voneinander unter dem Dach von General Electric weiter, künftig sollen sechs Europäische Spartenbetriebsräte mit einem EBR auf Holding-Ebene gebildet werden. Das Modell erinnert an das Beispiel Airbus, wo es ebenfalls mehrere Spartenbetriebsräte gibt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015).

 

Die geplante EBR-Struktur bei General Electric

  2. Rechtsstreit über Konsultationsfristen

Französischer Verfassungsrat erlaubt Fristen im Konsultationsverfahren

 

Am 3. August 2017 entschied der Verfassungsrat in Paris über einen Eilantrag der Sozialkammer des Kassationshofs über die Frage, ob die seit 2014 gesetzlich vorgegebenen Fristen für die Anhörung des Betriebsrates verfassungsgemäß sind. Der Kassationshof ist mit dem Bundesarbeitsgericht in Deutschland vergleichbar. Geklagt hatte der Betriebsrat des US-Unternehmens Markem-Imaje, ein Dienstleister der Verpackungsindustrie zur Produktkennzeichnung mit Sitz in der Nähe von Valence an der Rhone und 700 Beschäftigten in Frankreich.

 

Der Betriebsrat wurde im ersten Halbjahr 2015 vom Arbeitgeber über eine geplante Umstrukturierung der Buchhaltungsabteilung informiert. Der Betriebsrat konnte aber keine Stellungnahme abgeben, weil die vorgelegten betriebswirtschaftlichen Daten nicht ausreichten, daher verklagte er das Unternehmen. Die Justiz arbeitete so langsam, dass innerhalb der gesetzlichen Konsultationsfrist kein Gerichtsurteil erging. Daher galt das Anhörungsverfahren automatisch als beendet. Der Betriebsrat bemängelt, dass seine Rechte wegen unzureichender Arbeitsfähigkeit der Justiz faktisch ins Leere laufen würden.

 

Hintergrund: die neuen gesetzlichen Konsultationsfristen

 

Seit dem 1. Januar 2014 gilt für französische Betriebsräte ein verändertes Konsultationsverfahren. Das Arbeitsgesetzbuch definiert genaue Fristen, um eine schnellere Umsetzung von Restrukturierungen zu ermöglichen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2014). Die Abgabe einer Stellungnahme durch den Betriebsrat hat eine hohe juristische Bedeutung, denn der Arbeitgeber muss bei der Umsetzung von Maßnahmen darauf warten, sonst droht ein Unterlassungsanspruch per einstweiliger Verfügung und eine Blockade, manchmal auch für mehrere Jahre wie im Fall des US-Unternehmens Goodyear (siehe Bericht in den EBR-News 4/2009). Seit 2014 gilt ein Konsultationsverfahren als abgeschlossen, wenn der Betriebsrat bis zum Ende der Frist keine Stellungnahme abgibt. Er kann jedoch das Arbeitsgericht anrufen und eine Verlängerung der Frist beantragen, wenn er dafür gute Gründe hat. Gerichte müssen innerhalb von acht Tagen darüber entscheiden, so der Gesetzestext. Im vorliegenden Fall brauchte das Gericht aber mehr als drei Monate und die Frist für den Betriebsrat war zwischenzeitlich abgelaufen.

 

Das Verfahren könnte vor dem Europäischen Gerichtshof landen

 

An dem Verfahren vor dem Verfassungsrat waren auch die Gewerkschaften CFDT und CGT und der Gesamtbetriebsrat des Stromversorgers Électricité de France beteiligt. Unterstützt wurden sie von dem Juraprofessor Antoine Lyon-Caen, dem "französischen Däubler", der aus einer Familiendynastie linker Top-Juristen des 19. Jahrhunderts stammt und die Elite-Hochschule für Sozialwissenschaften EHESS leitet. Zur Urteilsbegründung wurden die Texte der Verfassung von 1946 und die Erklärung der Menschenrechte von 1789 herangezogen. Der Verfassungsrat untersuchte den Gesetzestext, nicht die Arbeitsfähigkeit der Justiz, und erklärte die Konsultationsfristen für verfassungsgemäß. Es könnte allerdings ein Verstoß gegen europäisches Recht vorliegen, denn EU-Richtlinien wie zur Unterrichtung und Anhörung müssen in einer Weise umgesetzt werden, dass sie ihre Wirkung in der Realität tatsächlich auch entfalten können ("effet utile"). Diese Grundsatzfrage könnte daher bald den Europäischen Gerichshof beschäftigen.

 

Ein brisantes Thema auch für Europäische Betriebsräte

 

Die EU-Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat ist stark von der Grundphilosophie des französischen Konsultationsmodells geprägt. Sie schreibt aber keine exakte Frist zur Abgabe der Stellungnahme vor. Andererseits ist bisher noch völlig unklar, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einer fehlenden Stellungnahme ergeben. In Frankreich hatte der Kassationshof 2008 einen Unterlassungsanspruch bejaht (siehe Bericht in den EBR-News 1/2008). In Deutschland und im Vereinigten Königreich wurde diese Frage bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, weil sämtliche Verfahren außergerichtlich beigelegt wurden (siehe Bericht in den EBR-News 2/2016).

 

Das Urteil im Wortlaut

Hintergrund: Der Ablauf eines korrekten Konsultationsverfahrens

  3. Konkurrierende Tarifverträge - kein klares Bild in Europa

Deutsches Tarifeinheitsgesetz von 2015 verfassungsgemäß

 

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vom 11. Juli 2017 sind die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar. Seit Juli 2015 gilt in Deutschland in Betrieben mit mehreren Gewerkschaften nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Bis Ende 2018 müssen lediglich einige Nachbesserungen am Gesetz erfolgen, um die Belange einzelner Berufsgruppen oder Branchen ausreichend zu berücksichtigen.

 

Zu der Gesetzesinitiative kam es, weil kleine Berufsgewerkschaften im Transportwesen (z. B. bei der Deutschen Bahn) Arbeitskämpfe für Partikularinteressen und gegen große Gewerkschaften führten. Mit dem Tarifeinheitsgesetz wurde ein Rechtszustand wieder hergestellt, wie er bis 2010 herrschte. Damals hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt den seit dem Zweiten Weltkrieg geltenden Grundsatz verworfen, wonach nur ein Tarifvertrag in jedem Betrieb gilt (siehe Bericht in den EBR-News 2/2010). Das Thema führte in Deutschland zu Grundsatzdiskussionen, obwohl viele andere europäische Länder - auch solche mit Gewerkschaftspluralismus - konkurrierende Tarifverträge per Gesetz ausschließen (siehe Bericht in den EBR-News 4/2014).

 

Der Beamtenbund ist mit dem Urteil nicht einverstanden und erwägt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser hatte im April 2014 über die Einschränkungen des britischen Streikrechts aus der Thatcher-Zeit zu entscheiden und eine Klage der Gewerkschaft RMT abgewiesen. Die Richter billigten dem Gesetzgeber ausdrücklich einen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des Menschenrechts auf Streik zu (siehe Bericht in den EBR-News 2/2014).

 

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts


Tarifeinheitsgesetz der belgischen Bahn von 2016 verfassungswidrig

 

Am 26. Juli 2017 entschied der Verfassungsgerichtshof in Brüssel, dass Teile des Gesetzes über die Verwaltung und das Personal der staatlichen Eisenbahngesellschaft aus dem Jahr 2016 verfassungswidrig sind. Es sieht vor, dass 2018 erstmals Betriebsräte wie in der Privatwirtschaft gewählt werden. Bisher wird die gewerkschaftliche Stärke anhand der Mitgliederzahlen ermittelt. Künftig sind die Ergebnisse der Betriebsratswahlen entscheidend, so wie es in Frankreich schon seit 2009 üblich ist (siehe Bericht in den EBR-News 1/2010).

 

Geklagt hatte die unabhängige Eisenbahnergewerkschaft SIC, die von den Betriebsratswahlen und der Tariffähigkeit ausgeschlossen worden wäre, da sie keinem der drei großen Dachverbände angehört. Nach Meinung der Verfassungsrichter würde dies der Gewerkschaftsfreiheit und dem demokratischen Verfahren schweren Schaden zufügen. Das Urteil bedeutet für kleine Spartengewerkschaften, dass sie eigenständig zum Streik aufrufen dürfen. Auf gesamtstaatlicher, branchenübergreifender Ebene sind in Belgien nur der sozialistische, der christliche und der (links-)liberale Gewerkschaftsbund repräsentativ. Sie sind auch im Nationalen Arbeitsrat vertreten, wo sie gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden die Regierung beraten und allgemeinverbindliche Tarifverträge schließen. Auf diesem Weg wurde auch die EBR-Richtlinie in Belgien umgesetzt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2011).

 

Pressebericht über das Urteil

Das Urteil im Wortlaut


Tarifeinheitsgesetz in Schweden in der Planung

 

Im Hafen von Göteborg ist der Containerumschlag im ersten Halbjahr 2017 um 22% zurückgegangen. Ursache dafür ist ein schwelender Arbeitskonflikt konkurrierender Gewerkschaften um die Tariffähigkeit im Containerterminal von APM Terminals. Göteborg ist der größte Hafen Skandinaviens, die Hälfte aller schwedischen Container werden dort umgeschlagen. 85% der Hafenarbeiter gehören einer unabhängigen Basisgewerkschaft an, die sich 1972 von der Transportarbeitergewerkschaft im Dachverband LO abgespalten hatte.

 

Das Unternehmen APM Terminals unterliegt dem Branchentarifvertrag der LO und weigert sich daher, einen anderslautenden Haustarifvertrag mit der unabhängigen Basisgewerkschaft abzuschließen. Der Vorschlag, eine gemeinsame Verhandlungskommission beider Gewerkschaften zu bilden, wurde von der LO abgelehnt. Seit April 2016 finden immer wieder Streiks statt und im Mai/Juni 2017 waren Teile der Belegschaft ausgesperrt. APM Terminals will nun wegen des arbeitskampfbedingten Rückgangs im Containerumschlag 150 von 450 Beschäftigten entlassen.

 

Die Situation in Göteborg schlägt hohe politische Wellen im ganzen Land. Der Arbeitgeberverband der Hafenbetreiber startete eine Kampagne gegen die unabhängige Hafenarbeitergewerkschaft und will in allen schwedischen Häfen nur noch mit der LO zusammenarbeiten. Die rot-grüne Regierung arbeitet an einer gesetzlichen Regelung, damit kein Arbeitgeber mehr in einen Arbeitskampf gezogen wird, wenn er bereits einen geltenden Tarifvertrag hat. Die Situation ist vergleichbar mit den Streiks bei der Deutschen Bahn, die am Ende zum deutschen Tarifeinheitsgesetz von 2015 führten.

 

Bericht über die Hintergründe

Bericht über eine fehlgeschlagene Schlichtung

Webseite der Basisgewerkschaft

  4. Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs

Deutsche Mitbestimmung mit EU-Recht konform


Am 18. Juli 2017 scheiterte ein Kleinaktionär des Tourismuskonzerns TUI vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg mit seinem Versuch, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wegen Verstoß gegen EU-Recht abzuschaffen. Seine Begründung lautete: da nur die Belegschaft in Deutschland Wahlrecht für den Aufsichtsrat hat, seien andere Länder benachteiligt. Faktisch sind bei TUI 40.000 Auslandsbeschäftigte von der Mitbestimmung ausgeschlossen, aber nur 10.000 Arbeitnehmer in Deutschland profitieren davon. Im Oktober 2015 hatte das Kammergericht Berlin den Europäischen Gerichtshof um eine Grundsatzentscheidung zu dieser Frage gebeten (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015).

 

Pressemitteilung des Gerichtshofes

Das Urteil im Wortlaut

Bericht der Hans-Böckler-Stiftung zum Urteil

 

Die Klage hatte in Deutschland eine hitzige Debatte innerhalb der Gewerkschaften ausgelöst, denn es bestand eine reale Gefahr für die Zukunft der Mitbestimmung, die seit dem Zweiten Weltkrieg fester Bestandteil des Sozialmodells ist. Alle Unternehmen ab 500 Beschäftigte in Deutschland müssen ein Drittel der Mandate im Aufsichtsrat für die Arbeitnehmer reservieren, ab 2.000 Beschäftigte sogar die Hälfte. Seit einigen Jahren ist die deutsche Mitbestimmung aber schleichend unter Druck geraten. Die Rechtsform SE (Europäische Aktiengesellschaft) und ausländische Rechtsformen werden zunehmend genutzt, um den Einfluss der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat zu begrenzen oder um jede Form von Mitbestimmung komplett zu vermeiden. Seit Februar 2017 gibt es eine Gesetzesinitiative, die diese Entwicklung stoppen will (siehe Bericht in den EBR-News 1/2017).

 

Hintergrundinformationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Interview mit zwei Arbeitsrechtlern

Bericht über eine Konferenz in Luxemburg


Ryanair verliert vor dem Europäischen Gerichtshof

 

Am 14. September 2017 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Angestellte von Ryanair an dem Ort klagen können, wo sie stationiert sind. Die Fluggesellschaft ist der Meinung, die gesamte Belegschaft würde ausschließlich irischem Recht unterliegen und Gerichtsverfahren könnten nur in Irland stattfinden. Damit konnten sich sechs Angestellte aus Belgien durchsetzen, deren Verfahren nun vor dem Arbeitsgericht Bergen (Hennegau) weitergeführt wird.

 

Welches nationale Recht anwendbar ist, haben die Richter in Luxemburg allerdings offengelassen. Sie entschieden nur über die Zuständigkeit des Gerichtes. Im Jahr 2013 gab es in mehreren europäischen Ländern widersprüchliche Urteile im Fall Ryanair. So erklärte sich das lokale belgische Arbeitsgericht am Flughafen Karolingen für nicht zuständig, während ein norwegisches Gericht sich für zuständig erklärte. In Marseille wollte die Staatsanwaltschaft vier Flugzeuge von Ryanair beschlagnahmen, weil keine Sozialbeiträge in Frankreich abgeführt wurden (siehe Bericht in den EBR-News 4/2013).

 

Pressemitteilung des Gerichtshofs

Das Urteil im Wortlaut

Stellungnahme der Internationalen Transportarbeiterföderation

  5. Londoner Richter stärken Arbeitnehmerinteressen

Reinigungskraft bei Goldman Sachs erzwingt EBR-Grundsatzentscheidung


Am 10. Januar 2017 entschied das Central Arbitration Committee (CAC) über die Pflicht des Arbeitgebers, Auskünfte im Vorfeld der EBR-Gründung zu geben. Geklagt hatte ein Arbeitnehmervertreter von Facilicom, ein niederländisches Facility-Service-Unternehmen. Die Personalabteilung der britischen Niederlassung weigerte sich, unter Hinweis auf Geheimhaltungspflichten, genaue Angaben über die Größe und die Verteilung der Belegschaft in den EU-Ländern zu machen und die Kontaktdaten der nationalen Betriebsräte mitzuteilen.

 

Diese Angaben sind erforderlich, damit Arbeitnehmervertretungen prüfen können, ob das Unternehmen in den Geltungsbereich der EBR-Richtlinie fällt und um gegebenenfalls die EBR-Gründung einzuleiten. Im Vereinigten Königreich hatte es dazu noch nie eine Gerichtsentscheidung gegeben. Daher spielten die Urteile des Europäischen Gerichtshofs aus den Jahren 2001 bis 2004 eine wichtige Rolle, die von Betriebsräten aus Deutschland erstritten worden waren (die Fälle Bofrost, Kühne + Nagel sowie ADS Anker). Das CAC entschied in diesem Sinne vollumfänglich zugunsten des Klägers und setzte dem Unternehmen eine Frist von 28 Tagen, um sämtliche Informationen vorzulegen. Facilicom hat 28.000 Beschäftigte in den Niederlanden, in Belgien, in Frankreich und im Vereinigten Königreich. Inzwischen wurde die Bildung des Besonderen Verhandlungsgremiums eingeleitet.

 

Facilicom ist für die Reinigung der Büros der US-Investmentbank Goldman Sachs in der Londoner City zuständig. Dort arbeitet der Kläger seit elf Jahren als Gruppenleiter der Reinigungskolonne und ist ein engagiertes Mitglied der Gewerkschaft Unite, für die er sich an Organizing-Kampagnen in Ghana und am "United Migrant Workers Education Project" beteiligte. Goldman Sachs gilt als Kaderschmiede des internationalen Finanzkapitalismus mit weitreichendem Einfluß auf die Politik. Die Präsidenten der Europäischen Zentralbank und der Bank von England, mehrere US-Finanzminister, die italienischen Premierminister Monti und Prodi wie auch Wirtschaftsberater von Thatcher bis Merkel standen auf der Gehaltsliste von Goldman Sachs. Einige von ihnen haben sich möglicherweise in gut aufgeräumten Sitzungsräumen getroffen, für dessen Reinigung der Kläger zuständig war.

 

Das Urteil im Wortlaut

Weitere Informationen zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs


Deutsche Discounterkette scheitert in London in dritter Instanz

 

Am 4. Mai 2017 entschied ein Berufungsgericht in London, dass die britische Gewerkschaft GMB im Warenverteilzentrum von Lidl in Bridgend (Wales) die 273 Beschäftigten über die Bildung einer Belegschaftsvertretung abstimmen lassen darf. Nachdem sich das Management von Lidl beharrlich geweigert hatte, reichte die GMB im März 2016 Klage beim Central Arbitration Committee (CAC) in London ein und gewann. Lidl zog vor dem High Court von England und Wales und verlor erneut. Auch die Berufung hiergegen wurde nun zurückgewiesen. Lidl hat in Großbritannien 637 Geschäfte, die von elf regionalen Warenverteilzentren beliefert werden, und will stark expandieren. Die Anzahl der Geschäfte soll auf 1.500 steigen.

 

Unterstützt bei der Urabstimmung mehr als 50% der Belegschaft in Bridgend die Gewerkschaft GMB, dann kommt es zu einer gesetzlichen Anerkennung einer Arbeitnehmervertretung und der Tariffähigkeit der GMB in dieser Betriebseinheit ("bargaining unit"). Es wäre der erste Schritt zur Organisierung der insgesamt 18.200 Lidl-Beschäftigten in Großbritannien. Im September 2016 startete die GMB bereits eine Kampagne im Lidl-Verteilzentrum Runcorn bei Liverpool. Eine derart hartnäckige Verweigerung jeder Art von Interessenvertretung ist bei britischen Firmen immer weniger zu finden, da es seit 2000 einen Rechtsanspruch gibt. In der Praxis kommt es meist zu "freiwilligen" Regelungen zur Vermeidung eines Gerichtsurteils. Die gesetzliche Regelung ("compulsory trade union recognition") greift nur in einer Minderheit der Fälle, nämlich in besonders antigewerkschaftlich eingestellten Unternehmen. Es fällt auf, dass darunter immer wieder deutsche Firmen sind. So musste das Verlagshaus Holtzbrinck 2007 als erstes Unternehmen in Großbritannien eine Strafe wegen Verstoßes gegen Minimalstandards zur Respektierung von Arbeiternehmervertretungen zahlen (siehe Bericht in den EBR-News 2/2007).

 

Pressebericht über das Urteil

Das Urteil im Wortlaut

Bericht über die Kampagne bei Liverpool


Gerichtsgebühren für britische Arbeitnehmer rechtswidrig

 

Am 26. Juli 2017 erklärte der Oberste Gerichtshof die seit Juli 2013 erhobenen Gebühren für Arbeitsgerichtsklagen als verfassungswidrig. Die Regierung muss jetzt etwa 27 bis 32 Mio. £ Gerichtsgebühren an Tausende von Klägern zurückerstatten. Das Urteil wurde von Unison erzielt, der zweitgrößten Einzelgewerkschaft im Dachverband TUC, die vorwiegend im Öffentlichen Dienst vertreten ist.

 

Nach Meinung der obersten Richter sind Gebühren von bis zu 1.200 £ für die erste Instanz und noch einmal 1.600 £ für die zweite Instanz "unvereinbar mit dem Zugang zur Justiz", da sie insbesondere Bezieher niedriger Einkommen von einer Klage abhalten. Nach Einführung der Gerichtsgebühren sind Klagen gegen ungerechtfertigte Entlassungen um 73%, Klagen wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts um 90% zurückgegangen. Vorher gab es jeden Monat 16.000 Kündigungsschutzklagen, danach nur noch 7.000. Seit April 2014 ist im individuellen Arbeitsrecht die (kostenlose) Schlichtung durch ACAS verbindlich vorgeschrieben, erst danach kann ein Gericht angerufen werden. ACAS wird als öffentliche Einrichtung von der Regierung finanziert (siehe Bericht in den EBR-News 3/2014).

 

Pressemitteilung der Gewerkschaft Unison

Bericht über das Urteil

Auswirkungen des Urteils in Schottland

Das Urteil im Wortlaut

  6. Gründung von Europäischen Betriebsräten

Französische Landwirtschaftsgenossenschaft gründet EBR

 

Am Sitz von Tereos in Origny-Sainte-Benoite (Picardie) wurde am 4. Mai 2017 eine EBR-Vereinbarung unterzeichnet. Der drittgrößte Zuckerhersteller der Welt gehört 12.000 Landwirten. Seit 1995 gab es in Teilbereichen des Unternehmens schon Europäische Foren auf "freiwilliger" Grundlage. Erstmals ist jetzt der Gesamtkonzern abgedeckt und der EBR unterliegt der aktuellen EU-Richtlinie. Ein Besonderes Verhandlungsgremium war hierfür gebildet worden.

 

29 Delegierte vertreten künftig 5.500 Arbeitnehmer in Europa, davon 4.000 in Frankreich. Die zwanzig französischen Sitze wurden den vier im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften zugeordnet, u. a. sieben Sitze für die CFDT und sechs für die CGT. Drei Sitze entfallen auf Tschechien, wo Tereos den größten Zucker- und Alkoholproduzenten des Landes besitzt, der ursprünglich dem Fürstenhaus Thurn und Taxis gehörte. Weitere Delegierte kommen aus Belgien, Spanien, Rumänien und dem Vereinigten Königreich. Italien und Deutschland haben weniger als 100 Arbeitnehmer und daher keinen Sitz. Alle EBR-Mitglieder müssen ein Gewerkschaftsmandat haben oder Mitglied einer Arbeitnehmervertretung in ihrem Herkunftsland sein.

 

Da es sich um eine französische Vereinbarung handelt, liegt der Vorsitz beim Arbeitgeber, die EBR-Mitglieder wählen einen Sekretär und dessen Stellvertreter. Einen geschäftsführenden Ausschuss gibt es nicht. Sie haben je zehn Stunden Freistellung pro Monat, die übrigen EBR-Mitglieder zwölf Stunden pro Jahr. Die Zeit für die zwei jährlichen Sitzungen, die immer in der Nähe eines Pariser Flughafens stattfinden, werden nicht mitgezählt. Schulungen finden bei Bedarf statt und werden von der zentralen Leitung bezahlt. Die neuen Standards von Unterrichtung und Anhörung wurden vollständig integriert. Der EBR kann sich von einem Wirtschaftsprüfer beraten lassen, der in einer genau definierten Frist bei der zentralen Leitung Dokumente anfordern muss. Er legt drei Wochen vor einer EBR-Sitzung seinen schriftlichen Bericht vor. Der EBR kann sich durch eine europäische Gewerkschaftsföderation und bei Bedarf durch weitere Sachverständige unterstützen lassen.


EBR-Gründung bereits vor der Abspaltung

 

Am 30. Mai 2017 wurde in Stockholm eine EBR-Vereinbarung für den schwedischen Papierhersteller Essity unterzeichnet. Er wurde wenige Tage später, am 15. Juni 2017, aus dem SCA-Konzern herausgelöst und an die Börse gebracht. Durch die Akquisition von BSN medical in Hamburg sind jetzt auch Medizinprodukte hinzugekommen. Essity hat weltweit 48.000 Beschäftigte und steht für Marken wie Tempo und Leukoplast. Deutschland ist mit 4.250 Beschäftigten das größte Land in der EU. Der SCA-Konzern konzentriert sich seither auf Forstprodukte und übernahm den gesamten Waldbesitz.

 

Die EBR-Vereinbarung von Essity konnte innerhalb kürzester Zeit ausgehandelt werden, weil es in den Vorgängerunternehmen schon seit 1995 Erfahrungen mit Europäischen Betriebsräten gibt. Zwischen 2009 und 2013 firmierte die deutsche Tochtergesellschaft SCA Hygiene Products in der Rechtsform einer Europäischen Gesellschaft (SE) mit paritätischem Aufsichtsrat. Ein SE-Betriebsrat wurde nicht gebildet, vielmehr blieben diese Standorte weiter im EBR der schwedischen Holding vertreten (siehe Bericht in den EBR-News 3/2009). 2012 wurden die europäischen Aktivitäten des US-Unternehmens Georgia-Pacific übernommen und die SCA-Verpackungssparte an den britischen Konzern DS Smith verkauft. Dies war begleitet von intensiven Konsultationen der beiden Europäischen Betriebsräte (siehe Bericht in den EBR-News 1/2012).

 

Zwei Europäische Spartenbetriebsräte

 

Wie zuvor im SCA-Konzern gibt es bei Essity für jede Sparte ein eigenes Gremium: für Papier und für Körperpflege. Beide Spartenbetriebsräte tagen zweimal jährlich und wählen eigene geschäftsführende Ausschüsse mit drei bis fünf Delegierten aus verschiedenen Ländern, die viermal pro Jahr eine Sitzung mit dem Management durchführen, davon zwei per Videokonferenz. Diese beiden Ausschüsse bilden gemeinsam den geschäftsführenden Ausschuss der Holding. Einmal pro Jahr findet eine interkulturelle Schulung ohne Dolmetscher über eine ganze Woche statt. Alle EBR-Mitglieder haben Anspruch auf Englisch-Intensivkurse sowie bis zu fünf Wochen individuelle Teilnahme an Auslandsseminaren.

 

Die EBR-Vereinbarung fördert ausdrücklich die Bildung von Arbeitnehmervertretungen in allen Ländern, in denen es noch keine gibt. Auch können bei Umstrukturierungen jederzeit Arbeitnehmervertreter aus betroffenen Standorten in die EBR-Sitzung eingeladen werden. Im Anhang zur Vereinbarung wurde in einer Matrix genau festgelegt, welche Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren bei welchem Thema mit welcher Ebene des Europäischen Betriebsrates durchgeführt werden.

 

Beschreibung eines Projektes des Betriebsrats Mannheim


Britischer Medienkonzern gründet EBR nach niederländischem Recht

 

Am 13. Juni 2017 wurde für Liberty Global, den größten Betreiber von Fernsehkabel- und Breitbandnetzen der Welt, eine EBR-Vereinbarung unterzeichnet. Das 2005 gegründete Unternehmen mit Sitz in London ist heute in zwölf europäischen Ländern vertreten, nachdem Schritt für Schritt regionale und nationale Kabelnetzbetreiber aufgekauft wurden. Die größte Belegschaft außerhalb des Vereinigten Königreichs ist in den Niederlanden zu finden. Angesichts des drohenden Brexit wurde für die EBR-Vereinbarung daher niederländisches Recht gewählt.

 

Jedes Jahr findet eine dreitägige Plenarsitzung in Amsterdam statt. Der EBR wählt einen Vorsitzenden und vier weitere Mitglieder in den engeren Ausschuss. Darunter muss je ein Arbeitnehmervertreter aus der Holding, aus einer britischen Tochtergesellschaft, dem übrigen Westeuropa und Osteuropa sein. Der engere Ausschuss führt quartalsweise eine Telefon- oder Videokonferenz mit der zentralen Leitung durch. Die EBR-Mitglieder haben pro Jahr Anspruch auf einen Schulungstag. Konsultationen finden ad hoc mit dem engeren Ausschuss oder einer speziellen Arbeitsgruppe des EBR statt, beispielsweise wenn Massenentlassungen oder Standortverlagerungen geplant sind. Die zentrale Leitung kann dabei eine Frist für das Konsultationsverfahren festsetzen.

 

Offensichtlicher Widerspruch zur EU-Richtlinie

 

Die grenzüberschreitende Zuständigkeit des EBR wurde in ungewöhnlich harter Form begrenzt. Wenn die zentrale Leitung in London eine Entscheidung trifft, die nur ein einziges Land in Kontinentaleuropa betrifft, so wird der EBR grundsätzlich nicht beteiligt. Weiterhin gelten Großbritannien und Irland als ein einziges Land im Sinne der EBR-Vereinbarung, das gleiche gilt für Österreich und die Schweiz. In Osteuropa müssen sogar mindestens drei Länder von einer Maßnahme betroffen sein, damit der EBR sich damit befassen kann. Damit ist Liberty Global ein europaweites Negativbeispiel, denn von keinem anderen Unternehmen sind derart weitgehende Einschränkungen bisher bekannt. Der Text widerspricht eindeutig den Erwägungsgründen 12 und 16 der EU-Richtlinie (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013) und würde einer gerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten.

  7. Neue SE-Beteiligungsvereinbarungen

Mitbestimmungsflucht von Mannheim über Liechtenstein nach Europa

 

Der Gesundheitsdienstleister Phoenix in Mannheim entzieht sich seit seiner Gründung 1994 der Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Damals hatte die Milliardärsfamilie Merckle fünf regionale Pharmagroßhändler in Deutschland aufgekauft und danach in Europa massiv expandiert. Heute hat die Phoenix Pharma SE 34.000 Beschäftigte in 26 Ländern Europas (davon 4.400 in Deutschland) und betreibt 2.000 Apotheken in 13 Ländern. Zunächst sicherte die Wahl der Rechtsform, dass das Unternehmen nicht unter das Mitbestimmungsgesetz fiel. Im Januar 2014 wurde dann der Komplementär nach Liechtenstein verlegt, um der Mitbestimmung weiterhin zu entgehen. Die Rückkehr nach Mannheim erfolgte über die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE). Die Merckle-Gruppe gründete zu diesem Zweck im August 2016 eine arbeitnehmerlose SE, die am 7. April 2017 zur neuen Obergesellschaft von Phoenix wurde. Auf diesem Weg bleibt der Aufsichtsrat auf Dauer frei von Arbeitnehmervertretern.

 

Am 6. Dezember 2016 unterzeichnete das Besondere Verhandlungsgremium in Mannheim eine SE-Beteiligungsvereinbarung. Der SE-Betriebsrat wird künftig den Europäischen Betriebsrat ersetzen, der bereits 1996 auf "freiwilliger" Basis gegründet worden war und seit 2001 dem deutschen EBR-Gesetz unterliegt. Der SE-Betriebsrat hat 35 Mitglieder aus 19 Ländern plus je einen Gastdelegierten aus den EU-Beitrittsländern Mazedonien, Montenegro und Serbien. Die größten Länder haben je vier Mandate: Deutschland, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Norwegen. Auch nach dem Brexit wird das Vereinigte Königreich weiterhin im SE-Betriebsrat vertreten bleiben.

 

Der Lenkungsausschuss hat sieben Mitglieder, die sich dreimal jährlich treffen. Plenarsitzungen finden zweimal pro Jahr statt. Bei Umstrukturierungen gibt es bis zu zwei Anhörungssitzungen, das gesamte Verfahren endet aber spätestens nach acht Wochen. Erst danach kann die zentrale Leitung geplante Maßnahmen wie z. B. Entlassungen umsetzen. Bei Meinungsverschiedenheiten wird eine paritätische Schlichtungsstelle gebildet.


Bau- und Immobilienunternehmen vermeidet paritätischen Aufsichtsrat

 

Für Drees & Sommer wurde am 23. Januar 2017 in Stuttgart eine SE-Beteiligungsvereinbarung unterzeichnet. Seit dem 26. April 2017 firmiert das Beratungsunternehmen als SE. Alle Aktien sind im Besitz aktiver oder ehemaliger Führungskräfte, die sich um den Erfolg des Unternehmens besonders verdient gemacht haben. Zum Zeitpunkt der SE-Umwandlung gab es in Deutschland 1.835 Beschäftigte und insgesamt weniger als 100 in sieben weiteren EU-Ländern.

 

Die SE-Vereinbarung friert die bisherige Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat (zwei der sechs Sitze für die Belegschaft) ein. Beim Überschreiten der Grenze von 2.000 Arbeitnehmern in Deutschland wird somit kein paritätischer Aufsichtsrat gebildet, was für deutsche Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben ist. Da unmittelbar nach der SE-Eintragung schon Akquisitionen getätigt wurden, drängte offenbar die Zeit. Das Europäische Mitarbeiterforum, so der Name des SE-Betriebsrates, besteht aus drei Mitgliedern: zwei aus Deutschland und eines aus Luxemburg. Für die erste Amtszeit wurden die Mandate für das Mitarbeiterforum und den Aufsichtsrat vom Besonderen Verhandlungsgremium vergeben. Nach Ablauf der ersten Amtszeit findet eine europaweite Urwahl durch die gesamte Belegschaft statt, wie es 2015 für den Saatguthersteller KWS Saat vereinbart worden war (siehe Bericht in den EBR-News 3/2015). In der gleichen Branche hatte sich 2013 auch die Bauträgergesellschaft Inros-Lackner in Rostock in eine SE umgewandelt (siehe Bericht in den EBR-News 4/2013).

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung

Der Umwandlungsplan im Wortlaut


Mitbestimmungsflucht dank Mini-Belegschaft in Luxemburg

 

Der deutsche Finanzdienstleister MLP mit Sitz in Wiesloch (bei Heidelberg) firmiert seit dem 22. September 2017 als SE. Der Finanzvertrieb mit Banklizenz hat in Deutschland 1.941 Arbeitnehmer und sechs in Luxemburg. Durch Umwandlung in eine SE nutzte das Management die Möglichkeit, auf Dauer der deutschen paritätischen Mitbestimmung zu entfliehen, die ab 2.000 Arbeitnehmern gesetzlich vorgeschrieben ist. Die am 19. Juli 2017 geschlossene SE-Beteiligungsvereinbarung friert die Drittelbeteiligung ein: wie bisher werden zwei von sechs Mitgliedern des Aufsichtsrates per Urwahl durch die Belegschaft entsandt. Künftig haben auch die Arbeitnehmer in Luxemburg Stimmrecht.

 

Das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) bestand aus zehn deutschen Angestellten. Sowohl die Gewerkschaft ver.di wie auch die luxemburgische Belegschaft hatten auf ihre Mandate verzichtet. Der künftige SE-Betriebsrat hat acht Delegierte aus Deutschland und einen aus Luxemburg, diese wählen einen dreiköpfigen geschäftsführenden Ausschuss. Der deutsche Konzernbetriebsrat (KBR) und der SE-Betriebsrat unterscheiden sich in ihrer Zuständigkeit nur durch sechs Arbeitnehmer in Luxemburg. Um Doppelarbeit zu vermeiden, kann der KBR Beteiligungsrechte auf den SE-Betriebsrat übertragen. Das Konsultationsverfahren bei Restrukturierungen endet nach drei Wochen und kann auf Antrag des SE-Betriebsrates um 14 Tage verlängert werden.

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung

Der Umwandlungsbericht im Wortlaut (siehe ab Seite 43)

Juristischer Blog zur Mitbestimmungsflucht durch die Rechtsform SE

  8. Europäische Betriebsräte stärken ihren Einfluss

Britisches Verpackungs- und Recyclingunternehmen setzt Zeichen


Am 3. April 2017 wurde am Sitz von DS Smith in London eine Arbeitnehmercharta zwischen der zentralen Leitung und dem Europäischen Betriebsrat unterzeichnet. Sie gilt für 26.000 Beschäftigte in 36 Ländern weltweit, davon 500 außerhalb Europas. Anders als bei einem internationalen Rahmenabkommen, das auf Standorte in anderen Teilen der Welt zielt, liegt bei DS Smith der Fokus auf Europa. Die Charta beinhaltet einen Aktionsplan mit 16 konkreten Maßnahmen in den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Respekt von Menschenrechten, faire Praktiken in der Personal- und Sozialpolitik sowie Unterstützung der Personalentwicklung.

 

Bereits 2013 wurden in die EBR-Vereinbarung sozialverträgliche Maßnahmen bei Personalabbau und vorausschauendes Veränderungsmanagement ("Antizipierung des Wandels") aufgenommen. Arbeits- und Gesundheitsschutz, Fortbildung, Nichtdiskriminierung sowie Umweltstandards in der Produktion fanden ebenfalls Eingang in den Vereinbarungstext, was bei britischen Unternehmen sehr selten ist. Die EBR-Vereinbarung von DS Smith gilt daher als eine der besten im Vereinigten Königreich (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013).

 

Pressemitteilung des Unternehmens

Die Arbeitnehmercharta im Wortlaut

Bericht über ein Gewerkschaftstreffen bei DS Smith


Italienische Versicherung fördert Telearbeit


Am 16. Mai 2017 unterzeichnete der Europäische Betriebsrat von Generali bei einer Sitzung in München mit der zentralen Leitung eine gemeinsame Erklärung zur Telearbeit. Künftig sollen in allen Niederlassungen in Europa innovative Maßnahmen ("Smart Working") stärker gefördert werden, die zu einer agileren Organisation und zum Aufbau neuer Fähigkeiten führen. In einigen Ländern, z. B. Österreich, haben Beschäftigte im Innendienst laut einer Betriebsvereinbarung über Telearbeit schon länger die Möglichkeit, ihre Arbeit auch dezentral, also von zu Hause aus, zu erledigen.

 

Mit der gemeinsamen Erklärung kann der EBR nun in Ländern mit schwacher Arbeitnehmervertretung einen sozialen Rahmen bei der Einführung von Telearbeit sicherstellen. Relevante Faktoren wurden in der Sozialpartnervereinbarung der europäischen Versicherungsbranche vom Februar 2015 benannt, die jetzt bei Generali gelten werden. Dazu gehören Freiwilligkeit, Beschäftigungsbedingungen, Häufigkeit, Gesundheits- und Datenschutz, Zugang zum Telearbeitsplatz durch den Betriebsrat, Ausrüstung des Arbeitsplatzes, Aus- und Weiterbildung, Unfallversicherung, kollektive Rechte des Telearbeitnehmers.

 

Die europäische Erklärung zur Telearbeit im Wortlaut

Darstellung des EBR auf der Webseite von Generali

 

Die EBR-Vereinbarung von Generali wurde zuletzt 2012 an die Standards der neuen EBR-Richtlinie angepaßt (siehe Bericht in den EBR-News 3/2012). Auch in der französischen Axa-Versicherung läuft momentan ein umfassendes Beteiligungsverfahren mit dem Europäischen Betriebsrat zum digitalen Wandel (siehe Bericht in den EBR-News 2/2014).


Französische Eisenbahn aktualisiert EBR-Vereinbarung

 

Am 29. Juni 2017 wurde in Paris ein Nachtrag zur EBR-Vereinbarung der SNCF unterzeichnet. Sie war erstmals im Dezember 2012 für den Gesamtkonzern geschlossen worden, zuvor gab es EBR-Gremien nur in zwei Tochterfirmen (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013). In der Güterverkehrssparte SNCF Logistics (ehemals Geodis) sowie in der Sparte für Personenverkehr Keolis (Buslinien, außerhalb Frankreichs auch Regionalzüge) bleiben die beiden eigenständigen Europäischen Betriebsräte erhalten. Themen, die nur eine dieser Sparten betreffen, werden nicht im Holding-EBR behandelt.

 

In der neuen Vereinbarung wurde der Katalog der Unterrichtung und Anhörung um zusätzliche Themen erweitert, wie z. B. grundlegende Änderungen der Organisation, Einführung neuer Arbeitsmethoden, Verkleinerung oder Schließung von Betriebsstätten. Erstmals erhalten die EBR-Mitglieder Zutrittsrecht zu allen Niederlassungen in Europa. Alle anfallenden Kosten für Sitzungen, Dolmetscher, Schulungen und Sachverständige trägt der Arbeitgeber, darüber hinaus erhält der EBR ein eigenes Budget, das von 8.000 auf 20.000 € pro Jahr aufgestockt wird. Pro Amtszeit sind acht Schulungstage vorgesehen und das jährliche Freistellungskontingent jedes Delegierten zusätzlich zu den Sitzungszeiten wird von 60 auf 80 Stunden erhöht. Die Mitglieder des Präsidiums haben höhere Kontingente.

 

Die Mandatszahl steigt von 26 auf 28, Polen und Norwegen sind erstmals im EBR vertreten. Obwohl auf Frankreich knapp 90% der 235.000 europäischen Arbeitnehmer entfallen, musste das Land einen Sitz abgeben (von zehn auf neun), da die Auslandsbelegschaft prozentual wächst. Schweden ist das zweitgrößte Land. Dort betreibt die SNCF mit 6.900 Beschäftigten zahlreiche städtische Buslinien und die U-Bahn von Stockholm. In Deutschland ist die SNCF mit eurobahn größter Nahverkehrsbetreiber in Nordrhein-Westfalen nach der Deutschen Bahn.

 

Die EBR-Vereinbarung im Wortlaut

  9. Der Blick über Europa hinaus

Prävention sexueller Belästigung am Arbeitsplatz


Am 21. Juni 2017 unterzeichnete die zentrale Leitung von Sodexo in Paris mit dem Internationalen Bund der Lebensmittelgewerkschaften (IUL) eine Verpflichtungserklärung mit Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigung. Der französische Konzern ist in den Bereichen Gemeinschaftsverpflegung und Gebäudebewirtschaftung tätig und hat 425.000 Beschäftigte in 80 Ländern der Welt. Die Erklärung baut auf dem internationalen Rahmenabkommen aus dem Jahr 2011 auf (siehe Bericht in den EBR-News 4/2011). Im März 2015 hatte Sodexo mit seinem Europäischen Betriebsrat auch eine Demographievereinbarung getroffen (siehe Bericht in den EBR-News 2/2015).

 

Pressemitteilung zur Unterzeichnung

Die Verpflichtungserklärung im Wortlaut


Diskussion mit dem Management über weltweite Personalpolitik


Am 11. Juli 2017 traf sich das FAIR-Komitee des französischen Mineralölkonzerns Total in Casablanca (Marokko) zu seiner zweiten Sitzung. Das Komitee überwacht die Einhaltung des internationalen Rahmenabkommens, das im Januar 2015 mit den Gewerkschaften abgeschlossen wurde (siehe Bericht in den EBR-News 1/2015). Ihm gehören vier Mitglieder des Europäischen Betriebsrates an. Hinzu kommen drei Arbeitnehmervertreter aus anderen Teilen der Welt und ein Gewerkschaftssekretär des Internationalen Industriegewerkschaftsbundes (industriALL). Eines der Themen der Sitzung war der Arbeits- und Gesundheitsschutz in Nigeria.

 

Bericht von der Sitzung

Das Rahmenabkommen im Wortlaut


Britischer Online-Versandhändler stärkt soziale Verantwortung


Am 2. Oktober 2017 unterzeichnete der in London ansässige Modehändler ASOS (As Seen On Screen) ein weltweit geltendes Rahmenabkommen mit dem Internationalen Industriegewerkschaftsbund (industriALL). Es ist das erste im E-Commerce überhaupt. Die 4.000 Beschäftigen von ASOS erhalten das verbriefte Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren und Arbeitnehmervertretungen zu gründen. Weiterhin erfaßt das Abkommen die gesamte Lieferkette, insbesondere auch Arbeiter in Entwicklungsländern, die Eigenmarken für ASOS herstellen. Der britische Versandhändler steht damit für eine völlig andere Politik als sein deutscher Wettbewerber Zalando, der die Gewerkschaften gezielt ausgrenzt und sogar Gerichtsverfahren in Kauf nimmt (siehe Bericht in den EBR-News 3/2016). Im Februar 2017 hatte das Landesarbeitgericht Berlin-Brandenburg in zweiter Instanz geurteilt.

 

Bericht von der Unterzeichnung des Abkommens bei ASOS

Pressemitteilung des Berliner Gerichts im Fall Zalando

  10. Interessante Webseiten

Schulungsprojekt zur transnationalen Arbeitnehmervertretung


Gewerkschaften aus Spanien, Irland und Bulgarien beteiligten sich an dem Projekt I.T.E.M. der italienischen Gewerkschaft CGIL, das mit finanzieller Unterstützung der EU in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt wurde. Es beinhaltete jeweils drei Seminare in jedem der beteiligten vier Länder, einen länderübergreifenden Workshop für EBR-Mitglieder und eine europäische Konferenz zum Abschluss. Dort wurde ein Trainerhandbuch in den vier Sprachen der beteiligten Länder vorgelegt. Das Projekt hat eine eigene Webseite erstellt.

 

Die Webseite des Projekts

Das Trainerhandbuch zum Download


Fortschreitende Digitalisierung in vier Ländern untersucht

 

In einem von der EU finanzierten Projekt unter Leitung der Universität Tübingen untersuchten Wissenschaftler und Gewerkschafter aus vier Ländern konkrete Veränderungen der Arbeitsbeziehungen, die von Digitalisierung und "Industrie 4.0" ausgehen. Unter dem Titel "Smart Factory", der technologischen Vision einer vollautomatisierten und intelligenten Fabrik, wurde ein Vergleich zwischen Deutschland (Baden-Württemberg), Italien (Lombardei), Spanien (Katalonien) und Schweden (Westgötaland) erarbeitet.

Die Webseite des Projekts


Lobbyverband für eine nachhaltige Finanzwirtschaft


Sieben Gewerkschaften der Finanzbranche aus skandinavischen Ländern haben sich im Dachverband NFU zusammengeschlossen, um gemeinsam die Interessen ihrer 150.000 Mitglieder gegenüber der EU zu vertreten. Zu ihren Kernforderungen gehört eine langfristig und nachhaltig ausgerichtete Finanzwirtschaft, ein konstruktiver sozialer Dialog, gesetzlich garantierte Rechte auf Tarifverhandlungen und eine wertorientierte Personalpolitik in Banken und Versicherungen. Die NFU unterstützt auch aktiv den Aufbau von Gewerkschaften der Finanzbranche in Estland.

 

Die Webseite der NFU

Der aktuelle NFU-Arbeitsplan


Unabhängige Berichte über Arbeitsbeziehungen in China


Seit 1994 berichtet das China Labour Bulletin in Newslettern und im Radio kritisch über Entwicklungen in der Volksrepublik China. Die Webseite aus Hongkong bietet einen einzigartigen Überblick über selbstorganisierte Aktionen von Belegschaften, Tarifverhandlungen, Gewerkschaften und Arbeitssicherheit. Auch Gerichtsverfahren von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber werden dokumentiert. Eine interaktive Landkarte zeigt die 5.000 Streiks und Proteste, die seit 2011 gemeldet wurden.

 

Die Webseite des CLB

Die interaktive Streik-Landkarte

  11. Neue Publikationen

Studie zum arbeitsbedingten Stress in vier Ländern

 

Im März 2017 legte die Akademie des Europäischen Bundes unabhängiger Gewerkschaften (CESI) in Brüssel eine Studie zum betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz vor. Im Fokus steht die psychosoziale Belastung, die durch Nutzung neuer Technologien in der Arbeitswelt steigt. Neben einer Darstellung des gesetzlichen Rahmens der EU enthält die Studie auch die Ergebnisse von Interviews in öffentlichen Verwaltungen von Italien, Spanien, Belgien und Deutschland. Die Broschüre liegt in fünf Sprachen vor. CESI ist auf europäischer Ebene zweitgrößter gewerkschaftlicher Dachverband nach dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). Aus Deutschland gehört ihm der Beamtenbund an, der mit seinen 1,3 Mio. Mitgliedern in Konkurrenz zu den 6 Mio. Mitgliedern des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) steht.

 

Download der Studie

Weitere Informationen über das Projekt


Kultureller Einblick in zwölf europäische Länder

 

Im Mai 2017 ist ein interkultureller Ratgeber erschienen, der sich neben der Darstellung länderspezifischer Kulturmerkmale auch der Wahrnehmung von Menschenrechten und sozialer Unternehmensverantwortung in den einzelnen Kulturkreisen widmet. Neben geschichtlichen Hintergründen, die kulturelle Eigenarten oftmals erklären, gibt es zu jedem der ausgewählten 22 Länder auch Unternehmensbeispiele, bei denen problematische Situationen aus dem Arbeitsalltag zwischen Personen unterschiedlicher Kulturen geschildert werden. Zwölf der Länderstudien befassen sich mit Europa. In Skandinavien werden Dänemark, Schweden und Norwegen einzeln behandelt. Unter den Mittelmeerländern finden sich Frankreich, Spanien und Griechenland. Aus Osteuropa sind Bulgarien und Rumänien vertreten, sowie Russland und die Ukraine. Für England und Schottland gibt es getrennte Länderstudien.

 

Weitere Informationen über das Buch

Inhaltsverzeichnis mit Leseprobe

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Ist der Brexit ein Glücksfall für Kontinentaleuropa?

 

Die Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen, trägt zur Stärkung des Zusammenhalts der verbleibenden Länder bei. Dies zeigt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom August 2017, für die Wahlberechtigte in acht Ländern nach ihrer Einstellung zur EU befragt wurden. Im Vergleich zu einer Befragung von 2015 hat die Sensibilität für die Vorzüge der EU in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden wie auch in Tschechien und der Slowakei deutlich zugenommen. Gestiegen ist in allen acht Ländern die Zahl derer, die in der EU-Mitgliedschaft Vorteile für das eigene Land sehen. Anders als noch 2015 steht die EU mehrheitlich für "Chancen" statt "Risiken" und für "steigenden" statt "sinkenden Wohlstand". Gestiegen ist in allen diesen Ländern auch die Bereitschaft, Zuständigkeiten von der nationalen auf die europäische Ebene zu verlagern. Die Studie liegt in deutscher und englischer Sprache vor.

 

Download der Studie

Welche Folgen hat der Brexit für Europäische Betriebsräte?


Betriebsräte und Bilanzanalyse

 

Im August 2017 publizierte der Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) eine neue Broschüre, die es Betriebsräten ermöglicht, die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens besser zu durchleuchten. Nach Meinung der Autoren aus der betriebswirtschaftlichen Beratungsabteilung in der Arbeiterkammer Wien reicht es nicht aus, Jahresabschlüsse lediglich zu "lesen". Vielmehr müssen Kennzahlen wie EBIT oder Cashflow analysiert, deren Entwicklung interpretiert und mit anderen wirtschaftlichen Größen wie Umsatz und Personalkosten in Zusammenhang gebracht werden. Auch die verschiedenen bilanzpolitischen Strategien werden erläutert, beispielsweise um die Steuerbelastung gering zu halten oder Forderungen von Belegschaft und Betriebsräten abzuwehren. Die Broschüre vermittelt Grundlagenwissen zu den wichtigsten Fragen und stellt einen ersten Einstieg in das Thema dar, mit dem auch Europäische Betriebsräte mindestens einmal jährlich in ihrer Plenarsitzung konfrontiert sind.

 

Download der Broschüre

Weitere Broschüren zum Thema

  12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit

Datenschutzseminar in Mainz


Vom 3. bis 5. Juli 2017 fand das jährliche Datenschutzseminar statt. Dabei stand die Datenschutz-Grundverordnung der EU im Mittelpunkt, die ab Mai 2018 das Bundesdatenschutzgesetz ersetzt. In allen EU-Ländern werden dann die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten vereinheitlicht. Zum Rahmenprogramm des Seminars gehörte auch eine Besichtigung der Kupferbergterrasse (Foto), des tiefstgelegenen Sektkellers der Welt. Da der Countdown zur Einführung der EU-Datenschutz-Grundverordnung läuft, sollten Betriebsräte nicht zu lange warten und sich umgehend mit diesem Thema befassen.


Tagung für Betriebsratsmitglieder in US-Unternehmen

 

Vom 18. bis 20. September 2017 fand zum fünften Mal eine Fachtagung mit Schwerpunkt USA statt. Neben den industriellen Beziehungen ging es insbesondere um die aktuelle Situation nach den Präsidentschaftswahlen. Einer der Referenten war Hermann Nehls, der bis vor wenigen Wochen als Sozialreferent für Arbeitsmarkt, Gesundheit und Soziales in Washington an der Deutschen Botschaft arbeitete. Die Tagung fand im 1929 errichteten Harnack-Haus in Berlin statt, das viele Jahrzehnte ein Offiziersclub der US-Streitkräfte war und heute für wissenschaftliche Veranstaltungen genutzt wird.


Zwei US-Unternehmen nach der Fusion

 

Am Flughafen Toulouse, dem europäischen Hauptquartier von Rockwell Collins, beendete der geschäftsführende Ausschuss des EBR am 26. und 27. September 2017 Verhandlungen mit der zentralen Leitung über die EBR-Vereinbarung (Foto). Das Unternehmen stellt Kontroll- und Navigationssysteme für die Luftfahrt her und hatte im April 2017 den Flugzeugzulieferer B/E Aerospace aufgekauft. Dadurch hat sich die Belegschaft von Rockwell Collins in Europa auf 3.500 verdoppelt.

 

Mit Unterstützung der EWC Academy konnte eine schnelle und unbürokratische Lösung gefunden und die Bildung eines Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) nach Artikel 13 der neuen EU-Richtlinie vermieden werden. Die neue EBR-Vereinbarung sieht wesentliche Verbesserungen vor und soll in der nächsten Plenarsitzung Ende November 2017 unterzeichnet werden. Der vergrößerte EBR wird dann voraussichtlich im Frühjahr 2018 seine Arbeit aufnehmen. Während B/E Aerospace bislang keinen Europäischen Betriebsrat hat, gibt es bei Rockwell Collins bereits seit 1996 Erfahrungen mit einem Europäischen Forum nach britischem Recht. Seit 2014 arbeitet der EBR auf Grundlage des Rechts von Luxemburg (siehe Bericht in den EBR-News 1/2014).


Schulung für neugegründeten SE-Betriebsrat

 

Am Sitz des Modehändlers Tom Tailor in Hamburg traf sich der neue SE-Betriebsrat am 27. und 28. September 2017 zur Plenarsitzung. Die EWC Academy führte dabei die erste Schulung durch. Die Delegierten aus elf Ländern vertreten 6.600 Beschäftigte. Die SE-Beteiligungsvereinbarung wurde im Juli 2016 unterzeichnet und schreibt einen paritätischen Aufsichtsrat vor (siehe Bericht in den EBR-News 2/2017).

  13. Aktuelle Seminartermine

Die EWC Academy und ihre Vorläuferorganisation führt seit Januar 2009 Tagungen und Seminare für Mitglieder von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien durch. Bisher haben daran 740 Arbeitnehmervertreter aus 268 Unternehmen teilgenommen, viele von ihnen auch mehrfach. Das entspricht etwa 21% aller transnationalen Betriebsratsgremien in Europa. Hinzu kommen zahlreiche Inhouse-Veranstaltungen und Gastvorträge bei anderen Veranstaltern.

 

Überblick über die bevorstehenden Seminartermine


Shared Service Center in Mittel- und Osteuropa

Vom 18. bis 20. Oktober 2017 findet ein Seminar in Danzig statt. Es richtet sich an Betriebsräte, die mit der Verlagerung von Abteilungen (Shared Service Center) nach Mittel- und Osteuropa konfrontiert sind. Es besteht die Möglichkeit, sich über den Umgang mit solchen Verlagerungen auszutauschen. Die Arbeitsbeziehungen in Polen und die Rolle polnischer Delegierter im EBR werden auf diesem Seminar ebenfalls behandelt.


10. Hamburger Fachtagung für Europäische Betriebsräte und SE-Betriebsräte


Wie jedes Jahr findet im Januar wieder eine zweitägige Fachtagung in Hamburg statt, diesmal mit einem Besuch der neuen Elbphilharmonie (Foto). Die Tagung wird simultan gedolmetscht (Deutsch - Englisch).

  • Montag, 29. Januar 2018:

Aktuelle Trends in der EBR-Landschaft mit Praxisbeispielen sowie aktuelle Situation in Frankreich nach den Präsidentschaftswahlen

  • Dienstag, 30. Januar 2018:

Kurzseminar zur Arbeitnehmervertretung in Frankreich oder Kurzseminar zur neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung (nach Wahl)

 

Rückblick: Bericht von der Hamburger Fachtagung 2012


Inhouse-Veranstaltungen


Eine Übersicht über mögliche Themen für Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:

 

Beispiele für Inhouse-Seminare

  14. Impressum

Die EBR-News werden herausgegeben von:

EWC Academy GmbH
Rödingsmarkt 52, D-20459 Hamburg
www.ewc-academy.eu

Verteiler der deutschsprachigen Ausgabe: 20.959 Empfänger
Verteiler der englischsprachigen Ausgabe: 3.721 Empfänger
Verteiler der französischsprachigen Ausgabe: 3.726 Empfänger

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